Eine Sendung von Jörg Marksteiner
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- Jakob Frei
- vor 8 Jahren
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1 1 NDR Info Das Forum Gewinnbringer a.d. Der Milliardenpoker um die Kraftwerke Eine Sendung von Jörg Marksteiner Atmo 1 Demonstration Das ist euer Tag! Ich bitte jetzt die Redner auf die Bühne! Die kleine Bühne steht im Schatten von zwei riesigen Kühltürmen. Auf dem Parkplatz vor dem Kohlekraftwerk stehen etwa 80 Mitarbeiter. Sie tragen blaue Arbeitshosen und dicken Jacken mit Reflektorstreifen. Die weißen Helme haben sie zur Seite gelegt. Der Vorsitzende des Betriebsrats ihrer Sparte spricht. Vor seinem Rednerpult hat jemand ein Plakat abgestellt. Es klingt selbstbewusst: Unser Job ist eure sichere Stromversorgung! ist darauf zu lesen. Atmo 2 Rede Betriebsrat von Bühne Liebe Kolleginnen und Kollegen, lasst uns gemeinsam kämpfen!... Lasst uns kämpfen für konventionelle Energieerzeugung für eine Energiewende mit Augenmaß! Und letztlich: für unsere Arbeitsplätze! Applaus Energiewende an diesem grauen Tag, auf dem tristen Kraftwerksparkplatz in Werne, am nördlichen Rand des Ruhrgebiets, hat der Begriff einen bedrohlichen Klang. Energiewende bedeutet hier, dass ihr Kohlekraftwerk seltener läuft und weniger Gewinn macht als früher. Wind und Sonne, sagen sie, machen der Anlage unfaire Konkurrenz. Atmo 3 Rede Betriebsrat von Bühne 1
2 2 Ausgerechnet unsere, für das Gelingen der Energiewende so wichtigen konventionellen Kraftwerken droht das wirtschaftliche Aus! Das ist pervers! Applaus Die Enttäuschung in der Belegschaft ist groß. Energiewende bedeutet für sie: Arbeitsplatzabbau. Die vier Erdgasblöcke des Werks sind schon seit 2012 eingemottet. In zwei Jahren will Betreiber RWE auch die Kohleverbrennung abschalten und das Kraftwerk dann stilllegen. O-Ton 1 Kraftwerksdirektor Das Gersteinwerk ist 1917 in Betrieb gegangen. ((Und wir hätten dann 2017),) also genau 100 Jahre später, wäre dann praktisch das Ende des Gersteinwerks gekommen. Ralf Heitmüller ist der Direktor des Kraftwerks. Er wird es sein, der hier nach einem Jahrhundert das Licht ausschaltet: O-Ton 2 Kraftwerksdirektor Ja, die Mitarbeiter sind natürlich schon sehr enttäuscht und können es natürlich kaum fassen, dass eine hundertjährige Geschichte hier zu Ende geht. Die Mitarbeiter sind teilweise in der dritten Generation hier. Und eine vierte Generation, die wird es dann leider nicht mehr geben. Und das ist natürlich bitter. Aber wir müssen halt mit der Energiewende leben. Wir müssen halt gucken, dass wir das Beste draus machen In den kommenden zwei Jahren werden 160 Stellen sozial verträglich gestrichen. 220 Mann waren sie noch vor drei Jahren werden 20 übrig bleiben, um die Anlage abzuwickeln. Atmo 4 Rede Betriebsrat von Bühne 2
3 3 Liebe Kolleginnen und Kollegen, ist das der Dank für jahrzehntelange Arbeit?! Das kann doch wohl nicht wahr sein! Demonstriert wird an diesem Tag trotzdem nicht gegen den Arbeitgeber. Sondern mit ihm. Das klingt seltsam - und fühle sich auch merkwürdig an, sagt Joachim Cramer. Als könnte er selbst nicht richtig glauben, was er da tut. Seit 32 Jahren ist er überzeugter Kraftwerker: O-Ton 3 Kraftwerksmitarbeiter Wenn wir früher so als Gewerkschafter, als Mitbestimmung auf die Straße gegangen sind, dann war es im Grunde genommen: Wir haben gegen diese Entscheidungen diskutiert. Das was jetzt momentan abspielt: Wir können nicht dagegen sprechen. Die haben Recht. Momentan haben sie Recht. Es ist das Geld nicht da, es wird nicht erwirtschaftet. Joachim Cramer klingt resigniert. Er weiß: Jedes vierte RWE-Kraftwerk erwirtschaftet nicht mal mehr seine Betriebskosten. Bei der Konkurrenz sieht es kaum anders aus. Jahrzehntelang waren die deutschen Großkraftwerke verlässliche, lukrative Einnahmequellen. Dann kam Ende der 90er Jahre zunächst die Liberalisierung des Strommarktes mit neuen Anbietern, später der massive Ausbau der erneuerbaren Energien. Wenn aber Windräder, Solaranlage, Biomassekraftwerken, Kohle, Atom und Gas gleichzeitig Strom erzeugen, gibt es oft mehr, als gebraucht wird. In solchen Momenten haben die Erneuerbaren Vorfahrt im Stromnetz. Das Überangebot drückt den Preis an der Börse bekamen die Versorger für jede erzeugte Megawattstunde Strom fast 50 Euro, 2008 waren es sogar über 80 Euro. Inzwischen sind es nur noch knapp über 30. Das reicht Atommeilern, um 3
4 4 Gewinne abzuwerfen. Auch Braunkohlekraftwerke und abgeschriebene, alte Kohleblöcke verdienen damit noch Geld. Dabei blasen sie allerdings besonders viel klimaschädliches CO2 in die Luft. Eine absurde Folge, über die alle in der Branche den Kopf schütteln: Die Regeln des Strommarktes führen dazu, dass neben den geförderten Wind-, Sonne- und Biomasse-Anlagen billige, C02-intensive Werke am Netz sind. Gaskraftwerke wären viel sauberer. Doch ihr Brennstoff ist fast doppelt so teuer wie Kohle. Ihr Betrieb lohnt sich nicht. Selbst neue, effizientere Steinkohlekraftwerke schaffen es kaum, so viel Geld zu erwirtschaften, um Personal und Investitionskosten zu bezahlen. Atmo 5 Rede Betriebsrat von Bühne Kolleginnen und Kollegen: Es muss Schluss damit sein, dass man so tut, als wäre die Energiewende ohne die konventionellen Kraftwerke möglich! Applaus So ähnlich klingt es an diesem Tag vor vielen deutschen Kraftwerkstoren. Die Gewerkschaft Verdi hat zu einem Aktionstag aufgerufen. Eine ungewöhnliche Koalition hat sich dabei zusammen gefunden: Arbeitgeber und Angestellte, Direktoren und Azubis, Gewerkschaften und Branchenverbände, Multis wie RWE und Eon sowie 300 große und kleine Stadtwerke mit eigener Erzeugung. Gemeinsam wollen sie politisch Druck machen. Mit einem Schlagwort, das auch in Berlin Gehör findet: Versorgungssicherheit! Atmo 6 Internetvideo Trianel Musik das nennen wir das Energiewende-Paradox! Ein Zeichentrick-Video auf Youtube soll Politiker und Verbrauchern den komplexen Zusammenhang erklären. Ins Netz gestellt hat ihn die Stadtwerkekooperation Trianel. 4
5 5 Atmo 7 Internetvideo Trianel, unterlegt mit leichter Musik Die Vergütung von Strom ist in Deutschland praktisch zweigeteilt: Auf der einen Seite stehen die erneuerbaren Energien. Sie dürfen ihren Strom immer einspeisen, wenn sie welchen produzieren. Auf der anderen Seite sorgen konventionelle Kraftwerke dafür, dass Strom immer und in ausreichender Menge zur Verfügung steht Dafür werden sie aber nicht bezahlt. sondern nur für ihre reine Stromproduktion. Mit einfachen Strichen skizziert das 3-minütigen Werbefilmchen eine klare Botschaft: Kohle- und Gaskraftwerke stehen bereit und springen ein, wenn es dunkel ist und windstill. Das reicht aber nicht, um auf Dauer rentabel zu sein. Also werden sie abgeschaltet. Genauso wie Altanlagen aus den 50er Jahren, die ihr wirtschaftliches Ende erreicht haben. Das sei aber eine Gefahr für die Zukunft: Atmo 8 Internetvideo Trianel, unterlegt mit leichter Musik Spätestens wenn das letzte Kernkraftwerk 2022 vom Netz geht, läuft Deutschland damit in eine Versorgungslücke Neue Kraftwerke sind also in absehbarer Zeit nötig, aber nicht mehr finanzierbar. Bestehende Gas-Kraftwerke werden stillgelegt. Die sicherere Versorgung mit Strom wird auf diese Weise unnötig gefährdet. Der Präsident der Bundesnetzagentur sieht das Problem. Jürgen Homann warnt aber vor Panikmache: O-Ton 6 Präsident Bundesnetzagentur Wir haben die Anmeldung von 48 Kraftwerksblöcken, das sind ja nicht Kraftwerke, sondern Teile von Kraftwerken, und es sind im Moment aktuell 11 davon, die wir als systemrelevant festgestellt haben, die also nicht abgeschaltet werden dürfen, die also in Bereitschaft gehalten werden müssen. Das liegt aber am schleppenden Ausbau der Stromnetze. Von einem flächendeckenden Blackout wegen fehlender Kraftwerke sei der Industriestandort Deutschland noch weit entfernt, beruhigt Deutschlands oberster Strom-Regulierer: 5
6 6 O-Ton 7 Präsident Bundesnetzagentur (Wir haben genug Strom in Deutschland, wir haben genug Strom in Europa. Wir haben mehr Strom als genug. Wir können ihn nur nicht dort hin transportieren, wo er gebraucht wird. Das Thema Versorgungssicherheit im Sinne von brauchen wir zusätzliche Kraftwerke stellt sich 2020 und danach, wenn die letzten Kernkraftwerke vom Netz gehen Aber wir müssen jetzt Entscheidungen treffen, weil eben die Vorläufe für Investitionen lang sind, die Planungszeiten, die Bauzeiten. Deswegen kann man nicht bis 2020 warten mit einer Entscheidung. Das Wirtschaftsministerium plant deshalb ein neues Gesetz. Seit Herbst läuft ein so genanntes Grünbuchverfahren. Alle Interessensgruppen können ihre Argumente, Bedenken und Konzepte vortragen, wie der neue Strommarkt, wie das Nebeneinander von alten und neuen Energien aussehen soll. Zwischen Ostern und Sommer will die Regierung auswerten und dann eine Empfehlung vorlegen. Wie die aussehen muss, ist für die Energieverbände schon heute völlig klar: Atmo 9 Internetvideo Trianel, unterlegt mit leichter Musik Um das Energiewende-Paradox aufzulösen, müssen wir also den Strommarkt neu gestalten. Diese Neugestaltung muss garantieren, dass konventionelle Kraftwerke als Rückversicherung bereit stehen. Wie es für jeden von uns eine Krankenversicherung gibt, braucht der Industriestandort Deutschland eine Versicherung für die Versorgungssicherheit. O-Ton 8 Staatssekretär Wirtschaftsministerium Also, die Grundidee besteht darin, dass eine zweite Einkommensquelle geschaffen wird für konventionelle Kraftwerke Rainer Baake ist Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium. Er leitet das Grünbuchprojekt. Insider sagen: Baake sei im Moment der eigentliche Organisator der Energiewende. Er kennt die Wünsche der Energieversorger genau: 6
7 7 O-Ton 9 Staatssekretär Wirtschaftsministerium.Sehr, sehr viele unterschiedliche Modelle, aber allen ist gemeinsam, dass für das Vorhalten von Kraftwerksleistung Geld fließt. Und das muss natürlich jemand bezahlen. In Deutschland wird das der Stromkunde sein. Zwischen zwei und 13 Milliarden Euro würde so eine Reserve, ein Leistungs- oder Kapazitätsmarkt, kosten, heißt es in wenn auch nicht unumstrittenen Studien des Wirtschaftsministeriums. In jedem Fall geht es um sehr viel Geld. Für das es sehr viele Interessenten gibt. Wie Eon-Chef Johannes Teyssen O-Ton 10 Chef Eon, Johannes Teyssen 2013 Um es klar zu sagen: Wir sind keine Spielverderber. Aber wir sind auch nicht die Lastesel der Energiewende. Es kann eben nicht sein, dass Jahr für Jahr immer mehr für Erneuerbare aufgewandt wird, während die Betreiber mit den Kosten systemrelevanter, effizienter Kraftwerke alleingelassen. werden. Das wird nicht funktionieren. RWE-Chef Peter Terium: O-Ton 11 RWE-Chef Terium Die Feuerwehr wird auch nicht allein für das Löschwasser bezahlt. Sie wird genauso dafür bezahlt, dass sie rund um die Uhr mit ihren Geräten in Bereitschaft ist. Dieses System wollen wir auch. Ich glaube, es ist gerecht. Für uns und für das System Energiemarkt in Deutschland. Für uns ist schon seit längerem Schluss mit lustig. Um es mal salopp zu formulieren. Wie ernst die Situation ist, sehen sie allein an einem Punkt: erstmals seit Gründung der Bundesrepublik, also erstmals seit mehr als 60 Jahren, schreiben wir wieder Verluste. Und zwar in Milliardenhöhe. 7
8 8 Der Hauptgeschäftsführer des Stadtwerkeverbands VKU, Hans-Joachim Reck, sorgt sich um die Millionenüberweisungen der kommunalen Energieerzeuger, mit denen Städte seit Jahrzehnten Nahverkehr, Schwimmbäder oder Bibliotheken finanzieren: O-Ton 12 VKU-Geschäftsführer Reck Natürlich sind die Finanzdaten der Stadtwerke, vor allem im Erzeugungsbereich, wo sie einfach Verluste auch wegstecken müssen, die sind natürlich angespannt. Die Energiewirtschaft, als Bestandteil von Stadtwerken, alleine kann jetzt nicht gewissermaßen der Goldesel zur Finanzierung der kommunalen Gebietskörperschaften sein. Die Zeiten sind in der Tat vorbei. Vorbei ist auch das Vertrauen der Kommunen in die Aussagen der Bundespolitik. Die hatten vor Jahren Mut gemacht: Statt trägen, alten CO2-Braunkohleschleudern brauche Deutschland dringend flexible Gaskraftwerke, die klimafreundlich sind und unabhängig von der Preisgestaltung der Energiemultis. Anlagen wie die in Hamm, südlich von Niedersachsen Atmo 10 Gaskraftwerk Maschinengeräusche So, wir müssen jetzt einmal hier die Treppe hoch, dass wir mal ein bisschen den Überblick über die Halle bekommen.. Martin Buschmeier steigt über Gitterstufen nach oben. Von der Galerie hat man den besten Blick auf die Gas- und Dampfturbine des ersten deutschen kommunalen Gemeinschaftskraftwerks. 27 städtische Unternehmen, darunter die Stadtwerke Osnabrück und die Energiegenossenschaft TEN aus Hagen am Teutoburger Wald. 450 Millionen Euro haben sie gemeinsam investiert, seit 2008 ist das Trianel- Gaskraftwerk am Netz. Atmo 11 Gaskraftwerk, Geschäftsführer Buschmaier 8
9 9 Vorteil einer GuD-Anlage, eines Gas- und Dampfturbinenkraftwerks, ist immer, dass mit deutlich geringeren CO2-Belastungen hier der Strom produziert werden kann sagt Geschäftsführer Martin Buschmaier. Atmo 12Gaskraftwerk, Buschmaier Also, man kann davon ausgehen, dass gegenüber der Braunkohle nur ein Drittel an CO2 produziert wird und gegenüber der Steinkohle etwa die Hälfte an CO2. Sauber, technisch effizient, schnell einzusetzen und zu regeln, um die Schwankungen beim Wind- und Sonnenstrom auszugleichen so war die Anlage gedacht. Dafür haben die Kommunen investiert. Doch der Lärm in der Maschinenhalle täuscht: Atmo 13 Gaskraftwerk, Buschmaier Nein, die Anlage läuft nicht. Das sind einfach nur noch mal verschiedene Pumpen, die auch im Stillstand weiterhin laufen. Ja, die Anlage läuft nicht, weil die Preise am Strommarkt derzeit so niedrig sind, dass wir nicht wirtschaftlich hier arbeiten würden sollen Verluste in zweistelliger Millionenhöhe aufgelaufen sein; Zeitungen schreiben von 50 Millionen Euro seit Inbetriebnahme. Die Zukunft? Ungewiss. Atmo 14 Gaskraftwerk, Buschmaier Natürlich ist man sich bewusst, wie man im Moment energiepolitisch steht. Aber wir gucken relativ optimistisch immer noch nach vorne und sagen: Gaskraftwerke sind der Partner der Energiewende. Und unter diesen Gesichtspunkten schauen wir auch weiter nach vorne und warten die Ergebnisse der nächsten Zeit auch ab. 9
10 10 Der Druck auf die Politik ist enorm: Klimaschutz, Arbeitsplätze, Kommunalfinanzen, Versorgungssicherheit es geht um viel beim Milliardenpoker um die Kraftwerke. Es ist die energiepolitische Entscheidung des Jahres. Eine Weichenstellung für Jahrzehnte. Ist sie womöglich schon getroffen? Atmo 15 Bahnhof Willkommen in Berlin-Hauptbahnhof. Ihre nächsten Anschlüsse:. Neujahrsempfang des Bundesverbands Erneuerbarer Energien ein Pflichttermin für die Öko-Energiebranche. Festrednerin ist erstmals seit sechs Jahren die Bundeskanzlerin. Atmo 15 Bundeskanzlerin, kurz Wir haben die Energiepolitik. 26 Minuten spricht Angela Merkel über Energiepolitik. Dann sagt sie in einem Nebensatz etwas, das Kraftwerksmanagern das Blut in den Adern gefrieren lässt: O-Ton 13 Bundeskanzlerin Ich teile Ihre Skepsis zu Kapazitätsmärkten, um das ausdrücklich zu sagen Applaus Hat sich die Kanzlerin bereits festgelegt? Haben die Schlagzeilen vom Hartz IV für Kraftwerke schon gewirkt? Der Vorwurf der Opposition: Die Regierung wolle die klimaschädlichen Großanlagen der Energiemultis subventionieren. 10
11 11 Einige Manager sagen hinter vorgehaltener Hand: Die Politik habe Angst. Millionen für Kraftwerksbetreiber, bezahlt von Verbrauchern, deren Strompreis seit Jahren steigt? Das sei Wählern nicht zu vermitteln, politisch nicht durchsetzbar. Deshalb schrecke auch der Wirtschaftsminister davor zurück. Atmo 14 Bundeskanzlerin, kurz Vielen Dank, Frau Bundeskanzlerin. Während Angela Merkel bei der Erneuerbaren-Branche aufgetreten ist, kommt es eine Woche später beim Treffen der klassischen Energiewirtschaft zu einem Eklat: Die traditionelle Eröffnung durch den Wirtschaftsminister sagt Sigmar Gabriel überraschend ab. Für ihn spricht in Berlin ebenso wie wenige Wochen später beim Führungstreffen der Energiewirtschaft in Essen sein Staatssekretär, Rainer Baake. Ein Grüner. Auch er lässt durchblicken, dass es die Feuerwehr-Bezahlung für Kraftwerke nicht geben wird O-Ton 14 Staatssekretär Baake Also, ich habe die eine oder andere Diskussion mit einem Bundestagsabgeordneten gehabt. Der hat mir gesagt: Also meine Stadtwerke, die schreiben rote Zahlen. Und da muss jetzt ein Strommarktdesign her, dass in den nächsten drei Jahren aus den roten Zahlen schwarze Zahlen werden. Wir werden kein Strommarktdesign schaffen wollen, dass dafür sorgt, dass Kraftwerke am Markt bleiben, die keiner braucht. Für den grünen Staatssekretär ist klar: Es wird eine Marktbereinigung geben, Kraftwerke werden schließen. Nötig sei nur eine kleine Notfall-Blackout-Reserve. Wenn es nämlich in fünf oder sieben Jahren wirklich zeitweise eine Stromknappheit geben sollte, würden die Strompreise nach oben schießen, meint Baake, von heute 30 Euro - zumindest für kurze Zeit - auf 300, 400 oder sogar Euro pro Megawattstunde. Dann würde es sich für Investoren wieder lohnen, neue Anlagen zu planen. Vorausgesetzt, die Politik traut sich, solche extremen Preise zuzulassen: O-Ton 15 Staatssekretär Baake 11
12 12 Also wenn man diesen anderen Weg geht, der nicht Kapazitätsmarkt heißt, sondern den wir jetzt Strommarkt 2.0 nennen, dann ist das ein Markt, der nur funktionieren kann, wenn in der Tat dafür gesorgt wird, dass Strompreissignale unverfälscht bei Produzenten und auch bei Nachfragern ankommen können. Und sich die Politik committed, und zwar per Gesetz sich committed, nicht in diesen Preismechanismus einzugreifen. Daran zweifeln Investoren, obgleich Verbraucherschützer ihr Einverständnis signalisieren, weil stundenweise Extrempreise für Haushalte übers Jahr kaum ins Gewicht fallen würden. O-Ton 16 Staatssekretär Baake Ich kann nicht sagen, wo diese Diskussion am Ende rausgehen wird. Ich sage nur eins: Wenn wir uns nicht klar entscheiden, werden wir Murks produzieren, der nicht funktionieren kann. Und das können wir uns nicht leisten. Noch vor den Sommerferien des Bundestags soll eine Vorentscheidung fallen. Wie sie auch ausfällt, für die Kraftwerker im Gersteinwerk in Werne kommt sie wohl so oder so zu spät. Daran, dass sich ihre Gas- und Kohleblöcke in eine neue, lukrativere Zeit retten können, glaubt Joachim Cramer nicht. O-Ton 18 Kraftwerksmitarbeiter Es bricht eine Welt zusammen. Ich bin damals 83 angefangen. da konnte man gar nicht genug Gläser Sekt darauf trinken, dass man hier mal anfangen konnte. Darüber ging man in Rente und hat auch noch versucht, die Kinder dann unterzubringen. Dieses Kapitel ist abgeschlossen. X X X 12
13 13 Zur Verfügung gestellt vom NDR Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für private Zwecke des Empfängers benutzt werden. Jede andere Verwendung (z. B. Mitteilung, Vortrag oder Aufführung in der Öffentlichkeit, Bearbeitung, Übersetzung) ist nur mit Zustimmung des Autors zulässig. Die Verwendung für Rundfunkzwecke bedarf der Genehmigung des NDR. 13
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