Plenarvortrag. Lernen und Neurodidaktik
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- Cornelius Tiedeman
- vor 6 Jahren
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Transkript
1 Plenarvortrag Lernen und Neurodidaktik Folie Nr. 1
2 Wie funktioniert lernen? Lernen = Aufbau von Neuronenpopulationen 100 Milliarden Neuronen; 1 Neuron bis zu synaptische Verbindungen Folie Nr. 2
3 Noch im Mutterleib entwickeln sich die 100 Milliarden Neuronen Ersten Hälfte der Schwangerschaft: pro Minute etwa Neuronen Sprachrezeption beginnt im letzten Drittel der Schwangerschaft Babys im Alter zwischen 2 und 9 Monaten: Können alle Laute (Phoneme) der Sprachen der Welt hören und unterscheiden eine Fähigkeit, die sie bald schon wieder sukzessive verlieren. Gehirn von 250g auf 750g im ersten Lebensjahr (1400g Erwachsener) -> Geschlecht Folie Nr. 3
4 Reiz kommt, limbisches System prüft ob relevant Wenn relevant, erste schwache neuronale Verknüpfung Festigung durch Wiederholung, Mehrkanaligkeit, Emotionen Limbisches System Cortex Subkortikaler Bereich Nicht andockbare Vokabel: 20x wahrnehmen, 80mal anwenden Andere Wissensbestände abhängig von Interesse Neuronaler Umbauprozess im Schlaf, 24 Stunden, weitere Wiederholungen Folie Nr. 4
5 Synapse: Bedeutende Rolle der Neuronen(größe) und der Neurotransmitter Lernen wird durch den richtigen, individuumsabhängigen Neurotransmitter-Cocktail unterstützt -> Empathie des Lehrers Folie Nr. 5
6 Acetylcholin: Aufmerksamkeit, bessere Speicherung Dopamin: (Motivation, Neugierde, Konzentration): -> ausgewogen Dopamin (durch Lob z.b.): bessere Speicherleistung Motivation; Noradrenalin: (Wachheit, Aufmerksamkeit, Reaktionsbereitschaft): richtige Menge -> gutes Lernen (Eustress), zu viel -> kein Lernen Folie Nr. 6
7 Limbisches System (Amygdala und Hippocampus) Neuigkeits- und Emotionsdetektor: Information andockbar an vorhandenes Wissen? JA/NEIN Information relevant/spannend/gewinnbringend/positive Emotionen des Lehrers? JA/NEIN Bekannt? Spannend? Lehrende motiviert? Folie Nr. 7
8 Das limbische System (mit Amygdala, Hippocampus, Hypothalamus, Gyrus cinguli) filtert Informationen und belegt sie mit Gefühlen, bevor sie in verschiedenen Gedächtnissystemen abgespeichert werden. Bei Angst und Stress aktiviert die Amygdala über den Hypothalamus eine Ausschüttung von Neurotransmittern/Hormonen Stress -> Acetylcholin -> Noradrenalin/Adrenalin + Cortisol -> Lernblockade Was jedoch als Stress empfunden wird, ist individuumsspezifisch Folie Nr. 8
9 Stress empfinden Beispiel Ball Folie Nr. 9
10 Forschung 1) Neurotransmitter müssen ausgeglichen sein, also weder zu hoch, noch zu niedrig (Dopaminmangel -> Depression; Dopaminüberschuss -> Schizophrenie) 2) Unterschiedliche Aktionen rufen bei Menschen unterschiedliche Reaktionen hervor 3) Grundprinzip: Akzeptanz -> Motivation -> Lernerfolg vs. Ablehnen -> Distress -> Lernblockade 4) Messungen der Regionen die aktiv sind -> EEG Wo findet Aktivität statt? Freude -> u.a. präfrontaler Cortex Verarbeitung des Belohnungsreizes und Aktivierungsbereiche bekannt Bsp. Musik Meine Mitarbeiterin EEG in Kombination mit Eyetracker Folie Nr. 10
11 Weitere Messungen durch Mediziner Messungen der Neurotransmitter sind möglich mit verschiedenen Verfahren (neben PET und fmrt) Je nach Neurotransmitter: Blut, Speicher, Urin oder z.b. Adrenalin: Anstieg der Pulsfrequenz, des Blutdrucks und Herzminutenvolumens (HMV) Lumineszenz Methode zur Bestimmung der Neurotransmitterausschüttung von neuronalen Zellen Messungen mit Nanoelektrode Regulations-Diagnostik: Resonanztest Folie Nr. 11
12 Was heißt passender Neurotransmitter-Cocktail? Anknüpfend an das Beispiel mit dem Ball: Jedes Gehirn ist anders aufgebaut und für jedes Gehirn ist eine andere Neurotransmitter-Mischung ideal, d.h. dass es gibt kein Patentrezept Neuronale Verknüpfungen + Neurotransmitter -> unterschiedliche Lernstile Faktor 1: Lernbiografie -> wie hat der Lernende bisher gelernt? Grammatik- Übersetzungs-Methode? -> passt entweder auch zum Faktor 2: Lernstil oder ist diesem entgegensetzt Lehrende müssen sowohl über die Auswirkungen der Lernbiografie als auch der Lernstile Bescheid wissen. Folie Nr. 12
13 Lernbiografie ist oft von der Kultur geprägt ist -> schlechte Erfahrungen müssen aufgelöst werden, aber die Lernbiografie ist durchaus zu knacken Dies aber langsam und systematisch (wenn Lernen bisher Auswendig lernen bedeutete, ist Handlungsorientierung und Lernerautonomie zunächst unangenehm -> Noradrenalin Kultur: beispielsweise melden, Zurückhaltung, Lautstärke des Sprechens, eigene Meinung verkünden, Ball oder allgemein Spiele / Aktivitäten im Unterricht, etc. Persönlichkeitsfaktoren -> Lernstil (angeboren vs. frühe Sozialisation; Zwillingsstudien, Adoptionsstudien) Introvertiert/Extr(a)overtiert Risikobereitschaft/Ambiguitätstoleranz: Wie gut gehe ich Ungewissheit um? Wie stehe ich zu Fehlern? Folie Nr. 13
14 Feld(un)abhängigkeit Feldunabhängige Lernende konzentrieren sich vorwiegend auf den Lerngegenstand Feldabhängige Lernende betrachten auch das konkrete Umfeld (Zimmer aufräumen, Küche ordentlich, besonderer Duft, etc., Lehrender sehr wichtig, Geräusche) Folie Nr. 14
15 Grobe Gliederung der Lernstile im Zwiebelmodell nach Curry (1987) Instruktionale Präferenz Präferenz bei der Informationsverarbeitung Persönlichkeits- bezogene Präferenz Lernstile (learning styles) werden in der deutschen Forschung seltener thematisiert und zuweilen mit Lerntypen gleichgesetzt. Grundprinzip: Wird entgegen dem eigenen Lernstil vorgegangen, steigt der Stresslevel (-> Noradrenalin) Folie Nr. 15
16 Auswahl von Lernstil-Typen (als Kontinuum zu verstehen) z.b. kognitiv (analytisch vs. funktional): Regeln (z.b. Grammatik) müssen vorgegeben sein vs. selbst entdeckend Mein Satz soll korrekt sein vs. Hauptsache, man versteht, was ich meine z.b. exekutiv Ich möchte jede Aufgabe im KB/AB erarbeiten vs. man kann Aufgaben weglassen Ich möchte jedes Wort verstehen vs. man kann das Meiste aus dem Kontext erschließen z.b. sozial Ich bevorzuge Einzelarbeit vs. Ich arbeite lieber mit Partner/Gruppe Folie Nr. 16
17 Ich möchte immer korrigiert werden vs. Korrektur verletzt mein Gesicht Lehrender sollte Autorität haben vs. Lehrender sollte ein guter Freund sein Ich möchte viele Tests haben vs. Tests demotivieren mich Mit Aktivitäten lernt man am besten vs. Aktivitäten machen mich nervös Spiele sind das A und O des Lernens vs. Spiele sind Zeitvergeudung Obwohl man also weiß, dass das Andocken von Reizen am besten durch Aktivitäten (Handlungsorientierung, Lernerautonomie -> höherer Sauerstoffgehalt, in der Regel bessere Speicherleistung) vollzogen wird, kann die Handlungs- und Produktionsorientierung auch kontraproduktiv sein. Lückentexte oder Zuordnungsaufgaben beispielsweise führen nicht zu kommunikativer Kompetenz, bieten aber vielen Lernenden Sicherheit -> sinnvoll erscheint also eine Integration von geschlossenen Übungen hin zu freien Aufgaben
18 Zwei Konkrete Ergebnisse 1) Man muss das limbische System der Lernenden erreichen / Neurotransmitter- Cocktail beachten Wie? Motivation durch Relevanz Positive Emotionen -> Lob, Feedback, angenehme Atmosphäre Motivation & Ausstrahlung des Lehrenden es lohnt sich, dieses Wissen auch zu haben! -> Lehrpersönlichkeit -> möglichst viel Empathie des Lehrenden Stimme des Lehrenden -> eine stets gleichbleibende Stimmlage lässt das limbische System entscheiden abzuschalten -> Stimmtraining Übungs-/Aufgabenformenwechsel, Sozialformenwechsel (Lachen, Musik, ) nach ca. 20 Minuten -> Aufmerksamkeitsspanne von ca. 20 Minuten überlisten Anknüpfen an vorhandenem Wissen -> Assoziogramme, Wiederholungen Folie Nr. 18
19 2.) Neue bzw. alte Auffassung von Methodenkompetenz Man sollte als Lehrender nicht nur möglichst viele verschiedene Methoden kennen, sondern sie zielgerichtet im richtigen Moment einsetzen können. Hier hilft das bereits ältere Konzept nach David Hunt (1976) Reading Flexing Eine Gruppe oder eine Situation im Kurs so erfassen können (verbale und nonverbale Kommunikation), dass man auf den momentanen Zustand und die Bedürfnisse der KT schließen kann. Flexibel auf die signalisierten Bedürfnisse der Gruppe reagieren (evtl. auch zu Lasten des eigenen Konzepts) E M P A T H I E Folie Nr. 19
20 Was vermag ein gutes Lehrwerk? Es bietet Halt! Es bietet unterschiedliche Arbeitsformen und Sozialformen an! Es ist bemüht, dass nach ca. 20 Minuten eine andere Aufgabenform beginnt! Es spricht die Lernenden emotional an und motiviert damit beim Lernen! Es ermöglicht viel Hörübungen, den Einsatz von Musik und/oder Filmen! Es ist von der Progression auf die Zielgruppe abgestimmt! Es bietet dem Lehrenden zahlreiche Materialien, um den Unterricht gut vorbereiten zu können Beispiele dazu folgen in den zahlreichen Workshops! Folie Nr. 20
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