Heb. 12,12-15a Predigt am 2.S.n.Epiphanias, in Landau

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1 Heb. 12,12-15a Predigt am 2.S.n.Epiphanias, in Landau Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen. 12 Darum stärkt die müden Hände und die wankenden Knie 13 und macht sichere Schritte mit euren Füßen, damit nicht jemand strauchle wie ein Lahmer, sondern vielmehr gesund werde. 14 Jagt dem Frieden nach mit jedermann und der Heiligung, ohne die niemand den Herrn sehen wird, 15 und seht darauf, dass nicht jemand Gottes Gnade versäume Lasst uns beten: Herr, segne dein Wort an uns allen. Amen. Ich bin dann mal weg! In seinem Buch mit diesem inzwischen zum geflügelten Wort gewordenen Titel beschreibt Hape Kerkeling seine Erlebnisse auf dem Jakobsweg. Vor ihm, neben ihm und nach ihm machten und machen unzählige Pilger ähnliche Erfahrungen auf dem Weg nach Santiago de Compostela. Sie brechen auf mit großen Erwartungen, sind gespannt auf die Begegnungen mit Menschen, Städten und Landschaften, erleben ihre Grenzen, sind nahe dran, aufzugeben und manche geben auf sind euphorisch oder auch enttäuscht, weil es nicht so läuft wie erhofft, erleben Höhen und Tiefen, Hoffnungen und Zweifel. Manchmal wird auch das Leben eines Christen beschrieben als ein Pilgerweg. Und das ist wohl auch nicht so weit hergeholt. Denn wir sind ja auch unterwegs durch diese Welt auf ein Ziel hin. Wir haben 1

2 hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir. 1 So heißt es nur wenige Verse nach unserem heutigen Predigtabschnitt. Der Unterschied ist: Wir sind dann nicht einfach mal weg. Unser Pilgerweg findet nicht auf einsamen Wegen statt, nicht außerhalb unserer alltäglichen Lebenswirklichkeit. Christsein ist auch nicht Urlaub unter etwas erschwerten Bedingungen. Sondern wir gehen unseren Pilgerweg in unserer ganz normalen, alltäglichen Welt. Abgesehen von diesem nicht unwesentlichen Unterschied hat das Pilgern auf einem Pilgerweg ganz viele Gemeinsamkeiten mit unserem normalen Christenleben: Hier wie da Höhen und Tiefen, beglückende Begegnungen und Enttäuschungen, Hoffnung und Zweifel, an die Grenzen kommen, nicht mehr weiter wissen oder weiter können und manche geben auf, kommen nicht ans Ziel. Manche wollen auch gar nicht ans Ziel kommen. Ihnen reicht es schon, nur ein kleines Stück mit zu pilgern. So irgendwie nach dem olympischen Gedanken: Dabei sein ist alles! Doch bei allen Ähnlichkeiten ist vielleicht dies der wesentliche Unterschied des Christseins zum Pilgern auf dem Jakobsweg oder anderen Pilgerpfaden: Nicht das Ziel ist das Ziel, und auch nicht der Weg ist das Ziel, schon gar nicht nur ein kleines Stück des Weges, sondern auf dem Weg zum Ziel geht das Ziel schon immer mit. Denn Christus ist als Anfang, Ziel und Ende in unserer Mitte. Auf dem Weg ist er, die Wahrheit und das Leben schon immer mit uns. Auf ihn schauen wir, wenn wir schöne Erfahrungen machen. Ihn bitten wir um Kraft, wenn wir nicht mehr weiter wissen. Und ihn loben wir, ihm danken wir, wenn wir neuen Mut bekommen, weiter zu gehen und auch Lasten auf uns zu nehmen oder Schmerzhaftes zu ertragen. Lasst uns laufen mit Geduld in dem Kampf, der uns bestimmt ist und aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des 2 1 Heb. 13,14

3 Glaubens 2 heißt es nur wenige Verse vor unserem Predigtabschnitt. Lasst uns aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens das ist sozusagen die Überschrift zu all den Aussagen, die dann gemacht werden. Wir wollen sie mal Stück für Stück durchgehen. Bitte, liebe Schwestern und Brüder, dreht dazu das Gottesdienstblatt um und lest mal mit. Wer mag die Verse 12 und 13 vorlesen? ---- Wie macht man das, müde Hände zu stärken und sichere Schritte zu gehen? (mögliche Antworten aus der Gemeinde:..) Ja, da musst du mal dem anderen die Hand geben, ihn bei der Hand nehmen, ihn stützen und vorsichtig aber bestimmt helfen, wieder zu laufen. Wenn jemand müde geworden ist im Glauben, dann könnte man ihn ja auch einfach liegenlassen und denken: ich muss selber sehen, wie ich klarkomme. Oder: was geht mich der andere mit seinen Problemen und Schwächen eigentlich an? Nun, liebe Schwestern und Brüder, wenn wir aufsehen auf Jesus, dann geht das einfach nicht mehr. Denn erstens hat er nicht weggesehen, als er das Elend anderer wahrgenommen hat, sondern er hat eingegriffen und geholfen. Und zweitens hat er gesagt: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan! 3 In diesen Schwachen, vielleicht gerade auch im Glauben schwachen Schwestern und Brüdern kommt Jesus selbst in unser Blickfeld! Und an IHM wollen wir doch wohl nicht einfach vorbei sehen, oder? Also aufhelfen und zurecht helfen. Das ist so ähnlich wie bei der Reha: nach einer Hüft-Operation etwa bleibt der Kranke ja auch nicht liegen. Man schon ihn nicht. Sondern: man hilft ihm wieder auf die 2 Heb. 12,1c-2a 3 Mth. 25,40 3

4 Beine und erwartet, dass er so bald wie möglich wieder allein gehen kann. So sollen wir auch dem geistlichen Patienten aufhelfen, den den toten Punkt zu überwinden; im Aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens, der ja auch den toten Punkt überwunden hat in der Auferstehung von den Toten. Vielleicht muss man einen Christen, der müde und schwankend geworden ist in seinem Glauben auch bei der Hand nehmen wie ein kleines Kind, bis er es wieder wagen kann, ohne fremde Hilfe zu gehen. So wie bei Paul unserem kleinen Enkel: Am Anfang war er noch sehr wackelig auf seinen Füßen. Und dann hat er mit seiner kleinen Hand meinen Finger umklammert und ist losgegangen, ja richtig losgerannt mit seinen kleinen Beinchen. Voll im Vertrauen, dass der große Mann ihn schon nicht los- und fallen lässt. Lasst uns so einander bei der Hand nehmen und im Frieden wieder zurechtbringen! 12 Darum stärkt die müden Hände und die wankenden Knie 13 und macht sichere Schritte mit euren Füßen, damit nicht jemand strauchle wie ein Lahmer, sondern vielmehr gesund werde. --- Nun, liebe Gemeinde, zu den nächsten Versen unter der Überschrift Lasst uns aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens Wer mag die Verse 14 15a lesen? Was sagt das über den Frieden aus, wenn wir aufgefordert werden, ihm nachzujagen oder um es mit einer anderen Wortbedeutung zu sagen: ihn zu verfolgen? (mögliche Antworten aus der Gemeinde:..) Der Friede ist sozusagen eine flüchtige Angelegenheit. Friede kommt nicht von allein, und er bleibt auch nicht, wenn wir uns nicht um ihn mühen. Das gilt nicht nur für den politischen Bereich, nicht nur für die Gesellschaft, sondern auch für die die Kirchen und ihr Verhältnis 4

5 untereinander, für jede einzelne christliche Gemeinde und auch für jede Familie, für jede Beziehung, für das Verhältnis unter den Schwestern und Brüdern einer Gemeinde. Denn auch als Christen sind und bleiben wir sündige Menschen. In uns steckt Streit und Neid und Missgunst und Unversöhnlichkeit. Wenn wir dem nachgeben, dann versäumen wir die Gnade Gottes, wie wir eben gehört haben, oder anders gesagt: dann fallen wir hinter die Gnade Gottes zurück, dann tun wir so, als gäbe es die Gnade nicht, die Gott uns doch geschenkt hat. Darum: Lasst uns aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens... und jagt der Heiligung nach, ohne die niemand den Herrn sehen wird. Frage: Was verstehst du unter Heiligung? (mögliche Antworten aus der Gemeinde:..) Heiligung ist ein schwieriger Begriff, ein oft missverstandenes Wort. Manche denken: So, jetzt krempel mal die Ärmel hoch und strenge dich an! Halte die Gebote und führe ein heiliges Leben, damit du Gott gefällst und er dich dann annehmen kann. Demnach wäre ein heiliges Leben die Voraussetzung dafür, dass Gott einem Menschen seine Gnade schenkt. Doch in Wahrheit ist es genau umgekehrt: Heiligung ist nicht die Voraussetzung des Christ-Seins, sondern: Heiligung ist vielmehr die Konsequenz, die Folge des Christ-Seins. Denn geheiligt bin ich durch Gott, der mich in seine Gemeinschaft berufen hat. Und zwar schon durch meine Taufe, bevor ich überhaupt etwas tun konnte! Diese Heiligung ist die Gabe Gottes an mich. Daraus aber folgt für mich die Aufgabe, dieser Gabe Gottes im täglichen Leben immer mehr zu entsprechen. Und zwar nicht aus eigener Kraft, sondern im aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens. 5

6 Eine fromme Christin hat einmal gesagt: Heiligung ist das Sichtbarwerden des ständig in uns wohnenden Jesus Christus. 4 Diese Frau, sie heißt Corrie ten Boom, vielleicht ist sie einigen bekannt, hat die Heiligung mit einer Bergtour verglichen. Es gilt, besonnen einen Schritt vor den anderen zu setzen und so den Weg unter die Füße zu nehmen. Der Weg zum Gipfel ist ein Prozess, der nicht immer einfach ist. So ist auch das Leben im Glauben an Jesus Christus ein Prozess. Es verändert sich, reift heran durch das Überwinden mancher Schwierigkeiten aber auch durch manchen grandiosen Ausblick. Entscheidend ist immer die Blickrichtung: Wenn wir allein auf unseren Glauben, auf unsere Erfahrung, auf unsere Kraft blicken werden wir verzweifeln, weil wir da oft nur das sehen, was beim Alten bleibt. Wenn wir auf die tiefen Täler und Abgründe blicken, wird uns schwindlig. Unser Blick muss auf Jesus Christus gerichtet sein. Dann ängstigen uns die Schluchten nicht, die Abgründe oder auch das, was uns nicht gelungen ist. Also, liebe Schwestern und Brüder, lasst uns aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens. Mit ihm als Ziel sind wir unterwegs. Und mit ihm auf dem Weg erreichen wir das Ziel auf unserem Pilgerweg. Im ganz alltäglichen Leben. Darum nicht: Ich bin dann mal weg. Sondern: Wir sind dann mal da! In Jesu Namen. Amen. Und der Friede Gottes, der höher ist als alle menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und sinne in Christus Jesus. Amen. 6 4 Corrie ten Boom in: Wie er uns trägt, S. 56