Rechtswissenschaftliches Institut. Rechtsgleichheit
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- Gitta Vogt
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1 Rechtsgleichheit
2 Personeller Anwendungsbereich (Art. 8 BV) Grundrechtsträger o Alle natürlichen Personen («alle Menschen») o Über den Wortlaut hinaus auch juristische Personen Grundrechtsbindung o Rechtsanwendende Behörden (Wortlaut: «vor dem Gesetz») o Rechtsetzende Organe (über den Wortlaut hinaus auch «Gleichheit im Gesetz») Prof. Dr. Andreas Glaser Seite 2
3 Inhaltliche Vorgaben BGer.: «Nach Art. 8 Abs. 1 BV verletzt ein Erlass das Rechtsgleichheitsgebot, wenn er rechtliche Unterscheidungen trifft, für die kein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen ersichtlich ist, oder er Unterscheidungen unterlässt, die sich aufgrund der Verhältnisse aufdrängen, wenn also Gleiches nicht nach Massgabe seiner Gleichheit gleich und Ungleiches nicht nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich behandelt wird.» Rechtsgleichheit (Art. 8 Abs. 1 BV) Gleichbehandlungsgebot Differenzierungsgebot Prof. Dr. Andreas Glaser Seite 3
4 Inhaltliche Vorgaben Rechtsgleichheit in der: o Rechtsetzung o Rechtsanwendung Wichtig: Rechtsgleichheit nur in Bezug auf ein und dieselbe öffentlich-rechtliche Körperschaft anwendbar zwei Regelungen des Kantons ZH vergleichbar, nicht aber Regelungen von Kanton ZH und Kanton AG Prof. Dr. Andreas Glaser Seite 4
5 Gleichheitsgebot Prüfschema 1. Vergleichbare Situation der betreffenden Personen/Personengruppen? 2. Ungleichbehandlung der Personen/Personengruppen durch rechtssetzende/rechtsanwende Behörde? 3. Sachlicher Grund für Ungleichbehandlung? Prof. Dr. Andreas Glaser Seite 5
6 Obwaldner Tourismusabgabe - Gesetzliche Bestimmung «Der Abgabepflicht untersteht auch, wer sich zu Ferien- oder Erholungszwecken in eigenen oder dauernd gemieteten Gebäuden, Wohnungen oder Zimmern aufhält oder sich diese zur Verfügung hält und nicht im Kanton seinen steuerrechtlichen Wohnsitz hat». - Urteil des BGer. 2C_794/ Vergleichbare Situation zwischen Ferienwohnungsbesitzern innerhalb und ausserhalb des Kantons Obwalden - Unterschiedliche Behandlung: Besteuerung/Nicht-Besteuerung - Sachlicher Grund? Unbeschränkte Steuerpflichtigkeit in OW? BGer.: Nein, da auch Eigentümer ausserhalb des Kantons Steuern in OW für ihr Eigentum zahlen Prof. Dr. Andreas Glaser Seite 6
7 Differenzierungsgebot Prüfschema 1. Nicht vergleichbare Situation der betreffenden Personen/ Personengruppen? 2. Gleichbehandlung der Personen/Personengruppen durch rechtssetzende/rechtsanwende Behörde? 3. Sachlicher Grund für Gleichbehandlung? Prof. Dr. Andreas Glaser Seite 7
8 Grenzen der gerichtlichen Kontrolldichte Grundsätzlich hängt Beurteilung der Frage eines sachlichen Grundes von verschiedenen Faktoren ab: o Rechtserheblichkeit der tatsächlichen Gleichheiten bzw. Unterschiede o Ort und Zeit Beurteilung ist Wertungsfrage mit gewisser Unschärfe Weiter Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers Herabgesetzte Anforderungen: Zulässigkeit starker Typisierung aus Gründen der Praktikabilität Erhöhte Anforderungen bzgl. Schutzbereich eines Grundrechts Prof. Dr. Andreas Glaser Seite 8
9 Praxisänderung = Ein neuer Fall wird anders behandelt als frühere gleichartige Fälle Rechtssicherheit Rechtsgleichheit Voraussetzungen (kumulativ): Ernsthafte und sachliche Gründe für Praxisänderung Änderung für alle künftigen Fälle Überwiegen des Interesses an der Praxisänderung gegenüber dem Rechtssicherheitsinteresse der Betroffenen Ankündigung der Praxisänderung nach Treu und Glauben Prof. Dr. Andreas Glaser Seite 9
10 Änderung langjähriger Rechtsprechung - «Die Änderung einer Rechtsprechung muss sich auf ernsthafte sachliche Gründe stützen können, die vor allem im Hinblick auf das Gebot der Rechtssicherheit umso gewichtiger sein müssen, je länger die als falsch oder nicht mehr zeitgemäss erkannte Rechtsanwendung für zutreffend erachtet worden ist. Eine Praxisänderung lässt sich grundsätzlich nur begründen, wenn die neue Lösung besserer Erkenntnis der ratio legis, veränderten äusseren Verhältnissen oder gewandelten Rechtsanschauungen entspricht» (BGE 138 III 359 E. 6.1 S. 361). - Beispiel: Neue «Schmerzrechtsprechung» (BGE 141 V 281) Prof. Dr. Andreas Glaser Seite 10
11 Gleichbehandlung im Unrecht? Grundsatz Bei Abweichung in nur einem oder einzelnen Fällen besteht kein Anspruch darauf, gleich wie andere von einer falschen Rechtsanwendung profitieren zu können. Ausnahmsweise Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht, wenn folgende Voraussetzungen kumulativ gegeben: Behörde weicht in konstanter Praxis vom Gesetz ab Nicht erkennbar, dass Behörde in Zukunft gesetzeskonform handeln wird Keine überwiegende Interessen stehen der Weiterführung der falschen Praxis entgegen Prof. Dr. Andreas Glaser Seite 11
12 Gleichbehandlung im Unrecht: BGer. 1C_444/ Baugesuchstellerin macht geltend, die Vorschriften des Zonenplanes seien auch in anderen Fällen nicht korrekt angewendet worden, sodass auch für ihr vorschriftswidriges Vorhaben die Baubewilligung erteilt werden müsse - BGer.: Gesetzmässigkeit geht gleichmässiger Rechtsanwendung vor - Umstand, dass das Gesetz in anderen Fällen nicht oder nicht richtig angewendet worden ist, gibt den Bürgern grundsätzlich keinen Anspruch darauf, ebenfalls abweichend vom Gesetz behandelt zu werden Prof. Dr. Andreas Glaser Seite 12
13 Gleichbehandlung im Unrecht: BGer. 1C_444/ Ausnahmsweise und unter strengen Bedingungen wird jedoch im Rahmen des verfassungsmässig verbürgten Gleichheitssatzes ein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht anerkannt - Fälle stimmen in den tatbestandserheblichen Sachverhaltselementen überein und dieselbe Behörde weicht in ständiger Praxis vom Gesetz ab - Behörde gibt ausdrücklich zu erkennen, auch inskünftig nicht gesetzeskonform entscheiden zu wollen - Keine überwiegenden Gesetzmässigkeitsinteressen oder Interessen Dritter Prof. Dr. Andreas Glaser Seite 13
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