5. Phrasenstruktur. Gereon Müller. Institut für Linguistik Universität Leipzig. muellerg
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1 5. Phrasenstruktur Gereon Müller Institut für Linguistik Universität Leipzig muellerg Gereon Müller (Institut für Linguistik) : Syntax 24. April / 27
2 Struktur von Phrasen Erste Verkettung: Komplemente (1) Maximale und minimale Projektionen: a. Projektionen, die keine C-Selektionsmerkmale (Subkategorisierungsmerkmale) haben, die überprüft werden müssen, sind maximal. Maximale Projektionen heißen auch Phrasen; das wird oft abgekürzt als XP oder X max (also: NP, VP, PP, AP, etc.). b. Projektionen, die nur aus einem lexikalischen Element (Wort) bestehen, sind minimal; das wird oft auch geschrieben als X min (also N min, V min, etc.), oder als X 0. Gereon Müller (Institut für Linguistik) : Syntax 24. April / 27
3 Beispiele (2) Beispiele: a. Peter minimal, maximal b. to minimal, nicht maximal c. to Peter nicht minimal, maximal d. letters minimal, (nicht maximal) e. letters to Peter nicht minimal, maximal? V (3) burn [V,uN,...] NP letters [N,uP] PP to [P,uN] Peter [N] Gereon Müller (Institut für Linguistik) : Syntax 24. April / 27
4 Komplement Bemerkung: Dies ist eine Kopf-Komplement-Struktur (head-complement structure). Hier ist letters to Peter das Komplement des Kopfes burn. (4) Komplement: Eine Phrase (maximale Projektion), die als erstes mit einem Kopf verkettet wird und also Schwester einer X min -Kategorie ist, heißt Komplement. Gereon Müller (Institut für Linguistik) : Syntax 24. April / 27
5 Linearisierung (5) Linearisierung: a. Im Englischen (Französischen, Arabischen, Gälischen) steht ein Komplement rechts vom Kopf, der es selegiert. b. Im Japanischen (Koreanischen, Türkischen) steht ein Komplement links vom Kopf, der es selegiert. c. Im Deutschen ist wie gesehen die Situation etwas komplizierter, und erfordert einen Bezug auf natürliche Klassen von Kategorien: Das Komplement einer [ V]-Kategorie (Nomen, Präposition) steht rechts vom Kopf, das Komplement einer [+V]-Kategorie (Verb, Adjektiv) steht links vom Kopf. Gereon Müller (Institut für Linguistik) : Syntax 24. April / 27
6 VO vs. OV (6) Japanische Verben und Nomina: a. Hanako ga Taro o tataku Hanako subj Taro obj schlagen Hanako schlägt Taro. b. buturigaku no gakusei physics gen student the student of physics Terminologie: (i) Ein Komplement von Verben heißt auch Objekt. (ii) Sprachen, in denen ein Objekt rechts vom Verb steht, heißen auch VO-Sprachen. (iii) Sprachen, in denen ein Objekt links vom Verb steht, heißen auch OV-Sprachen. Gereon Müller (Institut für Linguistik) : Syntax 24. April / 27
7 Spezifikator Zweite Verkettung: Spezifikatoren (7) Paul burns letters to Peter. (8) VP Paul [N] V [un] burn [V,uN,uN] NP letters [N,uP] PP to [P,uN] Peter [N] Gereon Müller (Institut für Linguistik) : Syntax 24. April / 27
8 Beispiel: Spezifikator und Komplement Beobachtung: burn ist ein transitives Verb, das zwei Theta-Rollen Θ 1, Θ 2 in seinem Theta-Raster hat. Dem entsprechen zwei Subkategorisierungsmerkmale [un], [un]. Nach Verkettung mit dem Komplement (letters to Peter) bleibt noch ein Subkategorisierungsmerkmal übrig. Dies wird vom Kopf burn an den Mutterknoten projiziert. Unter Schwesternschaft mit Paul wird dieses zweite Subkategorisierungsmerkmal dann überprüft und getilgt. Gereon Müller (Institut für Linguistik) : Syntax 24. April / 27
9 Zwischenprojektionen Bemerkung: Es gibt also noch Konstituenten, die bzgl. Größe zwischen maximalen Projektionen (Phrasen, XPs) und minimalen Projektion (lexikalischen Einheiten) liegen. Diese heißen intermediäre Projektionen (intermediate projections; auch: Zwischenprojektionen; bar-level projection). Abgekürzt wird das oft als X oder als X (deshalb: bar). Gereon Müller (Institut für Linguistik) : Syntax 24. April / 27
10 Definition des Spezifikators (9) Spezifikator: Eine Phrase (maximale Projektion), die als zweites mit einem Kopf verkettet wird und also Schwester einer X -Kategorie ist, heißt Spezifikator. (10) Linearisierung: a. Im Englischen (Deutschen,...) steht ein Spezifikator links vom Kopf, der ihn selegiert. b. Im Madagassischen (Malagasy) steht ein Spezifikator (möglicherweise) rechts vom Kopf, der ihn selegiert. (11) Spezifikator im Madagassischen: Manasa lamba ho an ny ankizy ny lehilahy präs.waschen Kleider für akk die Kinder der Mann Der Mann wäscht Kleider für die Kinder. Gereon Müller (Institut für Linguistik) : Syntax 24. April / 27
11 Adjunktion Adjunkte (12) Ein Adjunkt: Anson demonized David every day. (13) Weitere Adjunkte: a. Anson demonized David at the club. b. Anson demonized David almost constantly. c. Anson very happily demonized David. (14) Adjunkt: Ein Adjunkt ist eine Konstituente, die nicht über eine durch Subkategorisierungsmerkmale getriebene Verkettungsoperation in den Satz gelangt. Gereon Müller (Institut für Linguistik) : Syntax 24. April / 27
12 Adjunktion als syntaktische Operation Bemerkung: (i) Adjunkt beschreibt wie Komplement, Spezifikator strukturelle Gegebenheiten im Satz. (ii) Adjunkt bezieht sich nicht auf spezielle Kategorien; Adjunkte sind in vielen Kategorien möglich (NP, PP, und nicht zuletzt: Adv(erb)-P. Adverbien werden üblicherweise aus Adjektiven gebildet (im Englischen durch Anhängen von ly). Annahme: Adjunkte kommen nicht durch Verkettung (Merge), sondern durch eine zweite Struktur-aufbauende Operation in den Satz: Adjunktion (Adjoin). Adjunktion muss nicht durch C-Selektions- (oder sonstige) Merkmale ausgelöst werden; diese Operation adjungiert eine Phrase an eine andere Phrase. Gereon Müller (Institut für Linguistik) : Syntax 24. April / 27
13 Adjunktion in der Phrasenstruktur (15) XP ZP X X XP YP WP Bemerkung: In (15) gilt: WP = Adjunkt ZP = Spezifikator YP = Komplement Gereon Müller (Institut für Linguistik) : Syntax 24. April / 27
14 Adjunktion und Linearisierung 1 Annahme: Adjunktion muss nicht mit fester Linearisierung einhergehen (anders als Verkettung). (16) Kiss Anson quickly! (17) VP VP quickly e V kiss Anson Gereon Müller (Institut für Linguistik) : Syntax 24. April / 27
15 Adjunktion und Linearisierung 2 (18) Quickly kiss Anson! (19) VP quickly VP e V kiss Anson Gereon Müller (Institut für Linguistik) : Syntax 24. April / 27
16 Probleme 1 (20) Ein Problem: Adjunkte innerhalb von Phrasen? Julie quickly answered the question. Bemerkung: Dieses Problem wird im nächsten Kapitel gelöst werden; hier spielt ein dritter Typ von Strukturaufbau eine Rolle, nämlich Bewegung (Move). Gereon Müller (Institut für Linguistik) : Syntax 24. April / 27
17 Probleme 2 (21) Noch ein Problem: Reihenfolge der Merkmalsüberprüfung? John likes Mary. Bemerkung: 1 Klar ist, dass (21) nur so verstanden werden kann, dass John die Theta-Rolle Agens hat, Mary die Theta-Rolle Patiens; und nicht umgekehrt. 2 Wenn aber die auf der Basis der Theta-Rollen notwendigen beiden Subkategorisierungsmerkmale in beliebiger Reihenfolge überprüfbar sind, dann sollte (21) auch so verstanden werden können, dass Mary Agens ist und John Patiens. Gereon Müller (Institut für Linguistik) : Syntax 24. April / 27
18 Ein zentrales Konzept der Syntax C-Kommando (Wir vergessen die sowohl relativ komplexe als auch dennoch empirisch in Teilen problematische Definition von C-Kommando aus dem Modul 1001 und nehmen eine neue Definition an, die sowohl einfach als auch weitestgehend empirisch unproblematisch ist.) (22) C-Kommando (constituent-command): Ein Knoten α c-kommandiert einen Knoten β genau dann, wenn (a) oder (b) gilt: a. β ist die Schwester von α. b. β ist in der Schwester von α enthalten. Gereon Müller (Institut für Linguistik) : Syntax 24. April / 27
19 Beispiel: C-Kommando-Beziehungen (23) Abstraktes Beispiel: A B C D E F G H I Gereon Müller (Institut für Linguistik) : Syntax 24. April / 27
20 C-Kommando: Reflexivierung 1 Reflexivierung (24) a. I shaved myself. b. *Myself shaved me. (25) Reflexiv-Generalisierung: Ein Reflexivpronomen muss mit einem anderen Ausdruck (seinem Antezedens) koreferent sein (dies impliziert: dieselben Φ-Merkmale haben). Gereon Müller (Institut für Linguistik) : Syntax 24. April / 27
21 C-Kommando: Reflexivierung 1 Reflexivierung (24) a. I shaved myself. b. *Myself shaved me. (25) Reflexiv-Generalisierung: Ein Reflexivpronomen muss mit einem anderen Ausdruck (seinem Antezedens) koreferent sein (dies impliziert: dieselben Φ-Merkmale haben). (26) Reflexiv-Generalisierung (revidiert, mit C-Kommando): Ein Reflexivpronomen muss mit einem c-kommandierenden Ausdruck koreferent sein. Gereon Müller (Institut für Linguistik) : Syntax 24. April / 27
22 C-Kommando: Reflexivierung 2 Beobachtung: Diese Reformulierung löst das Problem mit (24-a). Die Revision in (27) tut dies zwar, aber sie scheitert dann immer noch bei (28). (27) Reflexiv-Generalisierung (revidiert, mit Präzedenz): Ein Reflexivpronomen muss mit einem vorausgehenden Ausdruck koreferent sein. (28) a. The man I saw left. b. *The man I saw shaved myself. Aber: Eigentlich wissen wir aus dem Modul 1001 schon etwas mehr über Reflexiva. Und zwar: Gereon Müller (Institut für Linguistik) : Syntax 24. April / 27
23 Anaphern, Pronomina, R-Ausdrücke Terminologie (Chomsky (1981)): 1 Ein Element heißt Anapher, wenn es ein Reflexivpronomen oder ein Reziprokpronomen ist. 2 Ein Element heißt Pronomen, wenn es ein Personalpronomen ist. 3 Ein Element heißt R-Ausdruck ( referentieller Ausdruck ), wenn zur Kategorie N gehört und weder Anapher noch Pronomen ist. Gereon Müller (Institut für Linguistik) : Syntax 24. April / 27
24 Prinzipien A, B und C (29) a. Prinzip A: Eine Anapher ist in ihrer Bindungsdomäne gebunden. b. Prinzip B: Ein Pronomen ist in seiner Bindungsdomäne nicht gebunden. c. Prinzip C: Ein R-Ausdruck ist nicht gebunden. (30) Bindung: α bindet β gdw. (a), (b) und (c) gelten: a. α und β sind koindiziert ( referenzidentisch impliziert: identische Φ-Merkmale). b. α ist nicht bewegt. c. α c-kommandiert β. (31) Bindungsdomäne: Die Bindungsdomäne von α ist der nächste Knoten, der α und ein Subjekt enthält. Gereon Müller (Institut für Linguistik) : Syntax 24. April / 27
25 Bindungseffekte (32) a. Mary 1 hates herself 1. b. *Mary 1 hates her 1. c. *Mary 1 hates herself 2. d. Mary 1 hates her 2. (33) a. *Mary 1 hates Mary 1. b. *She 1 hates Mary 1. c. Mary 1 hates Mary 2. d. She 1 hates Mary 2. (34) a. Mary 1 thinks that she 1 is smart. b. *Mary 1 thinks that herself 1 is smart. c. Mary 1 thinks that Paula 2 likes her 1. d. *Mary 1 thinks that Paula 2 likes her 2. e. *Mary 1 thinks that Paula 2 likes herself 1. f. Mary 1 thinks that Paula 2 likes herself 2. Gereon Müller (Institut für Linguistik) : Syntax 24. April / 27
26 C-Kommando: Negative Polarität 1 Negative Polaritätselemente (NPIs) (35) a. *I wanted any cake. b. I didn t want any cake. (36) a. *I saw him ever. b. I didn t see him ever. (37) a. Keiner hat auch nur eine Träne vergossen. b. *Jeder hat auch nur eine Träne vergossen. (* in der intendierten Lesart) (38) a. Niemand hat das jemals gesehen. b. *Fritz hat das jemals gesehen. Gereon Müller (Institut für Linguistik) : Syntax 24. April / 27
27 C-Kommando: Negative Polarität 2 (39) Generalisierung über negative Polaritätselemente (vorläufig): NPIs müssen in einem negierten Satz auftreten. (40) Problem: a. No-one wanted any cake. b. *Any boy saw no-one. (41) Generalisierung über negative Polaritätselemente (revidiert, mit C-Kommando): NPIs müssen von einem negativen Element c-kommandiert werden. (42) a. *The picture of no-one hung upon any wall. b. It hung on the wall. Gereon Müller (Institut für Linguistik) : Syntax 24. April / 27
28 Literatur Chomsky, Noam (1970): Remarks on Nominalization. In: R. Jacobs & P. Rosenbaum, eds., Readings in English Transformational Grammar. Ginn and Company, Waltham, Mass., pp Stowell, Tim (1981): Origins of Phrase Structure. PhD thesis, MIT, Cambridge, Mass. Gereon Müller (Institut für Linguistik) : Syntax 24. April / 27
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