Zur Denunziation seiner Mitbürger war er nicht bereit. Erinnerungen an den letzten Bürgermeister der Freien Stadt Frankfurt Carl Fellner ( )
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- Adam Wolf
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1 * Zur Denunziation seiner Mitbürger war er nicht bereit Erinnerungen an den letzten Bürgermeister der Freien Stadt Frankfurt Carl Fellner ( ) aus Anlass der Kranzniederlegung zu seinem 150.Todestag am 24. Juli 2016 von Stadtrat Dr. Bernd Heidenreich I. Wir sind heute auf dem Hauptfriedhof zusammengekommen, um einen Politiker zu würdigen, der sich in besonderer Weise um Frankfurt verdient gemacht hat und vor 150 Jahren einen tragischen Tod fand. Es ist Carl Fellner, der letzte Bürgermeister der Freien Stadt Frankfurt. Am 24. Juli 1866 nahm er sich aus Verzweiflung über das Schicksal seiner Vaterstadt und in einem Gewissenskonflikt mit der preußischen Besatzungsmacht das Leben. Der Magistrat der Stadt Frankfurt ehrt Carl Fellner an seinem 150. Todestag als einen überzeugten Liberalen und einen verdienten Mitbürger. Zugleich erinnern wir uns an ein besonderes historisches Ereignis der Frankfurter Geschichte - das Ende der Freien Stadt vor 150 Jahren.
2 2 II. Die Bedeutung Carl Fellners und die Umstände seines Todes sind nicht zu verstehen ohne die Ereignisse des Jahres Damals verlor Frankfurt seine Selbständigkeit als Stadtstaat und wurde von Preußen annektiert. Eine jahrhundertelange Geschichte ging zu Ende. Für die Stadt bedeutete das einen tiefen Einschnitt: Der Einmarsch der preußischen Mainarmee und die Einverleibung in den preußischen Staat beendete eine jahrhundertelange freistädtische Tradition, die Frankfurt seit dem hohen Mittelalter geprägt hatte. Frankfurt hatte im preußisch-österreichischen Krieg auf der Seite Österreichs und des Deutschen Bundes gestanden. Deshalb zählte es zu den Verlierern des Krieges. Vor allem aber stand die Stadtrepublik mit ihren liberalen und demokratischen Traditionen der Machtpolitik Bismarcks im Wege. Denn das Erbe der Revolution von 1848 war in Frankfurt noch lebendig. So verschwand Frankfurt wie Hessen-Kassel, Nassau und Hannover als Staat von der Landkarte und wurde preußische Provinzstadt (als Teil der Provinz Hessen-Nassau). Die Frankfurter waren Muss-Preußen geworden. Sie haben es lange nicht verwunden. Denn es widersprach ihrem Selbstwertgefühl und ihren liberalen Traditionen, die bis in unsere Gegenwart hineinreichen. III. Wer war Carl Fellner, wer war der letzte Bürgermeister der Freien Stadt Frankfurt? Carl Constanz Victor Fellner wurde am 24. Juli 1807 geboren. Er stammte aus einer Frankfurter Bankiersfamilie.
3 3 Als Mitglied der Handelskammer, Geschäftsführer der Wollfabrik seines Onkels und Direktor der Chemischen Fabrik Griesheim war er ein Mann der Wirtschaft. Seit 1852 war er Senator der Stadt Frankfurt, mehrfach wurde er Mitglied der Gesetzgebenden Versammlung, dreimal bekleidete er das Amt des Jüngeren Bürgermeisters (1857, 1862, 1864). Fellner engagierte sich vor allem in der Finanz- und Wirtschaftspolitik. Er war ein liberaler Politiker, der sich besonders um eine Gewerbereform mit dem Ziel der Gewerbefreiheit, um eine Reform der städtischen Verfassung und um die Gleichstellung von Minderheiten (z. B. der Juden) große Verdienste erworben hat. Als Mitglied der freistädtischen Gremien setzte er die Gewerbefreiheit in Kraft, verhandelte mit dem Zollverein, initiierte den Ausbau des Frankfurter Hafens und stellte die entscheidenden Weichen für den Ausbau der Kanalisation. Vor allem trat er für die Aufhebung der ständischen Strukturen ein: Er wirkte an der vollständigen staatsbürgerlichen Gleichstellung von Nicht-Bürgern, den Beisassen, und Juden mit. Der Senat wurde von der Gesetzgebenden Versammlung entkoppelt und damit eine strikte Gewaltenteilung durchgesetzt. Fellner und seine Senatskollegen hatten damit gezeigt, dass sich die politischen Strukturen der Stadt verändern und modernisieren ließen. Sie hatten den Beweis erbracht, dass die freistädtische bürgerliche Gesellschaft kein erstarrtes, verkrustetes Gebilde war, sondern ein lebendiges Ganzes, aus dessen Mitte Verbesserungen angestoßen und umgesetzt werden konnten. Es waren eben nicht die Preußen, die den Fortschritt nach Frankfurt brachten. Der Kern der preußischen Gemeindeverfassung war vielmehr in den Reformen der 1850er und 1860er Jahre bereits enthalten. Die Moderne war deshalb in Frankfurt keine Erfindung Preußens. Sie wuchs aus der Stadt heraus, getragen von einem starken Bürgertum. Die von Carl Fellner angestoßenen Reformen waren somit nicht vergebens. Sie haben überkommene politische Strukturen aufgebrochen und Frankfurts Weg zu einer pulsierenden Metropole ermöglicht.
4 4 Im Dezember 1865 wurde Carl Fellner zum Älteren Bürgermeister für 1866 gewählt. In dieser Funktion hatte er die Verhandlungen mit der Besatzungsmacht zu führen, als preußische Truppen im Juli 1866 in Frankfurt einrückten. Der Realpolitiker bemühte sich um eine Minderung der Kriegskontributionen in Höhe von insgesamt rund 30 Millionen Gulden. Er plädierte für eine Ratenzahlung und garantierte persönlich dafür mit einer Anleihe bei der Frankfurter Bank. Damit geriet Fellner zwischen die Fronten. Die politischen Gremien der Stadt lehnten die Zahlung ab. Die Hardliner hatten sich in Frankfurt durchgesetzt. Für den Bürgermeister, der für seine Stadt persönlich gebürgt hatte, bedeutete das den finanziellen Ruin. Auch bei der preußischen Besatzungsmacht siegten Unvernunft und Härte. Die Preußen forderten nunmehr eine Liste mit den Namen und Besitzverhältnissen aller Mitglieder der städtischen Körperschaften. Zu dieser Denunziation seiner Mitbürger war der Bürgermeister jedoch nicht bereit. Die mangelnde Unterstützung der städtischen Gremien, der Verlust seines Vermögens, der von ihm geforderte Verrat an seinen Mitbürgern und die Vernichtung der staatlichen Existenz seiner Heimatstadt Frankfurt das alles konnte und wollte er nicht ertragen. So wählte Fellner an seinem 59. Geburtstag, dem 24. Juli 1866, den Freitod. An der Beerdigung ihres Bürgermeisters zwei Tage später nahmen Tausende von Menschen teil. Sie wurde zu einer machtvollen Demonstration der Frankfurter gegen das preußische Besatzungsregime. Dabei soll Fellners Schwager dem Vertreter Preußens die leere Proskriptionsliste und den Strick überreicht haben, mit dem sich der letzte Bürgermeister der Freien Stadt in seinem Garten erhängt hatte.
5 5 IV. Was bleibt? Für Frankfurt hielt die Geschichte jenseits dieser tragischen Ereignisse doch noch einen guten Ausgang bereit. Die Kriegskontributionen wurden schließlich gemindert. Frankfurt verlor seine Selbständigkeit, aber es erlebte unter den Preußen und im Deutschen Kaiserreich einen atemberaubenden Aufschwung seiner Wirtschaft und eine Blüte seiner Kultur. Sichtbares Zeichen dafür war der Bau des Frankfurter Opernhauses, bei dessen Einweihung im Jahre 1880 Kaiser Wilhelm I. kleinlaut erklären musste: So etwas könnte ich mir in Berlin nicht leisten! Geblieben sind das Selbstbewusstsein und die Liberalität der Frankfurter, die bis heute die Identität unserer Stadt bestimmen. Geblieben ist auch das Andenken an einen Menschen, der an der Treue zu seiner Heimatstadt und an der Loyalität zu seinen Mitbürgern zerbrach. In Carl Fellner vereinigte sich alles, was den liberalen Frankfurter seiner Zeit ausmachte: Selbstbewusstsein, Freiheitsliebe, Aufgeschlossenheit gegenüber Reformen, Solidarität mit dem Gemeinwesen, vor allem aber ein Gefühl für Anstand. Mit diesen Eigenschaften kann er uns noch heute ein Vorbild sein. Frankfurt am Main wird sich an den letzten Bürgermeister der Freien Stadt immer dankbar erinnern.
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