Minijobs - Solo-Selbständigkeit - Leiharbeit: Was kann die Arbeitsmarktpolitik leisten - und was kann sie von Europa lernen? Dr.
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- Til Holzmann
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1 Minijobs - Solo-Selbständigkeit - Leiharbeit: Was kann die Arbeitsmarktpolitik leisten - und was kann sie von Europa lernen? WSI-Herbstforum 2013 Aufbruch statt Abbruch in Europa - Beschäftigung, soziale Sicherheit und industrielle Beziehungen in einem neuen Europa am 27./28. November 2013 im Estrel-Hotel in Berlin Dr. Claudia Weinkopf
2 Gliederung 1. Daten, Fakten und Hintergründe zu Minijobs Solo-Selbständigkeit Leih-/Zeitarbeit 2. Was kann (und soll) die Arbeitsmarktpolitik leisten? 3. Was lässt sich diesbezüglich von anderen europäischen Ländern lernen? 4. Fazit
3 Juni Juni Juni Juni Juni Juni Juni Juni Juni Juni Juni Juni Juni Juni Entwicklung der geringfügigen Beschäftigung gesamt ausschließlich Minijob Nebenjob Frauenanteil 62,5% % ,7% Quelle: Eigene Darstellung nach BA 2013
4 Neuere empirische Befunde (1) Extrem hoher Anteil von Niedriglöhnen bei Minijobs (IAQ und Statistisches Bundesamt) Die gewünschte Arbeitszeit der geringfügig Beschäftigten liegt im Durchschnitt deutlich über der tatsächlichen Arbeitszeit (mehrere Studien u.a. IAB, IAQ, DIW) Befragungen von Beschäftigten und Betrieben bestätigen zahlreiche Benachteiligungen der Beschäftigten in Minijobs (RWI 2012)
5 Befragungsergebnisse zu Arbeitnehmerrechten Befragung Bezahlter Urlaub Nicht möglich Weiß nicht/ k.a. Lohnfortzahlung bei Krankheit Nicht möglich Weiß nicht/ k.a. Bezahlung von Feiertagen Nicht möglich Weiß nicht/ k.a. Beschäftigte 41,5% 26,1% 38,7% 34,6% 43,3% 36,3% Betriebe 31,2% 11,1% 25,6% 10,7% 40,3% 13,3% Quelle: Eigene Darstellung nach RWI 2012
6 Neuere empirische Befunde (2) Minijobs entfalten eine schnell einsetzende und hohe Klebewirkung und keine Brückenfunktion Frauen, die einmal in einem Minijob waren, finden nur zu einem geringen Teil den Übergang in reguläre sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse (Wippermann 2012)
7 Selbständige in ausgewählten Ländern Selbständigenquote Anteil Solo-Selbständige ,7 77,9 71,1 73,5 81,8 73, ,1 59, , , , , ,2 11,7 11,6 9,1 8,4 7 0 Quelle: Eigene Darstellung nach Brenke 2013
8 Zahl der (Solo-)Selbständigen, Aus: Brenke 2011
9 Geförderte Selbständigkeit, Aus: IAB-Präsentation
10 Besonderheiten der Solo-Selbständigen Im Ländervergleich sehr geringer Anteil gering Qualifizierter, hoher Anteil mit akademischen Abschluss Frauenanteil mit 37% (2011) deutlich höher als bei anderen Selbständigen (24%) Teilzeit-Selbständigkeit gewinnt an Bedeutung (2011: ca. ein Drittel) Große Spreizung der Einkommen, im Ø geringer als bei abhängig Beschäftigten Überdurchschnittlicher Niedriglohnanteil: 31% (2011) Quelle: Brenke 2013
11 Niedriglohnanteile (Stundenverdienst) im Zeitverlauf, Aus: Brenke 2013
12 April Juli Oktober April Juli Oktober April Juli Oktober April Juli Oktober April Juli Oktober April Juli Oktober April Juli Oktober April Juli Oktober April Juli Oktober April Juli Oktober Zahl der Zeitarbeitskräfte, Quelle: Eigene Darstellung nach Bundesagentur für Arbeit 2013
13 Mai September Mai September Mai September Mai September Mai September Mai September Mai September Mai September Mai September Mai September Mai September Mai September Mai September Zeitarbeitskräfte nach Geschlecht, Frauen Männer Quelle: Eigene Darstellung nach Bundesagentur für Arbeit 2013
14 Zwischenfazit Alle drei Beschäftigungsformen haben in den letzten Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen Begünstigt und gefördert wurde dies durch die Arbeitsmarktreformen 2003/2004 Minijobs: Erhöhung der Geringfügigkeitsgrenze, Wegfall der Arbeitszeitbegrenzung, keine Abgaben für Nebenjobs Solo-Selbständigkeit: arbeitsmarktpolitische Förderung von Ich-AG s Leiharbeit: Lockerung zahlreicher Beschränkungen Die Verdienstchancen sind unterdurchschnittlich und die Anteile von Niedriglöhnen vor allem bei Minijobs und Leiharbeit extrem hoch
15 Niedriglohnanteil und Ø Stundenlohn, 2010 Niedriglohnanteil Ø Stundenlohn Minijobs* 84,3% 8,19 Leiharbeit 67,7% 8,91 Befristet 33,5% 12,06 Atypisch gesamt 49,8% 10,36 Normalarbeitsverhältnis (unbefristet, > 20 Wochenstunden, keine Leiharbeit) Zum Vergleich 10,8% 17,09 Solo-Selbständige 31% 12,70 (Median) * Nur ausschließlich geringfügig Beschäftigte (nicht in Ausbildung) Quelle: Statistisches Bundesamt 2012 und Brenke 2013 (Solo-Selbständige)
16 Was kann (und soll) die Arbeitsmarktpolitik leisten? In der Vergangenheit hat die Arbeitsmarktpolitik offenbar erfolgreich dazu beigetragen, die Ausweitung atypischer Beschäftigung zu fördern Für die Zukunft stellt sich die Frage: Was könnte die Arbeitsmarktpolitik in diesem Kontext leisten? Vor allem bei Minijobs und Leih-/Zeitarbeit sollte es hierbei vor allem darum gehen, die Brückenfunktion zu stärken Qualität und Nachhaltigkeit der Beschäftigung müssten generell stärker in den Fokus genommen werden Zur Deckung des Fachkräftebedarfs sind bislang un- bzw. untergenutzte Potenziale zu erschließen
17 Was könnte die Arbeitsmarktpolitik leisten? Strategische Schwerpunkte setzen Berücksichtigung der Qualität und Nachhaltigkeit der Integration statt work first Zumutbarkeitskriterien für Vermittlungen in atypische Beschäftigung definieren Z.B. Freiwilligkeit und Mindeststandards bezogen auf Arbeitszeit Bezahlung Existenzsicherung/Mindestbedarf Nachhaltigkeit der Integration
18 Was könnte die Arbeitsmarktpolitik leisten? Aufstiegsmobilität fördern und unfreiwillig in Minijobs, Teilzeit oder Leiharbeit Beschäftigte gezielt unterstützen Bei der Ausweitung der Arbeitszeit bzw. beim Wechsel in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung Beim Übergang aus der Leiharbeit in feste Beschäftigung bei einem Unternehmen Flankierung durch Qualifizierungsmaßnahmen und Beratung von Arbeitgebern Auf Qualität der Arbeitsbedingungen und die Einhaltung von Arbeitnehmerrechten achten Auch bei Erbringung von Dienstleistungen für Unternehmen
19 Was kann man von anderen Ländern lernen? Diese Frage lässt sich auf mindestens drei Ebenen beziehen (1) Instrumente und Zielrichtung der Arbeitsmarktpolitik im engeren Sinne (2) Regulierung atypischer Beschäftigungsformen (3) grundlegende Orientierung der wohlfahrtsstaatlichen Regelungen und zugrunde liegendes Geschlechter- Arrangement
20 Was kann man von anderen Ländern lernen? Minijobs (a) Die meisten anderen Länder haben keine den Minijobs vergleichbare Regelung und auch kein Ehegattensplitting Im Unterschied zu Deutschland also keine besonderen Anreize für kurze Teilzeit Einige Länder bieten (bestimmten Gruppen) sogar explizite Anreize für längere Teilzeit z.b. Anspruch auf tax credits o.ä. nur bei Wochenarbeitszeiten oberhalb einer bestimmten Mindestgrenze von z.b. 20 Stunden
21 Was kann man von anderen Ländern lernen? Minijobs (b) Solange es keine Abschaffung der Sonderregelungen für Minijobs gibt, müssen Übergänge gezielt gefördert werden Modellprojekte und Aktivitäten von Jobcentern zeigen konkrete Ansatzpunkte auf Beratung von Betrieben und Beschäftigten, um Minijobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse umzuwandeln teilweise unterstützt durch zeitlich befristete Lohnkostenzuschüsse
22 Was kann man von anderen Ländern lernen? Leih-/Zeitarbeit (a) Bei der Leiharbeit haben zahlreiche andere Länder klare Equal Pay-Vorgaben In Deutschland hingegen i.d.r. Entlohnung nach Tarifvertrag der Zeitarbeitsbranche Branchenzuschläge bei längeren Einsätzen in manchen Bereichen EU-Richtlinie sieht zeitlich befristete Einsätze in einem Betrieb ( vorübergehend ) vor In Deutschland hingegen seit Jahren keinerlei Vorgaben zur Höchstüberlassungsdauer mehr (begünstigt strategische Dauernutzung)
23 Was kann man von anderen Ländern lernen? Leih-/Zeitarbeit (b) Agentur- vs. Unternehmensprinzip In manchen anderen Ländern werden verleihfreie Zeiten grundsätzlich nicht vergütet ( Agenturprinzip ) In Deutschland übernimmt das Zeitarbeitsunternehmen die Arbeitgeberfunktion Offen: Macht dies in der Praxis tatsächlich (noch) einen (erkennbaren) Unterschied? Z.B. Prekaritätsprämie in Frankreich vs. erweiterte Befristungsmöglichkeiten und kurze Kündigungsfristen in Deutschland Falls kaum noch Unterschiede bestehen, müsste auch in Deutschland der Equal Pay-Grundsatz uneingeschränkt gelten
24 Was kann man von anderen Ländern lernen? Solo-Selbständigkeit Weniger beitragsorientierte Alterssicherungssysteme verringern die Risiken von Phasen der Selbständigkeit (oder auch Erwerbsunterbrechungen bzw. Teilzeitphasen) Allerdings liegt die Höhe der Renten in solchen Systemen meist auf einem vergleichsweise niedrigen Mindestniveau In Deutschland ist die enge Koppelung von Beiträgen, Versicherungsjahren und Rentenhöhe nach wie vor populär und prägend
25 Fazit (1) Politischer Handlungsbedarf auf der Regulierungsebene besteht vor allem bei den Minijobs Aber die Politik ist nach wie vor sehr zögerlich, die Sonderregelungen abzuschaffen Im Koalitionsvertrag sind lediglich eine bessere Information der Beschäftigten über ihre Rechte und (sehr allgemein) die Förderung von Übergängen vorgesehen Bei der Leih-/Zeitarbeit sind Änderungen bei der Höchstverleihdauer und der Bezahlung geboten Koalitionsvertrag sieht rechtliche Änderungen vor: Equal Pay nach spätestens neun Monaten und Höchstverleihdauer von 18 Monaten
26 Fazit (2) Änderungsbedarf bei der Solo-Selbständigkeit liegt weniger klar auf der Hand So ist z.b. umstritten, ob es überhaupt eine Förderung von Existenzgründungen im Rahmen der Arbeitsmarktpolitik geben sollte Verbesserungsbedarf wird darüber hinaus bei der sozialen Absicherung von (Solo-)Selbständigen gesehen insbesondere bei der Altersvorsorge (IAB-Kurzbericht 23/2012)?
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