3 Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften
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- Rainer Martin
- vor 8 Jahren
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1 3 Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften nach IFRS Die einzelnen Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften beruhen auf den Basisannahmen des IFRS Framework. Noch einmal zur Erinnerung: Das Ziel der IFRS-Rechnungslegung und damit verbunden die Anwendung der einzelnen Bilanzierungs- und Bewertungsstandards besteht gemäß Framework 12 grundsätzlich darin, entscheidungsrelevante Informationen für den Jahresabschlussadressaten bereitzustellen (decision usefullness). 3.1 Wichtiges Basiswissen zur Bilanzierung nach IFRS Bevor Sie in den folgenden Abschnitten die wichtigsten Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften kennen lernen, sollten Sie sich mit den allgemeinen Grundsätzen vertraut machen. Allgemeine Rechnungslegungsgrundsätze Die allgemeinen Rechnungslegungsgrundsätze sollten bei der Anwendung der Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften generell beachtet werden, auch wenn IAS 8.10 definiert, dass spezielle Vorschriften den allgemeinen Grundsätzen vorgehen. Verschaffen Sie sich mit der folgenden Tabelle einen schnellen Überblick über die allgemeinen Rechnungslegungsgrundsätze, die im Kapitel 2.3 (Seite 31 ff.) bereits ausführlich erläutert wurden: Siehe CD-Rom 45
2 3 Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften nach IFRS Siehe CD-ROM Übersicht: Allgemeine Rechnungslegungsgrundsätze Grundsatzannahmen: Annahme der Periodenabgrenzung (Framework22) Annahme der Unternehmensfortführung, gemäß dem Going Concern Prinzip (Framework 23) Qualitative Anforderungen: Verständlichkeit (Framework 25), Relevanz (Framework 26 und 30), Verlässlichkeit (Framework 31 bis 38). Hierzu zählen eine glaubwürdige (Framework 33) und vollständige (Framework 38) Darstellung der Informationen, Neutralität (Framework 36), Sorgfalt bei der Ermessensausübung = Vorsichtsprinzip (Framework 37) und eine wirtschaftliche Betrachtungsweise (Framework 35). Stetigkeit von Ausweis und Bewertungsmethode (Framework 39) Vergleichbarkeit (Framework 41) Einschränkende Faktoren: Zeitnähe, als Randbedingung für die Nützlichkeit einer Information (IAS 1.52) Verhältnis von Kosten und Nutzen einer Information (Framework 44) Übersicht: Allgemeine Rechnungslegungsgrundsätze Welche Posten müssen in der Bilanz angesetzt werden? Bilanzierbarkeit Abstrakte Bilanzierbarkeit Gemäß Framework 47 sollen umfangreiche Geschäftsvorfälle und sonstige betriebliche Ereignisse, die sich hinsichtlich ihrer ökonomischen Merkmale und finanziellen Auswirkungen voneinander unterscheiden, in gesonderte Bilanz- bzw. Abschlussposten klassifiziert werden. Damit ein Posten in der Bilanz angesetzt werden kann, muss zunächst dessen Bilanzierbarkeit in zwei Stufen geprüft werden: 1. Prüfstufe ist die abstrakte Bilanzierbarkeit (Framework 82) 2. Prüfstufe ist die konkrete Bilanzierbarkeit (Framework 89 bis 91) Unter abstrakter Bilanzierbarkeit versteht man die vom vorliegenden, konkreten Unternehmensfall losgelöste (= abstrakte), grundsätzliche Ansatzmöglichkeit in der IFRS-Bilanz. Sie liegt in der Regel 46
3 Wichtiges Basiswissen zur Bilanzierung nach IFRS 3 immer dann vor, wenn gemäß Framework 81 die Definition eines Abschlusspostens und die Kriterien für dessen Erfassung aus Framework 83 erfüllt sind. Da die IFRS Vermögenswerte und Schulden definieren, gibt es innerhalb der IFRS für die abstrakte Bilanzierbarkeit im Gegensatz zum HGB, das keine Definitionen enthält, keine Probleme. Wurde die abstrakte Bilanzierbarkeit bejaht, wird in einem zweiten Schritt geprüft, ob der Sachverhalt im vorliegenden konkreten Einzelfall auch tatsächlich bilanzierbar ist. Damit die konkrete Bilanzierbarkeit vorliegt, müssen die jeweils zutreffenden Kriterien des Framework 89 bis 91 erfüllt sein. Ein Vermögenswert darf beispielsweise gemäß Framework 89 nur dann in der Bilanz angesetzt werden, wenn es wahrscheinlich ist, dass der künftige wirtschaftliche Nutzen dem Unternehmen zufließen wird, und wenn seine Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder ein anderer Wert verlässlich bewertet werden können. Handelsrechtlich muss hier die subjektive und objektive Zurechenbarkeit des zu bilanzierenden Objekts geprüft werden. Zusätzlich muss ein handelsrechtliches Bilanzierungsgebot oder ein -wahlrecht für dieses Objekt vorliegen. Innerhalb der IFRS-Normen gilt für den Bilanzansatz (noch) das Postulat Substance over Form. Dieses fordert die Bilanzierung beim wirtschaftlichen Eigentümer. Aktuell vorliegende Standards zeigen jedoch eine Tendenz hin zu Form over Substance. Beispiele zu Form over Substance : IFRS 2: formale Details entscheiden über aktienbasierte Vergütungstransaktionen mit Barausgleich (Cash-Settled-Plan) oder Ausgleich durch Eigenkapitalinstrumente (Equity-Settled-Plan) IAS 19: je nach Art der Änderung einer Leistung an einen Arbeitnehmer ist diese entweder sofort erfolgswirksam zu erfassen oder zu amortisieren IAS 32: Unterscheidungsschwierigkeiten, ob ein Finanzinstrument als Eigen- oder Fremdkapital darzustellen ist Konkrete Bilanzierbarkeit 47
4 3 Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften nach IFRS Die drei Hauptpositionen Für die Bilanz sieht das IASB drei Hauptpositionen vor, die direkt mit der Ermittlung der Vermögens- und Finanzlage zusammenhängen: Vermögenswerte sind Ressourcen, die aufgrund von Geschäftsvorfällen der Vergangenheit in der Verfügungsmacht des Unternehmens stehen. Von Vermögenswerten kann erwartet werden, dass sie dem Unternehmen künftig wirtschaftlichen Nutzen zufließen lassen (Framework 49a und 53-59). Schulden sind existierende Verpflichtungen des Unternehmens, die aus Geschäftsvorfällen der Vergangenheit entstanden sind. Die Erfüllung der Verbindlichkeiten ist für das Unternehmen i. d. R. mit einem Abfluss von Ressourcen mit wirtschaftlichem Nutzen verbunden (Framework 49b und 60-64). Eigenkapital, als Residualgröße aus Vermögen abzüglich Schulden (Framework 49c und 65-68). HGB-IFRS Die aus der handelsrechtlichen Rechnungslegung bekannten Rechnungsabgrenzungen (Framework 22) werden in der IFRS-Bilanz nicht explizit als Positionen ausgewiesen, allerdings finden sie sich in einzelnen Standards wieder (z. B. IAS 20) und müssen zwingend berücksichtigt werden. Weitere Erläuterungen zum praktischen Umgang mit Posten, die die Definitionen der drei Hauptpositionen aus Framework 49 nicht erfüllen (z. B. Rechnungsabgrenzungsposten) finden sich im Framework 52. Zusätzliche Angaben zu einzelnen Bilanzposten finden Sie im Abschnitt Gliederungsvorschriften auf Seite 50 ff. Bewertungsgrundsätze Framework 99 definiert den Begriff der Bewertung als das Verfahren zur Bestimmung der Geldbeträge, mit denen die Abschlussposten zu erfassen und in der Bilanz und in der Gewinn- und Verlustrechnung anzusetzen sind. Damit ein Sachverhalt im Abschluss erfasst werden kann, muss er mit seinen Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder einem ande- 48
5 Wichtiges Basiswissen zur Bilanzierung nach IFRS 3 ren Wert verlässlich bewertet werden können (Framework 31 bis 38). Das Kriterium der verlässlichen Bewertung ist dann erfüllt, wenn die folgenden Untergrundsätze berücksichtigt sind: glaubwürdige Darstellung (Framework 33 bis 34), wirtschaftliche Betrachtungsweise (Framework 35), Neutralität (Framework 36), Vorsicht (Framework 37) und Vollständigkeit (Framework 38). Nach welchen Maßstäben wird bewertet? Als Bewertungsgrundlagen sind in Framework 100 vier verschiedene Bewertungsmaßstäbe dargestellt, die in unterschiedlichem Maße und in unterschiedlichen Kombinationen in Abschlüssen eingesetzt werden können: Bewertungsgrundlagen Deutsch Englisch Definiert in: Historische Anschaffungs- oder Herstellungskosten Historical Costs Framework 100 a Tageswert Current Costs Framework 100 b Veräußerungswert (Erfüllungsbetrag) Realisable (Aktiva) bzw. Settlement (Passiva) Value Framework 100 c Barwert Net Present Value Framework 100 d Bewertungsgrundlagen Bewertungsgrundlagen Weitere Bewertungsmaßstäbe Einzelne IAS-Standards benennen weitere Bewertungsmaßstäbe, die unabhängig von den oben genannten vier Bewertungsgrundlagen in einem IFRS-Abschluss zur Anwendung kommen können. Weitere Bewertungsmaßstäbe 49
6 3 Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften nach IFRS Hierzu zählen: Weitere Bewertungsmaßstäbe Deutsch Englisch Definiert in: Beizulegender Zeitwert Fair Value IAS 16.6 Nettoveräußerungspreis Fair Value less Costs to Sell oder Net Selling Price IAS 36.6 Nettoveräußerungswert Net Realizable Value IAS 2.4 Nutzungswert Value in Use IAS 36.6 Erzielbarer Betrag Recoverable Amount IAS 36.5 Marktwert fortgeführte historische Anschaffungs- oder Herstellungskosten fortgeführter beizulegender Zeitwert Weitere Bewertungsmaßstäbe Market Value Fair Value bei Wertpapieren Cost Model = Anschaffungskostenmodell bei der Folgebewertung von Sachanlagen Revaluation Model = Neubewertungsmodell bei der Folgebewertung von Sachanlagen IAS 32.5 IAS 39.8 IAS IAS Gliederungsvorschriften Siehe CD-Rom In der IAS 1-Norm von August 1997 gab es noch ein konkretes Wahlrecht zur Gliederung der Bilanz zwischen Fristigkeit oder Liquiditätsnähe. Nach der im Dezember 2003 aktualisierten IAS 1- Norm stellt die Gliederung nach Fristigkeiten nun die Regel dar. Eine Bilanz darf nur noch in begründeten Ausnahmefällen nach der Liquiditätsnähe gegliedert werden, nämlich dann, wenn eine Darstellung nach der Liquidität zuverlässiger und relevanter ist (vgl. IAS ). IAS 1.55 lässt in Ausnahmefällen auch eine Gliederungsmischform zu, wenn ein Unternehmen z. B. in unterschiedlichen Geschäftsfeldern tätig ist. 50
7 Wichtiges Basiswissen zur Bilanzierung nach IFRS 3 Welche Posten müssen in der Bilanz dargestellt werden? In Gegensatz zur detaillierten Gliederungsvorschrift des 266 HGB schreibt IAS 1.68 lediglich bestimmte mindestens darzustellende Posten vor: 1. Sachanlagen 2. als Finanzinvestitionen gehaltene Immobilien 3. immaterielle Vermögenswerte 4. finanzielle Vermögenswerte (ohne die Beträge, die unter 5., 8. und 9. ausgewiesen sind) 5. nach der Equity-Methode bilanzierte Finanzanlagen 6. biologische Vermögenswerte 7. Vorräte 8. Forderungen aus Lieferungen und Leistungen und sonstige Forderungen 9. Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente 10. Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen und sonstige Verbindlichkeiten 11. Rückstellungen 12. finanzielle Verbindlichkeiten (ohne die Beträge, die unter 10. und 11. ausgewiesen sind) 13. Steuerschulden und -ersatzansprüche gemäß IAS 12 Ertragsteuern 14. Latente Steueransprüche und -schulden gemäß IAS 12 Ertragsteuern 15. Minderheitsanteile am Eigenkapital und 16. gezeichnetes Kapital und Rücklagen, die den Anteilseignern der Muttergesellschaft zuzuordnen sind. Ergänzt man IAS 1.68 um die Normen IAS 1.51 und IAS 1.69, kann daraus folgendes, nach Fristigkeit geordnetes, Bilanzgliederungsschema 2 abgeleitet werden: HGB-IFRS Bilanzgliederungsschema 2 Lüdenbach/Hoffmann: IFRS, 4. Auflage, S. 95 (RN 34) 51
8 3 Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften nach IFRS Siehe CD-ROM Bilanzgliederungsschema Anlagevermögen (langfristiges Vermögen- non current assets) immaterielle Anlagen (IAS 1.68c) Sachanlagen (IAS 1.68a) Investment properties (IAS 1.68b) at-equity-beteiligungen (IAS 1.68e) übrige Finanzanlagen (IAS 1.68d i. V. m. IAS 1.51) latente Steuern (IAS 1.68n i. V. m. IAS 1.51 und 70) Umlaufvermögen (kurzfristiges Vermögen current assets) Vorräte (IAS 1.68g) Forderungen (IAS 1.68h) übrige finanzielle Vermögenswerte (IAS 1.68d i. V. m. IAS 1.51) übrige Steuerforderungen (IAS 1.68m) sonstige nichtfinanzielle Vermögenswerte (IAS 1.68g und IAS 1.68d i. V. m. IAS 1.51) Zahlungsmittel (IAS 1.68i) Eigenkapital eingezahltes Kapital und Rücklagen (inkl. noch nicht ausgeschüttete Gewinne; IAS 1.68p) Minderheitsanteile (IAS 1.68o) langfristige Verbindlichkeiten langfristige finanzielle Verbindlichkeiten (IAS 1.68l i. V. m. IAS 1.51) langfristige Rückstellungen (IAS 1.68k i. V. m. IAS 1.51) latente Steuern (IAS 1.68n i. V. m. IAS 1.51 und IAS 1.70) kurzfristige Verbindlichkeiten Verbindlichkeiten aus Lieferung und Leistungen und sonstige Verbindlichkeiten (IAS 1.68l i. V. m. IAS 1.51) kurzfristige Rückstellungen (IAS 1.68k i. V. m. IAS 1.51) Steuerverbindlichkeiten (IAS 1.68m) Bilanzgliederungsschema Tipp: IAS 1 schreibt die Gliederungsreihenfolge und Bilanzstruktur nicht zwingend vor. Dies ermöglicht eine Anpassung an unternehmensspezifische Gegebenheiten, solange die Fair-Presentation-Forderung (IAS 1.13) erfüllt ist. 52
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