DVRK - Dynastische Volksrepublik Korea?
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- Susanne Klein
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1 Politik Patrick Rohmann DVRK - Dynastische Volksrepublik Korea? Erbliche Nachfolge in autokratischen Regimen am Beispiel Nordkoreas Masterarbeit
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4 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 2 2. Konzeptspezifikationen und deren Anwendung auf Nordkorea Erbliche Nachfolge Autokratie, Diktatur, Totalitarismus Charismatische Herrschaft Veralltäglichung des Charismas und Post-Totalitarismus? Forschungsstand und Theorien Fallstudie Nordkorea Das Kronprinzen-Problem Eindeutige Designation Haltung des Militärs Konstitutionelle Rahmenbedingungen Präzedenzfall Alternative Erklärungen Ideologie und Personenkult Kultur und Politische Kultur Die Rollen Südkoreas und Chinas Expertenbeurteilungen Fazit Ein zweiter dynastischer Machtwechsel? Literaturverzeichnis.. 76
5 1. Einleitung Kim, Kim & Kim (Spiegel 08/2010), Dynastie der Diktatoren (Focus 08/2010), Zeit für einen frischen Diktator (taz 09/2010), Kim Jong Il regelt sein Erbe (Süddeutsche 09/2010), Familie Kim setzt sich ein (Zeit 09/2010), Militärparade für Kronprinzen (Welt 10/2010). Diese Titelzeilen sind nur eine Auswahl der medialen Berichterstattung im Zusammenhang mit einer Parteikonferenz der Partei der Arbeit Koreas (PdAK) am 28. September 2010 und einer großen Militärparade am 10. Oktober 2010 in Pjöngjang. Spekulationen internationaler Beobachter zufolge galten die beiden genannten Veranstaltungen der Vorbereitung eines zweiten dynastischen Machtwechsels in der Demokratischen Volksrepublik Korea (DVRK, Nordkorea). Neben seiner sicherheitspolitischen Relevanz ist das Regime offenbar insbesondere wegen seiner Isolation und vermeintlichen Einzigartigkeit interessant. Die Neugier an dem ostasiatischen Zombie-Staat (Maull 2002) steht allerdings in einem eklatanten Missverhältnis zu den gesicherten Erkenntnissen, die außerhalb Nordkoreas über dieses Land verfügbar sind. Für Außenstehende, speziell in westlichen Demokratien, handelt es sich um eine Red Box (McEachern 2010). In Bezug auf das Nachfolgethema sind Mutmaßungen aktuell besonders verbreitet, da ein Ende des Diktators immer auch ein Ende der Diktatur bedeuten kann. Wie eine genauere Betrachtung des Phänomens der erblichen Nachfolge in modernen Autokratien zeigt, ist die Faszination mit Blick auf ein derartiges Ereignis aber keinesfalls neu. So hat John Herz schon 1952 formuliert: To the dictator it poses a problem and constitutes a danger. To his aides it is a temptation. To the bystander, within and without, it is a fascination (Herz 1952: 20). In der Vergangenheit hat die vergleichende Politikwissenschaft Staaten der Dritten Welt jedoch vor allem unter dem Aspekt der Systemtransformation untersucht und der Frage der Führungsnachfolge in einem gegebenen System kaum Beachtung geschenkt (Hoffmann 2007: 6). Für dynastische Machtwechsel gilt dies umso mehr, da es sich dabei außerhalb von traditionellen Monarchien um eine empirische Seltenheit handelt. Despotische Machthaber werden in der Regel durch einen Putsch,
6 einen Sieg der Opposition oder die eigene Partei zum Rücktritt gezwungen (Brownlee 2007). Nordkorea ist sogar der weltweit einzige sozialistische Staat, in dem es je zu einer erblichen Nachfolge gekommen ist (Köllner 2010: 1). In jüngster Vergangenheit zeichnet sich hier jedoch ein Wandel ab: Insgesamt zehn Potentaten haben nach dem Zweiten Weltkrieg die Macht an ihre Söhne weitergegeben, die Hälfte davon allein im 21. Jahrhundert. In verschiedenen Regionen der Erde stehen gegenwärtig dynastische Herrscher an der Spitze republikanischer Autokratien, darunter beispielsweise Syrien, Aserbaidschan und Singapur. Bis zum Beginn des Arabischen Frühlings Ende 2010 hielten sich Spekulationen um bevorstehende dynastische Machtwechsel in Ägypten, Jemen und Libyen hartnäckig. Weitere Regime, in denen die Nachfolgefrage in absehbarer Zeit akut werden könnte, wie Äquatorialguinea und Usbekistan scheinen den Thron ebenfalls in der Familie halten zu wollen. Nicht nur in der arabischen Welt ist ein Trend zur Dynastisierung des Nachfolgeprozesses evident. Gleichzeitig mangelt es an wissenschaftlichen Erklärungen des Phänomens erblicher Nachfolge in nicht-monarchischen Autokratien. Die Ursachen einer erfolgreichen Übergabe der Macht sind weitgehend unklar. Die vorliegende Arbeit soll daher im Rahmen einer qualitativen Einzelfallstudie folgende Forschungsfrage beantworten: Wie ist die Erblichkeit der charismatischen Herrschaft Kim Il Sungs in der Demokratischen Volksrepublik Korea zu erklären? Die determinierenden Faktoren des Machtwechsels bilden dementsprechend den Schwerpunkt der Untersuchung. Darüber hinaus soll reflektiert werden, ob Kim Il Sung nur sein Amt oder auch die damit verbundene Macht und Autorität vererbt hat. Nach Max Weber handelt es sich bei dem besagten Phänomen um einen Teil jenes allgemeinen Prozesses, den er die Veralltäglichung des Charisma nennt (Weber 1972: 142). Dieser Begriff beschreibt den Übergang von der persönlichen und willkürlichen Macht charismatischer Art zu einer unpersönlicheren Macht, die entweder auf festgeschriebene Regeln oder auf traditionelle Prinzipien gegründet ist in jedem Fall eine Beschränkung der Willkür persönlicher Macht (Djaziri 2005: 112). Dies deutet darauf hin, dass mit einer erblichen Nachfolge eine zumindest graduelle Veränderung des politischen Systems einhergeht. Bis heute bilden Webers
7 Idealtypen legitimer Herrschaft eine unverzichtbare Referenz zur Analyse von Herrschaftsbeziehungen. Speziell im Hinblick auf Diktaturen ist dabei das Konzept der charismatischen Herrschaft von Relevanz. Aus diesem Grunde wird im nächsten Kapitel, nach einer Definition von Erbfolge und der Vorstellung verschiedener autokratischer Regimetypen, der Zusammenhang von charismatischer Herrschaft und eben jenen Systemen beleuchtet. Am Ende jedes Abschnitts wird dabei das jeweils beschriebene Konzept auf Nordkorea angewendet. Das dritte Kapitel bietet einen Überblick über die vorhandenen Theorien zur Erklärung des Phänomens erblicher Nachfolge. Darüber hinaus werden hier verschiedene Hypothesen entwickelt, um diese anhand des Falles der DVRK zu testen. Den Ausgangspunkt bilden dabei die Ergebnisse einer breit angelegten vergleichenden Studie von Jason Brownlee aus dem Jahr Der eigentliche Hauptteil der Arbeit besteht im vierten Kapitel. Das vorrangige Ziel ist es hier, die Ursachen des (Einzel-)Falls der nordkoreanischen Erbfolge möglichst vollständig zu erfassen. Dabei werden bestehende Theorien sowie entwickelte Hypothesen getestet. Zu den berücksichtigten Einflussfaktoren zählen ferner die konstitutionellen Rahmenbedingungen des Machtwechsels sowie die Haltung des Militärs. Abschließend soll die jeweilige Erklärungskraft der Theorien im vorliegenden Fall beurteilt werden, um somit Rückschlüsse auf ihre Generalisierbarkeit zu ziehen. Im fünften Kapitel schließlich werden alternative Erklärungen geprüft. Hier steht die Frage im Vordergrund, ob andere kausale Faktoren nicht eine ebenso gute oder gar bessere Erklärungskraft besitzen (Gschwend/Schimmelfennig 2007: 19). Zu den Besonderheiten des nordkoreanischen Systems zählen vor allem seine Ideologie, der Personenkult um den Großen Führer und den Geliebten Führer sowie seine (politische) Kultur. Es ist anzunehmen, dass das Regime einen wesentlichen Teil seiner Legitimität über diese drei Faktoren bezieht. Da es im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich war, eigene Feldforschung zu betreiben, kommen am Ende des fünften 1 Ich danke an dieser Stelle Prof. Dr. Patrick Köllner für den entsprechenden Hinweis.
8 Kapitels ausgewiesene Nordkoreaexperten zu Wort, die eigens zu diesem Zwecke interviewt worden sind. Das Fazit ergänzt die gewonnenen Erkenntnisse um den Versuch einer Prognose im Hinblick auf einen etwaigen zweiten dynastischen Machtwechsel in der Volksrepublik. Dabei kommt es darauf an, die Reichweite und Bedingungen der Gültigkeit der Theorien zu reflektieren. Letztlich kann es sich hier nur um eine probabilistische Aussage handeln. 2. Konzeptspezifikationen und deren Anwendung auf Nordkorea Um die im nächsten Kapitel formulierten Theorien anhand des Falles Nordkorea testen und gemachte Beobachtungen erklären zu können, ist es erforderlich, auf verschiedene Konzepte zurückzugreifen. Dazu zählen insbesondere Erbfolge, Autokratie, Diktatur, Totalitarismus und Charisma. Eine wissenschaftliche Verwendung dieser Konzepte macht zunächst ihre exakte Spezifikation nötig. Es soll daher im Folgenden genau bestimmt werden, was mit dem jeweiligen Terminus gemeint ist, was seine definierenden Attribute sind und wie die Konzepte zueinander stehen (vgl. Gschwend/Schimmelfennig 2007: 16). Am Schluss jedes Abschnitts wird erörtert, inwiefern sich die jeweiligen Begriffe auf Nordkorea anwenden lassen. 2.1 Erbliche Nachfolge Le roi est mort, vive le roi! Der König ist tot, es lebe der König!, lautete die Kurzformel, mit der in Frankreich bis ins 19. Jahrhundert der Tod des alten Monarchen ausgerufen und gleichzeitig die Ernennung des neuen Königs bekannt gegeben wurde. Nach diesem dynastischen Prinzip geht die Krone nach dem Tod des Staatsoberhauptes ohne weitere Akte unmittelbar an den Nachfolger über. Auf diesem Wege blieb die Kontinuität der Erbmonarchie gewahrt (Weber-Fas 2008: 166). Allgemein bezeichnet erbliche Nachfolge oder Erbfolge die Methode der Herrscherbestellung und Thronfolge auf der Grundlage der Verwandtschaft von Nachfolger (Sukzessor) und Amtsvorgänger (Antezessor). In der Regel geht das zu beerbende Amt dabei an den ältesten oder den
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