Grundzüge der Geldtheorie und Geldpolitik
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- Hannah Förstner
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1 Geldtheorie und Geldpolitik Grundzüge der Geldtheorie und Geldpolitik Sommersemester Die Zeiten sind nicht normal (1): Bank runs Prof. Dr. Jochen Michaelis Geldtheorie und Geldpolitik SS 2013
2 10. Die Zeiten sind nicht normal (1): Bank runs Mishkin, Kap Gischer/Herz/Menkhoff, Kap. 5 und 7 Outline: Finanzintermediation, Liquidität, Gefahr von Bank runs, systemisches Risiko, Bankenregulierung Hauptaufgabe des Finanzsystems: Zusammenführen von Sparern und Investoren Sparer haben hohe Präferenz für jederzeitige Verfügbarkeit der Ersparnisse (Präferenz für Liquidität), Investoren eher an langfristige Verfügbarkeit der Mittel interessiert Banken als Finanzintermediäre erlauben Fristentransformation, sie sind Hersteller des Produktionsfaktors Risiko (analog zu Versicherungen!) Prof. Dr. Jochen Michaelis Geldtheorie und Geldpolitik SS
3 Struktur der externen Unternehmens-Finanzierung Quelle: Mishkin S. 170 Prof. Dr. Jochen Michaelis Geldtheorie und Geldpolitik SS
4 Einige stilisierte Fakten zur Finanzstruktur 1. Finanzierung über Aktien eher die Ausnahme 2. Marktfähige Schuldverschreibungen (Bonds) spielen nur in USA eine substantielle Rolle 3. Indirekte Finanzierung unter Einschaltung von Finanzintermediären dominiert die direkte Finanzierung 4. Banken sind die bedeutsamsten Finanzintermediäre, in den USA sind Pensionskassen und Versicherungen (nonbank loans) bedeutsam 5. Finanzsektor einer der am stärksten regulierten Sektoren 6. Hinterlegung von Sicherheiten (collateral) ist üblich bei Kreditverträgen Prof. Dr. Jochen Michaelis Geldtheorie und Geldpolitik SS
5 Banken und Finanzkrise Wie können adverse Selektion und Moral hazard zu Finanzkrisen führen? Bank run Modell von Diamond/Dybvig Wie können Regulierungen Bank runs vermeiden? Faktoren, die Finanzkrisen auslösen bzw. verursachen können 1. Anstieg der Zinssätze Schuldner können Kredite nicht mehr zurückzahlen Investoren gehen in riskantere Projekte (Moral hazard) 2. Vermehrte Unsicherheit zunehmende Volatilität auf Finanzmärkten macht es schwieriger zwischen guten und schlechten Schuldnern zu unterscheiden Risikoprämie steigt Kreditangebot sinkt Prof. Dr. Jochen Michaelis Geldtheorie und Geldpolitik SS
6 3. Vermögenseffekte fallende (Aktien)Kurse senken Vermögen und damit Wert der Sicherheiten analog bei Immobilien 4. übermäßige Staatsverschuldung Banken müssen ggf. staatliche Papiere kaufen, die im Wert fallen Ausland zieht Einlagen ab 5. erwartete Wechselkurskrise (Abwertungserwartungen) massiver Kapitalexport (Umwandlung von Inlands- in Auslandsanlagen) Realwert der Schulden steigt, wenn Schulden in Auslandswährung denominiert 6. Vertrauenskrise im Bankensektor Prof. Dr. Jochen Michaelis Geldtheorie und Geldpolitik SS
7 Beispiel: U.S Subprime-Krise 2007 Drei Fakten im Vorfeld der Krise: 1. starke Kreditvergabe an schlechte Schuldner 2. Boom der Immobilienpreise 3. über Verbriefung (Mortgage-backed securities) Zustrom von ausländischem Kapital Banken trugen hohes Ausfallrisiko wegen starker Kreditvergabe an schlechte Schuldner Kreditvergabe dennoch sinnvoll, da Immobilien als Sicherheiten dienten Banken waren lange Jahre (ca ) in einer Art win-win Situation! zahlt der Gläubiger Kredit inkl. Zinsen zurück, ok zahlt er nicht zurück, geht die im Wert massiv gestiegen Immobilie an die Bank, auch ok Prof. Dr. Jochen Michaelis Geldtheorie und Geldpolitik SS
8 zwei Konsequenzen: das Ausland wollte sich an diesen Gewinnmöglichkeiten beteiligen (Fakt 3), wodurch das Kreditangebot noch gestiegen ist Monitoring der Schuldner praktisch null (Extrembeispiel: Kreditvertrag innerhalb von 30 Sekunden!) Politik des Zinsanstieg seitens der amerikanischen Zentralbank ab 2004 (Leitzins steigt in wenigen Monaten von 1 auf 5%) erste Kreditnehmer gingen pleite Nachfrage nach Häusern ging zurück, Angebot stieg, Preise fingen an zu fallen Abwärtsspirale auch als grundsätzlich gesund eingestufte Banken gingen pleite: Fannie Mae, Lehman Brothers, Merrill Lynch, Prof. Dr. Jochen Michaelis Geldtheorie und Geldpolitik SS
9 Bank Runs: Das Diamond/Dybvig-Modell Original: Diamond, Douglas und Philip Dybvig (1983): Bank Runs, Deposit Insurance, and Liquidity, Journal of Political Economy 91(5): Vereinfachte Darstellung: Diamond, Douglas (2007), Banks and Liquidity Creation: A Simple Exposition of the Diamond-Dybvig Model, Federal Reserve Bank of Richmond Economic Quarterly, 93(2): Bank run: Viele Einleger ziehen gleichzeitig ihre Guthaben ab aus der Befürchtung heraus, die Bank wird insolvent (geht Pleite) Bank panic: Run betrifft mehrere Banken gleichzeitig Prof. Dr. Jochen Michaelis Geldtheorie und Geldpolitik SS
10 Problem: Bank run kann ausgelöst werden durch andere Faktoren als Insolvenz Die Befürchtung einer Insolvenz kann Run auslösen. Wenn bei einer an sich gesunden Bank die Erwartung der Insolvenz aufkommt und alle Einleger die Rückgabe ihrer Einlagen verlangen, muss die Bank ihre Assets kurzfristig verkaufen. Zwang zum kurzfristigen Verkauf mindert Erlös, die Bank kann tatsächlich ihren Verbindlichkeiten nicht nachkommen. Insolvenz dann eine Art sich selbst erfüllende Prophezeiung. Wenn Einleger die Solvenz der Banken nicht unterscheiden können, generiert die Insolvenz einer Bank Unsicherheit über die Solvenz der anderen Banken. Es entstehen externe Effekte, es droht Ansteckungsgefahr (runs can be contagious) Prof. Dr. Jochen Michaelis Geldtheorie und Geldpolitik SS
11 Diamond-Dybvig (1983) Eine Bank Nimmt zum Zeitpunkt t = 0 Einlagen von 100 Sparern entgegen (je Sparer eine Einheit) Bank tätigt eine zwei-periodige Investition (Kredit an Unternehmen), Rendite R = 2 Bei vorzeitiger Kündigung des Kredits (oder eines Teils des Kredits) in t = 1 bekommt Bank den Kredit zurückbezahlt, aber keine Rendite (r 1 = 1) Sparer: Unsicherheit über Zeitpunkt des Finanzbedarfs, Typ 1: Auflösung der Depositen und Konsum in t = 1 Typ 2: Auflösung der Depositen und Konsum in t = 2 Sparer weiß zum Zeitpunkt t = 0 nicht, ob er Typ 1 oder Typ 2 ist Common knowledge, dass p Prozent der Sparer vom Typ 1 sind und (1 p) Prozent vom Typ 2 Prof. Dr. Jochen Michaelis Geldtheorie und Geldpolitik SS
12 Erwarteter Nutzen des Sparers: EE c = pp p U(2) Beispiel: Nutzenfunktion U c = 1 1 c p = 0,25 Erwarteter Nutzen EE c = = 0,375 Bank bietet folgenden Vertrag an: r 1 > 1 für jede Einheit, die in t = 1 abgezogen wird r 2 < R für jede Einheit, die in t = 2 abgezogen wird Beispiel: r 1 = 1,28 r 2 = 1,813 Erwarteter Nutzen EE c = , ,813 = 0,391 > 0,375 Prof. Dr. Jochen Michaelis Geldtheorie und Geldpolitik SS
13 Bank bietet also eine Versicherung an gegen die Gefahr, Typ 1 zu sein. Preis ist eine Reduktion des Konsums im guten Fall Typ 2. Sparer fragen diese Versicherung nach, da ihr erwarteter Nutzen steigt Konsequenz: Nachfrage nach Liquidität! Gewinn der Bank π = , ,28 1 = 7,025 Jetzt: p steigt auf 0,60 60 Sparer lösen Einlagen in t = 1 auf, jeder bekommt 1,28, also zahlt Bank 60 1,28 = 76,8 Es bleiben 23,2 Einheiten, die jeweils eine Rendite von R = 2 haben, d.h. in t = 2 stehen zur Verfügung 46,4 Einheiten Die 46,4 Einheiten müssen auf die verbleibenden 40 Sparer verteilt werden, d.h. jeder Typ 2-Sparer bekommt nur noch r 2 = 46,4 40 = 1,16 < 1,28 = r 1 Prof. Dr. Jochen Michaelis Geldtheorie und Geldpolitik SS
14 Jetzt gilt r 2 < r 1, d.h. wenn zu viele Sparer in t = 1 die Einlagen abziehen, werden Sparer vom Typ 2 eine geringere Rendite erzielen als Sparer vom Typ 1. Konsequenz: alle Sparer unabhängig vom Typ (also auch Typ 2-Sparer) lösen in t = 1 die Einlagen auf! (= Bank run) Wenn alle 100 Sparer in t = 1 Einlagen auflösen, dann geht Bank in Insolvenz: π = ,28 = 28 Zahlungen erfolgen gemäß first come, first served, d.h. die ersten in der Schlange erhalten volle Rendite r 1 = 1,28 bis Einlagen verbraucht, die übrigen in der Schlange gehen leer aus. Anreiz, vorne in der Schlange zu sein, ist extrem hoch! Prof. Dr. Jochen Michaelis Geldtheorie und Geldpolitik SS
15 Quintessenz: Erwarten die Einleger eine Bankpleite, dann stürmen sie zur Bank, und die Bank geht pleite Musterbeispiel für eine sich selbst erfüllende Prognose Bank ist angewiesen auf das Vertrauen in die jederzeitige Geschäftsfähigkeit Ansteckungsgefahr, wenn von Insolvenz einer Bank auf die mögliche Insolvenz anderer Banken geschlossen wird. Prof. Dr. Jochen Michaelis Geldtheorie und Geldpolitik SS
16 Zahl der Bankenzusammenbrüche in den USA Mishkin (2009), Kap. 11 Prof. Dr. Jochen Michaelis Geldtheorie und Geldpolitik SS
17 Kosten der Bankenrettung als Bruchteil des BIP Mishkin (2009), Kap. 11 Prof. Dr. Jochen Michaelis Geldtheorie und Geldpolitik SS
18 Prof. Dr. Jochen Michaelis Geldtheorie und Geldpolitik SS
19 Regulierungen zur Vermeidung von Bank runs Einlagenversicherung: Deutschland: nach Herstatt-Pleite 1974 Einrichtung eines sog. Feuerwehrfonds, Einlagen in Höhe bis Euro pro Person gesichert USA: nach Savings and Loans-Krise 1982 Einrichtung einer Depositenversicherung, Einlagen bis US-Dollar staatlich abgesichert Problem einer jeden Versicherung: Moral hazard = Banken gehen riskantere Projekte an, da im Schadensfall die Versicherung zahlt Monitoring der Einleger entfällt, keine Gefahr des Einlagenabzugs Prof. Dr. Jochen Michaelis Geldtheorie und Geldpolitik SS
20 Gesetzliche Auflagen: Kreditwesengesetz Überwachung von Bankgeschäften (D: Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin und Bundesbank) Verbot von sog. Klumpenrisiken Regularien für off-balance-sheet Aktivitäten Basel Accord: risikobasierte Eigenkapitalerfordernisse Problem: de facto keine internationale Bankaufsicht Lender of last resort durch Zentralbank Zentralbank stellt Liquidität/Kredit in unbegrenzter Menge zur Verfügung wiederum: Moral hazard Prof. Dr. Jochen Michaelis Geldtheorie und Geldpolitik SS
21 staatliche Regulierungen vermindern Gewinne der Banken Antwort der Banken: Finanzinnovationen, die die Regularien umgehen regulatorische Dialektik Bankfusionen erhöhen Profitabilität, führen aber zum too big to fail -Problem Regierungen werden erpressbar! Zerschlagung von Banken? Neue Literatur: Admati, A., Hellwig, M. (2013): The Bankers New Clothes, Princeton University Press. Princeton, NJ. Prof. Dr. Jochen Michaelis Geldtheorie und Geldpolitik SS
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