future:solar Systemanalyse zur solaren Energieversorgung
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1 future:solar Systemanalyse zur solaren Energieversorgung Mathias Schlosser / Sven Reiser / Peter Ruschin / Prof. Dr.-Ing. M. Norbert Fisch Institut für Gebäude- und Solartechnik (IGS), TU Braunschweig Mühlenpfordtstr. 23, Braunschweig Tel.: / Fax: reiser@igs.tu-bs.de / ruschin@igs.tu-bs.de 0. Einführung Die Auswahl an erneuerbaren Energiesystemen, um Häuser für die Zukunft zu rüsten, ist groß. Zur Nutzung der Sonnenenergie können zum einen solarthermische Kollektoren eingesetzt werden, um Wärme zu gewinnen, und zum anderen eine Photovoltaik-Anlage zur Erzeugung von elektrischem Strom. In Kombination mit einer Wärmepumpe kann auch mit Hilfe der Photovoltaik Wärme erzeugt werden. Darüber hinaus gibt es weitere Konzepte und Ideen zur regenerativen Versorgung von Gebäuden. Das Institut für Gebäude- und Solartechnik (IGS) der TU Braunschweig wird mit Beteiligung des Instituts für Thermodynamik und Wärmetechnik (ITW) der Universität Stuttgart sowie verschiedenen Industrie-Partnern im Projekt future:solar eine umfassende Systemanalyse durchführen, anhand derer erfolgsversprechende Gesamtsysteme identifiziert werden sollen. Ziel ist es, das technische und wirtschaftliche Potenzial der Solarenergie für einen regenerativen Anteil von 50 und 100 Prozent an der Energieversorgung von Einfamilienhäusern, Mehrfamilienhäusern und Stadtquartieren zu ermitteln. Ebenfalls soll dieses Potenzial an sanierten Bestandsgebäuden untersucht werden. Dabei wird in einem Kosten-Nutzen Verhältnis die bauphysikalische Sanierung und die anlagentechnische Ausrüstung bewertet. Die gewählte Bilanz beinhaltet dabei sowohl den Energiebedarf für den Gebäudebetrieb nach gültiger Energieeinsparverordnung als auch den Strombedarf der Nutzung und Ausstattung. Daher werden zusätzlich zur Solarthermie und zur Photovoltaik weitere erneuerbare Energien und zukunftsfähige Technologien zur Wärme-, Strom- und Kälteerzeugung berücksichtigt.
2 Zunächst sollen durch eine Marktanalyse verschiedene Möglichkeiten, eine regenerative Energieversorgung von 50 und 100 Prozent zu erreichen, identifiziert und gesammelt werden. Anschließend werden die Konzepte anhand von Systemsimulationen energetisch, ökologisch und wirtschaftlich untersucht und bewertet. Das Forschungsvorhaben future:solar wird vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) gefördert (FKZ A). 1. Vorgehen Das Forschungsvorhaben future:solar gliedert sich in mehrere Arbeitsschritte. Eine erste Unterteilung erfolgt in der Untersuchung der Versorgung von Wohngebäuden (Einfamilienhaus, Mehrfamilienhaus) und auf Quartiersebene. Für Wohngebäude und Stadtquartiere werden jeweils folgende Arbeitspunkte behandelt. AP 1 Systemdefinition AP 2 Modellbildung AP 3 Systemsimulation AP 4 Kostenermittlung AP 5 Systemvergleich der einzelnen Varianten (50 und 100 % Deckungsanteil) AP 1 Systemdefinition Zunächst werden die Bilanzgrenzen hinsichtlich der Bewertung einer 50 und 100 % regenerativen Energieversorgung definiert. In Anlehnung an die Energie Effizienzhaus-Plus Kriterien des BMVBS ist festgelegt, dass sowohl der Endenergiebedarf, als auch der Primärenergiebedarf durch das Gebäude selbst gedeckt werden muss. Endenergetisch werden dabei Wärme und Strom gleich behandelt, somit ist die regenerative Deckung mittels Solarthermie und Photovoltaik möglich. Die primärenergetische Bilanzierung erfolgt mittels Primärenergiefaktoren der jeweils eingesetzten Energieträger einer jeden Versorgungsvariante.
3 Bild 1 50 und 100 % regenerative Energieversorgung Zudem werden die für die Bilanzierung vorgesehenen synthetischen Mustergebäude definiert. In Anlehnung an statistische Erhebungen und Bestandsdatenbanken werden ein typisches Einfamilienhaus sowie ein Mehrfamilienhaus jeweils im Neubau und in der Bestandssanierung hinsichtlich geometrischer und bauphysikalischer Merkmale erstellt. Bild 2 zeigt eine Auswahl der erstellten Gebäudemodelle, welche für die Bedarfssimulationen des Heizwärmebedarfs verwendet werden. Bild 2 Mustergebäude Einfamilien- und Mehrfamilienhaus (Neubau / Bestandssanierung) Beim Neubaugebäude wird im Bereich der Fassade ein Wärmedämmverbundsystem mit einer Dämmstärke von 24 cm (WLG 035, U-Wert 0,13 W/m²K) vorgesehen. In der Bestandssanierung liegt die Dämmstärke der Fassade bei 16 cm (WLG 035, U- Wert 0,19 W/m²K). Alle Gebäude verfügen über eine 2-fach Wärmeschutzverglasung sowie über eine kontrollierte Lüftungsanlage, die ganzjährig mittels Wärmerückgewinnung den hygienischen Mindestluftwechsel sicherstellt. Für die Warmwasserbereitstellung wird von einem Bedarf von 500 kwh/(pers a) ausgegangen. Nur bei den Mehrfamilienhäusern werden zusätzlich Verluste für den Betrieb der Zirkula-
4 tion berücksichtigt. Für den Nutzerstrombedarf, welcher in der Studie ebenfalls Berücksichtigung findet, wird ein Zielwert von pauschal kwh/a im Einfamilienhaus und von durchschnittlich kwh/a je Wohneinheit in den Mehrfamilienhäusern festgesetzt. Der Strombedarf für die Lüftungsanlage kommt für jedes Gebäude dazu. Bild 3 zeigt exemplarisch die Simulationsergebnisse des spezifischen Nutzenergiebedarfs für das Einfamilienhaus und Mehrfamilienhaus im Neubau und in der Bestandssanierung. 120 RLT Nutzerstrom Zirkulation WWB Heizen Nutzenergie [kwh/m²a] ,5 20,0 13,4 2,3 3,6 20,0 27,7 13,4 4,0 18,0 3,5 28,0 4,8 18, ,0 48,4 32,5 40,2 0 EFH Neubau (beheizte NF 149 m²) EFH Sanierung (beheizte NF 149 m²) MFH Neubau (beheizte NF 631 m²) MFH Sanierung (beheizte NF 429 m²) Bild 3 Nutzenergiebedarf der Mustergebäude Weiterhin werden für den Trinkwarmwasserbedarf Zapfprofile in Anlehnung an die EU Tapping Cycles für das Ein- und Mehrfamilienhaus ermittelt. Für die Darstellung des Haushaltsstromprofile wird ein Tool der TU Chemnitz verwendet. Mit Hilfe des sog. Lastprofilgenerators werden typische Stromlastprofile für den Bereich Einfamilienhaus und Mehrfamilienhaus mit einer Zeitschrittweite von 15 Minuten erstellt. Im Vorfeld werden mit den Projektpartnern Versorgungsvarianten definiert, die eine typische und marktnahe Versorgung der Gebäude repräsentieren sollen und hinsichtlich einer 50 und 100 % regenerativen Versorgung untersucht werden. In einer Anlagen- und Gebäudesimulation werden die in Bild 4 dargestellten 6 Varianten ab-
5 gebildet und die daraus resultierenden Deckungsanteile ermittelt. In verschiedenen Sonderbetrachtungen erfolgt die Untersuchung von Spezialthemen wie der Einsatz von Batteriespeichern, thermochemischen Speichern, etc. Nr. Variante 1 Gas-Brennwertkessel Solarthermie / PV 2 elektrische Wärmepumpe PV 3 Gas-BHKW PV 4 Biomasse-Kessel Solarthermie / PV 5 elektrischer Heizstab Solarthermie / PV 6 Fernwärme PV Einfamilienhaus Mehrfamilienhaus Neubau / Bestandssanierung Neubau / Bestandssanierung 50% 100% 50% 100% Bild 4 Versorgungsvarianten der Gebäude Bild 5 zeigt schematisch Versorgungsvariante 2, bei der eine elektrische Wärmepumpe mit Erdsonden zur Bereitstellung des Heizwärmebedarfs für die Heizung und Trinkwassererwärmung mit einer Photovoltaik Anlage kombiniert wird. Die Wärmeübergabe an den Raum erfolgt hier mittels einer Fußbodenheizung bei niedrigen Systemtemperaturen (Vorlauftemperatur 35 C bei -12 C Außentemperatur). Bild 5 Versorgungsvariante Wärmepumpe + PV
6 AP 2 Modellbildung Wie bereits im vorhergehenden Abschnitt erwähnt, werden die in Bild 4 gezeigten Versorgungsvarianten in einer Gebäude- und Anlagensimulation abgebildet. Hierfür wird das Simulationsprogramm TRNSYS verwendet. Ziel ist es dabei, den Deckungsanteil der jeweiligen solaren Erzeuger zu ermitteln, bzw. Aussagen zur Dimensionierung dieser zu treffen, um das gesetzte Ziel einer 50 und 100 % regenerativen Versorgung der Gebäude zu erreichen. Hierbei sollen auch die Einsatz- und Integrationsmöglichkeiten zukünftiger Speichertechnologien untersucht werden. Dazu gehören für Wärme PCM-Speicher, thermochemische Speicher und ggf. Eisspeicher und unterschiedliche Stromspeicher. AP 3 Systemsimulation (Wohngebäude) Mit Hilfe von Systemsimulationen werden die oben beschriebenen Versorgungsvarianten simuliert und unterschiedliche Parametervariationen vorgenommen. Die Ergebnisse dienen zum einen dazu, Aussagen über Deckungsanteile der solaren Energieerzeuger treffen zu können, und zum anderen dazu, diese hinsichtlich der Vorgaben einer 50 und 100 % regenerativen Energieversorgung auszulegen. Besonders für die ökonomischen aber auch ökologischen Untersuchungen sind die durchgeführten Simulationen Grundlage der Bearbeitung. Unter Einbeziehung der Stromlastprofile für den Haushaltsstrom können z.b. Einflüsse unterschiedlicher Speichergrößen, Regelstrategien der Wärmeerzeuger und der Einsatz von elektrischen Speichern verdeutlicht und bewertet werden. Bild 6 zeigt die Jahresbilanz im Neubau mit der Versorgung über eine elektrische Wärmepumpe und PV-Anlage. Über das Jahr kann das Einfamilienhaus mit einer Wärmepumpe (Leistung ca. 6 kw) und einer PV-Anlage mit einer installierten Leistung von 6,86 kw p bilanziell sowohl auf Endenergieebene als auch auf Primärenergieebene zu mehr als 100 % regenerativ versorgt werden. In einem weiteren Schritt erfolgt die Detailauswertung der Simulationen. Diese erfolgt in kleineren Betrachtungszeitschritten von 15 Minuten auf Wochenebene in Zeiten hoher Lasten im Sommer und Winter. Dabei werden die Defizite dieser Variante deutlich, d.h. der hohe Stromüberschuss im Sommer, welcher in das öffentliche Netz eingespeist wird.
7 PV-Ertrag Verluste Wechselrichter Strommenge [kwh/a] Eigennutzung 23% Eigennutzung 26% Strom RLT Strom Wärmepumpe Einspeisung Netzbezug Haushaltsstrom 0 PV-Ertrag [kwh] Nutzung PV-Ertrag Einspeisung + Eigennutzung [kwh] Deckung Strombedarf Netzbezug + PV- Eigennutzung [kwh] Gesamtstrombedarf Gebäude [kwh] Bild 6 Jahresendenergiebilanz Einfamilienhaus Neubau für Versorgungsvariante 2 elektrische Wärmepumpe mit Photovoltaikanlage AP 4 Kostenermittlung Eine Kostenermittlung vervollständigt die umfangreiche Marktrecherche und Preiserhebung zu den einzelnen Systemkomponenten der Versorgungsvarianten. Zudem wird so der grundlegenden Anforderung einer ganzheitlichen Systemanalyse Rechnung getragen und der Grundstein für ausführliche Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen gelegt. Systemvergleich Wohngebäude Innerhalb des Systemvergleichs der Wohngebäude werden die Simulationsergebnisse und Parameterstudien der einzelnen Versorgungsvarianten besonders im Hinblick auf den Einsatz unterschiedlicher Speichersysteme für Wärme und Strom gegenüber gestellt und verglichen. Es sollen Zielgrößen für die solaren Energieerzeugungssysteme getroffen und die realistischen Integrationsmöglichkeiten als Anforderungen für die einzelnen Gebäudetypen im Neubau und der Bestandssanierung definiert werden. Parallel dazu werden Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen durchgeführt und vor dem Hintergrund von Annahmen für Energiepreisentwicklungen Zielpreiskorridore für einzelne Technologien und Versorgungssystem getroffen.
8 3. Stand der Bearbeitung Mit den Forschungsaktivitäten wurde im Mai 2012 begonnen. Die Projektlaufzeit beträgt zwei Jahre ( bis ). Die Bedarfssimulationen der Wohngebäude (Einfamilien- und Mehrfamilienhaus / Neubau und Bestandssanierung) sind abgeschlossen, ebenso die Abbildung der Versorgungsvarianten. Derzeit erfolgt die Auswertung und grafische Aufbereitung der durchgeführten Systemsimulationen. Umfangreiche Kostenrecherchen zu den einzelnen Systemkomponenten wurden durchgeführt und ermöglichen nun die wirtschaftliche Bewertung der Systeme. Im weiteren Verlauf sind Parameterstudien zu verschiedenen Punkten und Themen vorgesehen. 4. Weitere Schritte und Ausblick Die oben genannten Arbeitspunkte werden in den kommenden Arbeitsschritten analog auf die Quartiersebene übertragen, um die Möglichkeiten der solaren Energienutzung zu untersuchen. Auf Quartiersebene steht besonders die gemischte Nutzung (Wohnen und Gewerbe/Büro) im Fokus. Neben den charakteristischen Bedarfswerten und Lastgängen für den Wohnbau, werden die Bedarfsmodelle erweitert. Die besonderen Anforderungen hinsichtlich einer gewerblichen Nutzung, wie z.b. die Deckung des Kältebedarfs und die damit verbundenen charakteristischen Stromlastgänge, gehen mit in die Betrachtung ein und werden auf Machbarkeit einer 50 und 100 % regenerativen Energieversorgung untersucht. Bei den Versorgungsvarianten werden neben dezentralen Lösungen auch zentrale Versorgungsysteme betrachtet. Dabei sind kleine Nahwärmenetze angedacht sowie die Prüfung des Einsatzes von saisonalen Speichern, Eispeischern oder die Umwandlung von überschüssigem regenerativ produzierten Strom aus PV-Anlagen in Wasserstoff und Methan. Dies ermöglicht eine Zwischenspeicherung oder Einspeisung im bzw. in das Erdgasnetz und eine anschließende Verstromung in Blockheizkraftwerken oder ggf. Brennstoffzellen. Auch auf Quartiersebene erfolgt eine detaillierte Kostenbetrachtung und wirtschaftliche Analyse zum Vergleich und zur Ermittlung von Zielpreiskorridoren unter Berücksichtigung von Strompreisentwicklungen.
9 5. Projektkonsortium Fördergeber Wissenschaftlicher Partner Industriepartner
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