Forschungsprojekt: Herausforderung Pflege Modelle und Strategien zur Stärkung des Berufsfeldes Altenpflege
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- Maximilian Egger
- vor 8 Jahren
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1 Innovativer Arbeitsplatz Pflege Portraits der Gewinner des AGP-Wettbewerbs Uns fragt ja (k)einer! Welche Innovationen bringen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Langzeitpflege dazu, ihrem Job treu zu bleiben oder nach einer beruflichen Pause wieder in den Beruf zurückzukehren? Antwort auf diese Frage gibt der Wettbewerb Uns fragt ja (k)einer!, den AGP Sozialforschung im Zuge des BMG- Forschungsprojekts HERAUSFORDERUNG PFLEGE ausgeschrieben hatte. Die drei besten Innovationen wurden Anfang Februar in Berlin prämiert. Die Gewinner im Portrait: 1. Preis Victor-Gollancz-Haus, Frankfurt am Main, und der Frankfurter Verband für Alten- und Behindertenhilfe e.v. für das Projekt AIQUA Arbeitsintegrierte Qualifikation in der Altenpflege Hochmotiviert, mit ansteckender Freude und das Altenpflege-Examen als Traumziel fest vor Augen so präsentiert sich in Berlin Katharzyna Bunczek. Die langjährige Mitarbeiterin des Frankfurter Verbands für Altenund Behindertenhilfe arbeitet seit vielen Jahren als ungelernte Pflegekraft im Victor-Gollancz-Haus. Mit dem Projekt AIQUA Arbeitsintegrierte Qualifizierung in der Altenpflege bietet ihr Arbeitgeber ihr und bislang acht weiteren ungelernten Pflegekräften eine hausinterne berufsbegleitende Altenpflegeausbildung. Einige Teilnehmer konnten über das Projekt außerdem den in Hessen so genannten Qualifizierenden Hauptschulabschluss erreichen. Für das AIQUA kooperieren der Frankfurter Verband, das Hessische Kultusministerium und die Werkstatt Frankfurt mit dem Bildungszentrum des Frankfurter Verbandes. Gefördert wird das Projekt vom Europäischen Sozialfonds für Menschen in Hessen. Die Ausbildung dauert drei Jahre. 20 Prozent der Wochenarbeitszeit sind für Lern- und Prüfungszeiten vorgesehen ohne Gehaltseinbußen. Es gibt wöchentlich einen Lerntag, an dem gemeinsam gearbeitet wird. Der Arbeitgeber stellt dafür ein Büro, PC mit Internetzugang und Fachliteratur zur Verfügung. Bunczek: Die Arbeit in der Altenhilfe, mag sie auch körperlich und psychisch sehr belastend sein, macht uns sehr viel Spaß. Unser großer Wunsch, Altenpflege von der Pike auf zu erlernen, scheiterte jedoch daran, dass wir entweder nicht die Zugangsvoraussetzungen des Altenpflegegesetzes erfüllen meist reichte der Schulabschluss nicht aus oder wir uns eine reguläre Ausbildung aus finanziellen Gründen nicht leisten können. Wir sind aber sehr motiviert und wollen unbedingt die Chance unseres Lebens nutzen, bald unseren Traumberuf ausüben zu können! Eine AIQUA-Koordinatorin vermittelt die Ausbildungsinhalte und nimmt auch die schriftlichen und praktischen Prüfungen in den verschiedenen Ausbildungsblöcken ab. Katharzyna Bunczek: Die Anforderungen für die 1
2 Kursteilnehmerinnen sind manchmal ziemlich hoch und einigen fällt es nach einem stressigen Arbeitstag schwer, abends noch Fachbücher zu wälzen, zumal sich die meisten dann auch noch um die Familie kümmern müssen. Aber die Lernerfolge stärken das Selbstbewusstsein. Bunczek schätzt vor allem die Möglichkeit, dass sie das gelernte Wissen direkt in der Praxis anwenden kann. Von den Praxisanleitern und Pflegedienstleitungen, der Heimleitung und der Qualitätsbeauftragten unserer Einrichtung werden wir engmaschig betreut und unterstützt. Im November hatten wir bereits Zwischenprüfung zum Pflegehelfer. Aber wir wollen weitermachen, um in gut zwei Jahren examinierte Pflegefachkraft zu sein. In Frankfurt am Main ist die gesetzlich geforderte Fachkraftquote in den meisten Altenhilfeeinrichtungen nur sehr schwer zu erreichen. Gute und examinierte Pflegekräfte sind auf dem Arbeitsmarkt kaum zu haben. Der Arbeitgeber investiert mit AIQUA Ressourcen, Zeit und Geld, wird dafür aber vom fachlichen Know -how, der hohen Motivation und der Loyalität profitieren können. Für Personalentwickler Rudolf Kast ist AIQUA ein herausragendes Leuchtturm-Projekt, weil der Arbeitgeber eine sozialpolitisch und gesellschaftlich wichtige Aufgabe übernimmt: Er gibt Menschen ohne formalen Schulabschluss und ohne Altersgrenze die Chance, berufsbegleitend und bei vollem Gehalt eine Ausbildung zu machen. Kast: Er holt sie dort ab, wo sie stehen. Kast zeigt sich fasziniert von der Hand-on-Methode, mit der der Frankfurter Verband die Beschäftigten für die Ausbildung auswählt: Ohne Assessment, aber mit Vertrauen auf Beziehungen und Kenntnis der Person sind die Mitarbeitenden für das Projekt angesprochen und ausgewählt worden. Das Projekt integriert Bildung im Arbeitsprozess. Ute Bischofsky, Leiterin Fachbereich stationäre und teilstationäre Pflege im Frankfurter Verband: Die alltägliche Zusammenarbeit mit den Auszubildenden zwingt alle anderen Mitarbeitenden, ihre Fachkenntnisse aufzupolieren, um nicht als unwissend dazustehen. Für Rudolf Kast macht besonders dieser Transfer von Wissen verknüpft mit praktischer Unterweisung den großen Lernerfolg für die Akteure aus. Das Victor-Gollancz-Haus ist eine stationäre Altenpflegeeinrichtung für ca. 120 Bewohnerinnen und Bewohner. Träger ist der Frankfurter Verband für Alten- und Behindertenhilfe größter Anbieter für Soziale Dienste in Frankfurt am Main. 2
3 2. Preis St. Gereon Seniorendienste, Hückelhoven Forschungsprojekt: Projekt Ausbildungsoffensive Wir rocken die Zukunft Die stationäre Altenpflegeeinrichtung in kirchlicher Trägerschaft mit Sitz in Hückelhoven im Westen von Nordrhein-Westfalen hat ca. 300 Beschäftigte. Das Ziel: Ausbildungsplätze weit über den eigenen Bedarf hinaus bereitzustellen. Für ihre inzwischen über 60 Auszubildenden in den Pflegeberufen haben die St. Gereon Seniorendienste einen Ausbildungskoordinator eingestellt. Seine Aufgabe ist es, die verantwortlichen Akteure in den praktischen Arbeitsfeldern zu entlasten und die Kommunikation zwischen den Praxisanleitern und Schülern zu optimieren. Der Ausbildungskoordinator ist vom Fach und weiß, worauf es ankommt. Er begleitet die Auszubildenden und das ist den St. Gereon Seniorendiensten besonders wichtig er kümmert sich um die praktische Anleitung. Um die große Anzahl an Azubis bewältigen zu können, wurde die Organisation der Ausbildung den Bedürfnissen der Praxisanleiter angepasst. Dazu gehört nicht nur ein digitales Netzwerk zur einfachen Abwicklung der Beurteilungen, Ausbildungspläne etc. Er fragt die Praktiker vor allem danach, wie die Anleitung aus ihrer Sicht am besten funktioniert. Die Akteure vor Ort entscheiden auf diese Weise mit, bringen ihre Erfahrung ein und verhindern, dass Ausbildungsfehler beim Einsatz der Azubis wiederholt werden. Wir haben einen konstanten Ansprechpartner, der als Vermittler und Sprachrohr zwischen Auszubildenden, Anleitung, Geschäftsleitung und Fachseminar fungiert, sagt Manuela Garbecht, Mitarbeiterin und Vorsitzende der Mitarbeitervertretung. Das macht für uns die Kommunikation einfacher und weniger zeitintensiv. Diese Zeit können wir besser in die gute praktische Ausbildung unserer Schüler stecken. Azubi Thorsten Peiler berichtet, dass zum Projekt Wir rocken die Zukunft auch verbindliche Patenschaften gehören: Azubis des 2. und 3. Lehrjahrs übernehmen eine Patenschaft für die Neuen des 1. Lehrjahrs. Jeder Pate betreut im Schnitt vier Schüler. Die alten Hasen geben eigenes Wissen weiter ( lehren lernen ) und helfen den Frischlingen, sich im Betrieb zurechtzufinden. Der Ausbildungskoordinator ist Ansprechpartner für die Azubis. Es gibt regelmäßige Treffen und die Möglichkeit, Einzeltermine zu vereinbaren. Bei allem geht es darum, dass sich die Azubis zurechtfinden, Freude an ihrer Ausbildung entwickeln und jederzeit Ansprechpartner für ihre Sorgen und Nöte haben. Manuela Garbrecht: Im Konfliktfall vermitteln die Paten als neutraler Partner zwischen Mentor und Schüler. Möglich ist sogar ein Wechsel zu einem anderen Ausbildungsanleiter. Da es davon genügend gibt, ist es kein Problem, auch mal die Gruppe zu tauschen. Der werbefähige Titel Wir rocken die Zukunft ist nach Auffassung von Rudolf Kast dazu geeignet, junge Leute anzusprechen. Das Projekt trifft damit den Puls der Zeit. Aufgrund des Pflegenotstandes ist es wichtig, auch über den eigenen Bedarf hinaus und für den Arbeitsmarkt auszubilden. Durch das Supervisoren-Konzept ist eine intensive Begleitung der Azubis gewährleistet. Ausbildungsverbünde kommen auch in der Industrie vor. Firmen, 3
4 die selbst zu klein sind, um auszubilden, finanzieren Ausbildungs- und Trainingsgesellschaften, die dann die Ausbildung durchführen. Geschäftsführer Bernd Bogert: In NRW gibt es die umlagefinanzierte Ausbildung. Man kann sagen, dass uns unsere Ausbildungsoffensive deshalb nichts kostet. Selbst die Kosten für den Ausbildungskoordinator werden über die Einrichtungen refinanziert. Die Begleitung durch die Mitarbeitenden der Häuser kostet natürlich Zeit, die jedoch nicht erfasst wird. Damit das Konzept mit der großen Anzahl an Azubis funktionieren kann, gibt es eine Kooperation mit fünf Fachseminaren, auf die die Azubis verteilt werden. Für die Praxisanleitung gibt es eine Zusammenarbeit mit anderen Diensten und Krankenhäusern, die Federführung liegt aber in der Hand der St. Gereon Seniorendienste. Auch gezielte Kooperationen mit Hauptschulen gehören zum Projekt Wir rocken die Zukunft. Die St. Gereon- Azubis bringen das Thema Altenpflege dazu in den Berufskundeunterricht der Hauptschulen, wo sie ihr Berufsfeld in den oberen zwei Klassen vorstellen. Die Schülerinnen und Schüler hier sind in einer Orientierungsphase, in der sie sich überlegen, wo es beruflich hingehen soll. Die Resonanz auf die Aktion der Pflegeazubis ist positiv. Ihr wichtigstes Ziel: Gründlich aufzuräumen mit dem vorherrschenden Altenpflege-Image vom Arsch abwischen und die schönen Seiten des Pflegeberufs mit allen Facetten ins rechte Licht zu rücken. Rudolf Kast: Schulkooperationen sind wichtig für die Nachwuchsgewinnung. Die Industrie macht das schon länger vor, zum Beispiel durch gegenseitige Informationsbesuche, also Azubis gehen in die Schule oder Schüler besuchen Firmen. 4
5 3. Preis Forschungsprojekt: Diakonie-Sozialstation Metzingen e.v., ambulanter Pflegedienst in Baden-Württemberg für das Projekt Lebenssituationsadäquates Arbeiten Probleme, gute Pflegekräfte zu bekommen, hat die Diakonie-Sozialstation Metzingen e.v. nicht, sagt der Geschäftsführer Oliver Maier. Der kirchliche Pflegedienst gilt als ausgezeichneter Arbeitgeber, zu dem auch Fachkräfte aus anderen Diensten gerne wechseln. Wir werben nicht ab, betont Oliver Maier, allein unser guter Ruf wirkt wie ein Magnet. Ungefähr 250 Mitarbeitende beschäftigt der ambulante Dienst für sein klassisches Leistungsangebot an Krankenpflege, Kinderkrankenpflege, Familienpflege und Altenpflege. Als Arbeitgeber setzt die diakonische Pflegeeinrichtung nicht nur alles daran, Menschen in den Pflegeberuf zu holen, sondern auch, die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass sie bleiben, betont Monika Dölker, langjährige Mitarbeiterin. Das Arbeitsmodell ist innovativ, weil es den Mitarbeitenden in gut ausgebildeten Pflegeteams den Arbeitsalltag durch verbesserte Arbeitsorganisation erleichtert. Auf dem Programm für Lebenssituationsadäquates Arbeiten stehen gesundheitliche Prävention in den Räumen der Sozialstation Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch angepasste Teilzeitarbeit Einflussnahme der Mitarbeitenden auf die Arbeitsgestaltung Arbeit in überschaubaren Teams Beschäftigung auch älterer Mitarbeiter, Mitarbeit bis zur Rente ist möglich aktive Mitarbeitervertretung Personalentwickler Rudolf Kast schätzt, dass flexible Gleitzeitsysteme, wie sie in der Diakonie-Sozialstation in Metzingen zu finden sind, nur in der Hälfte aller Unternehmen in Deutschland organisiert werden. Die Ausrichtung des Arbeitsprozesses an den Wünschen der Beschäftigten stellt hohe Ansprüche an den Arbeitgeber. Die Arbeitsorganisation wird massiv beeinflusst, die Arbeitskultur muss angepasst werden. Die Phasen Ausbildung Arbeit Freizeit (Auszeit) müssen durch den Arbeitgeber in alle Lebenszeitphasen der Mitarbeitenden integriert werden. Der Aufwand lohne sich aber, so Kast: Mitarbeiter mit einem hohen Fachkräftepotenzial müssen die Möglichkeit haben, ihren Arbeitsplatz zu gestalten und Ideen umzusetzen. Schließlich gehe es darum, Führungskräften so lange wie möglich einen attraktiven Arbeitsplatz zu bieten. Der vor Jahren propagierte Trend, nach fünf bis acht Jahren die Stelle zu wechseln, sei nicht mehr aktuell. 5
6 Ansprechpartner: AGP Sozialforschung Frau Behrend Bugginger Straße Freiburg 6
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