FAZ.NET - Frankfurter Allgemeine Zeitung Finanzmarkt Finanzmärkte und Geldanlage Seite 1 von 5
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- Gertrud Brahms
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1 FAZ.NET - Frankfurter Allgemeine Zeitung Finanzmarkt Finanzmärkte und Geldanlage Seite 1 von 5 Frankfurter Allgemeine Zeitung Finanzmarkt Finanzmärkte und Geldanlage Fenster schließen Artikel drucken "Kosten der Regulierung könnten zu einer Revolte der Banken und Versicherer führen" Der scheidende britische Finanzmarktaufseher Howard Davies warnt vor einer Flut europäischer Richtlinien / "Manchmal wäre ich gerne Eliot Spitzer" Howard Davies verabschiedet sich in dieser Woche von der Spitze der britischen Finanzaufsicht Financial Services Authority (FSA). Sechs Jahre stand er der britischen Finanzaufsicht vor. Der ehemalige Mc-Kinsey-Berater, Chef des britischen Unternehmerverbandes und Vizegouverneur der Bank von England, wird nun Direktor der London School of Economics. Seine Nachfolge bei der FSA übernehmen als Chairman Callum McCarthy, der bisherige Leiter der britischen Aufsichtsbehörde für Gas und Elektrizität, sowie - in einer neu geschaffenen Funktion als Chief Executive - John Tiner, der bisher schon bei der FSA arbeitete. (chs.) Mister Davies, was halten Sie von Eliot Spitzer? Manchmal denke ich, daß es schön wäre, Eliot Spitzer zu sein - all die Macht eines amerikanischen Generalstaatsanwaltes zu haben und auf Fischzüge in den Investmentbanken zu gehen. Einfach reingehen und sagen, ich möchte alle s lesen und mal sehen, ob ich was finde. Leider können Aufsichtsbehörden unserer Art - und dazu gehört auch die SEC - so etwas nicht tun. Stellen Sie sich die Reaktion vor, wenn ich heute morgen einfach so 50 Leute in die Deutsche Bank senden würde und alle Dokumente sehen wollte. Die würden fragen, warum, und wir würden sagen, wir glauben, daß Sie vielleicht etwas Unerlaubtes getan haben. Die Deutsche Bank würde sehr schnell ihre Sachen packen und nach Jersey oder an einen anderen solchen Ort umziehen. Hat London die gleichen Probleme wie New York? Ich glaube das nicht - wir haben das tatsächlich ziemlich gründlich untersucht. Nicht daß wir meinen, die Investmentbanken haben alle ihre ehrlichen Leute nach London geschickt und die Schurken in New York gelassen. Nein, unser Markt ist anders. In London kann man nicht eine Aktie manipulieren, indem man auf den Markt der Privatanleger setzt. Dafür sind diese zu klein. Deswegen gibt es in London auch keine Star-Analysten. Die Menschen investieren vor allem durch Investment Trusts und Fonds. Die institutionellen Anleger aber sind viel skeptischer. Es macht keinen Sinn, eine Studie über irgendein neues Dotcom-Unternehmen herauszubringen, das angeblich bald die Welt erobert. Prudential oder Fidelity würden das einfach nicht glauben. Deshalb kann man in London den Markt so nicht manipulieren. Sie haben aber selbst gesagt, es gebe Handlungsbedarf. Es gibt durchaus das Potential von Interessenkonflikten in Investmentbanken. Denn in einigen Fällen sind die
2 FAZ.NET - Frankfurter Allgemeine Zeitung Finanzmarkt Finanzmärkte und Geldanlage Seite 2 von 5 Analysten zu nah dran an den Investmentbankern. Sie werden nach den Gewinnen im Investmentbanking bezahlt, sie treten auf Marketingveranstaltungen und Roadshows auf. Es herrscht auch Konfusion darüber, was objektive Untersuchungen und was Vermarktung ist. Wir möchten für klare Verhältnisse sorgen - ungefähr entsprechend der Lösung, die in New York gefunden wurde. Ich glaube, diesen Weg schlagen jetzt alle großen Aufsichtsbehörden in Europa ein. Bei einem Treffen in Paris in der vergangenen Woche innerhalb von IOSCO - der International Organisation of Securities Commissions - haben wir uns auf gemeinsame Prinzipien über die Bezahlung von Analysten, ihr Management und so weiter geeinigt. Am 25. September werden die Prinzipien in Athen veröffentlicht. Die deutsche Bafin, die Franzosen, die Italiener und wir selbst haben alle zugestimmt. Nach Ihren eigenen britischen Vorschlägen wollen Sie Analysten künftig verbieten, an Marketingveranstaltungen teilzunehmen. Wird die IOSCO dies übernehmen? Die Prinzipien werden im Einklang mit dem allgemeinen Prinzip der Spitzer-Lösung stehen, nach der die Funktion der Analysten von jener der Investmentbanken getrennt sein muß. Es wird einige spezifische Vorschriften geben. Aber im allgemeinen handelt es sich um Prinzipien. Wir halten beispielsweise nichts von der Anforderung an die Investmentbanken in Amerika, unabhängige Untersuchungen auf ihre Webseiten zu stellen und so unabhängige Analysehäuser zu finanzieren. Das wird unseren Investoren nicht viel bringen, weil es sich dabei um sehr einfache, grundlegende Inhalte handeln würde. Auch die Analysten zu zwingen, ihre Studien persönlich als ihre eigene Arbeit zu unterzeichnen, paßt nicht in unser Regime, weil bei uns die Führungsebene verantwortlich bleiben soll. Wenn man die Verantwortung einer Person in der nachgeordneten Hierarchie gibt, dann könnte diese zwar eine Unterschrift leisten, aber dennoch unter dem Druck ihrer Vorgesetzten stehen. Unsere Prinzipien werden auch so ausgelegt sein, daß sie in den Ländern nach den lokalen Gegebenheiten unterschiedlich umgesetzt werden können. Wie steht die Europäische Kommission dazu? Die EU-Kommission hat vor längerer Zeit ein Gremium um Ratschlag gebeten, das von Investmentbanken dominiert wird. Ich habe keine Ahnung, warum sie das tat. Das ist das gleiche, als wenn man die Gefangenen danach fragt, wie das Gefängnis geführt werden soll. Erwartungsgemäß trat das Gremium, die sogenannte Forum-Gruppe, mit Vorschlägen hervor, die nicht so weit gehen wie das amerikanische Modell. Sie decken sich auch nicht mit den Ansichten der Aufsichtsbehörden. Wird sich die Sichtweise der Investmentbanken bei der EU- Kommission durchsetzen? Ich hoffe nicht. Die wichtigsten Aufsichtsbehörden Europas sowie Japans und von Ländern wie Brasilien und Mexiko haben nun in der IOSCO mit der amerikanischen SEC sechs Monate lang an dieser Einigung gearbeitet. Unsere
3 FAZ.NET - Frankfurter Allgemeine Zeitung Finanzmarkt Finanzmärkte und Geldanlage Seite 3 von 5 g g g g Prinzipien sind robuster als die der Investmentbanken. Ich kann mir nicht vorstellen, daß die EU-Kommission auf Basis der Bankenvorschläge legislativ tätig wird. Weil Sie manchmal Eliot Spitzer um seine Kompetenzen beneiden - sollte die FSA mehr Macht bekommen? Nein. Ich denke, wir haben die Macht, die wir brauchen. Die Europäische Menschenrechtskonvention legt uns allerdings einige ziemlich strenge Restriktionen auf. Dadurch wurden unsere Möglichkeiten in mancher Hinsicht eingeschränkt, etwa bei der Benutzung von erzwungenem Beweismaterial. Aber so ist die rechtliche Lage eben. In Europa gibt es unzählige Beispiele von Leuten, die zunächst aggressiv und wild entschlossen auftraten, aber Niederlagen erlitten, wenn der Fall dann vor Gericht kam. In unserem Geschäft kann eine Aufsichtsbehörde schnell eine phantastische Schlagzeile bekommen, wenn sie irgendwo reinmarschiert und dieses und jenes verlangt. Aber drei Jahre später wird der Fall vor Gericht dann oft abgeschmettert, weil die Verteidigung etwa Verfahrensfehler oder die Verletzung von Menschenrechten nachweisen kann. Uns wirft man vor, zu langsam zu sein. Aber eines sagen ich Ihnen: Wir verlieren nicht oft. Wir haben bisher keinen einzigen bedeutenden Fall verloren. Mir persönlich ist eine solche Bilanz lieber als viele aufregende Schlagzeilen. Neuerdings können Personen auf Ihre Anweisung hin verhaftet werden. Wir haben eine entsprechende Vereinbarung mit der Polizei der Londoner City getroffen. Da geht es um Leute, die bei Untersuchungen nicht kooperieren und zu Befragungen nicht erscheinen. Es handelt sich dabei aber eher um Randgestalten - vielleicht ein ehemaliger Händler, der am liebsten in einer Villa in Spanien sitzt. Wenn wir mit Merrill Lynch zu tun haben, brauchen wir das nicht. Wie schreitet die Europäisierung der Finanzmarktregulierung voran? Wir befürworten eine Harmonisierung von Kernprinzipien. Aber man muß die lokalen Marktumstände berücksichtigen. Beispielsweise ist es sinnvoll, eine einheitliche Definition über institutionelle und private Anleger zu finden. Aber man braucht keine genaue gemeinsame Definition, welche Informationen den Privatanlegern gegeben werden müssen. In bezug auf die Strukturen der Finanzmarktregulierung haben wir ein vernünftiges Arrangement erreicht. Die drei Ausschüsse für Wertpapieraufsicht, Bankenaufsicht sowie Versicherungs- und Rentenaufsicht werden längere Zeit tragen. Das Problem ist nur, daß sich die Politiker noch nicht auf die Standorte dieser Ausschüsse geeinigt haben. Einer wird vorläufig in Paris sein, über die anderen gibt es lebhafte Debatten. Hat die FSA eine Präferenz? Nein, das ist Sache der Regierungen. Daran sieht man allerdings, wie schwierig Einigungen auf europäischer Ebene sind. Wenn die Regierungen sich nicht verständigen können, wo der Bankenausschuß angesiedelt sein soll,
4 FAZ.NET - Frankfurter Allgemeine Zeitung Finanzmarkt Finanzmärkte und Geldanlage Seite 4 von 5 können, wo der Bankenausschuß angesiedelt sein soll, könnten sie dann gemeinsam entscheiden, eine europäische Bankenaufsicht ins Leben zu rufen? Ich glaube nicht. Auf einer ganz praktischen Ebene sollten wir uns auf den Aufbau von Netzwerken und Kooperationen konzentrieren. Die Arbeit im Wertpapierausschuß zeigt, daß das gut funktioniert. Wir können uns einigen und dies auch umsetzen. Ein großes Problem wird allerdings oft noch nicht verstanden, nicht von der EU-Kommission und auch nicht von vielen anderen: das praktische Problem der Umsetzung einer Vielzahl von Richtlinien zur gleichen Zeit. Der sogenannte Financial Services Action Plan enthält nicht weniger als 42 Richtlinien, über die in der Mehrheit Übereinstimmung herrscht. Aber fast keine von ihnen ist auf dem Finanzmarkt voll umgesetzt worden. Wir fordern also Banken und andere Unternehmen bald auf, die Reformen von Basel II umzusetzen, neue Solvenzbestimmungen, die Richtlinie über Konsumentenkredite, über das Fernmarketing, über neue Investmentdienstleistungen, über die Börsenprospekte, über mehr Transparenz et cetera - und alles zur gleichen Zeit. Das wird nicht funktionieren. Da entsteht ein Nadelöhr. Wir müssen darüber nachdenken, diese Maßnahmen stufenweise in Kraft treten zu lassen. Die Umsetzung wird die Unternehmen eine Menge Geld kosten. Wir hier in Großbritannien müssen regelmäßig eine Kosten- Nutzen-Analyse für die Finanzmarktregulierung erstellen. Auf dem Kontinent ist das selten der Fall. Ich glaube nicht, daß die Leute begreifen, welche Kosten da auf sie zukommen. Wenn wir den Zeitplan nicht vorsichtig neu ordnen, dann befürchte ich eine Revolte der Banken und Versicherer, sobald diese das Ausmaß der Kosten erkennen. Welche Bilanz ziehen Sie für Ihre Arbeit? Zahlreiche Umfragen zeigen, daß London weltweit sehr gut abschneidet, wenn die Marktteilnehmer nach der Qualität der Regulierung gefragt werden. Oft liegen wir vor New York, sowohl in bezug auf die Strenge und die Kompetenz als auch auf die Angemessenheit. Beim Insider-Handel werden wir bis zum Jahresende rund zehn Fälle abschließen. Da geht es wiederum eher um einige Cowboys an den Rändern des Marktes, nicht um die großen Firmen. Im Gegensatz dazu haben wir aber noch Probleme im Markt für Privatanleger. Ich glaube, daß es nicht fair ist, dies der Aufsichtsbehörde in die Schuhe zu schieben, aber dieser Markt funktioniert nicht so, wie er sollte. Die Unternehmen verkaufen noch zu viele Produkte, die für die Käufer nicht die richtigen sind. Wir haben das im nachhinein zu korrigieren. Es wäre aber besser, wenn die Unternehmen es gleich beim ersten Mal richtig machen würden. Wir haben es nicht geschafft, die Botschaft zu vermitteln, daß die Unternehmen die Ziele der Aufsicht in ihren Geschäftsprozeß integrieren sollen. Mißachten die Unternehmen die Vorschriften wissentlich? Die Leute, die für die Einhaltung der Vorschriften zuständig sind, kennen die Inhalte. Aber die Vertriebsleute sind nicht ausreichend geschult. Unterliegen die Vertriebsleute den falschen Anreizen?
5 FAZ.NET - Frankfurter Allgemeine Zeitung Finanzmarkt Finanzmärkte und Geldanlage Seite 5 von 5 Unterliegen die Vertriebsleute den falschen Anreizen? Das ist ein Punkt. Sie werden oft besser bezahlt, je mehr Geschäft sie machen. Daher interessieren sie sich weniger dafür, ob sie die richtigen Produkte verkaufen. Könnten Sie das nicht untersagen? Nein, diese Kompetenz haben wir nicht. Meiner Meinung nach sollten wir sie auch nicht haben, weil es sich dabei um einen schweren Markteingriff handeln würde. Das Gespräch führte Christian Schubert. Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung, , Nr. 215 / Seite 26 F.A.Z. Electronic Media GmbH Dies ist ein Ausdruck aus
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