Leistungsstörungen I
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- Lilli Lichtenberg
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1 Leistungsstörungen I Unmöglichkeit als erste von drei Leistungspflichtverletzungen (Leistungsstörungen) Lehrstuhl für Zivilrecht, Wirtschaftsrecht, Geistiges Eigentum Prof. Dr. Michael Hassemer
2 Die Matrix der Leistungsstörungen (Leistungspflichtverletzungen) 1. Unmöglichkeit 275, 280 I, III, , 311a, 326 BGB 2. Nichtleistung trotz Möglichkeit (und Verzug) 3. Schlechtleistung (Mangelhaftigkeit) Alle weiteren Pflichtverletzungen: Verletzung nicht-leistungsbezogener Pflichten (Rücksichtnahme, 241 II, 280 I BGB, nur einfacher : Renate Rubin, Karin, Lagerarbeiter Ludwig etc.) Zivilrecht 18 Sommer 2017 Prof. Dr. Michael Hassemer 2
3 Unmöglichkeitskonstellationen Beispiele das Hundewelpen in der Zeitungsanzeige das impressionistische Gemälde das gestohlene Fahrrad das zerstörte Gebrauchthandy der Doppelverkauf der als unfallfrei verkaufte Gebrauchtwagen (Stückschuld vs. ) Unmöglichkeit durch Zeitablauf: insbesondere Dauerschuldverhältnisse: Arbeit, Miete ( absolute Fixgeschäfte ) Zivilrecht 18 Sommer 2017 Prof. Dr. Michael Hassemer 3
4 In der Prüfung insbesondere drei Fragen 1. Was passiert mit der Leistungspflicht? ( 275 I BGB) 2. Was passiert mit der Gegenleistungspflicht? ( 326 BGB) Schicksal der Primäransprüche 3. Was kann der Gläubiger verlangen (insbesondere )? Sekundäransprüche (z. B. 283, 311a II BGB) Zivilrecht 18 Sommer 2017 Prof. Dr. Michael Hassemer 4
5 Was ist Unmöglichkeit? Begriff: Endgültiges tatsächliches oder rechtliches Leistungshindernis 275 I BGB: (1) Der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist. Unmöglichkeit: Pflichtverletzung Zivilrecht 18 Sommer 2017 Prof. Dr. Michael Hassemer 5
6 Erscheinungsformen der Unmöglichkeit 1. Objektive oder subjektive Unmöglichkeit vgl. Gesetzeswortlaut 275 BGB: Unterscheidung hilfreich, aber irrelevant, da gesetzlich gleichgestellt 2. Tatsächliche oder rechtliche Unmöglichkeit vgl. Beispiele; ebenfalls gleichbedeutend 3. Anfängliche oder nachträgliche Unmöglichkeit vgl. wiederum Beispiele wird relevant beim (dort beim Vertretenmüssen, 283, 311a BGB) Zivilrecht 18 Sommer 2017 Prof. Dr. Michael Hassemer 6
7 Unmöglichkeit bei en, 243 BGB Stück- vs. en (BGB unzeitgemäß) Individualisierung (Stückschuld) vs. Typifizierung () Eine Tonne Zement, zwei Brezeln, 200 g Erdbeeren etc. (quantitativ bestimmter Leistungsinhalt) aber auch: ein Neufahrzeug des Typs X des Herstellers Z Ein Computer des Typs XY der Firma Z, ein Smartphone Typ XY Bei en wird die Individualisierung des geschuldeten Gegenstands erst durch den Schuldner vorgenommen: Aussortierung Hierzu: 243 I BGB Zivilrecht 18 Sommer 2017 Prof. Dr. Michael Hassemer 7
8 Unmöglichkeit bei en Es gibt zwei Möglichkeiten: 1. Unmöglichkeit der Leistung hinsichtlich der ganzen Gattung: z. B. nicht mehr vermarktete Produkte 2. Konkretisierung 243 II BGB: 2) Hat der Schuldner das zur Leistung einer solchen Sache seinerseits Erforderliche getan, so beschränkt sich das Schuldverhältnis auf diese Sache. Die wird zur Stückschuld. Hiermit wird vermieden, dass der ner unbegrenzt nachleisten muss. Zivilrecht 18 Sommer 2017 Prof. Dr. Michael Hassemer 8
9 das seinerseits Erforderliche getan? Das bedeutet: Noch nicht erfüllt, aber schon geleistet. Darum Leistungsort entscheidend: Holschuld Der Schuldner schuldet Aussortierung und Bereitstellung; Leistungsort und Konkretisierung beim Schuldner Schickschuld Der Schuldner schuldet Aussortierung und Auf-den- Weg-Bringen ; Leistungsort und Konkretisierung beim Schuldner Bringschuld Der Schuldner schuldet Ablieferung beim Gläubiger; Leistungsort und Konkretisierung beim Gläubiger Zivilrecht 18 Sommer 2017 Prof. Dr. Michael Hassemer 9
10 Die Bestimmung zum Leistungsort: 269 BGB 269 Leistungsort (1) Ist ein Ort für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen, insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses, zu entnehmen, so hat die Leistung an dem Ort zu erfolgen, an welchem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz hatte. ( ) 269 BGB enthält eine Vermutung gegen die Bringschuld (Schuldnerschutz) Zivilrecht 18 Sommer 2017 Prof. Dr. Michael Hassemer 10
11 Rechtsfolgen der Unmöglichkeit: Erlöschen der Leistungspflicht, 275 I BGB: (1) Der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist. In der Klausur kommt es nun erstmals zu der Anspruchsprüfung, von der wir zu Beginn der Vorlesung bereits gesprochen haben: I. Der Anspruch K gegen V auf Übereignung des Hundewelpens ( 433 I BGB) ist entstanden, wenn ein wirksamer Kaufvertrag etc II. Der Anspruch könnte aber wegen Unmöglichkeit nach 275 I BGB erloschen sein. Unter Unmöglichkeit versteht man ein dauerhaftes rechtliches oder tatsächliches Leistungshindernis Zivilrecht 18 Sommer 2017 Prof. Dr. Michael Hassemer 11
12 Gegenleistungspflicht (in der Regel Kaufpreis) 326: Befreiung von der Gegenleistung und Rücktritt beim Ausschluss der Leistungspflicht (1) Braucht der Schuldner nach 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten, entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung; ( ) (2) Ist der Gläubiger für den Umstand, auf Grund dessen der Schuldner nach 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten braucht, allein oder weit überwiegend verantwortlich ( ), so behält der Schuldner den Anspruch auf die Gegenleistung. ( ) Wiederum: I. Der Anspruch V gegen K auf Bezahlung des Hundewelpens ( 433 II BGB) ist II. entstanden, wenn ein wirksamer Kaufvertrag Der Anspruch könnte aber nach 326 I BGB erloschen sein. Hierfür müsste die Leistungspflicht unmöglich geworden sein (meist schon geprüft) Gem. 326 I BGB entfällt dann auch die Pflicht zur Gegenleistung es sei denn, gem. 326 II BGB Zivilrecht 18 Sommer 2017 Prof. Dr. Michael Hassemer 12
13 = positives Interesse = Erfüllungsinteresse Wir erinnern uns an 122 und an 179 BGB (dort negatives Interesse, begrenzt durch das positive Interesse) Der Gläubiger ist so zu stellen,. als wäe der Vertrag ordnungsgemäß erfüllt worden. Sekundäranspruch I: Zivilrecht 18 Sommer 2017 Prof. Dr. Michael Hassemer 13
14 Nun nachträgliche vs. anfängliche Unmöglichkeit Verschiedene Anspruchsgrundlagen: nachträglich: 280 I, III, 283 BGB (kumuliert) (mittel-) leicht anfänglich: 311 a II BGB schwer! Warum die Unterscheidung? Vertretenmüssen! Zivilrecht 18 Sommer 2017 Prof. Dr. Michael Hassemer 14
15 Nachträgliche Unmöglichkeit: kumulative Anspruchsprüfung 280 wegen Pflichtverletzung (1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. ( ) (3) kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des 281, [des 282] oder des 283 verlangen. 283 bei Ausschluss der Leistungspflicht Braucht der Schuldner nach 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten, kann der Gläubiger unter den Voraussetzungen des 280 Abs. 1 statt der Leistung verlangen. ( ) Zivilrecht 18 Sommer 2017 Prof. Dr. Michael Hassemer 15
16 Anfängliche Unmöglichkeit, 311 a) II BGB 311a Leistungshindernis bei Vertragsschluss (1) Der Wirksamkeit eines Vertrags steht es nicht entgegen, dass der Schuldner nach 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten braucht und das Leistungshindernis schon bei Vertragsschluss vorliegt. (2) Der Gläubiger kann ( ) ( ) verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner das Leistungshindernis bei Vertragsschluss nicht kannte und seine Unkenntnis auch nicht zu vertreten hat. ( ) Kriterium ist bei der anfänglichen Unmöglichkeit die Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis vom anfänglichen Leistungshindernis. Sie ersetzt das Vertretenmüssen der nachträglichen Unmöglichkeit in 280, 283 BGB. Dem Schuldner ist nicht vorzuwerfen, dass die Leistung unmöglich wurde, sondern dass sie es vor Vertragsschluss schon war, er das hätte wissen müssen und trotzdem einen Vertrag geschlossen hat. Zivilrecht 18 Sommer 2017 Prof. Dr. Michael Hassemer 16
17 Horst Pferdezüchter Fred ist im Besitz des Zuchthengstes Horst aus der Zuchtlinie Horsthausen von Halterstein. Der ursprünglich kerngesunde Horst ist in den letzten Monaten allerdings durch nachlässige Pflege und zu wenig frische Luft zunehmend abgemagert, verweigert die Nahrung und wird auch im Übrigen immer schwächer. Fred entschließt sich darum dazu, Horst zu verkaufen, und bietet das Pferd in der Reiter- und Züchterzeitschrift Gerte und Spore an. Im unerfahrenen Nachwuchszüchter Klaus findet Fred einen Käufer: Zum Preis von werden sie sich einig. (In kerngesundem Zustand wäre Horst wert gewesen.) Klaus möchte Horst nach einer Woche abholen. Leider verstirbt Horst jedoch a) zwei Tage nach Vertragsschluss b) einen Tag davor. Ansprüche des Klaus gegen Fred? Zivilrecht 18 Sommer 2017 Prof. Dr. Michael Hassemer 17
18 Horst: Variante Klaus hat auf seinem Grundstück, um Horst unterzubringen, bereits einen Stall zum Preis von eingerichtet, der nun nutzlos ist. Kann er die Kosten hierfür von Fred verlangen? Zivilrecht 18 Sommer 2017 Prof. Dr. Michael Hassemer 18
19 Schaden? K! Sekundäranspruch II: Ersatz r, 284 BGB frustriert (umsonst) Die für die Parteiveranstaltung gemietete Kapelle Alternativ zum (positives vs. negatives Interesse) Zivilrecht 18 Sommer 2017 Prof. Dr. Michael Hassemer 19
20 Sekundäranspruch III: Anspruch auf das stellvertretende 285 Herausgabe des Ersatzes (1) Erlangt der Schuldner infolge des Umstands, auf Grund dessen er die Leistung nach 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu erbringen braucht, für den geschuldeten Gegenstand einen Ersatz oder einen Ersatzanspruch, so kann der Gläubiger Herausgabe des als Ersatz Empfangenen oder Abtretung des Ersatzanspruchs verlangen. (2) Kann der Gläubiger verlangen, so mindert sich dieser, wenn er von dem in Absatz 1 bestimmten Recht Gebrauch macht, um den Wert des erlangten Ersatzes oder Ersatzanspruchs. Leistungssurrogat häufig Versicherungsleistungen oder Verkaufserlöse bei Drittgeschäften Zivilrecht 18 Sommer 2017 Prof. Dr. Michael Hassemer 20
21 Ein Geschäftsmann zum zweiten (wir erinnern uns an die Folie Nr. 5) Viktor veräußert sein gebrauchtes Fahrrad (Wert: 30 ) telefonisch für 20 an Knut. Noch bevor Knut zu Viktor kommt, um das Rad abzuholen, erhält Viktor vom Dritten Dieter ein besseres Angebot (60 ), das er natürlich sofort annimmt. Als Knut bei Viktor eintrifft, ist das Rad bereits an Dieter übereignet. [Ansprüche des Knut gegen Dieter: schon in Folie 5 geprüft: keine] a. Ansprüche des Knut gegen Viktor? b. Ansprüche des Viktor gegen Knut? Zivilrecht 18 Sommer 2017 Prof. Dr. Michael Hassemer 21
22 Faktische Unmöglichkeit, persönliche Unzumutbarkeit Hierzu : ( ) (2) Der Schuldner kann die Leistung verweigern, soweit diese einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Bei der Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen ist auch zu berücksichtigen, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat. (3) Der Schuldner kann die Leistung ferner verweigern, wenn er die Leistung persönlich zu erbringen hat und sie ihm unter Abwägung des seiner Leistung entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann. Zivilrecht 18 Sommer 2017 Prof. Dr. Michael Hassemer 22
23 Faktische Unmöglichkeit, persönliche Unzumutbarkeit Leistungsverweigerungsrechte ( kann verweigern ): Leistungsverweigerungsrechte sind Einreden Abs. 2 ( faktische Unmöglichkeit ): Der Ring auf dem Meeresgrund (nur krasse Extremfälle) Abs. 3 (persönliche Unzumutbarkeit): Das kranke Kind des alleinerziehenden Arbeitnehmers Der Arbeitnehmer, der in sein Heimatland zum Wehrdienst einberufen wird Zivilrecht 18 Sommer 2017 Prof. Dr. Michael Hassemer 23
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