Einführung in die Methoden der Empirischen Sozialforschung. Teil: Forschungslogik V
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- Johann Hauer
- vor 6 Jahren
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1 Ringvorlesung: Einführung in die Methoden der Empirischen Sozialforschung Teil: Forschungslogik V
2 Gliederung des Teils Forschungslogik 1. Forschung: Leitgedanken, Teilaufgaben und Gesamtablauf 2. Grundlagen: Wissenschaft, Wahrheit und das Verhältnis von Theorie und Empirie 3. Denkwerkzeug: Begriffe und Aussagen, Theorien und Modelle 4. Theorie und Wirklichkeit: Bildung und empirische Überprüfung von Theorien qualitativ und quantitativ 5. Ergebnissicherung: Merkmalsräume, Typologien und Klassifikationen
3 Wie macht man zentrale theoretische Forschungsergebnisse überschaubar? Achtung: Es muß das Streben nach Gestalterkenntnis bzw. nach dem Erkennen von Strukturen und Typen im interessierenden Wirklichkeitsausschnitt stets dem Streben nach Erklärungen vorausgehen, weil sonst der Erkenntnisprozeß bei vielen, in ihren wechselseitigen Zusammenhängen schwer überschaubaren Einzelerklärungen endet, ohne zu einem Eindruck vom großen Ganzen geführt zu haben! gestalterfassende Möglichkeiten Merkmalsräume Typologien Klassifikationen / Taxonomien Erklärungsmodelle Pfeilmodelle (wie bereits behandelt)
4 Merkmalsräume = Standardmöglichkeit, die einer Mehrzahl von Fällen oder Variablen eigentümliche Gruppenstruktur sichtbar zu machen und zu erkennen Zweck: (Vergleichs-) Fälle oder analytische Kategorien sollen in einer Weise übersichtlich gegliedert werden, die für die Beantwortung einer Fragestellung oder die Lösung eines Problems wichtig ist. Am wichtigsten: ein-, zwei- und dreidimensionale Merkmalsräume und falls sich in der Verteilung der Fälle im Merkmalsraum ein Muster zeigt: dann bildet man eine Typologie!
5 eindimensionaler Merkmalsraum z.b. politische Aussagen Achtung: Validität und Reliabilität sicherstellen! entweder anhand von Meßwerten oder intuitiv Verortung der Variablen oder Fälle auf dem Merkmalskontinuum z.b. Parteien Vergesellschaftung der Produktionsmittel! Soziale Marktwirtschaft! Ausländer raus aus dem Arbeitsmarkt! PDS SPD CDU NPD z.b. links Merkmalskontinuum z.b. rechts Definition polarer Eckpunkte
6 Analyse: hermeneutisch und statistisch (Zusammenhangsmaß, Regression ) zweidimensionaler Merkmalsraum nähere Infos Variable B Ausprägungen der Variable B Variable A Ausprägungen der Variable A F # # # USA # # # # # D, UK # # Frage: Was besagt das alles? Variablenausprägungen (beliebig viele in beliebigen Kombinationen): nominalskaliert (= Anordnung der Kategorien vertauschbar) ordinalskaliert (= Anordnung der Kategorien nicht vertauschbar) metrisch skaliert (= mit den Zahlenwerten der Koordinaten kann ganz normal gerechnet werden) Fälle eintragen: mit Namen, oder durch Symbole, oder als Fallzahlen intuitiv oder nach Meßwerten
7 keine Aussagen über Zusammenwirken der Variablen! Einfachster 2-D-Raum: Vier-Felder-Tafel entsteht durch Kreuztabellierung von zwei Variablen mit je zwei Ausprägungen Beispiel: Landman, Comparative Politics, S. 40
8 Variable 1 Beispiel für 2-D- Merkmalsraum aus: Lijphart, Democracies Variable 2 Operationalisierung sekundäranalytisch ausgewertete Quellen
9 klassisches Beispiel für 2-D-Merkmalsraum Landman, Comparative Politics, S. 7
10 Analyse: hermeneutisch und statistisch (etwa: multidimensionale Skalierung ) dreidimensionaler Merkmalsraum Variable B Variable C Variable A Frage: Was besagt das alles? Variablenausprägungen (beliebig viele in beliebigen Kombinationen): nominalskaliert (= Anordnung der Kategorien vertauschbar) ordinalskaliert (= Anordnung der Kategorien nicht vertauschbar) metrisch skaliert (= mit den Zahlenwerten der Koordinaten kann ganz normal gerechnet werden) Fälle eintragen: mit Namen, oder durch Symbole, oder als Fallzahlen intuitiv oder nach Meßwerten
11 Ausgangsdaten: Beispiel für 3-D-Merkmalsraum = Operationalisierung Pennings, Paul et al., Doing Research in Political Science, London 1999, S. 288
12 Wie bildet man eine (dreidimensionale) Typologie? Realtypologie Realtypen : im Datenmaterial vorgefunden! Fragestellung Fälle Variable III Variable II Variable I Typ A Typ B Typ C
13 Realtyp vs. Idealtyp Schnittstelle zur mathematischen Modellierung politischer Prozesse ( positive political theory ) Realtyp: Cluster von tatsächlich vorkommenden Fällen bzw. Merkmalskombinationen Zweck: Ordnungsstrukturen entdecken Idealtyp: Konfiguration von Extremwerten auf den Vergleichskategorien Zweck: Gedankliche Analyse der Funktionslogik solcher (Extrem-)Konfigurationen ( Gedankenexperimente ) Analyse und Beurteilung von realen Fälle oder Merkmalskombinationen anhand der in solchen Gedankenexperimenten gewonnenen Vermutungen
14 Wie arbeitet man (dreidimensional) mit Idealtypen? Idealtypologie Idealtypen : durch Theoriebildung konstruiert Fragestellung Fälle Variable III Variable II Variable I Fallgruppe A Fallgruppe B Fallgruppe C Interpretation der Fallgruppen im Licht der Idealtypen
15 Zusammenfassung: Was ist eine Typologie? Eine Typologie ist ein mehrdimensionaler Merkmalsraum. Dessen Dimensionen werden von zentralen forschungsleitenden Variablen gebildet. Innerhalb dieses Merkmalsraums werden die Fälle anhand der Merkmalsausprägungen dieser forschungsleitenden Variablen sortiert. Bilden sich dabei Cluster von Fällen, so hat man (Real-) Typen gefunden und kann auf ihnen eine (Real-) Typologie aufbauen.
16 Zweck einer Typologie Kurzschrift für Ergebnisse von (System-) Vergleichen Systematisierung erarbeiteten Wissens Aufbewahrung und Verfügbarhaltung erarbeiteten Wissens Inspiration für weiterführende Fragestellungen Rolle als forschungsleitende Theorie
17 Arten von Typologien Idealtypologie vs. Realtypologie z.b. Max Webers Typen reiner Legitimität vs. Typologie freiheitlicher Regierungssysteme: parlamentarisch semiparlamentarisch präsidentiell Strukturtypologie vs. Prozeßtypologie z.b. Gesellschaftsstruktur: agrarisch industriell postindustriell vs. Gesellschaftsentwicklung: Evolution Revolution - Transformation Globaltypologie vs. Bereichstypologie z.b. Typologie politischer Systeme im allgemeinen vs. Typologie freiheitlicher Regierungssysteme
18 Klassifikationen = sind Merkmalsräume beliebig vieler theoretisch gut begründeter Dimensionen, in denen sich alle Untersuchungsfälle eindeutig genau einer einzigen Stelle im Klassifikationssystem zuordnen lassen. Beispiele: Periodensystem der Elemente, Klassifikation der Tiere und Pflanzen schwächere Form: Taxonomie = Merkmalsraum, in dem die Untersuchungsfälle vorläufig und ohne Anspruch auf bleibende theoretische Trennschärfe gegliedert werden
19 Damit sollte klar sein was ein-, zwei- und dreidimensionale Merkmalsräume sind und wie man mit ihnen arbeitet was Typologien sind und wofür sie dienen was insbesondere die Unterschiede zwischen Real- und Idealtypen bzw. Real- und Idealtypologien sind welche weiteren Formen von Typologien man unterscheidet was Klassifikationen und Taxonomien sind sowie wofür man sie nutzt in welchem Verhältnis die Entdeckung von Gestalten bzw. Strukturen im interessierenden Wirklichkeitsausschnitt zum Versuch steht, Aufgefundenes zu erklären Noch Fragen? Bitte!
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