Haste einen an der Waffel?

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1 ***** Haste einen an der Waffel? Carola Viehmann Nein, hier soll niemand beleidigt werden. Haste einen an der Waffel? ist eine Redewendung, die bereits vor mehreren Jahrhunderten ihren Ursprung fand. Allerdings mit einer gänzlich anderen Bedeutung als angenommen. Heute wird diesem Ausspruch ein eher abwertender Inhalt beigemessen. Die wenigsten wissen, dass es bei *Haste einen an der Waffel* tatsächlich um Waffeln aus dem Waffeleisen geht und die *Waffel* damals zu etwas Erfreulichem verhalf. Es kennt bestimmt jeder, frische selbst gebackene Waffeln aus dem Waffeleisen, deren Duft einem bereits das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt. Im 19. Jahrhundert präsentierte sich Kuchen oder Gebäck noch nicht als Alltagslebensmittel. Es nahm einen anderen Stellenwert ein. In den ländlichen Regionen bot der Beginn eines neuen Jahres so einen Anlass. 6

2 Es gehörte zum Brauchtum, dass die jungen Burschen am Neujahrstag von Gehöft zu Gehöft zogen. Sie überbrachten Grüße und wünschten in jedem Haus ein Glückseliges neues Jahr. Die lustigen Gesellen bekamen dankend Einlass und der Gastgeber verköstigte sie mit Backwerk und alkoholischen Getränken. Allerdings ist diese Wanderschaft am 1. Tag des neuen Jahres nicht ganz uneigennützig gewesen. Besonders die Höfe, auf denen Mädchen in heiratsfähigem Alter wohnten, strebten sie als Ziele an. Eigentlicher Grund ihrer Besuche war - Sie können es sich denken - Brautschau zu halten. Die Mädchen wiederum signalisierten ihre Bereitschaft zur Brautwerbung, indem sie die jungen Männer mit selbstgebackenen frischen Waffeln bewirteten. Gefiel dem Mädchen ein Waffel essender Besucher, dann Hatte sie einen an der Waffel. So verwundert es nicht, dass ein Waffeleisen als ein beliebtes Hochzeitsgeschenk zählte. Zur damaligen Zeit befand sich in jedem Dorf eine Schmiede. Die frühesten Waffeleisen wurden vom Schmied handgefertigt. Vergleichbar mit einer großen Zange fungierten die langen Arme als Griffe. Die kurzen Arme endeten in so genannten Backen. Das Brockhaus Konversations-Lexikon von 1908 beschreibt die Waffel als ein feines Gebäck von dünner, meist länglich-viereckiger Form, das in besonderen, mit langen Handgriffen versehenen Eisen über einem Holzbzw. Holzkohlenfeuer gebacken wird. Bild 1: Zangenwaffeleisen mit Schließe und Backen, wahrscheinlich 18. Jh. Zu den Aufgaben des Dorfschmiedes zählte nicht nur das Fertigen des Waf feleisens, sondern auch das Verzieren der Backeninnenseiten. 7

3 So leiteten sich die unterschiedlichsten Motive von den verschiedensten Anlässen ab. Für unsere Geschichte stand die Gravur natürlich im Zusammenhang mit dem Hochzeitsbrauchtum. Sinnbildlich sollte das Zangenwaffeleisen zeigen: wie das Waffelbacken erst durch das Schließen der zwei Zangenbacken zu einem Eisen möglich wird, so sollen Braut und Bräutigam durch das Schließen der Ehe verbunden sein. Weitere Motive anderer Zangenwaffeleisen waren die Namen oder Initialen der jeweiligen Eigentümer, sprich auf der einen der Name des Mannes auf der anderen der Name der Gattin. Verewigt blieben auch das Familienwappen oder Begebenheiten des Hochzeitstages, wie eine Hochzeitskutsche. In der Region um den Fläming gehörten Waffeleisen offensichtlich zur Aussteuer, weil sie nur mit den Namen des Mädchens signiert waren, wie es bei diesem Zangenwaffeleisen aus dem Heimatmuseum Teltow dargestellt sein könnte (Bild 2 und 3). Auf der einen Seite florale Motive mit Lebensbaum und Eiche und der möglichen Geburtsjahreszahl. Der Lebensbaum als Symbol des Wachstums und die Eiche für ein langes Leben. Die andere Seite zeigt den möglichen Namen und greift die Blüten und Früchte der beiden Bäume wieder auf. Bild 2 und 3: Zangenwaffeleisen aus dem Heimatmuseum in Teltow 8

4 Weitere Zangenwaffeleisen: Mit religiösen Motiven. Rechteckiges Zangenwaffeleisen mit Schließe am Griff. Motiv obere Backe: Jesus am Kreuz, Inschrift INRI; ca. 18. Jh. Bild 4 Die Backenflächen konnten auch rund sein. Bild 5 Gusseiserne obere Backplatte mit Herz, umgeben von Blattmotiven und Hähnen. Bild 6 Gusseiserne untere Backplatte mit Karomuster im Kreis; ca. 19. Jh. 9

5 Später wurde die Arbeit für den Schmied bei der Herstellung des Zangeneisens einfacher, indem er das Motiv in das noch heiße Eisen stempelte. Das Gravieren war nicht mehr notwendig und verschwand. In Folge dessen verschwand ebenso die Einmaligkeit durch den persönlichen und individuellen Bezug jedes handgefertigten Zangeneisens. Bild 7 Viereckiges Zangenwaffeleisen mit 6 Motiven auf der oberen Platte und 6 Karomustern auf der unteren Platte; Anfang 20. Jh. Mit der Veränderung der Herdfeuerstellen veränderte sich dann auch das Aussehen der Waffeleisen. Die alten handgefertigten Zangenwaffeleisen mit ihren langen Armen wurden durch industriell hergestellte HerdaufsatzWaffeleisen ersetzt. Bild 8 Herdaufsatz-Waffeleisen mit Rezeptaufdruck; Mitte 19. Jh. 10

6 Bild 9 Herdaufsatz-Waffeleisen auseinandergeklappt mit Herzchenwaffelmotiv. Waffeleisen zählten offensichtlich über mehrere Jahrhunderte mit zu den beliebtesten Hochzeitsgeschenken. Quellen: Wunderbare Waffeln; von Ellen N. Henkel; 2003; Kulturgeschichte eines Gebäckes aus dem Waffeleisen Brockhaus Konversationslexikon; 1908 Scheiblers Allgemeines Deutsches Kochbuch; Leipzig 1920 Abbildungen 1 und 4 bis 9: Carola Viehmann 11

7 Waffel-Rezept aus Scheiblers Allgemeines Deutsches Kochbuch; Leipzig