Zur Entwicklung des Imparitätsprinzips
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- Ludo Feld
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1 Zur Entwicklung des Imparitätsprinzips
2 I. Übersicht I. Übersicht II. Das Imparitätsprinzip in vorklassischer Zeit III. Das Imparitätsprinzip im Rahmen der klassischen Bilanztheorien 1. Das Imparitätsprinzip im Rahmen der statischen Bilanztheorie 2. Das Imparitätsprinzip im Rahmen der dynamischen Bilanztheorie 3. Das Imparitätsprinzip im Rahmen der organischen Bilanztheorie IV. Das Imparitätsprinzip im System der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung 1. Stellung des Imparitätsprinzips im System der GoB 2. Ausprägungen des Imparitätsprinzips im System der GoB V. Das Imparitätsprinzip in der internationalen Rechnungslegung 1. Das Imparitätsprinzip nach IFRS/IAS 2. Das Imparitätsprinzip nach US-GAAP
3 II. Das Imparitätsprinzip in vorklassischer Zeit (1) Grundgedanken: Luca Pacioli (1494) Jacques Savary: Le Parfait Négociant (1675) Abschlag vom Anschaffungspreis [w]ann die Wahre verlegen/von alter Facon, und nicht verkäufflich Sinn und Zweck: - Berücksichtigung von mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwartender Verluste - Bewertung, so dass profit caveat: - impliziter Gleichlauf von Beschaffungs- und Absatzmarktpreis - keine Anwendung auf Anlagevermögen - Konkretisierung von profit?
4 II. Das Imparitätsprinzip in vorklassischer Zeit (2) Entwicklung in Deutschland Preußisches Allgemeines Landrecht Vorratsbewertung zum niedrigeren gangbaren Wert ( 644) - Abwertung bei Lagerung ( 645) - Forderungsabwertung ( 646) Geltung beschränkt keine Übernahme in württembergisches HGB (1839/1840) Selbstverständlichkeit
5 III. Das Imparitätsprinzip im Rahmen der klassischen Bilanztheorien 1. Das Imparitätsprinzip im Rahmen der statischen Bilanztheorie 2. Das Imparitätsprinzip im Rahmen der dynamischen Bilanztheorie 3. Das Imparitätsprinzip im Rahmen der organischen Bilanztheorie
6 1. Das Imparitätsprinzip im Rahmen der statischen Bilanztheorie (1) Art. 31 ADHGB 1861: Werthe,... welcher... zur Zeit der Aufnahme beizulegen gemeiner Wert im Sinne eines Veräußerungspreises a) Zerschlagungsstatik: Zweck: Schuldendeckungskontrolle Vermögensbewertung bei unterstellter Unternehmenszerschlagung Bewertung des Vermögens zu Einzelveräußerungswerten und der Schulden zu Abstoßungswerten bei Liquidation Imparitätsprinzip Niederstwertabschreibung (Höchstwertzuschreibung) bei gestiegenen (gesunkenen) Liquidationswerten Drohverlustrückstellung analog
7 1. Das Imparitätsprinzip im Rahmen der statischen Bilanztheorie (2) Urteil des Reichsoberhandelsgerichtes 1873: - Bilanzzweck: Uebersicht und Feststellung des Vermögensbestandes in einem bestimmten Zeitpunkte und mittels Bilanzvermögensvergleich auch des Resultates der Geschäftsführung während der dazwischen liegenden Perioden - Ansatz aller Aktiva und Passiva zum gegenwärtigen Werthe, den sie in demjenigen Zeitpunkte, für welchen die Bilanz aufgenommen wird, besitzen - gegenwärtiger Wert - generell allgemeine[r] Verkehrswerth, nicht willkürlicher subjektiver Wert - grundsätzlich vorhandener Markt- oder Börsenpreis, subsidiär auf sonstige Weise zu ermitteln - Idee einer fingierten augenblicklichen allgemeinen Realisierung sämmtlicher Activa und Passiva..., wobei [...] nicht die Liquidation, sondern [...] der Fortbestand des Geschäftes beabsichtigt wird und bei der Wertermittlung derjenige Einfluß unberücksichtigt zu lassen ist, welchen eine Liquidation ausüben würde Würdigung: - vermeintlicher Widerspruch zwischen fingierter Liquidation und Fortführung - vielmehr: Betonung der Einzelbewertung und der Maßgeblichkeit von allgemeinen Verkehrswerten im Sinne von gemeinen Werten
8 1. Das Imparitätsprinzip im Rahmen der statischen Bilanztheorie (3) b) Fortführungsstatik (Simon, Rehm) Annahme der Unternehmensfortführung für Bestimmung des individuellen Kaufmannsvermögens (Niederst-) Bewertung zum individuellen Wert (kein Anschaffungskostenprinzip): - subjektiver, unternehmensbezogener Wert is eines Ertragswertsbeitrags - Veräußerungsvermögen: individueller Veräußerungswert (nach oben durch Marktpreis beschränkt) - Betriebsgegenstände: Anschaffungspreis abzgl. linearer Abschreibungen Drohverlustrückstellungen als negativer Ertragswertbeitrag Kritik: - Aufteilung des Gesamtkaufpreises nicht willkürfrei möglich - Objektivierungen und Vereinfachungen bei Bewertung vs. Effektivvermögensbestimmung
9 2. Das Imparitätsprinzip im Rahmen der dynamischen Bilanztheorie (1) Zweck: Betriebssteuerung Auf und Ab der Unternehmung Schmalenbach (Dynamische Bilanz, 1. Auflage): Ablehnung des Niederstwertprinzips wg. Vergleichbarkeitsstörung folgende Auflagen der Dynamischen Bilanz Vorsichts- und Niederstwertprinzip können Vergleichbarkeit dienen - gebundene Vorräte: niedriger Festwert (empfohlen: geringe Abwertungen) - spekulative Vorräte: Zeitwert (einmalige starke Abwertung) - Anlagevermögen: Abschreibungswahlrecht auf niedrigeren Vergleichszeitwert (= niedrigere gezahlte Verkehrswerte) Vergleichbarkeit nicht erreicht
10 2. Das Imparitätsprinzip im Rahmen der dynamischen Bilanztheorie (2) Endphase: Niederstwertprinzip (stille Reserven) zwingend für Vergleichbarkeit Vorräte - niedrigerer Wert aus - Anschaffungs- und Herstellungskosten - Marktpreis und - erwart. Verwertungspreis abzgl. Verkaufskosten + sonst. noch anfallende Kosten - spekulative Vorräte: kontinuierlich geringe Abschreibungen Anlagevermögen: - nicht gebundenes Anlagevermögen: voraussichtlicher Realisationswert - gebundenes Anlagevermögen: - künftiger Einzelveräußerungswert bei Abgang - objektiviert: gegenwärtige Marktwerte Drohverlustrückstellungen nur für spezielle Wagnisse : z. B. zu erwartende Verluste aus Lieferungsverträgen Zweck: Aufwandsverteilung Imparitätsprinzip nur Objektivierungsprinzip Gewinn kein Entwicklungsindikator
11 3. Das Imparitätsprinzip im Rahmen der organischen Bilanztheorie Zweck: simultane Bestimmung von Vermögen und Gewinn Ansatz zu Tagesbeschaffungskosten (Wiederbeschaffungskosten) Reproduktionswert Differenz zu Anschaffungs- und Herstellungskosten = Wertänderung am ruhenden Vermögen (Niederst-)Bewertung: - Aktivansatz zu Marktwerten nur des Beschaffungsmarkts (kein AWP) - bei gesunkenen Tageswerten: Abwertung und Wertänderung bis Umsatzzeitpunkt in Wertänderung -Posten - caveat: am Umsatztag bei gesunkenen Preisen evtl. Ausschüttung von nicht durch Haftungsvermögen gedecktem Fremdkapital Imparitätsprinzip: - keine Antizipation von drohenden Verlusten in der Gewinn- und Verlustrechnung - Ermittlung des Effektivvermögens scheitert wg. Einzelbewertung
12 IV. Das Imparitätsprinzip im System der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung 1. Stellung des Imparitätsprinzips im System der GoB 2. Ausprägungen des Imparitätsprinzips Niederstwertprinzip Höchstwertprinzip Drohverlustrückstellungen
13 1. Stellung des Imparitätsprinzips im System der GoB (1) Bilanzzweck: Ausschüttungsbemessung System der GoB: - Gewinnanspruchsermittlungsprinzipien - Vermögensermittlungsprinzipien - Gewinnermittlungsprinzipien - Informationsvermittlungsprinzipien Imparitätsprinzip ( 252 Abs. 1 Nr Hs. HGB): - Flankierung des Realisationsprinzip: Antizipation von nicht durch Umsatzakt realisierten Verlusten - funktionale (ausschüttungsstatische) Interpretation: - Verluste im Sinne von künftigen Abgangsverlusten - Aufwandsverrechnung in Periode der Verlustentstehung Antizipation von Verlusten selbst wenn diese erst zwischen dem Abschlußstichtag und dem Tag der Aufstellung des Jahresabschlusses bekanntgeworden - Wertaufhellungsprinzip ( 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) - keine wertbegründenden Tatsachen: nicht in der Lage, Verhältnisse am Bilanzstichtag objektiv zu zeigen (BFH) - Ausnahme: Berücksichtigung von nach Stichtag erkennbaren Risiken und Verlusten, wenn wesentlich und Kaufmann nachweislich bekannt geworden (Moxter)
14 1.Stellung des Imparitätsprinzips im System der GoB (2) sog. zeitwertstatisches Imparitätsprinzip: - Zweck: Schuldendeckungskontrolle - Antizipation jeglicher als Vermögensminderung verstandener Verluste - Barwertansatz, jedoch objektivierungsbedingtes Abstellen auf Absatzmarktwerte - Würdigung: Ertragswertanteilsbestimmung
15 2. Ausprägungen des Imparitätsprinzips a) Niederstwertprinzip (1) Normen in Handelsbilanz: - Anlagevermögen: gemildertes Niederstwertprinzip ( 253 Abs. 2 S. 3, 279 I S. 2 HGB) - Umlaufvermögen: strenges Niederstwertprinzip ( 253 Abs. 3 S. 1+2 HGB) Normen in Steuerbilanz: - Abschreibungswahlrecht nur bei dauernder Wertminderung ( 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 und Nr. 2 S. 2 EStG idf StEntlG) - Teilwert: Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Gut ansetzen würde unter Fortführungsannahme ( 6 I Nr. 1 S. 3 EStG) Teilwertauslegungen: - Ertragswertanteil - Rechtsprechung: - Wert, den Unternehmenskäufer [...] weniger für... Unternehmen geben würde, wenn... Gegenstand nicht zu dem Unternehmen gehörte (RFH) - entkräftbare Teilwertvermutungen: grds. betriebsindividuelle Wiederbeschaffungskosten - funktionales Imparitätsprinzip: - Anlagevermögen: nur Abschreibung, wenn gesunkener Abgangswert Wahlrecht gem. allgemeinem VoP - strenges Niederstwertprinzip: Pflicht wg. höherer Gefahr des kurzfristigen Abgangs
16 2. Ausprägungen des Imparitätsprinzips a) Niederstwertprinzip (2) funktionaler Verlustmaßstab: - häufig: Verkaufspreis (evtl. abzüglich noch anfallender Aufwendungen) - Wiederbeschaffungskosten - nur wegen Objektivierung und/oder Vereinfachung (Bsp. Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe) - Gefahr der Antizipation entgangener Gewinne
17 2. Ausprägungen des Imparitätsprinzips b) Höchstwertprinzip nicht kodifiziert analoge Anwendung des Niederstwertprinzips auf Passivseite Zweck bei funktionaler Interpretation: Verlustantizipation, wenn künftiger Abgangswert den Zugangsbetrag übersteigt Anlageschulden: Wahlrecht mangels Verlustdrohung Umlaufschulden: - vorzeitige Tilgung ist denkbar strenges Höchstwertprinzip steuerliche Zuschreibungspflicht verursacht durch steuerliche Abzinsungspflicht ( 6 Abs. 1 Nrn. 3 und 3a EStG)
18 2. Ausprägungen des Imparitätsprinzips c) Drohverlustrückstellungen Gesetzliche Grundlage: - handelsrechtliche Ansatzpflicht: 249 Abs. 1 Satz 1 HGB - steuerliches Ansatzverbot: 5 Abs. 4a EStG (seit Steuerreformgesetz 1998) Zweck bei funktionaler Interpretation des Imparitätsprinzips: Verlustantizipation, wenn künftige Aufwendungen aus schwebenden Geschäften die künftigen Erträge übersteigen Besonderheiten: - Beschränkung auf schwebende Geschäfte (Verpflichtungsüberhang) (Objektivierung) - Ausgeglichenheitsvermutung der Rechtsprechung (inkl. weiter Saldierungsbereich) (Typisierung) zeitwertstatische Antizipation von Barwerten des Verpflichtungsüberhangs: - Versorgungslücke - Antizipation entgangener Gewinne steuerliches Verbot: Verstoß gegen GoB Imparitätsprinzip
19 V.Das Imparitätsprinzip in der internationalen Rechnungslegung 1. Das Imparitätsprinzip nach IFRS/IAS Imparitätsprinzip - implizit in Einzelnormen - wohl Konkretisierung des Grundsatzes der Vorsicht (IAS 1.20, RK.37) - Zweck: Annäherung an Ertragswertanteil Niederstwertvorschriften - Großteil des Anlagevermögens (IAS 36) - mehrstufiger Werthaltigkeitstest - Verlustmaßstab: höherer Wert aus Nettoveräußerungswert und individuellem Nutzungswert - strenges Niederstwertprinzip, wenn Zeitwert gesunken - Vorräte (IAS 2) - strenges Niederstwertprinzip bei gesunkenem Nettoveräußerungserlös - grds. Absatzmarktorientierung Rückstellungen für drohende Verluste aus belastenden Verträgen (onerous contracts) (IAS 37) - wenn unvermeidbare Erfüllungskosten > wirtschaftlicher Nutzen des Vertrags - Barwertansatz
20 V.Das Imparitätsprinzip in der internationalen Rechnungslegung 2. Das Imparitätsprinzip nach US-GAAP Imparitätsprinzip - implizit in Einzelnormen - wohl Konkretisierung des Grundsatzes der Vorsicht (Con ) - Zweck: Annäherung an Ertragswertanteil Niederstwertvorschriften - langlebige Anlagevermögenswerte (SFAS 144) - mehrstufiger Werthaltigkeitstest mit strengem Niederstwertprinzip - Verlustmaßstab: niedrigerer fair value (primär Börsen- oder Marktpreise) - Vorräte (ARB 43) - strenges Niederstwertprinzip, wenn Marktwert < Anschaffungs- oder Herstellungskosten - Marktwert: mittlerer Wert aus - Wiederbeschaffungkosten - Nettoveräußerungserlösen (Obergrenze) - Nettoveräußerungserlösen abzgl. Gewinnspanne (Untergrenze) Drohverlustrückstellungen - Pflicht für Beschaffungsgeschäfte: wenn günstigerer Erwerb zum Stichtag (ARB 43) - Absatzgeschäfte: Hinweis aus SFAS 144 kein Höchstwertprinzip
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