Keine Angst vor der werdenden Gemeinschaft : Der praktische Umgang des Verwalters mit dieser Rechtsfigur
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- Stephan Biermann
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1 Keine Angst vor der werdenden Gemeinschaft : Der praktische Umgang des Verwalters mit dieser Rechtsfigur Prof. Dr. Martin Häublein Univ. Innsbruck 1
2 Relevanz der Thematik Wer die Erstverwaltung einer WE-Anlage übernimmt, steht u.a. vor folgenden Fragen: Wer kann mich zum Verwalter bestellen? Ab welchem Zeitpunkt muss ich nach dem WEG verwalten, d.h. Versammlungen einberufen usw.? Wen muss ich zu solchen Versammlungen einladen? Wer schuldet mir mein Verwalterentgelt? Welche Besonderheiten bestehen bei neu errichteten Anlagen (Abnahme, Gewährleistung)? Nur wer sich mit der sog. werdenden Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auskennt, kann Antworten geben. 2
3 Ausgangsüberlegung Was kennzeichnet die Begründungsphase des WE und worin bestehen ihre Besonderheiten? WE wird meistens gem. 8 WEG begründet, d.h. durch einen aufteilenden Eigentümer. Die Vorschriften des WEG über die Verwaltung (Bestellung eines Verwalters, Aufstellen eines Wirtschaftsplans, Abrechnung über diesen, Wahl eines VBR usw.) setzen eine Gemeinschaft voraus. Eine Gemeinschaft entsteht aber nach ganz h.m. erst, wenn es mehrere Wohnungseigentümer gibt. Bis die Erwerber als Wohnungseigentümer im GB (Abt. I) eingetragen werden, kann gerade beim Kauf vom Bauträger viel Zeit vergehen. In dieser Phase und oft sogar darüber hinaus, hat der aufteilende Eigentümer häufig noch viele Stimmen. 3
4 Das Schweigen des Gesetzes Was die Entstehung der Gemeinschaft anbelangt, ist das WEG höchst lückenhaft. 8 Abs. 2 S. 2 WEG legt lediglich fest: Die Teilung wird mit der Anlegung der Wohnungsgrundbücher wirksam. Nach ganz h.m. genügt die Anlegung der Wohnungs-GB nicht, damit die Vorschriften des WEG zur Anwendung kommen, sondern die Verwaltung durch einen WE-Verwalter setzt eine werdende WE-Gem. voraus. Die Gemeinschaft, deren Organ der Verwalter ist, entstehtals werdende WE-Gem. erst, wenn 1. mit mindestens einem Erwerber ein wirksamer Erwerbsvertrag geschlossen wurde, 2. der Anspruch dieses Erwerbers auf Übereignung der Wohnung durch eine Vormerkungim (ggf. noch ungeteilten) GB gesichert ist und 3. der Bauträger ihm Besitz an der Einheit eingeräumt hat. 4
5 Daraus folgt: Der Erstverwalter muss wissen, wann die werdende WE-Gem. entstanden ist. Meistens erfolgt die Besitzverschaffung (Übergabe dazu gleich genauer) als letztes, weshalb der Verwaltersicherstellen muss, dass er von der Übergabe der ersten Wohnung erfährt. Hat er davor Dienstleistungen erbracht, kann die Vergütung dafür grds. nicht vom Konto der Gemeinschaft entnommen werden! Ferner muss er wissen, wer zur werdenden WE-Gem. gehört (auch dazu gleich mehr). Schließlich sollte er sicherstellen, dass er das Verwalteramt wirklich inne hat und sein Verwaltervertrag gilt. Oft wird der erste Verwalter vom aufteilenden Eigentümer in der TE bestellt. Es empfiehlt sich aber, unmittelbar nach Entstehen der werdenden WE- Gem. eine erste WEV einzuberufen und dort über den Verwaltervertrag beschließen zu lassen. 5
6 Hintergrund Es gibt keine wirklich überzeugende rechtliche Begründung dafür, auf welche Weise die Eigentümer an die Verwalterbestellung gebunden werden, die der aufteilende Eigentümer in der TE/GO vornimmt. Deswegen nehmen manche Notare eine Zustimmung zum Verwaltervertrag in die Erwerbsverträge auf. Dabei wird verkannt, dass nicht die einzelnen Eigentümer Partei des Verwaltervertrages sind, sondern die Gemeinschaft. Für diese kann der einzelne Erwerber aber nicht handeln. Der sicherste Weg besteht darin, dass die Versammlung über den Vertrag (und auch über die Wahl) beschließt. Beachte:Der Beschluss bedarf einer Umsetzung!Die Unterzeichnung kann z.b. dem VBR übertragen werden Aber ab wann kann eine solche Beschlussfassung stattfinden und wer ist daran zu beteiligen? Maßgeblich sind die Voraussetzungen der werdenden WE-Gem. made by VNWI 6
7 BGH v. 11. Dezember 2015 (V ZR 80/15) Sachverhalt: Der Bekl. teilte sein Grundstück in 5 WE und verkaufte die WE Nr. 1 und 2 an eine Erwerberin, die WE Nr. 3 an eine zweite und die WE Nr. 4 und 5 an eine dritte. Der Bekl. verpflichtete sich, das gesamte Gebäude zu sanieren. Zu Gunsten der Erwerberinnen wurden Vormerkungen in das GB eingetragen. Eine Umschreibung des Eigentums ist nicht erfolgt. Die WE Nr. 2, 3 und 5 wurden übergeben. In der ETV vom wurden eine Hausgeldzahlung und eine Umlage von 700 je Wohneinheit für die vergangenen drei Monate des Jahres bestandskräftig beschlossen. Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung hatten die Erwerberinnen in den WE Nr. 1 und 4 einige Einrichtungsgegenstände untergebracht, obwohl die Wohnungseingangstüren bis Anfang 2014 fehlten. Mit ihrer Klage begehrt die WE-Gem. Zahlung für die WE Nr. 1 und 4 vom Bekl. Zu Recht? 7
8 BGH v. 11. Dezember 2015 (V ZR 80/15) Zunächst bestätigt der BGH sein Rspr., nach der jedenfalls im Innenverhältniszwischen teilendem Eigentümer und den Ersterwerbern eine vorverlagerte Anwendung des WEG geboten ist, sofern die Voraussetzungen einer werdenden WE-Gem. (s.o.) vorliegen. Nach h.m. gilt das auch im Außenverhältnis, z.b. zum Verwalter, was der BGH so aber bislang nicht entschieden hat! Hier ging es um die Beitragsansprüche (= Innenverhältnis), weshalb die Gemeinschaft nach Ansicht des BGH klagen konnte. Hinsichtlich der WE Nr. 2, 3 und 5 lagen eindeutig die Voraussetzungen einer werdenden WE-Gem. vor. Klärungsbedürftig war, ob der aufteilende Eigentümer dieser WE-Gem. noch angehörte ( 16 Abs. 2 WEG). Das wäre nicht der Fall, wenn die Erwerber zum Zeitpunkt der Beschlussfassung auch bezüglich der WE Nr. 1 und 4 bereits werdende Eigentümer waren. 8
9 Hintergrund Der werdende Eigentümer verdrängt den noch als Eigentümer eingetragenen aufteilenden Eigentümer hinsichtlich der jeweiligen Einheit. Daraus folgt einerseits, dass (nur) der werdende Eigentümer zur Eigentümerversammlung zu laden ist und dort das Stimmrecht für die Einheit ausübt, andererseits trägt er auch die Kosten gemäß dem Wirtschaftsplan und der Jahresabrechnung in Abhängigkeit von deren Fälligkeit. Den noch immer als Eigentümer eingetragenen aufteilenden Eigentümer trifft keine Ausfallhaftung, wenn der werdende Eigentümer nicht zahlt (BGH). 9
10 BGH v. 11. Dezember 2015 (V ZR 80/15) Nach Auffassung des BGH ist als werdender Wohnungseigentümer nur anzusehen, wer (neben einem durch Vormerkung gesicherten Eigentumserwerbsanspruch) den Besitz an der Wohnung durch Übergabe erlangt hat. Der Bauträger dürfe den Besitz nicht ohne oder gegen seinen Willenverlieren und auf diese Weise aus der Gemeinschaft gedrängt werden. Erfolgt die Übergabe mit Willen des Bauträgers, sei es unerheblich, ob die vertraglichen Voraussetzungen hierfür vorlagen und ob darin eine Abnahme i.s. des Werkvertragsrechts zu sehen ist. Der Verwalter sollte sich nun eine Frage stellen: Wie kann und muss er die Übergabe der Wohnung an den Erwerber feststellen? Hierzu enthält die Entscheidung des BGH folgende Aussagen: 10
11 BGH v. 11. Dezember 2015 (V ZR 80/15) Habe der Erwerber die Wohnung bereits bezogen, könne der Verband (und damit auch der Verwalter) grundsätzlich von einer erfolgten Übergabe ausgehen, da eine solche dem Einzug in aller Regel vorausgehe. Nicht (ausdrücklich) gesagt ist damit, ob der Verband auch von der Eintragung einer Vormerkung ausgehen kann! Muss der Verwalter im Vorfeld der WEV prüfen, welche WE bereits bezogen sind und ob entsprechende Vormerkungen bestehen? M.E. nicht, weil die Parteien des Erwerbsvertrages die Pflicht haben, dies dem Verwalter mitzuteilen. Allerdings hat der BGH nur festgestellt, es obliege den Parteien des Bauträgervertrags, dem Verband eine schon im Vorfeld des Einzugs erfolgteeinvernehmliche Übergabe mitzuteilen. Im Zweifel sei die Grundbucheintragung (in Abt. I) maßgeblich und der Bauträger als Wohnungseigentümer anzusehen. Allerdings können sich stärkere Prüfpflichten ergeben, wenn der Verwalter auf Zahlung der Beiträge klagt! 11
12 Bis wann kann ein Erwerber werdender Wohnungseigentümer werden? Grundsätzlich (Regelfall ist der sog. Zweiterwerb) genügen Vormerkung und Übergabe der Wohnung nicht, um die Rechte und Pflichten eines Wohnungseigentümers zu erlangen. Es bedarf der Eigentumsumschreibung. Vorher kann der Erwerber aber vom Veräußerer bevollmächtigt werden. Es ist daher wichtig zu wissen, bis zu welchem Zeitpunkt ein Erwerber werdender Eigentümer sein kann. Das geht nach h.m. nur beim Ersterwerb vom aufteilenden Eigentümer. Aber gilt das für jeden Ersterwerber? Die vom WEG nicht geregelte Begründungsphase (auch Entstehungsphase genannt) endet an sich mit Eintragung des ersten Erwerbers als Eigentümer. Endet damit die Möglichkeit, für spätere Ersterwerber noch den Status eines werdenden Wohnungseigentümers zu erlangen? 12
13 Dazu BGH v (V ZR 196/11) Nach Ansicht des BGH sind Erwerber, die den Erwerbsvertrag vor Entstehender eigentlichen Gemeinschaft abschließen und zu deren Gunsten eine Vormerkung eingetragen wird, auch dann als werdende Eigentümer anzusehen, wenn die Übergabe der Wohnung erst nach dem Entstehen der Gemeinschaft erfolgt ist. Offen ist, was für Erwerber gilt, die erst nach Entstehen der eigentlichen Gemeinschaft kaufen oder zwar vorher gekauft haben, aber erst später im GB vorgemerkt wurden. Nach einer Ansicht soll grundsätzlich jeder, der vom aufteilenden Eigentümer erwirbt (= Ersterwerber), werdender Eigentümer sein, wenn die drei Voraussetzungen vorliegen. Andere wollen mit dem Ablauf der Verjährungsfrist für Baumängel (5 Jahre) auch die Möglichkeit enden lassen, werdender Eigentümer zu werden. Schließlich wird vertreten, ein nach Entstehen der eigentlichen Gemeinschaft geschlossener Erwerbsvertrag reiche nicht mehr aus. Der Verwalter kann sich ggf. durch Vollmachten absichern. 13
14 Sonderfall: Erwerb der Vormerkung Grundsätzlich kann werdender Eigentümer wie gesagt nur ein Ersterwerberwerden, d.h. derjenige, der vom aufteilenden Eigentümer erwirbt. Ein Zweiterwerber, d.h. solche Käufer, die ihren Vertrag mit dem Ersterwerber oder einem späteren Eigentümer schließen, erlangt die Rechte und Pflichten eines WE erst mit Eigentumserwerb. Wie Ersterwerber wollen manche diejenigen behandeln, an den der Ersterwerber seinen durch Vormerkung gesicherten Anspruch auf Übereignung übertragen hat. Bsp.:Vom Bauträger B kauft A eine Wohnung, wird im GB mit dem Anspruch vorgemerkt und bekommt die Einheit übergeben. Später überträgt A, ohne bislang als Eigentümer eingetragen zu sein, die Wohnung an C. C wird als Berechtigte an der Vormerkung im Grundbuch eingetragen. Wer schuldet das Hausgeld? Es kommt darauf an, ob C in die Position eines werdenden Eigentümers eingerückt ist oder als Zweiterwerber erst mit Eintragung in Abt. I des GB Eigentümer wird. 14
15 Dazu BGH v (V ZR 196/11) Unter Aufgabe einer älteren Judikatur meint der BGH, der veräußernde werdende Wohnungseigentümer bleibeauch dann Mitglied des Verbands, wenn er den vorgemerkten Übereignungsanspruch und den Besitz übertragen hat. Das gilt selbstverständlich nur, bis der Erwerber als Eigentümer in Abt. I des GB eingetragen worden ist. Für den BGH ist die Rechtssicherheitentscheidend. Aus Sicht der Gemeinschaft sei so am ehesten gewährleistet, dass deren Mitglieder mit der erforderlichen Sicherheit bestimmt werden können. Eine Übertragung der Stellung als werdender Eigentümer setze voraus, dass in der Person des Erwerbers alle Voraussetzungen erfüllt sind, d.h. neben dem Vormerkungserwerb die Übergabe. Die Feststellung der Besitzverhältnisse bereite jedoch gerade beim Zweiterwerb besondere Schwierigkeiten und die Gemeinschaft könne nicht ohne weiteres feststellen, wer zu ihr gehört. made by VNWI 15
16 Daraus folgt für die Verwaltung: Schuldner des Hausgeldes bleibt auch nach Übertragung der Vormerkung und Übergabe der ursprüngliche Ersterwerber als werdender Wohnungseigentümer. Er ist grundsätzlich auch zur Versammlung zu laden und nimmt das Stimmrecht wahr. Rechtsgeschäftliche Regelungen, wie eine Bevollmächtigung zur Ausübung des Stimmrechts, sind aber selbstverständlich möglich. Teilt der Veräußerer dem Verwalter mit, dass die Ladungen künftig an den Erwerber erfolgen sollen, kann der Verwalter statt des Eigentümers aber den Erwerber laden. Beachte:Vertreterklauseln finden auf Erwerber (= künftige Eigentümer) nach h.m. keine Anwendung! Erst die Eintragung als Eigentümer führt dazu, dass der Erwerber der Vormerkung in unserem Beispiel C Wohnungseigentümer wird. Er wird damit wie ein Zweiterwerber behandelt. 16
17 Baumängel als besondere Herausforderung Der Umgang mit Baumängeln gehört zur Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums. Hat die Gemeinschaft z.b. einen Handwerker beauftragt, der das in die Jahre gekommene Dach decken soll, müssen die Arbeiten von der Gemeinschaft abgenommen werden und vor Ablauf der Ver-jährungsfrist geprüft werden, ob Mängel später erkennbar wurden. Schwieriger ist die Situation bei der Begründung von WE; denn sehr oft hat der aufteilende Eigentümer (z.b. ein Bauträger) den Erwerbern Bauleistungen versprochen. Errichtung der kompletten Anlage, Umbau von Altsubstanz etc. Hier ist nicht die Gemeinschaft Vertragspartner, sondern dies sind die einzelnen Eigentümer. Sie müssen die Leistung des aufteilenden Eigentümers abnehmen und ihnen stehen etwaige Mängelrechte zu. Aber:Der Gemeinschaft können dabei wichtige Aufgaben zukommen, die den Verwalter betreffen. 17
18 Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums Zu den Pflichten eines Bestellers (= Erwerber einer Werkleistung, z.b. beim Bauträgervertrag) gehört die Abnahme. Da jeder Wohnungserwerber einen Anspruch auf mangelfreie Errichtung des gemeinschaftlichen Eigentums gegen den Bauträger erwirbt, schuldet auch jeder die Abnahme. Es ist äußerst umstritten, welche Rolle die Gemeinschaft (und damit der Verwalter) in diesem Zusammenhang spielt. Dabei geht es hier um die gesetzliche Rechtslage. Häufig finden sich in den Erwerbsverträgen Regelungen über die Abnahme, z.b. Vollmachten. Ob diese wirksam sind (meistens unterliegen sie der AGB-Kontrolle) hängt sehr von Einzelfall ab. Nach 10 Abs. 6 S. 3 WEG übt die Gemeinschaft gemeinschaftsbezogene Rechte der Wohnungseigentümer aus und nimmt die gemeinschaftsbezogenenpflichten der Wohnungseigentümer wahr, ebenso sonstigerechte und Pflichten der Wohnungseigentümer, soweit diese gemeinschaftlichgeltend gemacht werden können oder zu erfüllen sind. 18
19 Einordnung der Abnahme Nach einer im Schrifttum vertretenen Ansicht, gehört die Abnahme zu den gemeinschaftsbezogenen Pflichten; die Abnahme wäre per se Sache der Gemeinschaft. Die ebenfalls vertretene Gegenposition meint, die Abnahme werde von 10 Abs. 6 S. 3 WEG überhaupt nicht erfasst und könne nur durch die Erwerber erfolgen. M.E. überzeugt am meisten die vermittelnde dritte Ansicht, die die Abnahme als Pflicht der Wohnungseigentümer ansieht, die erst nach entsprechender Beschlussfassung durch die Gemeinschaft wahrzunehmen ist. Es genügt ein einfacher Mehrheitsbeschluss, an dem der aufteilende Eigentümer aber nicht mitwirken darf (Stimmverbot). Zu dieser gekorenen Zuständigkeit gem. 10 Abs. 6 S. 3 Halbs. 2 WEG s. etwa LG München I v O 1668/11. Sollten die Eigentümer beschließen, dass der Verwalter die Abnahme erklären soll, ist Vorsicht geboten! 19
20 Genau Prüfung der Verträge Mit der Abnahme wird das Bauwerk als im wesentlichen vertragsgemäß gebilligt. Um das beurteilen zu können, muss der Abnehmende genau wissen, was Inhalt des Vertragesist, für den die Abnahme erklärt wird. In Bezug auf das gemeinschaftliche Eigentum sollten an sich alle Erwerber einen inhaltsgleichen Anspruch haben. Die Praxis zeigt aber, dass das oft anders ist, z.b. weil im Laufe der Bauarbeiten Änderungen vorgenommen werden oder die mit dem Vertrieb betrauten Personen einzelnen Erwerbern Zusagen machen, die von der Baubeschreibung abweichen. Sachverständige, z.b. TÜV, prüfen in der Regel nur, ob die WEanlage der Baubeschreibung entspricht, die ihnen vorgelegt wird. Aber wer sagt, dass die Baubeschreibung mit dem Inhalt aller (!) Erwerbsverträge übereinstimmt? Der Verwalter ist daher gut beraten, für die Abnahme auch einen juristischen Fachmann zu Rate zu ziehen. made by VNWI 20
21 BGH v. 12. Mai 2016 (VII ZR 171/15) Sehr aktuell hat der BGH jetzt zur Bindung von Nachzüglern an eine vor ihrem Erwerb erfolgte Abnahme entschieden. Dabei äußert der BGH (Rn. 34 d. E.) auch die Ansicht, die Abnahme weise keinen Bezug zur gemeinschaftlichen Verwaltung auf, weshalb sie nicht in der TE/GO geregelt werden können. Das wirft die Frage auf, ob damit auch eine Vergemeinschaftungdurch Beschluss nach 10 Abs. 6 S. 3 WEG ausscheidet. M.E. wäre diese Auslegung nicht überzeugend. Ferner entschied der BGH: Ergeht in der ersten WEV ein Beschluss gemäß einer Bestimmung in der TE dahingehend, dass die Abnahme des GE durch ein Ingenieurbüro auf Kosten des Bauträgers in Vertretung der einzelnen Wohnungseigentümer durchgeführt werden soll, und erklärt das dementsprechend beauftragte Ingenieurbüro die Abnahme des GE auch im Namen von Nachzügler-Erwerbern, die zu diesem Zeitpunkt nicht einmal werdende Wohnungseigentümer waren, so entfaltet diese Abnahme eine Abnahmewirkung zu Lasten der Nachzügler- Erwerber weder aufgrund der genannten Bestimmung in der TE noch aufgrund des genannten Beschlusses in der ersten WEV. made by VNWI 21
22 Was gilt, wenn Mängel auftreten? Auch Mängelrechte der Erwerber resultieren aus den Erwerbsverträgen und stehen nicht der WE-Gem. zu. Handelt es sich dabei um Werkverträge, kann der Einzelne aber nicht sämtliche Rechte allein ausüben. Möchte der Erwerber z.b. den Kaufpreis mindern, braucht er hierfür die Mitwirkung der Gemeinschaft. Der Anspruch ist gemeinschaftsbezogen, weshalb gem. 10 Abs. 6 S. 3 Halbs. 1 WEG eine geborene Zuständigkeit der WE-Gem. besteht. Dies dient auch dem Schutz des Bauträgers. Andere Rechte, wie z.b. das Recht auf Beseitigung des Mangels (Nachbesserung), kann der Einzelne hingegen grundsätzlich allein ausüben können. Er soll dem Bauträger auch eine Nachfrist zur Mangelbeseitigung setzen und nach deren Ablauf vom Vertrag zurücktreten können. Das hat der BGH aber inzwischen stark eingeschränkt. 22
23 BGH v. 6. März 2014 (VII ZR 266/13) Die Gemeinschaft kann darüber beschließen, ob sie dem Bauträger eine Frist zur Beseitigung des Mangels setzen möchte und wie nach deren Verstreichen vorgegangen werden soll. Dadurch verliert der Einzelne seine Ausübungsbefugnis auch hinsichtlich dieser Rechte. Hat die Gemeinschaft durch Beschluss die Ausübung der Mängelrechte hinsichtlich des Gemeinschaftseigentums an sich gezogen, ist die fristgebundene Aufforderung zur Beseitigung der Mängel mit Ablehnungsandrohung seitens eines einzelnen Erwerbers unwirksam, wenn diese mit den Interessen der Gemeinschaft kollidiert. Das kann der Fall sein, wenn die Gemeinschaft in dem Zeitpunkt, in dem der einzelne Wohnungseigentümer die Mängelbeseitigung verlangt, diese nicht zulässt, weil sie eine weitere Klärung der gebotenen Mängelbeseitigungsmaßnahmen für erforderlich hält. 23
24 Hinweis für den Verwalter Da den einzelnen Erwerbern durch einen derartigen Beschluss gleichsam die Hände gebunden werden, ist es besonders wichtig, die Rechte mit Nachdruck zu verfolgen, um sich nicht dem Vorwurf der Untätigkeit auszusetzen. Wie bei der Abnahme sollte der Verwalter in der WE-Versammlung über das Hinzuziehen von Fachleuten beschließen lassen. Besonders problematisch ist eine Verzögerung, wenn zwischen dem Bauträger und dem Verwalter eine (wirtschaftliche) Nähe besteht, was nicht selten der Fall ist, weil der Bauträger i.d.r. den Verwalter aussucht. Um diesem Konflikt zu begegnen verkürzt 26 Abs. 1 S. 2 WEG die Dauer für die Erstbestellung seit auf drei Jahre. Kommt es infolge der Verzögerung zu einer Verjährung, verlagert sich das wirtschaftliche Risiko u.u. lediglich vom Bauträger auf den Verwalter (bzw. dessen Versicherer)! 24
25 Zum Schluss zur Abgrenzung Handelt es sich bei den Erwerbsverträgen nicht um Werk-, sondern um Kaufverträge, sind die Mängelrechte der Erwerber nicht gemeinschaftsbezogen. S. BGH v V ZR 167/14. Das betrifft vor allem den Zweiterwerb, aber auch den Erwerb vom aufteilenden Eigentümer, sofern dieser die Bestandsimmobilie nicht in wesentlichen Teilen saniert. Freilich werden in diesen Fällen die Mängelrecht i.d.r. vertraglich ausgeschlossen. Ungeklärt ist, ob die Gemeinschaft derartige Rechte, wenn sie ausnahmsweise bestehen (bei arglistiger Täuschung des Verkäufers o.ä.), zur Ausübung an sich ziehen kann. Als Alternative kann der einzelne Käufer, der die Kosten eines Rechtsstreits mit dem aufteilenden Eigentümer scheut, diese Ansprüche an die Gemeinschaft abtreten. Diese kann durch Mehrheitsbeschluss darüber entscheiden, dass die abgetretenen Ansprüche durchgesetzt werden sollen. 25
26 Vielen Dank für Ihr Interesse! Kontakt: Prof. Dr. Martin Häublein, Universität Innsbruck, Institut für Zivilrecht, Innrain 52, A-6020 Innsbruck oder über Müller Radack, Rechtsanwälte und Notar, Kurfürstendamm 38/39, Berlin 26
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