Erfahrungsbericht Auslandsjahr Purdue University August 2016 Mai 2017

Transkript

1 Erfahrungsbericht Auslandsjahr Purdue University August 2016 Mai 2017 Masterstudent Elektrotechnik und Informationstechnik Universität Stuttgart

2 1 Vorbereitung Das Erste was ich zur Vorbereitung gemacht habe, war Studenten zu kontaktieren, die bereits an der Purdue University gewesen waren und mit ihnen über diese Zeit zu sprechen. Dadurch konnte ich gezielt Fragen stellen und auch etwas ausführlichere Antworten, als die die in einem Erfahrungsbericht stehen bekommen. Der nächste Schritt war sich nach einer Wohnung umzuschauen. Das war sicherlich der größte Teil der Vorbereitung, da es wirklich schwer ist eine Entscheidung zu treffen wenn man weder den Ort kennt noch die Wohnung gesehen hat. Auf diesen Punkt werde ich später noch detaillierter eingehen. Ich würde empfehlen mindestens vier Monate vor Beginn des Aufenthaltes nach einer Unterkunft zu schauen. Was die Kurse und das akademische Umfeld betrifft, so kann man sich durchaus im Vorfeld erkundigen was für Fächer es gibt und welche Professoren auf welchen Gebieten tätig sind. Die Entscheidungen über die Kurswahl kann aber erst vor Ort nach Absprache mit den jeweiligen Professoren getroffen werden. Da dies jedoch idealerweise vor Semesterbeginn passiert, würde ich mindestens eine Woche vor Semesterbeginn in West Lafayette eintreffen, um sich sowohl um die logistischen als auch die akademischen Dinge kümmern zu können. Da ich amerikanischer Staatsbürger bin, brauchte ich kein Visum und musste eigentlich nur den Flug buchen nachdem die Wohnung organisiert war. Hier würde ich zunächst einmal keinen festes Rückflugdatum festlegen, insbesondere wenn man vor hat nach dem Studienaufenthalt noch zu reisen. Ich hatte meinen Rückflug 14 Tage nach Semesterende gebucht und hätte im Nachhinein gerne etwas mehr Zeit zum Reisen gehabt. Was man ebenfalls vor der Abreise in Erfahrung bringen sollte, ist welche Versicherungsleistungen im Ausland gedeckt sind und gegebenenfalls einen extra Tarif abschließen. Außerdem sollte man sich erkundigen ob das Handy mit den amerikanischen Trägern kompatibel ist und sich so schnell wie möglich eine amerikanische SIM-Karte besorgen. Ich hatte ein relativ altes Handy und habe mir dann in den USA ein neues gekauft, da diese dort wesentlich günstiger sind. Man muss nur darauf achten, dass das Handy mit den europäischen Trägern kompatibel ist, falls man es wieder zurück nach Deutschland bringen möchte, wobei dies bei fast allen neuen Modellen der Fall ist. 2 Finanzierung Da ich über das Austauschprogram der Universität Stuttgart an der Purdue University war, musste ich nur die Lebenshaltungskosten aufbringen. Diese sind in den USA grundsätzlich höher als in Baden-Württemberg. Das gilt sogar für das relativ günstige Indiana (in anderen Staaten können die Kosten nochmals deutlich höher ausfallen). Ich bin mit etwa 1000 Euro im Monat ganz gut zurecht gekommen. Hier sind jedoch keine Reisekosten oder größere Ausgaben wie Möbel, Kleidung etc. miteinkalkuliert. Außerdem waren meine Wohnungskosten mit etwa $ pro Monat relativ

3 niedrig für West Lafayette Verhältnisse. Glücklicherweise habe ich das Baden- Württemberg Stipendium erhalten, sodass zumindest ein Teil der Kosten gedeckt war. Ich habe dort kein Konto eröffnet, sondern alles mit meiner deutschen Kreditkarte bezahlt. Das würde ich jedoch nicht empfehlen, da es zwei Mal vorkam, dass diese gesperrt wurde und ich mir dann Bargeld von Freunden leihen musste. Es ist also definitiv lohnenswert dort ein Konto zu eröffnen. Eine extra Kreditkarte zu haben schadet aber natürlich auch nicht. 3 Anreise und Unterkunft Es gibt zwei unterschiedliche Möglichkeiten um nach West Lafayette zu gelangen. Man kann nach Indianapolis fliegen und dann etwa eine Stunde mit dem Shuttle, das rund 25$ kostet fahren, oder man fliegt nach Chicago und nimmt das Shuttle für 50$, welches etwa 2.5 Stunden braucht. Von Europa aus ist es meistens günstiger nach Chicago zu fliegen, was ich beispielsweise gemacht habe. Von Chicago aus kann ich das Reindeer Shuttle sehr empfehlen! Lafayette Limo habe ich beim ersten Mal benutzt und wurde am ersten Tag meines Auslandsaufenthaltes in Chicago am Flughafen vergessen und musste dort übernachten. Um in West Lafayette dann zur jeweiligen Unterkunft zu kommen ist Uber sehr geschickt. Sonst kann man den Shuttle Fahrer auch fragen, ob er einen kurz heraus lässt wo man wohnt. Am geschicktesten ist es jedoch, wenn man nah genug am Campus wohnt, damit man von der Shuttle Haltestelle laufen kann. Dies gilt im Allgemeinen für West Lafayette. Es lohnt sich wirklich nah am Campus zu wohnen, auch wenn es dort etwas teurer ist! Ich habe im Avenue South gewohnt, das etwa 6km vom Campus entfernt liegt und das war der größte Fehler, den ich in diesem Jahr gemacht habe. Das Avenue South ist mit das billigste was man dort bekommen kann. Das hat aber auch seine Gründe: Zum Einen ist man sehr weit weg vom Campus und die Busverbindung ist schlecht und zum Anderen sind die Wohnungen wirklich nicht besönders schön. Zum Campus benötigt der Bus 10 Minuten, zurück jedoch je nach Verkehr gute Außerdem fährt er abends nur noch alle 40 Minuten und am Wochenende bis auf Samstag Abend überhaupt nicht. Ich habe mir dann ein Fahrrad besorgt (am besten bei Crosswalk Commons nachfragen, dort kann man als internationaler Student ein Rad für den Zeitraum des Aufenthaltes umsonst leihen). Wenn es -20 C hat ist es jedoch extrem nervig 40 Minuten am Tage Fahrrad zu fahren, weshalb ich dringend davon abrate weiter als 2 oder 3 km vom Campus weg zu wohnen (außer man besitzt ein Auto). Dies gilt vor allem wenn man gerne abends noch feiern geht oder gemütlich in einer Bar was trinken will, da alle Restaurants, Bars und die beiden Clubs, die es gibt, sich quasi direkt neben dem südlichen Teil des Campus befinden. Des weiteren befindet sich das Corec ( das extrem gut ausgestattete Fitnesscenter der Purdue University) auf dem Campus. Man hat also alles was man braucht (bis auf Supermärkte) direkt am Campus, weshalb es auch am meisten Sinn macht, so nah wie möglich am Campus zu leben. Was Einkaufen betrifft würde ich versuchen

4 Kontakte mit jemandem zu knüpfen, der in der Nähe wohnt und ein Auto besitzt und dann kann man gemeinsam einkaufen gehen. Ich bin immer mit meinem Nachbarn einkaufen gegangen weil dieser mir das zu Beginn des ersten Semesters einmal angeboten hat. Mit dem Bus ist es, egal wo man lebt, relativ ungeschickt. Es gibt in West Lafayette einige Firmen (wie das Avenue South) die sehr große Wohnungskomplexe besitzen und innerhalb dieser Zimmer an Studenten, teilweise auch möbliert vermieten. Eine Wohnung über eine solche Organisation zu bekommen ist immer etwas teurer als etwas privates und man muss in der Regel einen Jahresvertrag unterschreiben anstatt der 4 oder 9 Monate die man sich dort aufhält (je nach dem ob man ein oder zwei Semester dort ist). Daher würde ich empfehlen eine Wohnung zur Untermiete zu finden, da das am günstigsten ist und man meistens auch Möbel dazu bekommt. Man sollte spätestens vier Monate vor Beginn des Aufenthaltes anfangen nach Wohnungsangeboten zu schauen! 4 Studium Das Studium an der Purdue University war überragend! Ich habe in den zwei Semestern dort mehr gelernt als in drei oder vier Semestern in Stuttgart. Die Struktur der Kurse ist meistens so, dass man 2.5 Präsenzstunden pro Woche hat und dann etwa alle zwei Wochen Hausaufgaben abgeben muss. Die Hausaufgaben sind in der Regel jedoch nicht irgendwelche Aufgaben, die man auf Papier machen muss, sondern wirklich praxisorientierte Projekte, wo man etwas simulieren, modellieren oder programmieren muss. Mir hat das unheimlich viel Spass gemacht und ich habe mich deshalb mit einer viel größeren Intensität mit den Studieninhalten auseinandergesetzt, als ich das in Stuttgart je getan hatte. Dieses System hat jedoch den Nachteil, dass man relativ wenig freie Zeit hat und meistens auch an Samstagen und Sonntagen sehr viel Zeit für das Studium aufbringen muss. Dazu kommen zwei bis drei Prüfungen pro Fach, die auf das Semester verteilt sind, sodass man sich alle paar Wochen auf Prüfungen vorbereiten muss. Die Professoren sind alle sehr hilfsbereit und nehmen sich viel Zeit für den einzelnen Studierenden wenn man Fragen hat oder für die Projekte Tipps möchte. Die Interaktion ist viel lockerer und persönlicher als in Deutschland. Nach spätestens zwei Wochen wussten alle meine Professoren meinen Vornamen und meine groben persönlichen Daten. Dadurch kannten sie nach zwei Semestern auch meine fachlichen Stärken und Schwächen und einer meiner Professoren hat mir sehr weitergeholfen zu erkennen, in welche Richtung es für mich nach dem Studium gehen könnte. Das Niveau unterscheidet sich natürlich von Kurs zu Kurs, grundsätzlich ist das Studium an der Purdue University jedoch deutlich schwerer als in Stuttgart. Um eine gute Note zu bekommen muss man sowohl sehr gute Prüfungsleistungen zeigen, als auch anspruchsvolle und gut dokumentierte Projekte abgeben. Es ist daher auch üblich auf Masterniveau nicht mehr als drei Kurse zu belegen. Ganz selten wenn

5 zwei der Kurse etwas weniger arbeitsintensiv sind, werden vier Kurse belegt, was jedoch das absolute Maximum ist. Den deutschen Bachelor Abschluss empfinde ich jedoch als sehr gute Grundlage für das Masterstudium in den USA, da man ein breites Fundament an theoretischen Grundlagen vermittelt bekommt und auch in puncto Selbstständigkeit sehr gute Qualitäten erlernt hat 5 Freizeit Wie bereits oben erwähnt bleibt nicht besonders viel Zeit zur freien Verfügung. Da ich sehr gerne Sport treibe bin ich fast jeden Tag ins Corec gegangen (welches übrigens umsonst ist für Studenten). Dieses Fitnesscenter ist das beste, dass ich je gesehen habe und bietet fast jede erdenkliche Sportart in irgendeiner Weise an. Ich kann nur empfehlen sobald wie möglich dort hin zu gehen und sich das mit eigenen Augen anzuschauen und dann eben machen was einem Spass macht. Die Studenten in Purdue sind ein wild zusammen gewürfelter Haufen aus aller Welt und die meisten Leute sind sehr offen und freundlich, sodass man sehr schnell neue Kontakte knüpft und Leute kennenlernt. Außerdem organisiert die Uni, vor allem zu Beginn des Semesters extrem viele Veranstaltungen für Neuankömmlinge und internationale Studierende. Man muss nur ein bisschen aufmerksam sein wann was wo stattfindet und dann würde ich einfach alles mitnehmen was dazu angeboten wird, dann hat man ziemlich schnell ein großes Netzwerk etabliert. Die Region um West Lafayette ist nicht besonders spektakulär und ohne Auto hat man sowieso keine Chance wirklich irgendwohin zu kommen. Chicago ist etwa 2.5 Stunden weg und eine sehr schöne Stadt. Es lohnt sich dort definitiv ein oder zwei Wochenenden zu verbringen. Indianapolis ist etwa ein Stunde weg, ich bin dort aber nie gewesen. Der Lake Michigan ist etwa 2 Autostunden entfernt und auch eine Reise wert. Während es noch warm ist kann man dort super am Strand entspannen und im See baden. Im Fall Semester gibt es zwei längere Wochenenden ( Octoberbreak sind vier Tage und Thanksgiving fünf) und im Spring Semester ist für Springbreak eine Woche frei. Ich war über Octoberbreak noch auf dem Campus aber da war wirklich wenig los und die meisten Professoren geben auch etwas weniger Hausaufgaben auf, sodass es sich sehr lohnt diese Termine zu nutzen um zu verreisen! Für die Thanksgiving break habe ich zwei Tage Vorlesung geschwänzt und war eine Woche in San Diego. Über Springbreak bin ich dann mit einigen Freunden aus Purdue nach Miami gefahren. Beide Orte sind sehr cool und ein starker Kontrast zu Indiana. Meiner Meinung nach sollte man versuchen einige verschiedene Orte in den USA zu sehen, da die Unterschiede wirklich drastisch sind. Auf dem Weg nach Miami haben wir einen Tag in Nashville verbracht und das ist sicher auch ein Wochenendtrip wert, falls man nicht noch weiter in den Süden reisen möchte.

6 6 PERSÖNLICHES FAZIT Die neun Monate, die ich an der Purdue University verbracht habe, waren eine der prägendsten und ereignisreichsten Zeiträume meines Lebens. Sowohl die schwierigen als auch die schönen Momente haben mich insgesamt menschlich sehr viel weiter gebracht und ich habe einige Freundschaften fürs Leben geschlossen. Fachlich war das Jahr unheimlich wertvoll, da das amerikanische Bildungssystem sich stark vom Deutschen unterscheidet und es bereichernt ist, die positiven Aspekte beider Systeme in meiner persönlichen akademischen Laufbahn zu vereinen. Leider sind die meisten Professoren an der Uni Stuttgart bezüglich der Anrechnung der Prüfungsleistungen nicht besonders flexibel, weshalb ich etwa die Hälfte der im Ausland absolvierten Leistungen nicht angerechnet bekomme.