Extraforum Attendorn 5 Jahre Musterabrechnung des VNWI im Praxistest: Was hat sich bewährt? Was ist zu ändern?
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- Nicole Kopp
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1 Extraforum Attendorn 5 Jahre Musterabrechnung des VNWI im Praxistest: Was hat sich bewährt? Was ist zu ändern? Prof. Dr. Florian Jacoby Attendorn, 26./
2 Themen I. Dogmatische Grundlage für die Erstellung einer Jahresabrechnung: Das Finanzierungssystem gem. WEG und BGH- Rechtsprechung II. Beschlussgegenstand der Jahresabrechnung: Abrechnungssumme, Abrechnungssaldo oder Abrechnungsspitze? III. Auszahlung von positiven Abrechnungsspitzen an den Erwerbern, trotz Vorauszahlungsrückstand des Veräußerers? Folie 2
3 I. Finanzierungssystem des WEG Thesen Finanzierungssystem will Finanzbedarf der Gemeinschaft sicherstellen. Im Vordergrund steht die Vorabausstattung der Gemeinschaft durch den Wirtschaftsplan. Jahresabrechnung fragt, ob Finanzausstattung durch Wirtschaftsplan zutreffend war (ergänzt oder reduziert). Entsprechende Ansprüche werden durch Beschlüsse auf Grundlage von 16, 28 WEG begründet. Abrechnung ist wohnungsbezogen, unabhängig von der Person des Eigentümers, Abgrenzung nach Fälligkeit. Folie 3
4 Charakter Wirtschaftsplan BGH v V ZR 171/11, Rn. 23: Wie 28 Abs. 2 WEG verdeutlicht, haben die Wohnungseigentümer ihren Beitrag zu den Kosten und Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums ( 16 Abs. 2 WEG) in erster Linie durch Vorauszahlungen zu erfüllen. Bei diesen handelt es sich nicht um gewöhnliche Abschlagszahlungen, für die charakteristisch ist, dass sie von dem Gläubiger nicht mehr verlangt werden können, sobald eine Berechnung der eigentlichen Forderung vorliegt (vgl. BGHZ 182, 158 für Abschlagszahlungen nach 16 Nr. 1 VOB/B) oder jedenfalls möglich ist (so für Betriebskostenvorauszahlungen des Mieters: BGH NJW 2011, 145, 146 Rn. 22). Der Vorschussanspruch nach 28 Abs. 2 WEG bleibt, wie dargelegt, auch nach dem Beschluss über die Jahresabrechnung und selbst dann unverändert bestehen, wenn es zu einer Abrechnung überhaupt nicht kommt. Folie 4
5 Charakter Wirtschaftsplan II BGH v V ZR 171/11, Rn. 23: Der besondere Charakter des Vorschussanspruchs nach 28 Abs. 2 WEG [Wirtschaftsplan] erklärt sich daraus, dass es sich bei den Vorschüssen um das zentrale Finanzierungsinstrument der Wohnungseigentümergemeinschaft handelt; nur die laufenden Vorauszahlungen gewährleisten, dass die für die Bewirtschaftung der Anlage notwendigen Mittel bereitstehen. Die Jahresabrechnung dient demgegenüber nicht der Ermittlung des eigentlichen Beitragsanspruchs, sondern nur der Anpassung der laufend zu erbringenden Vorschüsse an die tatsächlichen Kosten. Folie 5
6 Abgrenzung zur Miete Modell Mietrecht - Vermieter kann Ausgleichsanspruch wegen ihn treffender Betriebskosten gegen Mieter haben. - Dann ist Anspruchsgrundlage der Mietvertrag, wie es 556 BGB ermöglicht. - Für laufendes Jahr sind Vorschüsse zu vereinbaren, - danach ist abzurechnen, um Inhalt des mietvertraglichen Anspruchs zu fixieren. Abweichend WEG - Ansprüche aus Wirtschaftsplan/Sonderumlage und Jahresabrechnung dienen der Finanzausstattung. - Ansprüche werden durch Beschlüsse begründet. - Abrechnung ergänzt oder korrigiert bloß. Folie 6
7 Anspruchsbegründung durch Beschluss BGH v V ZB 34/03 (juris-rn. 21): Nach 28 Abs. 5 WEG entscheiden die Wohnungseigentümer über den vom Verwalter für ein bestimmtes Kalenderjahr aufgestellten Wirtschaftsplan ( 28 Abs. 1 WEG) durch Mehrheitsbeschluß. Diese Beschlußfassung begründet die Beitragsverbindlichkeiten der einzelnen Wohnungseigentümer (BGHZ 104, 197, 202 f; 131, 228, 230). Die damit gegebene Kompetenz der Wohnungseigentümer, Beitragsforderungen durch Beschluß zu begründen, schließt die Befugnis ein, die betreffenden Ansprüche inhaltlich zu regeln (Merle, ZWE 2003, 290), insbesondere die Leistungszeit der entstandenen Forderungen zu bestimmen. Folie 7
8 Beschluss statt Verursachung BGH v V ZB 10/87: Das Wohnungseigentumsgesetz bietet mit den Vorschriften über den Wirtschaftsplan und die Jahresabrechnung ( 28 WEG) ein anpassungsfähiges Instrumentarium von Vorschuss- und Nachforderungen sowie sonstigen Maßnahmen an. Der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer bleibt z.b. die Entscheidung überlassen, ob zur Tilgung bereits entstandener Verwaltungsschulden etwa - Sonderumlagen erhoben, - Darlehen aufgenommen oder - auf vorhandene, wenngleich für andere Zwecke gebildete Rücklagen zurückgegriffen werden soll. Erst durch den Beschluß der Wohnungseigentümer werden im Rahmen der allgemeinen Beitragspflicht ( 16 Abs. 2 WEG) die Verbindlichkeiten jedes einzelnen Wohnungseigentümers gegenüber den anderen begründet. Folie 8
9 Folge: Erwerberhaftung BGH v V ZB 10/87: Für Verbindlichkeiten der Wohnungseigentümer untereinander, die in der anteilmäßigen Verpflichtung zum Tragen der Lasten und Kosten (WEG 16 Abs 2 - juris: WoEigG) wurzeln, haftet der Erwerber einer Eigentumswohnung auch dann, wenn es sich um Nachforderungen aus Abrechnungen für frühere Jahre handelt, sofern nur der Beschluß der Wohnungseigentümergemeinschaft, durch den die Nachforderungen begründet wurden (WEG 28 Abs 5), erst nach dem Eigentumserwerb gefaßt worden ist. Folie 9
10 II. Beschlussgegenstand der Abrechnung Thesen: Beschlussgegenstand ist Korrektur des Wirtschaftsplan-Anspruchs, mithin: - Wenn WP < Abrechnungssumme, dann neuer Anspruch gegen den Eigentümer in Höhe der Differenz, sog. Abrechnungsspitze, - Wenn WP > Abrechnungssumme, dann Reduzierung der WP- Forderung um die Differenz. Denn diese Einwirkung auf die durch Beschluss begründete WP-Forderung ist nur durch Beschluss möglich. Daher genügt Beschluss über Abrechnungssumme nicht, die nur Rechnungsposten zur Ermittlung der jeweils maßgeblichen Differenz zum WP ist. Denn die WP-Forderung soll abgesehen von ihrer ggf. festgestellten Überhöhung unberührt bleiben (Keine Novation wegen Titulierung, Verjährung, Rechtsnachfolge), so dass der Abrechnungssaldo nicht beschlossen werden darf, sondern nur nachrichtlich mitgeteilt werden kann. Folie 10
11 Soll-Abrechnung I: Abrechnungsspitze Position WP-Forderung (Soll) Abrechnungssumme Abrechnungsspitze 250 E1 Informativ: Forderung gesamt Ist-Vorauszahlungen Abrechnungssaldo 650 Folie 11
12 Abrechnungsspitze gegen Abrechnungssaldo Rückstand ist irrelevant: BGH v V ZR 147/11: Die Wohnungseigentümer sind nicht berechtigt, bereits entstandene, aber noch nicht erfüllte Zahlungsverpflichtungen eines Wohnungseigentümers mit Stimmenmehrheit erneut zu beschließen und so neu zu begründen. Ein dennoch gefasster Beschluss ist wegen fehlender Beschlusskompetenz nichtig. BGH v V ZR 171/11 Rn. 23: Im Gesetz ist ein solcher doppelter Rechtsgrund nicht angelegt. Folie 12
13 Abrechnungsspitze gegen Abrechnungssumme BGH v V ZB 34/03 (juris-rn. 21): - Nach 28 Abs. 5 WEG entscheiden die Wohnungseigentümer über den vom Verwalter für ein bestimmtes Kalenderjahr aufgestellten Wirtschaftsplan ( 28 Abs. 1 WEG) durch Mehrheitsbeschluß. - Diese Beschlußfassung begründet die Beitragsverbindlichkeiten der einzelnen Wohnungseigentümer (BGHZ 104, 197, 202 f; 131, 228, 230). BGH v V ZR 171/11 Rn. 23: Im Gesetz ist ein solcher doppelter Rechtsgrund nicht angelegt. Folie 13
14 Folgeproblem: Fehlerquellen der Abrechnung Relevante Fehlerquellen - Umfang von Einnahmen/Ausgaben, - Verteilung von Einnahmen/Ausgaben, - Verteilungsrelevanz von Einnahmen/Ausgaben, insb. Zuordnung zu bestimmten Rücklagen, - Umfang der Wirtschaftsplanforderung inkl. Wirksamkeit. - [Irrelevant: Umfang der erbrachten Zahlungen.] Mögliche Auswirkungen der Fehler - Anfechtbarkeit des fehlerhaften Beschlusses - Bestandskraft Notwendigkeit eines Zweitbeschlusses Heilung des Fehlers oder Möglichkeit Zweitbeschluss Folie 14
15 Beispiel: Zweitbeschluss bei Nichtigkeit WP BGH v V ZR 168/13: Der Wirtschaftsplan kann nach der Beschlussfassung über die Abrechnung durch einen Zweitbeschluss ersetzt werden, wenn Zweifel an seiner Wirksamkeit bestehen; nichts anderes gilt für den Beschluss über die Erhebung einer Sonderumlage. Der Zweitbeschluss ist rechtmäßig, so dass W auch insoweit keinen Erfolg hat. Folie 15
16 III. Positive Abrechnungsspitze und Vorauszahlungsrückstand Bezüglich einer Einheit lässt sich feststellen: Der Wirtschaftsplan war mehr als auskömmlich: Die Abrechnungssumme von EUR unterschreitet den Ansatz im Wirtschaftsplan (= Soll-Vorauszahlungen) von EUR. Es lässt sich eine positive Abrechnungsspitze von plus 400 EUR berechnen. Auf die aus dem Ansatz im Wirtschaftsplan folgende Forderung (Soll-Vorauszahlungen) von EUR wurden tatsächlich nur EUR (Ist- Vorauszahlungen) erbracht. Der Rückstand beträgt EUR. Folie 16
17 Fragen Was ist in der Jahresabrechnung auszuweisen: Ist ein Anspruch für den betroffenen Wohnungseigentümer auf Auskehr der positiven Abrechnungsspitze zu begründen? Ist eine Verrechnung mit dem Rückstand aus dem Wirtschaftsplan nur durch Aufrechnung nach BGB möglich? Kann ein neuer Adressat (Neueigentümer, Zwangsoder Insolvenzverwalter) Auskehr der positiven Abrechnungsspitze verlangen, weil ihn die WP- Forderung nicht trifft? Folie 17
18 BGH v V ZR 171/11 Rn. 23/27 [23] Die Jahresabrechnung dient demgegenüber nicht der Ermittlung des eigentlichen Beitragsanspruchs, sondern nur der Anpassung der laufend zu erbringenden Vorschüsse an die tatsächlichen Kosten. [23] Anhand der Rechnungslegung des Verwalters über die tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben wird der bestehende Beitragsanspruch der Gemeinschaft überprüft und - in Form eines Nachzahlungsanspruchs der Gemeinschaft oder - [in Form eines] Erstattungsanspruchs des Wohnungseigentümers sowie - durch Neufestsetzung der Vorschüsse korrigiert. [27] Die verstärkende Wirkung des Beschlusses über die Jahresabrechnung besteht [bei positiver Abrechnungsspitze] lediglich darin, dass der Korrekturvorbehalt, unter dem die Vorschusszahlungen stehen, entfällt. Folie 18
19 Soll-Abrechnung II: Reduzierung der WP-Forderung Position WP-Forderung (Soll alt) Abrechnungssumme Reduzierung des WP um 400 E1 Informativ: Forderung gesamt Ist-Vorauszahlungen Abrechnungssaldo Folie 19
20 Soll-Abrechnung IIb: Reduzierung der WP-Forderung Position WP-Forderung (Soll alt) Abrechnungssumme Reduzierung des WP um 400 E1 Informativ: Forderung gesamt Ist-Vorauszahlungen Abrechnungssaldo 400 Folie 20
21 Folgerung Bei rechnerischer positiver Abrechnungsspitze ist Gegenstand der Jahresabrechnung eine ex nunc wirkende Reduzierung der WP-Forderung. Folge ist: - War die WP-Forderung nicht erfüllt, erlischt insoweit der Anspruch auf den Rückstand aus WP. - War die WP-Forderung insoweit bereits erfüllt, entsteht im Umfange der Überzahlung ein Rückzahlungsanspruch, der konsequenterweise dem zustehen muss, der überzahlt hat (Summe nicht Periode). Folie 21
22 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Prof. Dr. Florian Jacoby Direktor der Forschungsstelle für Immobilienrecht, Universität Bielefeld Universitätsstr. 25, Bielefeld
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