Mutismus wenn Kinder nicht sprechen
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- Ilse Breiner
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1 Mutismus wenn Kinder nicht sprechen
2 1877 Die Störungen der Sprache Adolf Kussmaul ( )
3 Moritz Tramer Schweizer Kinder- und Jugendpsychiater Elektiver Mutismus bei Kindern Zeitschrift für Kinderpsychiatrie,1934, 1, 30 35
4 Klassifikation
5 Häufigkeit
6 Anteil Mädchen
7 Beginn der Störung
8 Auftreten Steinhausen, H.C., & Juzi, C. (1996). Elective mutism: An analysis of 100 cases. Journal of the American Academy of Child and Adolescent Psychiatry, 35,
9 Schulsituationen Kumpulainen et al. (1998). Selective mutism among second-graders in elementary school. European Child and Adolescent Psychiatry, 7,
10 Situative Variation des Mutismus Black, B., & Uhde, T.W. (1995). Psychiatric characteristics of children with selective mutism: A pilot study. Journal of the American Academy of Child and Adolescent Psychiatry, 34,
11 Komorbide Störungen Steinhausen, H.C., & Juzi, C. (1996). Elective mutism: An analysis of 100 cases. Journal of the American Academy of Child and Adolescent Psychiatry, 35,
12 Mutismus und Angst Kristensen, H. (2000). Selective mutismand comorbidity with developmental disorder/delay, anxiety disorder, and elimination disorder. Journal of the American Academy of Child and Adolescent Psychiatry, 39,
13 Symptomatik Zusammenfassung Selten hoher Schweregrad selten (unter 1%) Häufiger bei Mädchen (1,5 2 : 1) Beginn: häufig im Vorschulalter Selten monosymptomatisch (weniger als 10%) komorbide Störungen: 1. Angststörungen (70%+) 2. Sprech- und Sprachstörungen (40%+) 3. Sauberkeitsstörungen 4. Oppositionelle Störungen (kontrovers)
14 Auslösende Situationen Steinhausen, H.C., & Juzi, C. (1996). Elective mutism: An analysis of 100 cases. Journal of the American Academy of Child and Adolescent Psychiatry, 35,
15 Risikofaktoren Psychische Störungen bei Eltern?? (nein: Steinhausen & Adamek, 1997, ja: Remschmidt et al., 2001; Kristensen (2001): Fragebogenverfahren: höherer Anteil schizoider Mütter + Väter, schizotyper Mütter, ängstlicher Väter, vermeidender Mütter) wortkarge Eltern oder Geschwister (bis 50%) (Funke et al., 1978, Steinhausen & Adamek, 1997, Remschmidt et al., 2001) Überbehütung durch Mutter (Hayden, 1980, Remschmidt et al., 2001) Belastungen und Traumata (Hayden, 1980; Steinhausen & Juzi, 1996; Andersson & Thomson, 1998) Sprach- und Sprechstörungen
16 Verlauf: 12 Jahres Katmanese Bei Patienten mit partieller- oder kompletter Remission:19 % abrupte Verbesserung, 81 % schrittweise Verbesserung 71 % hatten noch Kommunikationsprobleme (z.b. Sprechen mit Fremden, in Geschäften usw.) 42 % werden als psychisch stark auffällig eingeschätzt
17 Prognosefaktoren Remschmidt et al. (2001). A follow-up study of 45 patients with elective mutism. European Archives of Psychiatry and Clinical Neuroscience, 251, Mutismus innerhalb der Familie Auffälliger Erziehungsstil der Eltern Psychische Störungen in der Familie Depressivität / Dysphorie des Patienten
18 Diagnose Döpfner et al. (2007). Elektiver Mutismus Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie Psychosomatik und Psychotherapie et al. (Hrsg.), Leitlinien zur Diagnostik und Therapie von psychischen Störungen im Säuglings-, Kindesund Jugendalter (3. Aufl., S ). Köln: Deutscher Ärzte Verlag.
19 Anamnese Beginn der Symptome Mögliche Auslöser bei Beginn der Störung Erkennbare aufrechterhaltende Bedingungen (z.b. positive Verstärkung durch vermehrte Zuwendung oder negative Verstärkung durch Vermeidung unangenehmer Situationen) Dauer, Ausmaß und Konstanz Sozialer Kontext des mutistischen bzw. des verbalen und nonverbalen Kommunikationsverhaltens: Mit wem und/oder im Beisein wessen spricht bzw. schweigt das Kind,z.B. fremde Erwachsene, Gleichaltrige, spezielle Erwachsene, spezielle Gleichaltrige, in der Familie Vater, Mutter, Geschwister? In welchen Situationen spricht das Kind? Wie reagiert der Gesprächspartner auf das Schweigen (z.b. Lehrer)? Welche nonverbalen Kommunikationsmittel kommen zum Einsatz?
20 Beobachtung Ggf. Tonbandaufzeichnungen/Videoaufzeichnungen zur Analyse der Sprachstruktur Information aus Kindergarten/Schule (mit Einverständnis der Eltern) hinsichtlich Auftreten der Leitsymptome, Ausmaß und situative Variabilität (analog zur Exploration der Eltern) Verhaltensbeobachtung des Kindes während der Exploration, während körperlicher und psychologischer Untersuchungen mit besonderer Aufmerksamkeit hinsichtlich des mutistischen und sonstigen kommunikativen Verhaltens gegenüber dem Untersucher, den Eltern und anderen Personen Körperlich-neurologische Untersuchung mit Zentrierung auf orofaciale Auffälligkeiten.
21 Entwicklungsgeschichte Sprachentwicklung (rezeptive Sprache, expressive Sprache, Artikulation) Einsetzen der Leitsymptomatik (z.b. in der frühen Kindheit) Temperament und Primärpersönlichkeit Frühkindliche Verhaltensauffälligkeiten, Angst, Kontaktprobleme, Trennungsängstlichkeit, Schlaf- und Essprobleme.
22 Komorbidität und Begleitstörungen Störung mir sozialer Ängstlichkeit (F93.2) Generalisierte Angststörung (F93.80) Phobische Störungen (F93.1) Emotionale Störungen mit Trennungsangst (F93.0) Zwangsstörungen (F42) Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen (F43) Depressive Symptomatik (F3) Regulationsstörung von Schlaf, Essen, Ausscheidungsfunktion Störung des Sozialverhaltens mit oppositionellem Verhalten (F91.3) Störungen der motorischen Funktionen (F82).
23 Rahmenbedingungen Entwicklungsübergänge (Eintritt in Kindergarten oder Schule) Migration, Bilingualität oder kulturelle Isolation der Familie Sprech- und Sprachstörungen in der Vorgeschichte von Familienmitgliedern Mutismus in der Vorgeschichte von Familienmitgliedern Angst/Ängstlichkeit und Scheu bei einem oder beiden Elternteilen Belastende Lebensereignisse oder Traumatisierungen Störungskonzepte der Eltern, Reaktionsweisen, ihre Therapieerwartung und ihre Bereitschaft zur Mitarbeit Störungskonzepte von Erziehern/Lehrern, ihre Therapieerwartungen und ihre Bereitschaft zur aktiven Mitarbeit Integration des Kindes in die Gruppe/Klasse Belastende Bedingungen in Kindergarten/Schule Ressourcen in Kindergarten/Schule (Kleingruppenbeschäftigung, Kleingruppenunterricht).
24 Therapeutische Ansätze
25 tiefenpsychologische Erklärungsmodelle Neurotische Symptomatik mit symbiotischer Mutter-Kind-Beziehung, die durch Schweigen aufrecht erhalten werden kann. Schweigen als Abwehrmechanismus der bedrohlich erlebten Trennung von der Mutter Traumata
26 Multimodale Therapie
27 Verhaltenstherapie Psychoedukation Stimulus-Fading (Stimulus-Einblenden) Shaping (Verhaltensformung) Kontingenzmanagement Graduierte Exposition + Verstärkung (Fading+Shaping+Habituation+Verstärkung) Modelllernen und Feedforward-Interventionen Forciertes Sprechen
28 Angsthierachie / Exposition
29 Kontingenzmanagement Positive Konsequenzen bei Sprechen Soziale Verstärkung (Zuwendung, Kind bekommt, was es will) Token-Verstärkung Löschung bei Schweigen Nicht beachten Nicht stellvertretend sprechen Auszeit
30 Fluoxitin Dummit et al. (1996): n=21 offene Studie, 49 Wochen aufdosiert, mittlere Enddosis 28mg (10-60mg) 76 % Verbesserung (Angstreduktion, Sprechhäufigkeit in Öffentlichkeit) Black & Uhde (1994) n=15 Placebo-Nonresponder, randomisiert 12 Wochen 0,6mg/kg oder Placebo Fluoxetin > Placebo (Mutismus/Elternurteil) Fluoxetin = Placebo (Mutismus/Lehrerurteil + klinisches Urteil) Weiterhin ausgeprägter Mutismus
31 Therapeutische Haltung Empathisch supportiv gegenüber Kind + Eltern Transparent in den Handlungen Fordernd Integration aller Beteiligten in die Entscheidungsprozesse aber: Kontrolle über den Prozess behält der Therapeut Beachtung der Gefühle, die der Patient bei Eltern, Erziehern, Lehrern, beim Therapeuten und im Behandlungsteam auslöst
32 Aber: Die schweren Fälle sind sehr mühsam!
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