Schulstruktur und Bildungschancen
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- Sven Thomas
- vor 8 Jahren
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1 Zukunftskreissitzung am 27. September 2011 Leitung: Dr. Bernhard Bueb Thesenpapier: Schulstruktur und Bildunschancen Schulstruktur und Bildungschancen WIR WISSEN HEUTE: In Deutschland korreliert die Schullaufbahnempfehlung nach Klasse 4 mit dem sozioökonomischen Hintergrund des Schülers/der Schülerin, dem Bildungsstatus der Eltern und der kulturellen Herkunft und nicht mit dem Begabungs- und Leistungspotenzial des Schülers und der Schülerin. Das drei- und mehrgliedrige Schulsystem festigt die soziale Ungleichheit. In der Hauptschule haben Schüler/innen schlechte Entwicklungschancen. Die Anzahl der Bildungsverlierer ist zu hoch. Homogenität in Klassen oder gar über Schulformen gibt es nicht. Heterogenität unserer Gesellschaft spiegelt sich in der Schule wieder und ist die Herausforderung an alle in der Schule Beteiligten. Das Thema Aufstieg durch Bildung, d. h. wie müssen sich die Bildungseinrichtungen verändern, damit Kinder aller Schichten Zugang zu höherer Bildung bekommen, beherrscht nach wie vor die bildungspolitische Debatte. Der Fachkräftemangel in der Wirtschaft verleiht dieser Thematik zusätzliche Brisanz. Es geht nicht nur um soziale Gerechtigkeit, sondern darum, wie wir die Begabungsreserven auch der benachteiligten Schichten erschließen und die Leistungsspitze verbreiten können, damit die Gesellschaft von morgen die Herausforderungen konstruktiv angehen und auch im internationalen Wettbewerb bestehen kann. 1
2 Seit Jahrzehnten werden zu den Themen Schulstruktur und dreigliedriges Schulsystem (hitzige) politische Debatten geführt verstärkt durch die Ergebnisse der PISA Leistungsvergleiche. Viele sehen in der Struktur die Ursache für die ungerecht verteilten Bildungschancen. Die Frage nach der richtigen Schulstruktur stellt sich auf neue Weise, weil durch die demographische Entwicklung den Hauptschulen die Schüler und Schülerinnen fehlen. Daher bahnt sich ein vernünftiger Strukturvorschlag an, der es allen Ländern in Deutschland und insbesondere der CDU-Politik ermöglicht, von der Forderung nach Erhalt der Dreigliedrigkeit abzurücken. Der Frankfurter Zukunftsrat tritt für die Konzeption einer Schulstruktur ein, die dem einzelnen Kind und seiner Begabung bestmöglich gerecht wird und auf die sich alle einigen können. DER PRAGMATISCHE KOMPROMISS THESE 1 Der Frankfurter Zukunftsrat tritt für das Zwei-Säulen-Modell ein. Beispielhaft ist das Modell, das die in Hamburg regierende CDU 2007 beschlossen hatte und das in Teilen seit 2010 verwirklicht wird. Die zwei Säulen heißen hier: Stadtteilschule und Gymnasium. THESE 2 In der Stadtteilschule gehen alle Hauptschulen, Realschulen, Gesamtschulen und allgemeinbildende Aufbaugymnasien auf. In der Säule Gymnasium geht das achtjährige Gymnasium auf. THESE 3 Beide Säulen bauen auf Klasse 4 auf und bieten ein Abitur an: In der Stadtteilschule nach 9 Jahren, im Gymnasium nach 8 Jahren. THESE 4 Schüler und Schülerinnen können bis zum Ende der 6. Klasse zwischen der Stadtteilschule und dem Gymnasium wechseln. Nach der 9. Klasse gibt es nach beiden Schulformen den Ersten, und nach der 10. Klasse den Mittleren 2
3 Bildungsabschluss. Die Abschlüsse entsprechen dem Hauptschul- bzw. dem Realschulabschluss. Nach der 12. Klasse am Gymnasium und der 13. Klasse an der Stadtteilschule wird das Abitur erworben. THESE 5 Im Endausbau ermöglicht die Stadtteilschule allen Schülerinnen und Schülern eine erfolgreiche, auf ihre Potenziale und Voraussetzungen zugeschnittene Bildungslaufbahn: Durch eine Kooperation mit beruflichen Schulen kann nach Klasse 12 die vollwertige Fachhochschulreife erlangt werden. Am Ende von Klasse 13 wird je nach Stadtteilschule das Abitur eines beruflichen Gymnasiums oder allgemeinbildenden Gymnasiums abgelegt. Schule und außerschulische Lernorte gehören zusammen. THESE 6 Die Stadtteilschule berücksichtigt die unterschiedlichen Bildungsbiographien, indem es außerschulische Kooperationspartner ab der Mittelstufe ermöglichen entweder Praxiserfahrungen zu sammeln (Betriebe, freie Träger, berufliche Schulen o. Ä.) oder wissenschaftspropädeutische Bildung vermittelt zu bekommen (Hochschulen und andere außerschulische Partner). THESE 7 Das Personal an der Stadtteilschule besteht sowohl aus unterschiedlichen Professionen (Lehrkräfte, Sozialpädagogen, Schulpsychologen, freie Mitarbeiter als Experten) als auch aus verschiedenen Lehrämtern (Sekundarstufen I / HS- und RS-Lehrkräften, Gymnasiallehrkräften und Lehrkräften mit beruflicher Lehramtsbefähigung). Jeder Schüler und jede Schülerin erhält eine/n Schullaufbahnberater/in, der/die berät und unterstützt bzgl. der vielfältigen Entscheidungen bis zum Abschluss, einschließlich Fördermaßnahmen. THESE 8 Schüler und Schülerinnen beider Säulen bleiben grundsätzlich nicht mehr sitzen, sondern werden durch verpflichtende Teilnahme an zusätzlichen Fördermaßnahmen rechtzeitig während des Schuljahres individuell gefördert. 3
4 THESE 9 Ebenso werden in beiden Säulen besonders begabte und hochbegabte Schüler/innen intensiv gefördert. In der Oberstufe ist die Möglichkeit eines Frühstudiums zu schaffen (entweder als Präsenz- oder Fernstudium). THESE 10 Für beide Säulen gilt: Keine Strukturveränderung ohne inhaltliche Veränderungen: individuelles, kompetenzorientiertes Fördern, Fordern und Bewerten, Lernvereinbarungen im Unterricht mit dem Lehrer als Lernbegleiter begleitet von ganztägigen Angeboten und Hausaufgabenhilfe. 4
5 THESE 11 Innere und äußere Differenzierung in einer Schulform schließen sich nicht aus, sondern ergänzen sich. THESE 12 Die Lehrerausbildung ist konsequent für beide Säulen zu ändern: Eignungstests, Bewertungen aus Praxisphasen, flexible Lehramtsstudiengängen mit Umstiegsmöglichkeiten zum Fach, zur frühkindlichen Pädagogik und zur Erwachsenbildung und eine starker inhaltlicher Baustein zur Lerndiagnostik sollten Bestandteile aller deutschen Lehreramtsstudiengänge sein. INKLUSION: Die Integration der Förderschulen in das Zwei-Säulen- Modell ist prinzipiell wünschenswert, sollte aber erst dann angestrebt werden, wenn die Stadtteilschule und das Gymnasium darauf vorbereitet sind, d. h. wenn Lehrerinnen und Lehrer für individuelles Fördern qualifiziert sind und genügend Personalressourcen zur Verfügung stehen. Eine Änderung der Schulstruktur kann bessere Gelingensbedingungen für mehr Lernerfolg aller Kinder schaffen. 5
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