Einige Bemerkungen zu meiner Hausorgel

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1 Jürgen Wolf, Forsbachstr. 20, Köln Einige Bemerkungen zu meiner Hausorgel Um es gleich vorweg zu sagen: Ohne eine entsprechende Pfeifenorgel gäbe es meine Orgel nicht! Pfeifenorgeln sind unersetzlich - digitale Orgeln nur ein nicht perfekter Ersatz. Gleichwohl haben sie im Heimbereich ihre Daseinsberechtigung: - Der finanzielle Rahmen bleibt überschaubar; - die räumlichen Ansprüche sind bescheiden; - der nachbarschaftliche Friede bleibt wegen ausbleibender Lärmbelästigung gewahrt. Es gibt verschiedene Ansätze zur Realisierung einer digitalen Orgel: - Synthetisierung des Klangs mittels digitaler Klangerzeuger; - Wiedergabe zuvor aufgenommener Klänge (Sampling); - Physical Modeling; dies ist ein Klangerzeugungsverfahren, das für alle physikalischen Eigenschaften eines Musikinstruments mathematische Modelle nutzt. Vorhandene Instrumente können damit realitätsgetreu nachgebildet und neue Klänge oder virtuelle Instrumente kreiert werden (-> Wikipedia). Meine Orgel bedient sich des Sampling-Verfahrens. Kurz gesagt nimmt ein Aufnahmeteam eine Orgel Pfeife für Pfeife auf. Man unterscheidet sogenanntes Dry und Wet, womit gemeint ist, daß die Aufnahme ohne den Raumhall (dry) bzw. mit dem Raumhall (wet) durchgeführt wird. Als erweitertes Aufnahmeverfahren wird auch die Surroundtechnik angewandt. Das Klangergebnis der digitalen Orgel hängt dabei sehr stark von der Qualität der Aufnahme ab (Standort, Mikrofone, Zustand der Orgel etc.). Nach einer Bearbeitung der gespeicherten Klangschnipsel werden diese in eine Datenbank eingelesen. Nun stehen Klangproben aller Pfeifen einer Orgel zur Verfügung, die auf Tastendruck abgerufen werden können. Zur Verwaltung der Orgeldatenbank dient eine Software. Es gibt mehrere Entwicklungen auf diesem Sektor, wobei sich ein Produkt namens HAUPTWERK weitestgehend durchgesetzt hat. Dieses Programm wurde von einem Briten namens Martin Dyde entwickelt. Seine Firma Crumhorn Labs verkaufte er im Jahre 2008 an das amerikanische Unternehmen Milan Digital Audio. HAUPTWERK nunmehr sorgt - vereinfacht gesagt - für die Zuordnung von Registern, Tasten und dem in der Datenbank befindlichen Klangsample. Ist also ein bestimmtes Register gezogen und drückt man eine Taste, so erhält HAUPTWERK einen Befehl vom Spieltisch mittels MIDI. Dieser Befehl löst den Zuordnungsvorgang aus; der Klangschnipsel wird aus der Datenbank ausgelesen und an die Audiokarte weitergereicht. Von dort gelangt der Klang an eine Lautsprecheranlage oder einen Kopfhörer. Das hört sich sehr einfach an, ist es aber bei weitem nicht. Es gibt viele Details zu beachten wie den Einschwingvorgang einer Pfeife, den Dauerton (Beispiel: das abgespeicherte Sample hat eine Länge von 5 Sekungen, man drückt die Taste jedoch länger als 5 Sekunden. Die Software muß dafür sorgen, daß der Klang wiederholt wird.), den Ausschwingvorgang sowie den Nachhall. All dies soll möglichst in Echtzeit erfolgen, schließlich möchte man ja keine Verzögerungen hören.

2 Damit kommen wir zur Hardware. An diese werden extrem hohe Anforderungen gestellt. Das beginnt mit dem enorm großen Arbeitsspeicher. Die gesamte Orgeldatenbank wird in den Arbeitsspeicher geladen, da nur dieser ausreichend schnell ausgelesen werden kann. Für größere Orgeln sind somit 8 GB und mehr (für Surroundtechnik mindestens das Doppelte) erforderlich. Der Prozessor wird extrem belastet. Er muß im Bereich von nur wenigen Mikrosekunden eine Fülle von Aufgaben erledigen. Ein kleines Rechenbeispiel möge das verdeutlichen: Man spielt einen vollen Akkord (je nach Umfang 6 bis 8 Tasten) sowie Pedal (durchaus auch 2 Tasten), ergibt maximal etwa 10 Tasten. Bei einer Orgel mit 50 gezogenen Registern werden somit mindestens 500 Pfeifen (Aliquote erhöhen diese Zahl) betätigt. Der Computer muß in der Lage sein, diese 500 Pfeifen so schnell ein- und auszuschalten, daß ein Mensch keine Verzögerung wahrnehmen kann. In Wirklichkeit schaltet der Rechner die Töne nacheinander, jedoch so schnell, daß wir den Eindruck eines homogenen Klanges haben. Die notwendige Rechenleistung ist enorm. In meiner Orgel befindet sich ein PC mit einem Intel Prozessor i7 (er besitzt 4 Kerne) sowie 16 GB Arbeitsspeicher. Das Caen-Sampleset belegt, wenn komplett geladen, etwa 13,5 GB Speicher. Als Betriebssystem verwende ich Windows 7 Professionel 64 bit. Zu einer guten Orgel gehört ein guter Spieltisch. Hier ist man in seiner Wahl sehr frei. Der Spieltisch muß MIDI-fähig sein, d.h. jede Taste bzw. jede Registerwippe löst einen Befehl aus, der nach MIDI spezifiziert ist. Die Logikschaltungen des Spieltischs sind mit dem PC verbunden, der seinerseits diese MIDI-Befehle versteht. Mein Spieltisch wurde von der Firma Hoffrichter aus Salzwedel gebaut. Er besitzt 4 Manuale (FATAR-Tastaturen) mit 61 Tasten und ein BDO-genormtes Pedal mit 30 Tasten sowie 80 Registerwippen, 4 Fußpistons und 3 Schwelltritte. Die Registerwippen können frei belegt werden; dazu gibt es eine Einstellmöglichkeit in HAUPT- WERK. Auch die Schwelltritte können frei zugeordnet werden, funktionieren jedoch nur, wenn die angewandte Orgel entsprechende Funktionen aufweist. Beispiel: Die englische Orgel aus Haverhill hat eine Register- Schwellfunktion, ähnlich der einer Registerwalze. Also kann man einen Schweller hierzu benutzen. Ebenso gibt es 2 schwellbare Werke (Choir und Swell). Auf meinem Spieltisch sind also alle 3 Schwelltritte entsprechend nutzbar. Die holländische Orgel aus Zwolle besitzt keinerlei Schwellfunktionen, also sind hier die Schwelltritte nicht nutzbar. Das HAUPTWERK-System erlaubt es also, verschiedene Datenbanken von Orgeln (man spricht hier von Samplesets) in den Arbeitsspeicher zu laden. Allerdings kann immer nur ein Sampleset geladen und verwendet werden; man muß sich also für eine bestimmte Orgel entscheiden. Diese Samplesets werden auf dem freien Markt angeboten. Es stehen unterschiedliche Instrumente zur Auswahl, barocke bis moderne, kleinste bis Kathedralorgeln. Die Qualität der Sets ist allerdings sehr unterschiedlich. In der kleinen überschaubaren Szene der HAUPTWERK-Liebhaber haben sich Tips herumgesprochen, welche Sets für welchen Zweck empfehlenswert sind. Derzeit umfaßt das Angebot weit über 100 Samplesets. Ich selbst besitze 3 davon (ein viertes wird im Laufe des Jahres 2012 hinzukommen, folgend die Nr. 4): 1) englische romantische Orgel in der Old Independent Church in Haverhill (England), Erbauer James Jepson Binns, III+P / 59 2) holländische barocke Orgel in der Grote of Sint-Michaelskerk in Zwolle (Niederlande), Erbauer Arp Schnitger, IV+P / 64 3) französische romantische Orgel in der Abteikirche St. Étienne in Caen (Frankreich), Erbauer Cavaillé-Coll, III+P / 55 4) englische romantische Orgel in der Kathedrale in Hereford (England), Erbauer Father Willis, IV+P / 67

3 Orgel der Old Independent Church in Haverhill/Suffolk, England Erbauer: James Jepson Binns, 1901; überholt von Hill, Norman and Beard 1992 Disposition (die Registernamen wurden eingedeutscht): Choir (I) Great (II) Swell (III) Geigenprinzipal 8 Prinzipal 16 Bourdon 16 Viola di Gamba 8 Prinzipal 8 Prinzipal 8 Viola Celestis 8 Viola 8 Gedackt 8 Konzertflöte 8 Hohlflöte 8 Viola 8 Rohrflöte 8 Gedackt 8 Vox Angelica 8 Unda Maris 8 Prinzipal 4 Vox Celestis 8 Prinzipal 4 Waldflöte 4 Geigenprinzipal 4 Gedackt 4 Nasard 2 2/3 Waldflöte 4 Nasard 2 2/3 Superoktav 2 Superoktav 2 Flautina 2 Mixtur 4f Mixtur 2-4f Terz 1 3/5 Posaune 8 Sesquialter 3f Oboe 8 Chamade 8 Contrafagott 16 Klarinette 8 Clairon 4 Waldhorn 8 Trompete 8 I/II Oboe 8 Chamade 8 III/II Clarion 4 Tuba 8 Tremulant III/I Tremulant Pedal Contrabaß 32 Prinzipal 8 Posaune 16 Contrabaß 16 Baßflöte 8 Trompete 8 Prinzipal 16 Superoktav 4 Clarion 4 Bourdon 16 Choralbaß 4 I/P Viola 16 Mixtur 3f II/P Quinte 10 2/3 Contraposaune 32 III/P

4 Orgel der Grote of Sint Michaelskerk in Zwolle, Niederlande Erbauer: Frans Caspar und Johann Georg Schnitger 1721 (Werkstatt des Arp Schnitger) Disposition (die Registernamen wurden eingedeutscht): Rückpositiv (I) Hauptwerk (II) Oberwerk (III) Brustwerk (IV) Praestant 8 Praestant 16 Praestant 8 Gedackt 8 Quintadena 8 Quintadena 16 Hohlpfeife 8 Praestant 4 Zartflöte 8 Oktave 8 Viola 8 Rohrflöte 4 Oktave 4 Rohrflöte 8 Quinta 6 Spitzflöte 3 Flöte 4 Oktave 4 Oktave 4 Oktave 2 Quintflöte 3 Spielflöte 4 Hohlpfeife 4 Waldflöte 2 Oktave 2 Nasard 3 Quinte 3 Quinte 1 1/2 Sesquialter 2f Oktave 2 Oktave 2 Nachthorn 1 Scharf 4f Rauschpfeife 2f Waldflöte 2 Sesquialter 2f Zimbel 3f Mixtur 6f Sifflet 1 1/2 Mixtur 4f Fagott 16 Zimbel 3f Tertian 2f Dulzian 8 Schalmei 8 Trompete 16 Scharf 5f Regal 8 Tremulant Trompete 8 Viola di Gamba 8 Vox Humana 8 Trompete 4 I/II Tremulant II-III-IV III/II IV/II Pedal Praestant 16 Mixtur 8f II/P Subbaß 16 Fagott 32 Oktave 8 Posaune 16 Hohlpfeife 8 Trompete 8 Oktave 4 Trompete 4 Flachflöte 2 Cornet 2

5 Orgel der Abtei St. Étienne in Caen, Frankreich Erbauer: Aristide Cavaillé-Coll 1885 Disposition: Positif (I) Grand Orgue (II) Récit (III) Bourdon 16 Montre 16 Quintaton 16 Montre 8 Bourdon 16 Diaposon 8 Salicional 8 Montre 8 Viole de gambe 8 Unda maris 8 Gambe 8 Voix céleste 8 Cor de nuit 8 Bourdon 8 Flûte traversière 8 Prestant 4 Flûte harmonique 8 Flûteoctaviante 4 Flûte douce 4 Prestant 4 Octavin 2 Nasard 2 2/3 Flûte octaviante 4 Nasard 2 2/3 Tierce 1 3/5 Doublette 2 Cornet 2-5f Carillon 3f Quinte 2 2/3 Plein Jeu Basson 16 Cornet 5f Bombarde 16 Cromorne 8 Plein Jeu 7f Trompette 8 Trompette 8 Bombarde 16 Basson hautbois 8 Trompette 8 Clarinette 8 Clairon 4 Voix humaine 8 I/II Clairon 4 III/II Trémolo II graves III/II graves Pédal Bourdon 32 Bourdon doux 8 I/P Soubasse 16 Flûte 4 II/P Contrebasse 16 Contrebombarde 32 III/P Grosse flûte 8 Bombarde 16 Violoncello 8 Trompette 8 Clairon 4

6 Orgel der Kathedrale in Hereford, England Erbauer: Father Willis 1892 Disposition: Choir (I) Great (II) Swell (III) Solo (IV) Open Diapason 8 Double Open Diapason 16 Contra Gamba 16 Viola da gamba 8 Claribel Flute 8 Bourdon 16 Open Diapason 8 Voix célestes 8 Lieblich Gedackt 8 Open Diapason No 1 8 Stopped Diapason 8 Harmonic Flute 8 Dulciana 8 Open Diapason No 2 8 Salicional 8 Concert Flute 4 Gemshorn 4 Open Diapason No 3 8 Vox Angelica 8 Hohl Flute 2 Lieblich Flute 4 Claribel Flute 8 Principal 4 Clarinet 8 or 16 Nazard 2 2/3 Stopped Diapason 8 Lieblich Flute 4 Orchestral Oboe 8 or 16 Spitzflute 2 Principal No 1 4 Fifteenth 2 Cor Anglais 8 Tierce 1 3/5 Principal No 2 4 Mixture 3f Tromba 8 or 16 Mixture 3f Flute 4 Dulzian 16 Glockenspiel 4 Trumpet 8 Twelfth 2 2/3 Oboe 8 Tuba 8 III/I Fifteenth 2 Double Trumpet 16 II/IV I/II Mixture 3f Trumpet 8 III/II Mixture 4f Clarion 4 + Subkoppeln IV/I Double Trumpet 8 Tremulant + Superkoppeln IV/II Trumpet 8 IV/III Clarion 4 Pedal Double Open Bass 32 Stopped Flute 8 Ophicleide 16 I/P Open Bass 16 Fifteenth 4 Trombone 16 II/P Open Diapason 16 Open Flute 4 Trumpet 8 III/P Bourdon 16 Mixture 4f Clarion 4 IV/P Principal 8 Bombarde 32 + Subkoppeln