7. Netzwerkinitiative FAIRgabe NRW in Düsseldorf

Transkript

1 7. Netzwerkinitiative FAIRgabe NRW in Düsseldorf CORNELIUS BARTENBACH HAESEMANN & PARTNER Arbeitsgruppe III Soziale Kriterien im Vergabeverfahren verorten: Konkrete Praxistipps am Beispiel der Beschaffung von Arbeitsbekleidung Rechtsanwältin Fachanwältin für Verwaltungsrecht

2 Agenda: I. Thema: Soziale Kriterien im Vergabeverfahren verorten II. Gesetzliche Grundlagen III. Vergabeverfahren im Einzelnen 1. Ausblick 2. Vorbereitung 3. Mindestanforderung 4. Zuschlagskriterien 5. Ausführungsbestimmungen IV. Diskussion V. Anregungen für weitere Information Seite 2

3 I. Thema: Soziale Kriterien im Vergabeverfahren verorten 1. Soziale Kriterien : Verständnis nicht im vollumfänglichen Sinne; soziale (früher vergabefremde ) Kriterien sind: Tarifreue (Ökologie) Mindest- und Tariflohn Familienförderung Hier: Einhaltung von Arbeitsstandards in Ländern, in denen häufig Arbeitsrechtsverletzungen stattfinden 2. Verortung im Vergabeverfahren: Juristische Möglichkeiten (insb. nach Vergaberechtsnovelle) Erfahrungen aus der Praxis (insb. Problemfelder) Seite 3

4 II. Gesetzliche Grundlagen: EU-Vergaberichtlinien Klassische Vergaberichtlinie 2014/24/EU Sektorenrichtlinie 2014/25/EU Konzessionsrichtlinie 2014/23/EU Umgesetzt zum Nationale Vorschriften: 97 ff. GWB n. F. VgV n. F., SektVO n. F. VOB/A-EU für oberschwellige Vergaben VOL/A, VOB/A jeweils 1. Abschnitt für unterschwellige Vergaben TVgG-E (Entwurf vom ) Zukünftig auch RVO zum TVgG-E (Festlegung der gefährdeten Produktgruppen; Nachweisführung; vertragliche Ausgestaltungsmöglichkeiten, Kontrollen und Sanktionen) Seite 4

5 III. Vergabeverfahren im Einzelnen 1. Ausblick Früher 4 Wertungsstufen vorgegeben; heute keine zwingende Prüfungsreihenfolge Relevanz sozialer Kriterien: Ausführung 4 Engere Wahl 3 Angemessene Preise 2 Eignungsprüfung 1 Ausschließbare Angebote Vorbereitung Seite 5

6 III. Vergabeverfahren im Einzelnen 2. Vorbereitung Definition des Beschaffungsbedarfs Umfangreiches Leistungsbestimmungsrecht des öag, solange auftragsbezogen und nicht diskriminierend (OLG Karlsruhe, B. v Verg 4/14; OLG Düsseldorf, B. v Verg 10/12) Schätzung des Auftragswertes Neue Schwellenwerte für die Anwendung nach 2 Abs. 4 TVgG-E: o Grundsätzlich o Für Aspekte des Umweltschutzes ( 6 TVgG-E) und Einhaltung der ILO- Kernarbeitsnormen ( 7 TVgG-E) Gesamter Bedarf muss geschätzt werden; keine Aufspaltung der Leistung, um diese den gesetzlichen Vorgaben zu entziehen Definition von Losen für unterschiedliche Anforderungen an die Nachweispflichten (z. B. reine Baumwolle und Mischgewebe) Seite 6

7 III. Vergabeverfahren im Einzelnen 3. Mindestanforderung Technische Spezifikation; Leistungs- und Funktionsanforderung an den Liefergegenstand Bislang: Formblatt nach RVO TVgG-NRW Alternativ war Erklärung möglich, dass Nachweisführung nicht erbracht werden kann Für Fair-Trade: eigene Normen in RVO Zwingende Vorlage eines Nachweises, der die Einhaltung der Anforderungen erfüllt Kritisch: OLG Düsseldorf (B. v Verg 46/13; B. v Verg 39/13); Einbindung nur als Ausführungsbestimmung möglich Seite 7

8 III. Vergabeverfahren im Einzelnen 3. Mindestanforderung Nach 31 Abs. 3 VgV (Art. 42 Abs. 1 UAbs /24/EU) können jetzt Merkmale der Leistungsbeschreibung auch soziale Aspekte betreffen, vgl. 31 Abs. 3 S. 2 VgV: Sie können sich auch auf den Prozess oder die Methode des zur Herstellung oder Erbringung der Leistung oder auf ein anderes Stadium der im Lebenszyklus des Auftragsgegenstandes einschließlich der Produktions- und Lieferkette beziehen, auch wenn derartige Faktoren keine materiellen Bestandteile der Leistung sind, sofern diese Merkmale in Verbindung mit dem Wert und Beschaffungszielen verhältnismäßig sind. Nachweis nach 34 VgV durch Gütezeichen: dieses muss bestimmte Anforderungen erfüllen, 34 Abs. 2 Nr. 1-5 VgV öag kann ein Gütezeichen vorgeben, muss aber gleichwertige akzeptieren öag muss auch andere Nachweise akzeptieren, wenn Bieter nachweist, dass er ein Gütezeichen nicht erlangen kann und der andere Nachweis gleichwertig ist Seite 8

9 III. Vergabeverfahren im Einzelnen 3. Mindestanforderung Neu aufgegriffen in 7 TVgG-E: die nachweislich dafür Sorge tragen ; keine Möglichkeit vorgesehen, dass ein Nachweis nicht zu führen sein muss Seite 9 Bestbieterprinzip nach 9 TVgG-E: Erklärung ist nur vom Bestbieter (nach Wertung in der engeren Wahl anhand von Zuschlagskriterien) vorzulegen; nur in Ausnahmefällen (wegen Dringlichkeit) kann Nachweis von allen Bietern verlangt werden, 9 Abs. 6 TVgG-E Grds. innerhalb von 3 Kalendertagen nach Aufforderung durch öag, Frist verlängerbar bei Erforderlichkeit In der Bekanntmachung und in den Vergabeunterlagen (Aufforderungsschreiben) ist Forderung anzugeben In Textform (bei evergabe zu beachten) RF: wenn Bestbieter nicht/nicht fristgerecht vorlegt, ist er von der Wertung auszuschließen und der nächste Bieter in der Reihenfolge auszuwählen (Problem: Stillhalte- bzw. auch Zuschlagsfrist wird ggf. verlängert!)

10 III. Vergabeverfahren im Einzelnen 4. Zuschlagskriterien Früher: Möglichkeit im TVgG-NRW vorgesehen; kritisch beäugt von der Rechtsprechung mangels ausreichendem Auftragsbezug. Heute: 127 Abs. 1 S. 2 GWB (Art. 67 Abs /24/EU): Bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes können auch soziale Aspekte berücksichtigt werden. Weite Definition des Auftragsbezuges in 127 Abs. 3 GWB: Diese Verbindung ist auch dann anzunehmen, wenn sich ein Zuschlagskriterium auf Prozesse im Zusammenhang mit der Herstellung, Bereitstellung oder Entsorgung der Leistung, auf den Handel mit der Leistung oder auf ein anderes Stadium im Lebenszyklus der Leistung bezieht, auch wenn sich Faktoren nicht auf die materiellen Eigenschaften des Auftragsgegenstandes auswirken. Seite 10

11 III. Vergabeverfahren im Einzelnen 4. Zuschlagskriterien Ausgestaltung als Zuschlagskriterium bedarf: einer Differenzierungsmöglichkeit in vorgegebenen Grenzen genaue Definition (DAC-Liste; Lieferkette). Ausgestaltungsmöglichkeiten: Problematisch allein nach Erklärungsinhalt des Formulars der RVO zum TVgG-NRW. Zukünftig kann ein Nachweis verlangt werden, ohne eine Erklärungsmöglichkeit, dass der Nachweis nicht erbracht werden kann. Mindestgrenze: Nachweis erfüllt alle gestellten Mindestanforderungen (acht ILO-Kernarbeitsnormen); Mehr Punkte im Zuschlagskriterium Einhaltung von Arbeitsstandards, wenn mehr Anforderungen erfüllt werden (z. B. MSI-Kontrollen). Denkbare Konsequenz: Ein Bieter mit z. B. einem teurerem Produkt gleicht dies mit dem sozialen Kriterium aus. Seite 11

12 III. Vergabeverfahren im Einzelnen 5. Auftragsausführung Notwendig für die Kontrolle, ob Nachweis gültig und aktuell ist und daraus folgende Sanktionen. Anforderungen hieran werden in RVO zum TVgG-E festgelegt; nach 128 Abs. 2 GWB Auftragsbezug nach 127 Abs. 3 GWB erforderlich (Definition vgl. oben bei 4. Zuschlagskriterien). Seite 12 Denkbare Regelungen zu: 1.) Unterrichtungspflichten des Auftragnehmers über Aktualität. 2.) Außerordentlichem Kündigungsrecht des öag, wenn Nachweis während der Vertragslaufzeit nicht gültig ist/wird. 3.) Vertragsstrafe für diesen Fall (Grenze: 5 % der Nettoauftragssumme des bis dahin erfüllten Vertrages; beachte auch Höhe aller Vertragsstrafen nicht mehr als 5% der Gesamtnettoauftragssumme). 4.) Schadensersatz für Aufwendungen des öag in angemessener Höhe (für Neuvergabe, Ersatzbeschaffung etc.).

13 IV. Diskussion Erfahrungen mit Einbindung sozialer Kriterien in unterschiedlichen Verfahrensphasen? Problemfelder und Lösungsansätze Ausblick Seite 13

14 V. Anregungen für weitere Information: Praxis-Leitfaden Sozial gerechter Einkauf Jetzt! ; herausgegeben von der Stadt Dortmund, Vergabe- und Beschaffungszentrum Quo Vadis, Beschaffung?, Eine Bestandsaufnahme der sozialverantwortlichen öffentlichen Beschaffung, herausgegeben von WEED, CIR, CcrA Seite 14

15 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Cornelius Bartenbach Haesemann & Partner Bismarckstr , Köln Tel.: 0221/ Fax: 0221/ Seite 15