Daten, Fakten und Argumente zur Tarifrunde 2013 im deutschen Einzelhandel. Thema: Arbeitszeitflexibilisierung
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- Fritzi Brinkerhoff
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1 Daten, Fakten und Argumente zur Tarifrunde 2013 im deutschen Einzelhandel Stand: 2. April
2 Inhaltsverzeichnis Ausgangslage Seite 3 Zielsetzung zur Tarifrunde 2013 Seite 5 Beispiele Seite 6 2
3 Ausgangslage Die arbeitszeitrechtlichen Regelungen in den Tarifverträgen des Einzelhandels gehen alle im Grundsatz von einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 37 (westliche Bezirke Berlins) bzw. 37,5 (westliche Bundesländer) bzw. 38 (östliche Bezirke Berlins und neue Bundesländer) bzw. 39 (Mecklenburg-Vorpommern) Wochenstunden aus. Alle manteltarifvertraglichen Regelungen lassen jedoch eine davon abweichende Einteilung der regelmäßigen Arbeitszeit zu. Mit Ausnahme der Regelungen in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein wird dabei stets vorausgesetzt, dass dann auch die Freizeit im Voraus festgelegt werden muss. Die Gewerkschaft ver.di legt ausweislich der ihr nahe stehenden Kommentatoren und unter Hinweis auf zitierte Rechtsprechung das Erfordernis der Einteilung der Arbeitszeit und Freizeit im Voraus sehr eng aus (siehe Anlage 1, Auszug aus Tarifverträge des Einzelhandels in Nordrhein-Westfalen Kommentar für die betriebliche Praxis, Teil I: Manteltarifvertrag, 4. Auflage, Hans Decruppe, 2 Rdnr. 5 6 i). Danach muss die Mehr- oder Minderarbeit im Voraus auf eine Weise eingeteilt sein, dass ein Ausgleich der Mehr- bzw. Minderarbeit im 52-Wochen-Zeitraum garantiert ist. Nach dieser Auffassung sind ausweislich der Kommentierung folgende Arbeitszeitregelungen nach den manteltarifvertraglichen Arbeitszeitbestimmungen ausdrücklich nicht ohne weiteres zulässig: Ausgleich einer saisonal längeren Arbeitszeit nach den betrieblichen Möglichkeiten hier liege keine systematische Einteilung der Arbeitszeit vor, da zwar die Mehrarbeit, aber nicht gleichzeitig der Freizeitausgleich im Voraus durch eine systematische Einteilung festgelegt wurde. Festlegung eines Arbeitszeitkorridors mit dem frühesten Arbeitsbeginn und spätesten Arbeitsende an den einzelnen Arbeitstagen. Die konkrete Festlegung der Lage der Arbeitszeit innerhalb des Korridors bleibt dem Arbeitgeber vorbehalten auch eine solche Regelung enthalte keine systematische Einteilung der Arbeitszeit. Es bestehe kein Selbstentscheidungsrecht des Arbeitgebers über die Lage der Arbeitszeit. Festlegung der Lage der Arbeitszeit durch eine Team-Absprache auch diese Regelung sei tarifwidrig, da Arbeitszeit und Freizeit nicht im Voraus planbar seien. Jahresarbeitszeitberechnung: Nach ver.di-auffassung erlaubt der Manteltarifvertrag auch keine Jahresarbeitszeitberechnung. Auch die Einführung von Arbeitszeitkonten beinhalte keine Einteilung der Arbeitszeit. Hinzukommen müsse stets noch die Einteilung der Arbeitszeit, also die Festlegung der Arbeitszeit auf die einzelnen Arbeitstage. Vertrauensarbeitszeit da die tariflichen Regelungen zwingend eine Einteilung der Arbeitszeit vorschreiben, seien auch Regelungen über die Vertrauensarbeitszeit nicht zulässig. Keine Anwendung der Regelungen für eine abweichende Arbeitszeit auf Teilzeitbeschäftigte da sich die manteltarifvertraglichen Regelungen über eine abweichende Arbeitszeiteinteilung auf die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beziehen würde (also der Festlegung der tariflichen Arbeitszeit für 3
4 Vollzeitarbeitskräfte), würden die tariflichen Regelungen für eine davon abweichende Arbeitszeiteinteilung für Teilzeitbeschäftigte nicht einschlägig sein (vgl. Tarifverträge des Einzelhandels in Nordrhein-Westfalen, Kommentar für die betriebliche Praxis, Teil I: Manteltarifvertrag, 2 Rdnr. 5 f). Eine derart enge Auslegung der Vorschriften macht sie für die Praxis nahezu unbrauchbar. Denn das immer wieder betonte Erfordernis der Vorausplanung ließe sich bei diesem strengen Maßstab nur im Rahmen sehr kurzer Zeithorizonte realisieren. Dort, wo ganz bewusst auf eine Vorausplanung verzichtet wird, bspw. bei Teamentscheidungen, Vertrauensarbeitszeit, ließe sich eine derart eng gefasste und eng interpretierte tarifliche Regelung mit den praktischen Erfordernissen nicht mehr in Einklang bringen. Festzuhalten ist an dieser Stelle, dass die arbeitgeberinterne Diskussion über die Notwendigkeit der Anpassung der manteltarifvertraglichen Arbeitszeitregelung bereits gezeigt hat, dass offensichtlich vielen Unternehmen und Betriebsräten die einschränkende Auslegung der tarifvertraglichen Regelung durch die Gewerkschaftsseite nicht bekannt ist. Von daher sind die Tarifpartner nun gefordert, die tarifvertraglichen Regelungen an die betriebliche Praxis anzupassen und dadurch für die Zukunft Konflikte zu vermeiden. Viele Gespräche haben gezeigt, dass insbesondere die Arbeitszeitregelungen für die Akzeptanz der Tarifverträge auf Unternehmensseite sehr wichtig sind. Ein Auseinanderfallen von betrieblichen Erfordernissen und tariflichen Vorgaben hat daher massive Auswirkungen auf die Tarifbindung in der Branche. In Hinblick auf den bestehenden Reformbedarf wurde in der Tarifrunde 2008 in den regionalen Tarifabschlüssen nahezu aller Regionen (mit Ausnahme von Hamburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen) eine Verhandlungsverpflichtung zur Arbeitszeitflexibilisierung vereinbart. 4
5 Zielsetzung zur Tarifrunde 2013 Die bestehende tarifvertragliche Regelungsdichte ist nicht erforderlich. Bei der Regelung der Arbeitszeit handelt es sich offensichtlich um den Kernbereich der betrieblichen Mitbestimmung. Daher ist die Regelung der Arbeitszeit den Betriebsparteien zu überlassen und innerbetrieblich zu regeln. Die bestehende Auslegung der Regelungen ist sowohl für Arbeitnehmer wie auch Unternehmen nachteilig: Feste Arbeitszeiten und systematische Regelungen sind aus Sicht des Mitarbeiters unflexibel für die unterschiedlichen privaten Termine und Aktivitäten. So bilden die derzeitigen tariflichen Regelungen auch eine Arbeitszeitsouveränität des Mitarbeiters nicht ab. Insbesondere wird eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie erschwert (wenn z. B. der Partner in einem anderen Beschäftigungsverhältnis im Rahmen einer flexiblen Arbeitszeitregelung tätig ist, die ihm mehr Arbeitszeitsouveränität überlässt, oder wenn kurzzeitig eine Betreuung von Kindern oder Angehörigen erforderlich oder ein Behördengang notwendig ist). Die bestehenden Regelungen und ihre Auslegung durch ver.di werden den heutigen Bedürfnissen der Mitarbeiter nicht mehr gerecht. Arbeitnehmer fordern von den Unternehmen Flexibilität ein, wenn sie bspw. für dringende Besorgungen eine Freistellung benötigen. Oft sprechen sich auch betriebliche Teams bei der Arbeitszeitgestaltung ab, vielleicht sogar ohne notwendigen Eingriff durch Vorgesetzte. Lebenssituationen bringen es mit sich, dass oftmals der Freizeitbedarf größer ist als der Urlaubsanspruch wenn etwa Familie, private Weiterbildung, der private Hausbau oder Ähnliches mehr Zeit beanspruchen. Auch die Unternehmen sind nicht immer in der Lage, Kundenströme so zielgerichtet vorherzusagen, dass ein Personaleinsatz fest im Voraus geplant werden kann. Schon witterungsbedingte Einflüsse können den erwarteten Run der Shopper am Samstag zu einem trüben Rinnsal von Käufern werden lassen, so dass einzelne Mitarbeiter früher ins Wochenende gehen könnten. Hier fallen dann allerdings nach den bisherigen tariflichen Regelungen und ihrer Interpretation durch ver.di Stundenlöhne für nicht geleistete Arbeit an. Sind die Arbeitsmengen größer als erwartet, weil der Kundenansturm größer ist, fallen auf der anderen Seite Mehrarbeitszuschläge an, wenn von der systematischen Vorausplanung abgewichen wird. Es muss daher Arbeitgebern und Arbeitnehmern auf betrieblicher Ebene der notwendige Raum für Flexibilität im Rahmen der Arbeitszeitgestaltung gegeben werden. Es bedarf flexiblerer tariflicher Arbeitszeitregelungen, um die Tarifverträge für Arbeitgeber und Arbeitnehmer attraktiv zu machen. Das Erfordernis einer festen verbindlichen Vorausplanung steht den bei vielen heute von den Unternehmen bereits praktizierten Arbeitszeitmodellen im Weg. Evident ist dies bspw. bei der Teamabsprache bzw. der Vertrauensarbeitszeit. Andere Branchen haben diese Ideen längst in ihren Verträgen verankert und bieten so den Beschäftigten attraktive Arbeitsbedingungen. Der Einzelhandel darf hier den Anschluss nicht verlieren. 5
6 Beispiele Beispiele für flexiblere Arbeitszeitregelungen finden sich sowohl in den Tarifverträgen anderer Branchen aber auch in einigen wenigen Tarifgebieten des Einzelhandels (siehe unten). MTV Chemie Nord-Ost 2 Regelmäßige Arbeitszeit I. Dauer und Verteilung der Arbeitszeit Die regelmäßige tarifliche wöchentliche Arbeitszeit kann auch im Durchschnitt eines Verteilzeitraumes von bis zu 12 Monaten erreicht werden. Durch freiwillige Betriebsvereinbarung können Arbeitgeber und Betriebsrat den Verteilzeitraum auf bis zu 36 Monate verlängern. Metall- und Elektroindustrie Eine davon abweichende Verteilung kann nach Maßgabe der betrieblichen Erfordernisse mit dem Betriebsrat vereinbart werden. Einzelhandel MTV Hamburg 3 Arbeitszeit Eine von Abs. 1 abweichende Einteilung der regelmäßigen Wochenarbeitszeit ist zulässig, wenn die Wochenarbeitszeit (Abs. 1) im Durchschnitt eines Jahres nicht überschritten wird. In Betrieben mit Betriebsrat ist eine Betriebsvereinbarung darüber abzuschließen. Besteht kein Betriebsrat muss zwischen Arbeitgeber und Beschäftigten eine schriftliche Regelung getroffen werden. Einzelhandel MTV Mecklenburg-Vorpommern 5 Ziff. 2 Andere Arbeitszeitregelungen können durch Betriebsvereinbarung oder in Betrieben ohne Betriebsrat durch Einzelarbeitsvertrag getroffen werden. Voraussetzung ist, dass im Durchschnitt von bis zu 52 Wochen die nach Ziffer 1 maßgebliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit nicht überschritten und bei Verteilung auf die Wochentage außer bei Vorliegen besonderer betrieblicher Gründe ein arbeitsfreier Werktag pro Woche gewährt wird. 6
7 Einzelhandel MTV Schleswig-Holstein 6 Arbeitszeit Andere Arbeitszeitregelungen können durch Betriebsvereinbarung oder in Betrieben ohne Betriebsrat durch Einzelarbeitsvertrag getroffen werden. Voraussetzung ist, dass innerhalb von 52 Wochen eine der nach Ziffer 1 maßgeblichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit nicht überschritten wird. 7
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