"Reiche werden immer reicher, Arme werden immer ärmer?!"
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- Busso Tiedeman
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1 "Reiche werden immer reicher, Arme werden immer ärmer?!" Zum 4. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung Dr. Alexander Dietz Referent für Ethik und Armutspolitik
2 Armuts- und Reichtumsberichtserstattung Wozu Sozialberichte? Voraussetzung für vorausschauende Sozialplanung Voraussetzung für zielgerichtete und transparente Sozialpolitik Voraussetzung für Bilanzierung vergangener Sozialpolitik Armuts- und Reichtumsberichte der Bundesregierung 2000: Bundestag beschließt einen Bericht pro Legislaturperiode 2001: Erster Bericht, 2005: Zweiter Bericht, 2008: Dritter Bericht Wirkungen Enttabuisierung, Sensibilisierung Beleg wachsender Armut, gesellschaftlicher Spaltung, Infantilisierung Chance für Versachlichung und Vorurteilsabbau durch Aufweis struktureller Ursachen
3 Der 4. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung Ursprünglich geplanter Erscheinungstermin: Herbst 2011 Einladung des Beraterkreises zur Konzeptvorstellung, danach keine Beteiligung bis zur Fertigstellung, dann Kommentierung in Wochenfrist Erster Entwurf zur Abstimmung in Ministerien: September 2012 Reichtumsdebatte Zweiter Entwurf: November 2012 Debatte über Bereinigung 6. März 2013: Voraussichtlich Beratung und Beschluss im Kabinett
4 Debatte über Bereinigung Erster Entwurf Positive Wirtschaftsentwicklung schlägt sich nicht bei Armutsquote, Niedriglohnquote und Vermögensbildung nieder. Arme Kinder werden überproportional häufig Förder- und Hauptschulen zugewiesen. Oftmals fehlt es an schulischer Förderung. Zweiter Entwurf Gestrichen Gestrichen
5 Debatte über Bereinigung Erster Entwurf Wer Vollzeit arbeitet, sollte von seinem Verdienst leben können. Mindestlöhne führen empirisch nicht zum Beschäftigungsabbau. Die Einkommensspreizung hat zugenommen. Zwischen 2000 und 2010 stiegen hohe Einkommen und sanken niedrige Einkommen deutlich. Zweiter Entwurf Der Niedriglohnsektor hat zum Beschäftigungsabbau beigetragen und Niedrigqualifizierten Chancen eröffnet. Die Einkommensspreizung hat nicht zugenommen. Zwischen 2007 und 2011 blieb das Medianeinkommen fast konstant.
6 Debatte über Bereinigung Erster Entwurf Anstieg der atypischen Beschäftigung In den letzten 20 Jahren hat sich das Privatvermögen mehr als verdoppelt, während das Staatsvermögen stark abgenommen hat. Zweiter Entwurf Gestrichen Gestrichen Die Bundesregierung prüft, ob und wie über die Progression in der Einkommensteuer hinaus privater Reichtum für die nachhaltige Finanzierung öffentlicher Aufgaben herangezogen werden kann. Die Bundesregierung prüft, wie weiteres persönliches und finanzielles freiwilliges Engagement Vermögender in Deutschland für das Gemeinwohl eingeworben werden kann.
7 Ergebnisse des 4. Armuts- und Reichtumsberichts Zunahme der Einkommensspreizung Entwicklung des realen Bruttoerwerbseinkommens von Vollzeitbeschäftigten nach Einkommensdezilen,
8 Ergebnisse des 4. Armuts- und Reichtumsberichts Zunahme der Niedriglohnbeschäftigung (mittlerweile 25 %)
9 Ergebnisse des 4. Armuts- und Reichtumsberichts Zunahme der Armut trotz Arbeit Einkommensarme Erwerbstätige: Zahlen-Vergleich ,5 Einkommensarme Erwerbstätige in Mio. 2,0 1,5 1,0 0, ,0 Erwerbstätige Abhängig Beschäftigte Normalarbeitnehmer Atypische Beschäftigte Selbstständige
10 Ergebnisse des 4. Armuts- und Reichtumsberichts Anstieg des Privatvermögens (in den letzten 20 Jahren von 4,6 auf 10 Billionen Euro) Zunehmend ungleiche Verteilung des Vermögens (aktuell stagnierend) Ohne Betriebs- und Sachvermögen
11 Ergebnisse des 4. Armuts- und Reichtumsberichts Das Armutsrisiko hat sich bei rund 15 % verfestigt und SGB II-Quote liegt konstant bei rund 10 % (trotz gesunkener Arbeitslosenquote von 12 auf 7%) Kinder: 19 %, Junge Erwachsene 23 %, Alleinerziehendenhaushalte: 42 %, Arbeitslose: 70 % Die soziale Mobilität ist stark eingeschränkt und hat sich nur unwesentlich verbessert: Zwei Drittel der Kinder besuchen das Gymnasium, wenn die Mutter Abitur hat (und davon studieren anschließend 80 %), nur 10 %, wenn die Mutter einen Hauptschulabschluss hat (und davon studieren anschließend nur 50 %), ein Drittel der jungen Migranten hat keinen Berufsabschluss, AWO-Langzeitstudie: Zwei Drittel der armen Kinder sind auch später arm
12 Ergebnisse des 4. Armuts- und Reichtumsberichts: Wohnen Problem steigender Mietkosten wird genannt, aber Zusammenhang Armutsrisiko-Mietschulden fehlt, aber Rückgang des sozialen Wohnungsbaus fehlt, Maßnahmen zur Bekämpfung der Wohnungsnot fehlen, notwendige Anhebung der KdU-Sätze fehlt, Sanktionierbarkeit der KdU bei Unter-25jährigen (die zur Wohnungslosigkeit führen kann) nicht problematisiert, notwendige Anhebung des Wohngeldes fehlt Problem steigender Energiekosten fehlt, Wegfall der Heizkostenpauschale beim Wohngeld nicht problematisiert Ungenügende Bearbeitung des Themas Wohnungslosigkeit: lediglich Anzahl, nicht einmal eigene Statistik, nicht Lebenssituation, z.b. Medizinische Versorgung Problem der Segregation/Gentrifizierung wird erwähnt, aber keine Auseinandersetzung. Programm Soziale Stadt gelobt, aber Kürzungen nicht kritisiert
13 Kritik am 4. Armuts- und Reichtumsbericht Lebensphasenmodell statt Gruppenbetrachtung fördert Individualisierung statt Wahrnehmung struktureller Ursachen (z.b. migrationsspezifische Armutsrisiken) Wichtige Themen fehlen (Grundsicherungshöhe, Lebenserwartung Armer, Altersarmut, verdeckte Armut u.a.) Rückgang der Arbeitslosigkeit überbewertet, Statistikschönfärberei (herausgenommen: Eingliederungsmaßnahmen, Qualifizierungsmaßnahmen, geförderte Selbständige, erkrankte Arbeitslose, ab 58 Jahre etc.), Problem prekärer Beschäftigung sowie Problem Langzeitarbeitsloser mit besonderen Vermittlungshemmnissen verharmlost Analyse des Zusammenhangs von Armutsentwicklung und Reichtumsentwicklung fehlt (bürgerschaftliches Engagement und Stiftungen statt Steuern?)
14 Dreigeteiltes Deutschland Armutsgefährdungsquoten: Baden-Württemberg: 11,2 % Hessen: 12,7 % Nordrhein-Westfalen: 16,6 % Sachsen-Anhalt: 20,5 % Bremen 22,3 %
15 Hessischer Landessozialbericht 2009 parteiübergreifender Landtagbeschluss: Landesregierung soll Landessozialbericht vorlegen, der umfassend zu einschlägigen Themen und Zielgruppen informiert umfangreich die sozialen Verhältnisse einzelner Bevölkerungsgruppen und Regionen analysiert zielgerichtete Handlungsempfehlungen enthält mit Vorschlägen für Zielvereinbarungen für die Landesregierung in enger Abstimmung mit einem Beirat erstellt werden soll Vorstellung des Berichts am , Geringe Resonanz, Rückkehr zur Tagesordnung, Regierung deutet Bericht als Bestätigung dafür, dass alles in Ordnung ist Es fehlen Querverbindungen, Ursachenanalysen, Erklärungen, Prognosen, Bewertungen, Handlungsempfehlungen, Gesamtkonzepte, Verknüpfung mit politischer Debatte, Wirkungsanalysen bisheriger Politik
16 Situation in Hessen Hessen RB DA RB GI RB KA Einkommen Arbeitslosigkeit Armutsgefährdung (Landesmedian) 6,4 % 6,3 % 6,6 % 6,5 % 14,6 % 12,9 % 16,7 % 17,9 % Reichtumsquote: 10,1 % (Deutschland: 8,9 %) Ungleichverteilung (Gini-Koeffizient): leicht über deutschem Durchschnitt Hinter Zahlen stehen individuelle konkrete Schicksale!
17 Hessischer Landessozialbericht: Wohnen Durchschnittlich 2,1 Personen pro Wohnung und 44 qm pro Person, 28 % des Einkommens für Wohnung (bei Niedrigverdienern doppelt so viel) Steigende Nachfrage, stagnierendes Wohnraumangebot, vor allem in wachstumsstarken Regionen (in schwachen Regionen Leerstand), Verlierer sind die Einkommensschwachen Weitgehend gute Standards, aber bestimmte Gruppen leben in deutlich unterdurchschnittlich ausgestattetem Wohnraum (z.b. Migranten) Fehlende Daten zu Wohnungslosigkeit Buchtipp: Richard Wilkinson und Kate Pickett, Gleichheit ist Glück Warum gerechte Gesellschaften für alle besser sind, 2009.
18 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
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