Physik für Studierende der Biologie und Chemie Universität Zürich, HS 2009, U. Straumann Version 9. Dezember 2009
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- Dieter Koenig
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1 Physik für Studierende der Biologie und Chemie Universität Zürich, HS 2009, U. Straumann Version 9. Dezember 2009 Inhaltsverzeichnis 4.4 Transportphänomene Diffusion Osmose Wärmeleitung Inhaltsverzeichnis 4.4 Transportphänomene Durch die Stösse unter den Molekülen eines Gases oder einer Flüssigkeit kann Energie und Impuls ausgetauscht werden und damit auch - die beteiligten Moleküle bewegen sich ja - transportiert werden. Der Transport von Impuls ist uns beim Newton schen Reibungsgesetz, das für die innere Reibung von Flüssigkeiten und Gasen gilt, schon begegnet. Der Transport von Energie wird Wärmeleitung genannt, der Transport von Masse Diffusion, und wenn poröse Wände oder Membranen auftreten, die nicht alle Molekülsorten durchlassen, Osmose. Sind die stossenden Objekte geladen, so kann neben Masse auch Ladung transportiert werden, wir beobachten einen elektrischen Strom. Die Ausgangssituation ist in allen Fällen in etwa die gleiche. Für ein Intervall x (gedacht oder wirklich existierend wie bei einer Membran) findet man einen Unterschied B in einer physikalischen Grösse B, d. h. der Gradient B/ x (oder die Ableitung db/dx bei sehr schmalen Intervallen) ist von Null verschieden. Dies führt zu einem Strom J x von der Seite, wo B grösser ist zu der Seite, wo B kleiner ist. Der Strom ist umso grösser, je grösser die Differenz B ist, und auch je grösser die durchströmte Fläche A ist. B A B 2 Jx B B 1 x x 1 x 2 x J x A B Stromdichte Strom Volumen = j x J x A x B x Die grundlegende Beziehung für die Stromdichte bei Transportphänomenen lautet also, wenn wir den Übergang vom Differenzen- zum Differentialquotienten machen: 4.1
2 j x = K db dx oder drei dimensional : j = K grad B wobei K eine prozessspezifische Konstante ist. Bevor wir die Grösse B und die dazugehörige Konstante für die erwähnten Prozesse identifizieren, müssen wir uns der Einschränkungen erinnern, unter denen wir die Transportgleichung hergeleitet haben. Wir haben nur einen Gradienten in einer Koordinatenrichtung betrachtet, d. h. einen eindimensionalen Strom j x (x). Im allgemeinen Fall findet man eine dreidimensionale Stromverteilung, und die Stromdichte und der Gradient sind Vektorgrössen ( j). Die Ableitungen werden dann zu partiellen Ableitungen. Ferner haben wir einen stationären, d. h. zeitunabhängigen Strom vorausgesetzt. Auch dies ist nicht notwendigerweise immer der Fall, es können in der Transportgleichung auch zeitabhängige Terme auftreten. Ferner beobachten wir wie bei allen durch zufällig verteilte Stösse vermittelten Prozessen Fluktuationen. Wir erinnern uns des Rauschens bei der elektrischen Leitung und der Brown schen Bewegung bei der Diffusion. Diffusion: Auf beiden Seiten der Schicht unterscheidet sich die Konzentration C (Anzahl Teilchen pro Volumeneinheit). Die Proportionalitätskonstante heisst Diffusionskonstante D. Wärmeleitung: Auf beiden Seiten der Schicht unterscheidet sich die Temperatur T. Die Proportionalitätskonstante heisst Wärmeleitfähigkeit λ W. Elektrische Leitung: Auf beiden Seiten der Schicht unterscheidet sich die Spannung U el. Die Proportionalitätskonstante heisst elektrische Leitfähigkeit σ. Innere Reibung: Auf beiden Seiten der Schicht unterscheidet sich die Geschwindigkeit v. Die Proportionalitätskonstante heisst Viskosität η Diffusion Die Moleküle eines Gases haben infolge der thermischen Molekularbewegung das Bestreben, nach Möglichkeit den ganzen ihnen zur Verfügung stehenden Raum gleichmässig zu erfüllen. Ähnliches Verhalten zeigen Ionen oder Atome in einem Lösungsmittel. Dies hat zur Folge, dass beim Fehlen äusserer Volumenkräfte im Gleichgewicht im Mittel überall dieselbe Teilchendichte n oder Konzentration C anzutreffen ist. Von Dichte spricht man bei Gasen (Teilchenzahl / Volumen), von Konzentration bei Lösungen (Teilchenzahl / Volumen der Lösung). Entfernt man z. B. die Trennwand zwischen zwei Gefässen mit verschiedenen Gasen oder Flüssigkeiten, so durchmischen sich diese irreversibel, bis die Dichten n i der Teilchensorte i und damit die Partialdrucke p i = n i kt überall gleich sind. Dasselbe gilt für eine Lösung, in welcher die Konzentration des gelösten Stoffs nicht überall gleich ist. Durch den Diffusionstrom werden Konzentrationsunterschiede ausgeglichen, wie oben skizziert. Das Fick sche Diffusionsgesetz für den eindimensionalen Fall lautet j x = D dc dx 4.2
3 Die Diffusionskonstante D ist von der mittleren freien Weglänge λ und von der mittleren Geschwindigkeit v des Moleküls abhängig D = 1 3 λv In verdünnten Gasen (λ gross) verläuft die Diffusion viel schneller als in Flüssigkeiten (λ klein). Die Proportionalität der Diffusionskonstante zu v bewirkt, dass mit zunehmender Temperatur die Diffusion schneller wird und dass leichte Moleküle schneller diffundieren als schwere. Sind die diffundierenden Teilchen geladen (Ionen), so ist mit Diffusion ein Ladungstransport verbunden. Haben sie dazu stark verschiedene Massen, so bewirkt ihre verschiedene Geschwindigkeit eine Ladungstrennung, solange Konzentrationsgefälle besteht. Hat infolge der Diffusion die Konzentration C überall denselben Wert erreicht, C = const., so verschwindet der Diffusionsstrom j gemäss dem Fick schen Gesetz. Das Gasgemisch oder die Lösung ist im Gleichgewicht. Die verschiedenen Partialdrucke sind unabhängig vom Ort. Die Diffusion als Transport von Materie spielt im Organismus eine sehr wichtige Rolle (z. B. O 2 -Versorgung). Da sie in Flüssigkeiten sehr langsam abläuft, müssen die Distanzen klein und die Fläche für den Diffusionsstrom möglichst gross sein (Lungenbläschen, Blutkapillaren, Nieren). Den Transport über grosse Distanzen besorgt ein anderer Mechanismus, die Konvektion, d. h. der Materietransport mit einer Strömung (kollektive Bewegung). Eine technische Anwendung des Diffusion zeigt das Beispiel der Diffusionspumpe, das in Abbildung 4.1 diskutiert wird. Abbildung 4.1: Diffusionspumpe: Die Erzeugung sehr guter Vakua wurde erst möglich nach der Erfindung der Diffusionspumpe (1913). Öl oder Quecksilber werden in einem Siedegfäss verdampft. Der Dampf strömt nach oben und wird in geeigneter Form umgelenkt. Hier diffundiert das Gas aus der zu evakuierenden Apparatur in den Dampf hinein und wird mit nach unten geführt. An den wassergekühlten Wänden, wo der Dampf kondensiert und ins Siedegefäss zurückfliesst, wird das aufgenommene Gas frei und durch eine Vorpumpe abgesaugt. Zusammen mit anderen Vorrichtungen (Kühlfallen, in denen bei der Temperatur des flüssigen Stickstoffs oder Heliums die meisten Moleküle durch Ausfrieren beseitigt werden, und Ionengetter, die durch elektrische Felder oder absorbierende Schichten besonders geladene Teilchen abfangen) erreicht man Drucke unterhalb mbar. Vorpumpe Vakuumapparatur Schema einer Diffusionspumpe: 1 Heizkörper, 2 Siedegefässe 3 Steigerohre, 4 Kühlmantel Osmose Befindet sich zwischen zwei Systemen mit verschiedenen Konzentrationen eine sogenannte semipermeable Wand so findet nur teilweise Diffusion statt. Gewisse Teilchensorten können durch die Wand diffundieren, andere werden zurückgehalten. Der Mechanismus, der dies bewirkt, ist bei biologischen Membranen kompliziert. Auf jeden Fall kommt es nicht einfach auf die Grösse der Teilchen an. In Wirklichkeit existieren keine ideal semipermeablen Wände. Es gibt nur solche, 4.3
4 die für verschiedene Teilchensorten verschieden durchlässig sind. Von Osmose spricht man dann, wenn die semipermeable Wand eine Lösung vom Lösungsmittel trennt und im Idealfall nur für dieses durchlässig ist. Der Partialdruck p des Lösungsmittels ist im Gleichgewicht auf beiden Seiten derselbe. Da der gelöste Stoff sich nur auf einer Seite der Wand befindet (Partialdruck bei genügender Verdünnung p s = n s kt ), besteht ein Druckunterschied über der Wand, der sogenannte osmotische Druck π. In der Peffer schen Zelle wird ein Gefäss, dass aus aus einer solchen semipermeablen Wand besteht mit einer geeigneten Lösung gefüllt und in ein Gefäss mit reinem Wasser gestellt. Das Wasser dringt allmählich durch die Wand in die Zelle und die bringt die Lösung im Rohr zum Steigen, bis der hydrostatische Druck der Flüssigkeitssäule ein weiteres Eindringen verhindert. Der gemessene Druck ist der osmotische Druck. Beim Aufprall auf die Wand üben die gelösten Moleküle den gleichen Druck aus, als sei das Lösungsmittel nicht vorhanden und sie schwebten im luftleeren Raum. Für verdünnte Lösungen gilt daher p s = π = n s kt oder πv = RT, V = N 0 n s n s ist die Teilchendichte des gelösten Stoffs, V das Volumen derjenigen Lösungsmenge, die ein Mol davon enthält. Ausgedrückt durch die Molkonzentration (Zahl der Mole / Volumeneinheit der Lösung) gilt auch π = CRT. Für 10 g/l gelösten Rohrzucker (C 12 H 22 O 11, M = 342 g) ist C = 29 Mol/m 3. Bei der Temperatur T = 300 K ist somit π = CRT = Pa = 0.72 atm. Der osmotische Druck kann, wie das Beispiel zeigt, sehr erhebliche Werte annehmen. Darauf ist bei künstlichen Eingriffen in den Organismus, z. B. Infusionen sehr zu achten (Physiologische Kochsalz-Lösung). In der Peffer schen Zelle ergab sich π = ρgh. Befindet sich diese Anordnung in einem geschlossenen Behälter, der nur Lösungsmitteldampf der Dichte ρ D enthält, so herrscht über dem Lösungsmittel der Dampfdruck p DLM = p 0. Auf der Flüssigkeitssäule ist der Druck p(h) = p 0 ρ D gh gleich dem Dampfdruck über der Lösung, d. h. p DL = p DLM ρ D gh. Setzen wir für h von oben ein, so finden wir p DL = p DLM ρ D ρ L π = p DLM ρ D ρ L CRT Der Dampfdruck über der Lösung ist kleiner als über dem Lösungsmittel allein. Dies hat zur Folge, dass der Siedepunkt einer Lösung höher, der Gefrierpunkt niedriger liegt als beim reinen Lösungsmittel. p' p h 4.4
5 4.4.3 Wärmeleitung Wärmeleitung ist der Prozess, bei dem ohne Arbeitsleistung ein System mit der Umgebung Energie austauscht. Bei den Stössen der Moleküle, z. B. mit der festen Gefässwand, wird kinetische Energie, die in der ungeordneten Molekularbewegung steckt, ausgetauscht, bis die mittleren Energien der Systemmoleküle und der Wandmoleküle gleich sind, d. h. bis thermisches Gleichgewicht zwischen der Wand und dem System erreicht ist. Wärme ist gerade diese übertragene, oder geleitete Energie. Die präzise physikalische Gröse ist die Wärmestromdichte j W [Energie/m 2 s], die relevante Gleichung die Wärmeleitungsgleichung j W x = λ W dt dx Die Wärmeleitfähigkeit λ W ist wie die Diffusionskonstante proportional zur mittleren freien Weglänge λ und der mittleren Geschwindigkeit v, enthält aber auch die Dichte n der Moleküle, sowie die Boltzmann-Konstante k (da Energie kt transportiert wird), λ W nkvλ (λ W = 1 ) 3 λvn(3 2 k) für ideale Gase [ Joule msk ] Wegen des Faktors n ist λ W in Gasen viel kleiner als in Flüssigkeiten und festen Körpern. Da sowohl mittlere freie Weglänge wie mittlere Geschwindigkeit mit der Temperatur zunehmen, nimmt auch der Wärmeleitungskoeffizient zu mit der Temperatur. Für einige Stoffe sind Werte von λ W in Tabelle 4.1 zusammengestellt. Diamant 2320 Glas 1 2 Ag 407 Beton 1 2 Cu 384 trockene Erde 1 2 Al 220 Holz 0.1 Eisen Wolle, Watte 0.04 rostfreier Stahl 15 Glaswolle 0.04 H 2 O 0.6 Luft Tabelle 4.1: Wärmeleitungskoeffizienten [J / msk] einiger Materialien bei T = 300 K. Die gesamte Wärmemenge Q, welche pro Zeiteinheit durch einen Querschnitt A einer Wand fliesst, ergibt sich aus der Wärmestromdichte im stationären (zeitunabhängigen) Fall wie folgt Q t = Aj W = Aλ W T x = T i T a Aλ W d Im letzten Term ist angenommen, dass das Temperaturgefälle zwischen der Innentemperatur T i und der Aussentemperatur T a über der Wand (Dicke d) konstant ist. Diese Wärmemenge ist dann bei einem Gebäude der unerwünschte Wärmeverlust. Die Grösse k W = λ W /d [Joule/m 2 sk] heisst Wärmedurchgangszahl oder kurz k-wert der Wand. Ein typischer Wert für gut isolierte Häuser ist etwa k W 0.3. Da der Wärmefluss proportional zur Oberfläche ist, müssen Heizund Kühlkörper, d. h. allgemein Wärmeaustauscher, grosse Oberflächen haben. In Analogie zum Ohm schen Gesetz beim elektrischen Strom und dem darin auftretenden elektrischen Widerstand (I el = U el /R, elektrischer Strom transportierte Ladungsmenge pro Zeiteinheit = 4.5
6 Spannungsdifferenz geteilt durch den Widerstand) definiert man in der Wärmeleitung den Wärmewiderstand R W (R W = 1/Ak W ): I W = Q t = T 1 T 2 I el = dq R W dt = U 1el U 2el R Analogerweise sind Wärmewiderstände mehrerer Schichten hintereinander in Serie zu schalten zum Gesamtwiderstand R tot = i R i = 1 A ( d 1 + d 2 d N +... ) λ W 1 λ W 2 λ W N und die Temperaturdifferenzen über die einzelnen Schichten lassen sich berechnen wie die Spannungsabfälle in einem Spannungsteiler. Wärme kann nicht nur mittels Stössen, d. h. bei direkter Berührung von zwei Systemen übertragen werden, sondern auch durch Strahlung. Jedes System, dessen Temperatur T nicht gleich Null ist, emittiert und absorbiert ständig elektromagnetische Strahlung, sogenannte Wärmestrahlung welche sich auch im Vakuum ausbreitet und Energie überträgt (z. B. Sonne Erde). Ist ein System mit seiner Umgebung im thermischen Gleichgewicht (T S = T U ), so absorbiert es genau soviel Strahlungsenergie wie es emittiert. Ein weiterer Mechanismus von Wärmeübertragung ist die Konvektion. Da sie im Wärmetransport mit einer Strömung, z. B. Luftströmung bei Warmluftheizung, besteht, ist sie mit Materietransport verknüpft. Bei geschlossenen Systemen (kein Materieaustausch), mit denen wir uns vor allem befassen werden, spielt sie daher keine Rolle für den Wärmeaustausch mit der Umgebung. 4.6
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