Kirchenführer. Die Thomaskirche Leipzig

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1 Kirchenführer Die Thomaskirche Leipzig

2 Die Thomaskirche Leipzig Ort des Glaubens, des Geistes, der Musik Herausgegeben von Christian Wolff

3 Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über abrufbar. 2., verb. Aufl by Evangelische Verlagsanstalt GmbH Leipzig Printed in Germany H 6897 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das Buch wurde auf alterungsbeständigem Papier gedruckt. Gesamtgestaltung: behnelux gestaltung, Halle / Saale Druck und Binden: Grafisches Centrum Cuno, Calbe ISBN

4 Inhalt Bau und Baugeschichte (Christian Wolff) 5 Kunstgegenstände (Martin Petzoldt) 15 Persönlichkeiten im Umkreis der Thomaskirche (Martin Petzoldt) 31 Orgeln und Instrumente (Ullrich Böhme) 41 Thomanerchor und Thomaskantoren (Georg Christoph Biller) 47 Thomaskirche heute (Christian Wolff) 57 Interessante Ereignisse und Daten 62

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6 2 1 Hallenlanghaus in Richtung Osten mit der Barockkanzel von Valentin Schwarzenberger, dem Fürstenstuhl auf der Nordempore (links) und dem Bornschen Altar im Chorraum. Aquarell von Hubert Kratz, um Rekonstruktion des romanischen Baus aus dem 12./13. Jahrhundert. Bau und Baugeschichte Von außen betrachtet überragt ein steiles Giebeldach den charaktervollen spätgotischen Hallenbau der Thomaskirche. Der daran anschließende langgestreckte Chorbau an der östlichen Giebelwand erinnert daran, dass die Thomaskirche ursprünglich Stiftskirche der Augustiner Chorherren war. Neugotische Sakristeieinbauten, der an der Nahtstelle zwischen Langhaus und Chor auf der Südseite ansteigende Turm mit seiner Renaissancekuppel und die neugotische Westfassade zeugen von einer bewegten Baugeschichte der Thomaskirche wurden die Gebeine des großen Thomaskantors Johann Sebastian Bach aus der im 2. Weltkrieg zerstörten Johanniskirche in die Thomas- kirche umgebettet und 1950 im Chorraum an jener Stelle beigesetzt, an der sich die ältesten Bauteile als Zeugnisse der über 800-jährigen Geschichte der Kirche feststellen lassen. Die Vorgeschichte der heutigen Thomaskirche In der Mitte des 12. Jahrhunderts hat vermutlich eine dreischiffige Pfeilerbasilika ohne Querhaus mit einem massigen Breitwestturm an der Stelle der heutigen Thomaskirche gestanden. Im Jahr 1212 verfügte der Wettiner Markgraf Dietrich von Meißen die Gründung eines Stiftes der Augustiner Chorherren, deren Patron in der Papsturkunde von 1218 als der Apostel Thomas bezeichnet wird. Die Bürgerschaft von Leipzig soll 5

7 3 3 Schnittdarstellung der heutigen Thomaskirche. 4 Ansicht von Nordosten. Aquarell von F. W. Heine, 1880 in ihren Auseinandersetzungen mit dem Markgrafen in eben dieser Zeit das Baumaterial zum Chorneubau in der Umgebung verstreut haben. Ein bei Bauuntersuchungen aufgefundenes Kapitell in der Gesamtform des Kelchblocks ist Zeugnis für einen spätromanischen Chor. Um die Mitte des 13. Jahrhunderts entstand ein mächtiger Turm über dem Ostende des südlichen Seitenschiffes. Anschließend wurde das Langhaus der Kirche erhöht. Die Altarweihen des 14. Jahrhunderts lassen vermuten, dass zu dieser Zeit die baulichen Veränderungen des Langhauses zum Abschluss kamen. Nördlich des Chores ist im Verband der Ostflügel des Klosters eine im Mittelalter entstandene Sakristei vorstellbar. Die Hallenkirche St. Thomas In den Jahren , mitten im blühenden Wirtschaftsleben der Handels- und Messestadt Leipzig, entsteht eine weiträumige Hallenkirche als ein hervorragendes Beispiel obersächsischer Spätgotik. Die wohlproportionierte Raumgestalt ist mit ihrer großartigen Akustik bis heute erhalten. 25 Meter lichte Breite, 39 Meter durchschnittliche Länge und 14 Meter Sandsteinpfeilerhöhe sorgen dafür, dass diese Halle ihren Vorgängerbau in den Ausmaßen übertrifft. Die Südseite mit dem Kirchhof ist als die Schauseite mit Weißenfelser Sandsteinquadern aufgeführt. Das Innere ist geprägt durch ein beeindruckendes Netzgewölbe, dessen Rippen aus Rochlitzer Porphyrtuff gebildet 6

8 4 sind. Die Gewölbekappen sind aus Ziegeln aufgemauert. Mit raffinierten Mitteln haben die spätgotischen Gewölbetechniker die verschiedenen Schiffsbreiten in der Kirche durch unterschiedliche Geschwindigkeitsabläufe der Rippenfiguren einander angeglichen. Das farbige Rippensystem bringt in seinem Kontrast zum getünchten Putz die dynamischen Kräftebahnen der Hallenkirche plastisch zum Ausdruck. Den Neubau der Thomaskirche leiteten die Baumeister Klaus Roder bis 1489 und bis zum Abschluss 1496 Konrad Pflüger. Am ersten Sonntag nach Ostern des Jahres 1496 empfing die Thomaskirche durch den Merseburger Bischof Tilo von Trotha ihre Weihe. Im Jahre 1537 ordnete Leipzigs Bürgermeister Ludwig Fachs einen Turmneubau an. Es entstand ein achtseitiger Turmaufbau mit welscher Haube, Laterne und Windstern. Zwei Jahre nach Einführung der Reformation in Leipzig wurde 1541 das Kloster an der Nordseite der Kirche gelegen abgerissen. Im Jahre 1570 ließ der baukundige Leipziger Bürgermeister Hieronymus Lotter in den Seitenschiffen des Innenraumes die Renaissanceemporen anlegen. Vor dem Turm ließ er ein neues Renaissanceportal errichten, das allerdings beim Umbau im 19. Jahrhundert einem neugotischen Portal weichen musste. Durch die Belagerung Leipzigs im Dreißigjährigen Krieg erlitt die Thomaskirche schwere Schäden, die noch 7