Gefangen in virtuellen Welten?

Transkript

1 Gefangen in virtuellen Welten? Suchtgefahr bei Computerspielen am Dipl. Psychologin Annette Teske Realitas Fachklinik Hemer Dipl. Soz. Päd. Andreas Pauly Spielraum Köln

2 Was erwartet Sie? Einordnung des Phänomens Computerspielsucht Suchtbegünstigende Faktoren bei Spielern Suchtbegünstigende Faktoren bei Spielen Merkmale einer Suchtentwicklung und Tipps für den Umgang mit Medien

3 Fallbeispiel: WOW-Spieler Hallo und guten Abend, würde mich sehr freuen, wenn Sie mir einen Tipp besser noch Hilfe - geben könnten. Wir haben einen Sohn (17 Jahre), der immer "pflegeleicht" war, intelligent und liebenswürdig. Doch seit gut 2 Jahren ist er verloren: WoW ist das Schlagwort. Er sitzt pro Tag ca Stunden am PC und spielt Computer. Der Alltag und die Realität hat er völlig vergessen. Unser Sohn hatte einen guten Notendurchschnitt und hatte geplant, nach der mittleren Reife unbedingt noch 1 Jahr Fachoberschule dranzuhängen, was wir auch gut fanden. Doch genau in dieser Zeit verschlimmerte sich seine Sucht derartig, dass er von der Schule flog und nun seit 1 1/2 Jahren nur noch am PC sitzt, absolut nichts anderes mehr macht und möchte. Ein einziger Albtraum! Außerdem fällt uns auf, dass er in den letzten 3 Monaten dramatisch abgenommen hat. Auch Körperhygiene findet kaum noch statt. Wir haben schon diverse Versuche unternommen, Hilfe zu bekommen

4 Diagnosekriterien für Computerspielsucht Mindestens drei der folgenden Kriterien sollten über einen Zeitraum von mehr als zwölf Monate erfüllt sein: 1. Craving 2. Kontrollverlust 3. Entzugserscheinungen 4. Toleranzentwicklung 5. Lebensbereichsbeschränkungen 6. Negative Konsequenzen Quelle: Wölfling K., Müller, K.W. & Beutel, M.E.

5 Prävalenz bei Jugendlichen Anzahl abhängiger und gefährdeter PC-Spieler Forschungsgruppe: Resultat in %: Grüsser et al. (2005) 9,3 Rehbein, Kleimann & Mößle (2009) 8,5 Yang (2001) 6,1 Wölfling, Thalemann & Grüsser (2007) 6,3 Quandt & Wimmer (2008) 5 Mößle et al. (2007) 5 Baier & Rehbein (2009) 5

6 Studienvergleich: Begünstigende Faktoren bei Computerspielsucht Jäger & Moormann (2008): Höhere Überforderung im Lebensalltag Inadäquate Bewältigungsstrategien Unzufriedenheit in vielen Lebensbereichen Geringere Selbstwirksamkeitserwartung PC-Spiel zur Stimmungsregulation Ängstlicher Bindungsstil Rehbein et al. (2009): Dysfunktionale Stressregulation Misserfolgserleben im realen Leben Macht- und Kontrollerleben Mangelnde soziale Kompetenz Traumatisierung im Kindesalter

7 Essentielle Bedürfnisse von Jugendlichen Identitätsexperimente und Selbsterforschung Loslösung von Eltern und Familie Intimität und Zugehörigkeitsgefühl zu neuen Gruppen Verarbeitung von Frustration und Spannungen Austesten eigener und fremder Grenzen

8 Faszination der Neuen Medien Interaktivität Flow-Erlebnis Mood-Management Strukturelle Koppelung Identitätswechsel Soziale Kontakte -> Bedürfnisbefriedigung

9 Faszination von Spielen Vergleich eines Jump-and-Run-Spiels und eines Massive- Multiplayer-Online-Role-Play-Game

10 World of Warcraft 3Sat, neues, Sondersendung zu World of Warcraft, Von Magiern und Kriegern

11 MMORPG (Massive Multiplayer Online Role Playing Game) World of Warcraft

12 Levelstruktur: Charakterstufen bei MMORPG Eine Spielfigur auf Charakterstufe 1 kann die virtuelle Welt nur eingeschränkt erkunden Charakterstufen können erhöht werden, indem Aufgaben gelöst werden Mit jedem höheren Level wird der Charakter (Avatar) in seinen Fähigkeiten besser / stärker / bekommt mehr Ausrüstungsgegenstände Maximallevel, durch Erweiterungen ( Add-ons ) weitere Erhöhung Ein langer Weg zum Erreichen des Maximallevels (einige hundert bis tausend Stunden) Teilweise Bereiche nur noch in Gruppen (Gilden) absolvierbar

13 Ableitung der Faszination und der Suchtgefahr im Vergleich dieser Spiele Dieses Spiel simuliert virtuelle Welten, in der sich viele Spieler gleichzeitig aufhalten können und sich in Gilden zusammenzuschließen (soziale Bindung) Jeder einzelne Spieler übernimmt die Kontrolle über die von ihm generierte Spielfigur (Identität/Avatarbindung) sozialer Status für jedermann erreichbar (Selbstwert/Avatarwert) Welten sind jederzeit betretbar, Geschehen nicht pausierbar (zeitliche Bindung) keine räumlichen und zeitlichen Grenzen (Verlust der Orientierung) Möglichkeit unzählige (nicht-reale) Beziehungen einzugehen

14 Woran kann ich Suchtentwicklung erkennen? 1. Verändertes Computerspielverhalten 2. Veränderungen im Sozialleben 3. Schulische/Berufliche Veränderungen 4. Veränderungen des Gesundheitsverhaltens

15 Verändertes Computerspielverhalten Stetige Steigerung der Spielzeit am Computer Ausdehnung der Computerspielzeiten trotz Verbot Verheimlichung/Bagatellisierung des Computerspielkonsums

16 Veränderungen im Sozialleben Rückzug aus dem Freundeskreis/zunehmende Isolation Mangelndes Interesse an Familienaktivitäten Vernachlässigung bisheriger Interessen und Hobbies

17 Veränderungen des Gesundheitsverhaltens Häufige Übermüdung durch Schlafmangel/ unregelmäßige Schlafzeiten Vernachlässigung der Körperhygiene Veränderung des Essverhaltens durch Fehl- oder Mangelernährung Ungewöhnliche Stimmungswechsel, wie zunehmende Aggressivität oder Depressivität und Teilnahmslosigkeit

18 Folgen der Sucht Drohender Schulverweis oder Lehrstellen-/ Arbeitsplatzverlust Soziale Isolation Psychische Dekompensation bei Entzug Körperliche Folgeschäden Zunehmende Konflikte in der Familie

19 Tipps zur Mediennutzung Klare Regeln gemeinsam vereinbaren (Nutzungszeiten, Inhalte, Nutzungsweisen) Achten Sie auf die Nutzungszeiten (wann, wie lange) Fragen Sie Ihre Experten die eigenen Kinder Seien Sie ein gutes Vorbild Medienausstattung im Kinderzimmer beachten Achten Sie auf kindgerechte Inhalte und die Alterseinstufungen Tauschen Sie sich mit anderen Eltern aus Bieten Sie Alternativen an

20 Und jetzt kommen Ihre Fragen! Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!