9.3Nash-Gleichgewicht
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- Sylvia Diefenbach
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1 1 9.3Nash-Gleichgewicht Die Wirtschaftswissenschaften und die sogenannte Spieltheorie stehen schon immer in einem engen Zusammenhang. Die Beiträge von Cournot und Bertrand können zu den frühesten spieltheoretischen Arbeiten gezählt werden. Gleichzeitig haben sie zum VerständnisvonMärktenbeigetragen.DiemoderneSpieltheoriehatsichimmeraufdiese frühen Wurzeln in den Wirtschaftswissenschaften bezogen. Die enge Verbindung wird auch darin deutlich, daß der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften 1994 u.a. einem Mathematiker(Nash)zugesprochenwurde.Nashistesu.a.zuverdanken,daßdieIdeen von Cournot zum Ergebnis von interdependenten Entscheidungen auf eine viel breitere Grundlage gestellt wurden. Die Anwendungen haben sich dadurch explosionsartig vervielfacht. Gerade bei der Anwendung spieltheoretischer Konzepte auf wirtschaftswissen-schaftliche Fragestellungen fiel auf, daß die von von Neumann, Morgenstern und Nash gelegten Grundlagen der Spieltheorie nicht für alle Anwendungsbereichegeeignetsind.EswurdenfeinereWerkzeugegebraucht.Einsolches Werkzeug, das insbesondere seit den späten 70er Jahren zahlreiche Anwendungen gefunden hat, ist das Konzept des "Teilspiel-perfekten Gleichgewichts", das auf den deutschen Wirtschaftswissenschaftler Reinhard Selten zurückgeht. Auch er erhielt u.a. aufgrund dieses zentralen Beitrages als bislang einziger deutscher WirtschaftswissenschaftlerimselbenJahrdenNobelpreis.WirwerdenindiesemAbschnitt einerseits das Gleichgewichtskonzept von Nash und im nächsten Abschnitt das Gleichgewichtskonzept von Selten skizzieren und mit ihrer Hilfe andererseits einige AspektedesCournot-Modellsbesprechen. KommenwirzunächstzudemGleichgewichtsbegriffvonNash.Dieserentsprichteiner direktenübertragungdescournot-gleichgewichtsaufeinenallgemeinerenkontext.wir werdenhiernurzweientscheidungsträgerthematisieren.alles,washierbesprochenwird, läßt sich jedoch auch auf beliebig viele Entscheidungsträger verallgemeinern. Die EntscheidungsträgerheißeninderSpieltheorieSpieler.IndemCournot-Modellwarendie beidenunternehmendiespieler.jederspieleristerstensdurchdieihmoffenstehenden Strategien charakterisiert. Diese werden allgemein in einer Strategienmenge zusammengefaßt. Im Cournot-Modell sind die Strategieentscheidungen die Mengenentscheidungen. Die Strategienmenge ist dort die Menge aller nicht negativen Mengen(jedeMengekanngrundsätzlichgewähltwerden,negativeMengenmachenkeinen Sinn).JederSpieler ist zweitens durch eineauszahlungsfunktion (pay-off function) charakterisiert. Die Auszahlungsfunktion hängt von den gewählten Strategien beider Spielerab.Wennmanmitu 1 dieauszahlungsfunktiondeserstenspielersundmita j die
2 2 Strategiedes Spielersjbezeichnet, dann ist der Wert der Auszahlungsfunktion für den erstenspieler undfürdenzweitenspieler u 1 (a 1,a 2 ) u 2 (a 1,a 2 ). DarinkommtdieInterdependenzderEntscheidungenzumAusdruck.ImCournot-Modell entspricht die Gewinnfunktion in Abhängigkeit der Outputmengen der beiden UnternehmenderAuszahlungsfunktion.EinSpielkanndaherdurchdieStrategienmengen A i und die Auszahlungsfunktionen u i vollständig beschrieben werden. Welche EntscheidungendieSpielerineinemsolchenSpieltreffenwerden,wirddurchdasNash- Gleichgewichtbeschrieben.Esistwiefolgtdefiniert: DieStrategien ( a 1, a 2) heißennash-gleichgewicht,wennfolgendebedingungenerfüllt sind: u ( a, a ) u ( a, a ) a A u ( a, a ) u ( a, a ) a A. Vergleicht man für das Cournot-Modell, welche Strategienkombinationen ein Nash- Gleichgewicht darstellen, so sind es genau die Mengenkombinationen, die in diesem ModellCournot-Gleichgewichtgenanntwurden. Diessiehtmanamschnellstenein,wennmanbeispielsweisedieersteBedingungwiefolgt ausdrückt:beigegebenerwahldeszweitenspielersa 2,wirdimNash-Gleichgewichtdie StrategiedeserstenSpielersogewählt,daßseineAuszahlungsfunktionmaximiertwird.In dersprachedescournot-modells:beigegebenermengedeszweitenunternehmens q C 2 mußdasersteunternehmendiemengesowählen,daßseingewinnmaximiertwird.das bedeutet aber, daß die Wahl so getroffen wird, daß die Mengenkombination auf der Reaktionsfunktion des ersten Unternehmens liegt. Entsprechend fordert die zweite Bedingung, daß die Kombination auf der Reaktionsfunktion des zweiten Unternehmens liegt. Die beiden Forderungen zusammen implizieren, daß die Mengenkombination auf beiden Reaktionsfunktionen liegen muß. Dies charakterisierte aber gerade das Cournot- Gleichgewicht. Fazit: Das Cournot-Gleichgewicht ist ein Spezialfall des Nash- Gleichgewichts.DasselbegiltfürdasBertrand-Gleichgewicht.
3 3 DieseCharakterisierunghatdemCournot-ModelldieunberechtigteKritikbeschert,daßes von"irrationalen"erwartungenausgeht.vordergründiggehendieunternehmendavonaus, daßdasandereunternehmenseineoutputmengenichtändert.unddieannahme,daßdas andere Unternehmen seine Menge nie ändert, wurde als Annahme "irrationaler" Erwartungeninterpretiert.NachderDiskussionin9.1dürfteklarsein,daßdieseKritik nichtberechtigtist.dascournot-gleichgewicht-unddamitauchdasnash-gleichgewicht -istgeradedurchüberlegungendarübergeprägt,welcheerwartungenrationalsind.das eineunternehmenerwartet,daßdasandereunternehmennichtvondemcournot-niveau abweicht, weil es keinen Anreiz dazu hat. Das Gleichgewichtskonzept macht keine Aussagedarüber,wasdieUnternehmenerwarten,wennsichdieGleichgewichtsmengen nichtrealisieren. Wir werden das Cournot-Modell nun noch einmal mit Hilfe des Nash-Gleichgewichts untersuchen.wirtundiesineinemvereinfachtenkontext,indemdieunternehmennur übereine"hohe"mengeodereine"niedrige"mengeentscheidenkönnen.dieswirduns erlauben,dieunterliegendenannahmendescournot-modellsbesserzuverstehen. Die Strategienmengen der beiden Spieler bestehen jetzt nur noch aus zwei möglichen Strategien.Diesermöglichtes,dieWertebeiallenKombinationenübersichtlichineiner Tabelle,dersogenanntenAuszahlungsmatrixdarzustellen: Spieler1 Spieler2 hoch(h) niedrig(n) hoch(h) ( u1( H, H), u2 ( H, H)) ( u1( H, N), u2( H, N)) niedrig(n) ( u1( N, H), u2 ( N, H)) ( u1( N, N), u2( N, N)) In jedem Feld stehen also die Werte der Auszahlungsfunktion für die vier möglichen verschiedenenstrategienkombinationen.wirwerdennunspeziellezahlenannehmen. Spieler1 Spieler2 H N H (64,64) (80,60) N (60,80) (72,72) Die Werte auf der Hauptdiagonalen sind dadurch entstanden, daß von einer Preis- Absatzfunktion24-yundderKostenfunktionC(y) 0ausgegangenwurde.Linksoben
4 4 stehendiewerte,diesichbeidieserspezifikationimcournot-gleichgewichtergeben(die Mengen sind jeweils 8). Rechts unten stehen die Werte für den Fall, daß beide Unternehmen sich den Monopolgewinn teilen (die Mengen sind dann jeweils 6). Als Übungvollziehemandiesnach. BetrachtenwirdieAuszahlungsmatrixalseinzigeInformation.SolltendieUnternehmenH odernwählen?istesrationalzuerwarten,daßderspieler1nwählt?offensichtlichistes diesnicht.dennvölligunabhängigdavon,wasderzweitespielerwählt,stehtsichdererste Spielerimmerbesser,wennerHwählt.DierationaleErwartungistdemnachdieWahlH durchdenerstenspieler.ausdenselbengründenistesauchrationalzuerwarten,daßder zweitespielerdieselbewahltrifft.alseinzigerationaleerwartungbleibtdiewahl(h,h). Wir haben hier den Spezialfall eines Spiels, in dem jeweils eine der beiden Strategien immer besser ist als die andere. Man sagt dann, daß die schlechtere von der besseren dominiertwird.hiergelangenwirdurchdieeliminationdominierterstrategienzueinem eindeutigenergebnis.eswäreschön,wennmanaufderarteinfacheweisestetszueinem Endergebnis käme. Viele wirtschaftlich interessante Spiele haben leider kein GleichgewichtindominierendenStrategien. EsistnuneineeinfacheÜbung,sichzuüberlegen,daßdasNash-Gleichgewichtindiesem Spielebenfalls(H,H)ist.WirhabenhiereinezusätzlicheBegründungfürdieRationalität desnash-gleichgewichts,allerdingsnurfürdiefälle,indeneneseingleichgewichtin dominierendenstrategiengibt. Die eigentliche Motivation, das Nash-Gleichgewicht für ein Cournot-Spiel in einem vereinfachten Kontext zu bestimmen, liegt aber natürlich nicht darin, das Cournot- Gleichgewichtnocheinmalherzuleiten.VielmehrkannmanausderobigenMatrixeinige weitere Aspekte ablesen. Beachten Sie, daß beide Unternehmen einen höheren Gewinn erzielenwürden,wennsiebeideeinegeringeremengegewählthätten.siewählendiese Möglichkeit nicht, weil sie beide einen einseitigen Anreiz haben, von dieser Wahl abzuweichen. Wenn sie sich nicht kooperativ verhalten, kommt es wegen dieser Anreizstruktur für beide zu einem schlechteren Ergebnis. Dies ist eines von vielen Beispielen für eine Situation, die in der Literatur Gefangenendilemma genannt wird. Warumdiessoheißt,könnenSiez.B.beiVarian,Kap.27nachlesen.Wirhabenimersten KapitelschoneinmaleineSituationkennengelernt,dieindieselbeKlassevonSituationen paßt. Das Gemeinsame an den Situationen, die durch die Problematik des Gefangenendilemmas beschrieben werden, ist, daß individuelles nichtkooperatives Verhaltenletztendlichallenschadet.EinekooperativeLösungwürdealleSpielerbesser
5 5 stellen.aberjederspielerhateinenindividuellenanreiz,vonderkooperativenlösung abzuweichen. Eine Möglichkeit, mit dieser Situation umzugehen, besteht darin, daß sich die beiden Unternehmen zusammensetzen und gemeinsam beschließen, wieviel die beiden Unternehmenjeweilsproduzierensollen.Wennsiediestun,könnensie(N,N)beschließen undsichdadurchbeidebesserstellen.solcheproduktionsabsprachenwerdenunterdem BegriffKartellzusammengefaßt.EinTeilderWettbewerbspolitikbefaßtsichgerademit der Einschätzung von Kartellen. Kartelle werden als wirtschaftlich schlecht angesehen, weil sie u.a. die Versorgung der Konsumenten verschlechtern. Deshalb versucht die Kartellgesetzgebung,solcheKartellabsprachenzuverhindern.Wirwerdenhiernichtweiter daraufeingehen.dieentsprechendenargumentewerdensowohlindervorlesung"markt und Wettbewerb" als auch vertieft in der Vorlesung "Wettbewerbspolitik" thematisiert. Hier soll nur darauf hingewiesen werden, daß die obige Auszahlungsmatrix auch dazu herangezogen werden kann, um zu argumentieren, daß ein Kartell mit erheblichen Stabilitätsproblemen zu kämpfen hat. Jedes Unternehmen hat einen Anreiz, von der Kartellabspracheabzuweichen.DieMöglichkeiteinerKartellbildungistoftauchalsKritik an dem Cournot-Modell vorgetragen worden. Es wurde argumentiert, daß davon auszugehenist,daßdieunternehmenihrengemeinsamenvorteileinerkartellabsprache sehenundihnauchrealisierenwerden.daherseidiebeschreibungeinesmarktergebnisses durch das Cournot-Modell wenig plausibel. Diese Argumentation verkennt jedoch die zentralenstabilitätsproblemevonkartellen. AlsweitererKritikpunktandemCournot-ModellwurdeseinestatischeNaturangeführt. Wie schon im Kontext mit dem Bertrand-Modell macht das Cournot-Modell nur uneingeschränkten Sinn, wenn wir ein einmaliges Aufeinandertreffen der beiden Unternehmenmodellierenwollen.WenndieUnternehmenwiederholtaufeinandertreffen, läßt sich wieder eine andere rationale Strategie als die des Cournot-Gleichgewichts vorstellen.dannkönntediestrategienämlichwiefolgtaussehen.wenneinunternehmen dieniedrigemengewählt,wirdauchdasandereunternehmendieniedrigemengewählen. WenneinUnternehmeneinmaldiehoheMengewählt,wirdauchdasandereUnternehmen diehohemengewählen.diesegegenseitigeandrohungvonvergeltungsmaßnahmenkann ineinemdynamischen(wiederholten)kontextdazuführen,daßdiebeidenunternehmen beidenniedrigenmengenunddamitbeidenhöherengewinnenbleiben.jedochistauch diese Möglichkeit zunächst nur eine Denkmöglichkeit. In der Vorlesung "Wettbewerbspolitik" wird die Wahrscheinlichkeit dafür, daß eine solche Strategie als
6 6 stabil anzusehen ist, als eher gering eingeschätzt. Die entsprechende Kritik an dem Cournot-Modellistdahernichtunbedingtstichhaltig.
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