Die Zukunft der Kantone
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- Mathias Siegel
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1 Die Zukunft der Kantone Referat von Lukas Golder, Politikwissenschafter, Mitglied der Geschäftsleitung des Forschungsinstituts gfs.bern Bieler-Tagblatt Lokaltermin, Amt Büren, 2. November 2006 gfs.bern
2 Guten Tag Ich bin Lukas Golder, Politikwissenschafter, Mitglied der Geschäftsleitung gfs.bern. Ich bin heute Ihr Referent.
3 Räumliches Zugehörigkeitsgefühl (1. und 2. Nennung) "Welcher dieser geographischen Einheiten auf dieser Liste fühlen Sie sich in 1. Linie und in 2. Linie zugehörig?" in % Stimmberechtigter das ganze Land Wohngemeinde Nennung Wohnkanton Nennung Sprachregion die Welt 4 4 Europa 2 7 gfs.bern, Sorgenbarometer, August 2005 (N = 1014)
4 Das Thema: Haben die Kantone eine Zukunft? Meine These: Ja, sie haben eine, denn der schweizerische Föderalismus hat Stärken. Er hat aber auch Schwächen, die mit Reformen beseitigt werden müssen. Es geht also darum, einen zukunftstauglichen Föderalismus zu schaffen.
5 Was ist Föderalismus? Föderalismus in einem demokratischen Staat bedeutet Machtaufgliederung durch vertikale Gewaltenteilung und Minderheitenschutz durch die Gewährung von weitgehender territorialer Eigenständigkeit. (Vatter, 2006)
6 Geschichte der Kantone (1) wachsenden Bündnissystem im Hl. Römischen Reich zwischen Länder- und Städteorte Staatenbund mit autonomem Status, (seit 1513) bestehend aus 13 vollberechtigten Orten und verschiedenen zugewandten Gebieten vom Reich unabhängiger Staatenbund, bestehend aus 13 vollberechtigten Orten und verschiedenen zugewandten Gebieten Helvetische Republik; Einheitsstaat, vorerst unter Ausschluss der alten Orte, ab 1803 unter Beteiligung dieser
7 Geschichte der Kantone (2) Vom Wiener Kongress garantierter souveräner Staatenbund, Zusammenarbeit auf Konkordatsbasis 1848 Bundesstaat, mit föderalistischer Grundstruktur 1874 Beginn der Zentralisierung von Kompetenzen auf der nationalstaatlicher Ebene
8 Warum eine föderalistische Grundstruktur? (1) Vier tiefgreifende räumliche Konfliktlinien (aus der frühen Neuzeit, bis 1798): Flachland vs. Alpenland katholisch vs. reformiert Stadt vs. Land traditionell agrarisch vs. modern (proto)industriell
9 Warum eine föderalistische Grundstruktur? (2) Vier tiefgreifende Konfliktlinien (aus der Neuzeit. seit 1798), die nur noch bedingt an den Raum gebunden sind: Sprachregionen, Mehrsprachigkeit Nationalitäten (Schweizer, Ausländer) Industrialisierung (Bürgertum, Arbeiterschaft, Dienstleister) Wertewandel (Generationen, Geschlechter)
10 These 1: Der Föderalismus erlaubt der Schweiz, eine flexible interne Zusammenarbeit auf horizontaler Ebene (zwischen Kantonen kooperativer Föderalismus). Er mobilisiert viele Leute vor Ort, und er ermöglicht ad hoc Lösungen. Er garantiert so eine Schutz für räumliche Minderheiten. Das sind seine Stärken auch in der Zukunft.
11 These 2: Der Kantonsföderalismus ist im Bundesstaat gefordert, denn die Institutionen des Föderalismus werden zunehmend vertikal eingebunden (Kantone-Städte/ Gemeinden, Kantone-Bund/Europa/funktionale Räume) Er verlangt eine top-down und bottom-up Ausrichtung und muss die funktionale Zusammenarbeit in nicht staatlichen Räumen zulassen. Das sind seine ersten Schwächen für die Zukunft. Es geht darum, in welchem Masse die Kantone Zugangsrechte und Vetopositionen im vertikalen Föderalismus bekommen.
12 These 3: Die Kantone haben sich sehr unterschiedlich entwickelt, in der Bevölkerungsgrösse, im Urbanisierungsgrad, in der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und in de Fähigkeit, im vertikalen Föderalismus Probleme zu verarbeiten. Das verlangt eine stärkere Unterscheidung zwischen urbanen und ruralen Kantonen. Diese müssen sich vermehrt verändern. Das ist seine zweite Schwäche für die Zukunft. Es geht darum, in welchem Masse es gelingt, ergänzend zu den föderalistischen Institutionen Formen der nichtstaatlichen Zusammenarbeit zuzulassen.
13 Institutionen des vertikalen Föderalismus Aus dem Prinzip "Stand vs. Nation" Ständerat (vs. Nationalrat) Ständemehr (vs. Volksmehr) Standesinitiative (vs. Volksinitiative) Institutionen des horizontalen Föderalismus Konkordate Interkantonale Zusammenarbeit/ Konferenz der Kantone Aus dem Prinzip "Bund vs. Kantone" Vernehmlassungsverfahren mit Kantonen (vs. Interessenorganisationen) Kantonsreferendum (vs. fakultatives Gesetzesreferendum Vollzugsföderalismus (vs. Bundesvollzug)
14 Trends im Föderalismus Trend 1: Der vertikale Föderalismus wird partiell geschwächt (Kantonsklausel im Bundesrat 1999 abgeschafft, praktisch wirkungslose Standesinitiativen), hat aber mit dem Ständerat und dem Ständemehr eine starke Position bewahrt.
15 Trends im Föderalismus Trend 2: Das Ständemehr schützt nicht unbedingt Minderheiten vor Mehrheiten, sondern blockiert politische Präferenz der Romandie und der urbanen Gebiete.
16 Trends im Föderalismus Trend 3: Der Ständerat hat verschiedene Legitimationsdefizite, weil sich seine Begründung aus dem föderativen Aufbau der Kantone ergibt, seine Tätigkeit aber weder darauf beschränkt noch konzentriert.
17 Trends im Föderalismus Trend 4: Das Kantonsreferendum ist 2004 erstmals erfolgreich ergriffen und durchgesetzt worden (Steuerpaket). Es zeigt, dass der organisierte Widerstand der Kantone im Bundesstaat möglich ist und auch effektiv eingesetzt werden kann.
18 Trends im Föderalismus Trend 5: Das Vernehmlassungsverfahren auf Bundesebene bevorteilt die Leistungsfähigkeit der grossen Kantone, die sich besser organisieren und einbringen können; es schwächt die kleinen Kantone, wenn sie keine Fachkompetenzen aufbauen.
19 Trends im Föderalismus Trend 6: (eigentlicher Nicht-Trend) Die horizontale Zusammenarbeit wird zu wenig auf die Bedürfnisse der funktionalen Räume (Metropolitanregionen, Städtenetze) ausgerichtet und muss sich hier stärker entwickeln.
20 Schluss Die Kantons-/Föderalismusdebatte wird weder in einem Kanton alleine geführt, noch darf sie sich auf einzelne Massnahmen konzentrieren. Sie muss die föderalistische Struktur der Schweiz auch inskünftig garantieren, ohne die Legitimation und die Leistungsfähigkeit des Bundesstaats zu beeinträchtigen.
21 gfs.bern
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