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- Jasmin Weiss
- vor 6 Jahren
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1 Leseprobe aus: ISBN: Mehr Informationen zum Buch finden Sie auf
2 Bin ich denn schon rechts? Wie rechts bin ich eigentlich? In Deutschland ist es laut geworden, seit die Alternative für Deutschland (AfD) die Bühne betreten hat. In den Talkshows streiten die Gäste seitdem ein wenig heftiger miteinander, Familienfeiern drohen neuerdings zu eskalieren, und die Kommentarspalten im Internet sind zu Arenen eines neuen ideologischen Kampfes geworden, der schon lange nicht mehr sachlich geführt wird. Dabei fing es rückblickend fast harmlos an: Ein paar konservative Wirtschaftsprofessoren und Unternehmer taten sich im Februar 2013 zusammen, weil sie glaubten, dass die Euro-Politik der Kanzlerin grundfalsch war. Diese Menschen waren nicht grundsätzlich gegen die parlamentarische Demokratie und verabscheuten nicht die freiheitliche Ordnung Deutschlands. Im Gegenteil, einige von ihnen sind überzeugte Neoliberale. Aber ihre Partei, die AfD, zog in den Jahren danach immer mehr Menschen an, denen die Euro-Politik zwar auch wichtig war, aber nicht so wichtig wie ein anderes Thema: die deutsche Identität. Schritt für Schritt verschafften sich diese Neumitglieder Einfluss. Vor allem im Osten der Republik konnten sie auf wichtige Posten rutschen. Sie wurden stärker und stürzten im Sommer 2015 die alte Professorenführung der AfD. Die Partei wandelte sich, und plötzlich tauchte mit den «neuen Rechten» ein Begriff in den Debatten auf, den Deutschland bisher kaum kannte. Was war so neu an diesen Leuten? Was so rechts? Viele hatten keine Antwort. Viele kannten nur Nazis und Nicht-Nazis, aber kaum etwas dazwischen. 4
3 Ich hatte auch keine Antwort. Dann begann ich zu recherchieren und merkte schnell, dass die Nazi-Beschreibung überhaupt nicht passt. Dass man den neuen Rechten sogar einen Gefallen tut, wenn man sie so bezeichnet. Dass es neuerdings einen Platz gibt, irgendwo zwischen der CDU und der NPD, der ein ganz bestimmtes politisches Denken markiert, das Deutschland seit einhundert Jahren prägt, aber nach dem Mauerfall aus dem Blickfeld geraten war. In diesem kleinen Buch beschreibe ich dieses neue politische Denken. Ich tue es in einer ungewöhnlichen Form, in der Art eines Dialogs zwischen zwei Stimmen. Diese Form erlaubt es, immer wieder zu prüfen, ob man nur sieht, was man sehen will, oder ob man sich den eigenen Vorurteilen wirklich stellt und einen differenzierten Blick auf etwas wagt, was sehr viele in Deutschland gerne abtun und beiseiteschieben würden mit diesem einen Wort, das jede Debatte beenden kann, aber völlig unzutreffend ist: «Nazi». Wer die Neuen Rechten verstehen will, muss mit diesem Wort beginnen. Wer oder was ist ein Nazi? Ein Nazi ist ein Nationalsozialist. Der Nationalsozialismus (NS), angeführt von Adolf Hitler, hörte mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges offiziell auf zu existieren. Wer auch nach dem Krieg nationalsozialistischen Ideen treu blieb, war ein Altnazi. Die Menschen, die die NS-Zeit noch selbst miterlebt haben, werden immer weniger, deswegen gibt es auch immer weniger (Alt-)Nazis. Wenn Sie heute also jemanden hören, der einen anderen als «Nazi» beschimpft, ist die Wahrscheinlichkeit sehr, sehr hoch, dass er Unsinn redet. Wenn Sie diese Bezeichnung auf Facebook lesen, beträgt die Unsinnswahrscheinlichkeit fast 100 Prozent, denn 5
4 wie viele 80- bis 90-Jährige kennen Sie, die diese Plattform nutzen und dort auch kommentieren? Wie soll man sonst Menschen nennen, die auf Ausländer und die Demokratie schimpfen und immer noch von «Rassen» sprechen? Tatsächlich hat das Wort «Nazi» einen festen Platz in der deutschen Umgangssprache. Das Wort hilft aber nicht weiter, denn es verschleiert mehr, als dass es erklärt, weil es alles, was sich rechts von der CSU befindet, in einen Topf wirft. Doch es gibt Unterschiede, und es ist wichtig, diese Unterschiede zu erkennen. Die Ideen von Pegida, dem völkischen Flügel der AfD und der Neuen Rechten sind nicht neu. Sie haben ihren Ursprung in der Weimarer Republik, sind also knapp 100 Jahre alt. Es wird hier um diese Ideen gehen, um Reflexe, Ressentiments und Rassismus; einige Leser werden sich deswegen über diesen Text ärgern. Vielleicht werden genau Sie sich ärgern. Deswegen will ich Ihnen ein Versprechen abnötigen: Lassen Sie Ihrem Ärger freien Lauf, aber hören Sie nicht auf zu lesen. Niemand hat die Position eines anderen richtig verstanden, wenn er sie nicht selbst vertreten könnte. Oder anders formuliert: Erst wenn Sie in der Lage sind, sich selbst zu widersprechen, wissen Sie, wie Pegida, AfD und Neue Rechte argumentieren. Das weiß ich schon, und ich finde zum Beispiel die AfD gar nicht so schlecht. Das ist Ihr gutes Recht. Ich möchte Ihnen nicht vorschreiben, was Sie zu denken haben. 6
5 Okay, los geht s: Warum reden wir eigentlich immer noch von «rechts» und «links»? Haben diese Begriffe nicht ihre Bedeutung verloren? Wenn ich Sie jetzt auffordern würde, zehn Wörter aufzuschreiben, die Sie mit dem Begriff «rechts» verbinden, und zehn Wörter, die Sie mit «links» verbinden, würde das Ergebnis zwar bei jedem von uns ein bisschen anders ausfallen, dennoch würden sich die beiden Aufzählungen deutlich voneinander unterscheiden. Auf der Seite «rechts» würden sich andere Wörter finden lassen als bei «links». Jeder Mensch hat eine bestimmte Vorstellung davon, was «rechts» und was «links» ist; deswegen haben diese Begriffe weder ihre Bedeutung noch ihren Wert verloren. Das Problem ist eher, dass die Menschen heute nicht mehr alle dieselben Dinge mit diesen Begriffen verbinden. Was «rechts» ist und was «links», ist heute auf den ersten Blick nicht mehr so klar wie etwa in Zeiten der Weimarer Republik, als sich Kommunisten und Nationalsozialisten blutige Saalschlachten lieferten. Kann man die Bedeutung denn wenigstens umreißen? Eine mögliche Definition liefert der deutsche Soziologe Armin Nassehi. In seinem Buch «Die letzte Stunde der Wahrheit» schreibt er: «Wenn man das Rechte auf einen Begriff bringen will, dann ist es eine merkwürdige Konstellation von Gleichheit und Ungleichheit, nämlich Gleichheit nach innen und Ungleichheit nach außen.» 7
6 Das klingt sehr abstrakt, er meint damit aber eigentlich etwas sehr Einfaches: dass wir Menschen uns mit anderen Menschen zusammentun, die uns ähneln und die wir deswegen als ebenbürtig oder eben als uns gleich empfinden. Menschen, die uns nicht ähneln, können nicht Mitglied dieser Gruppe werden. Moment mal! Borussia-Dortmund-Fans, Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr und des Lesezirkels, die ähneln sich ja auch sind die etwa alle rechts? [...] 8
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