Der Weg zur Geowissenschaft kann für Professor Donald Bruce Dingwell, Lehrstuhl für Mineralogie und
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- Monica Wetzel
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1 Brandblasen im Dienste der Forschung gehören für den Vulkanologen Professor Donald Bruce Dingwell einfach dazu. Er simuliert Vulkanausbrüche im Labor, um das Verhalten von Gesteinsschmelzen wie Magma und Lava zu untersuchen. Sein Gebiet, die experimentelle Vulkanologie, hat aber auch eine praktische Komponente. Er ist an mehreren Projekten beteiligt, die das Ausbruchsverhalten von Hochrisikovulkanen untersuchen wollen, um vor möglichen Eruptionen warnen zu können. SUSANNE WEDLICH die liebe zur lava Der Weg zur Geowissenschaft kann für Professor Donald Bruce Dingwell, Lehrstuhl für Mineralogie und Petrologie der Ludwig-Maximilians-Universität, nicht allzu weit gewesen sein. Ich bin auf Neufundland in Kanada aufgewachsen und war damit von Steinen umgeben, berichtet er. Tatsächlich war die Inspiration in puncto Gesteinsbildung schon fast unanständig in ihrer Vielfalt und Intensität. Dazu kommt, dass mir meine Eltern eine sehr stimulierende Umwelt geboten haben. Alles in allem eine sehr schöne Mischung für eine akademische Karriere. MAGMA EINE KOMPLEXE MULTIPHASEN-MISCHUNG Wie erfolgreich er dabei ist, zeigte sich auch letztes Jahr. Das Institute for Scientific Information im US-amerikanischen Philadelphia gab bekannt, dass Donald Bruce Dingwell zu den meistzitierten wissenschaftlichen Autoren gehört. Diese Highly Cited Authors sind die 250 in den letzten 20 Jahren weltweit meistzitierten wissenschaftlichen Autoren ihres Faches. Weniger als 0,5 Prozent aller zitierten Wissenschaftler erreichen diesen Status. Forscher zitieren in ihren Veröffentlichungen die Werke ihrer Fachkollegen, wenn sie relevant für ihre eigene Arbeit sind. Die Anzahl an Zitaten gilt damit als indirektes Maß für den Einfluss eines Wissenschaftlers auf seinem Gebiet. Donald Bruce Dingwell ist einer von vier höchstzitierten Geowissenschaftlern in Deutschland. Er untersucht das physikalische und chemische Verhalten von Schmelzen und Magmen. Als Schmelze bezeichnet man einen Stoff, der vom festen in den flüssigen Aggregatszustand übergeht oder bereits übergangen ist. Magma ist ein besonders interessantes Beispiel dafür: Diese Masse entsteht im Erdinneren in einem noch nicht genau geklärten Prozess. Auf jeden Fall spielen die Druckverhältnisse, der Wassergehalt des umgebenden Gesteins und die Temperatur eine wichtige Rolle. Magmen sind komplexe Multiphasen-Mischungen, erläutert er. Ihre physikalischen Eigenschaften müssen deshalb unterteilt werden in die ihrer Bestandteile, also Mineralien, Schmelzen und Gasen, sowie in die der Mischung selbst. Magma war im Lauf der Erdgeschichte ein wichtiger Ausgangsstoff für die Bildung neuer Gesteine, die je nach ihrem Entstehungsort unterschieden werden. Kühlt das Magma bereits im Erdinneren ab, bilden sich Plutonite wie etwa Granit. Gelangt Magma aber an die Erdoberfläche, wo es dann Lava genannt wird, können Vulkanite entstehen, zu denen auch der Basalt gehört. Lava wird in mehrere Kategorien unterteilt, je nach der Zusammensetzung des Materials, was wiederum ausschlaggebend für das Verhalten dieser Gesteinsschmelze ist. 63
2 Donald Bruce Dingwell wehrt sich gegen die Vorstellung, die wichtigsten Fragen zum Verhalten der Schmelzen und des Magmas seien bereits geklärt. Jede Woche bestimmen wir in unseren Labors Eigenschaften dieses Materials, die nicht von existierenden Modellen vorhergesagt werden, meint er. Das zeigt uns ganz deutlich, dass wir umfassendere Modelle für die Eigenschaften von Schmelzen brauchen, die sich verallgemeinern lassen. Wir müssen aber auch ganz grundsätzlich verstehen, wie diese Erdmaterialien funktionieren. Der Schlüssel dazu liegt für ihn in der wissenschaftlichen Kooperation. Auf diesem Gebiet arbeiten mittlerweile Geowissenschaftler, Materialwissenschaftler, Experten für Glas, physikalische Chemiker und Physiker, die an kondensierter Materie forschen, sagt der LMU-Wissenschaftler. Ich habe sehr wenig Respekt für die Grenzen zwischen wissenschaftlichen Disziplinen. Die muss man nämlich jeden einzelnen Tag seines aktiven wissenschaftlichen Lebens überschreiten, wenn man derart vielfältige Systeme untersuchen will. SIMULATION VON VULKANAUSBRÜCHEN Seine eigene Arbeit liegt an der Nahtstelle zwischen der tatsächlichen Arbeit an den Vulkanen vor Ort, der seismologischen Überwachung und der Forschung am Computer, etwa der Modellierung von Ausbrüchen: Donald Bruce Dingwell baut Vulkane im Kleinformat. In seinem Labor simuliert er den Übergang von Magma zu Lava und analysiert dann das Verhalten der Materie. Es gehört damit zu einer Handvoll von Einrichtungen, die weltweit experimentelle Vulkanologie betreiben. Seine Forschung konzentriert sich unter anderem auf die letzte Phase vor einem Vulkanausbruch. Denn noch immer ist nicht restlos geklärt, was aus zähflüssigem Magma ein explosives Gemisch macht, das sich als Eruption entladen wird. Dieser Frage geht der Geowissenschaftler nach, indem er Materialien in unterschiedlichen Mengen mischt und sie in einem dickwandigen Stahlzylinder bei Temperaturen weit über 1000 Grad Celsius unter Druck setzt um dann zu beobachten, was passiert. Aber nicht nur Magma der Marke Eigenbau wird eingesetzt. Auch das bei tatsächlichen Vulkanausbrüchen freigewordene Material wird auf sein Verhalten hin untersucht. Donald Bruce Dingwell verfügt über die nötigen Vorrichtungen, um auch kleine Vulkanausbrüche simulieren zu können. Die bei der Explosion entstandenen Partikel werden in einem großen Stahlgefäß gesammelt und genau analysiert. Mittels Laserlichtmessung können selbst kleinste Teilchen nachgewiesen und identifiziert werden. 64
3 1 Der Satellit Advanced Spaceborne Thermal Emission and Reflection Radiometer (ASTER) nahm dieses Bild des Vesuv und der Bucht von Neapel im Jahr 2000 auf. Das Interesse des Forschers geht aber noch weiter. Denn das Fließverhalten von ausgetretener Lava und ihre Reichweite haben außergewöhnlich weitreichende Konsequenzen. Die chemische Zusammensetzung hat Einfluss auf das Verhalten der Lava. Neben den Hauptbestandteilen Silizium und Sauerstoff können noch rund zehn andere Elemente in ganz unterschiedlichen Mengen enthalten sein. Dies alleine ermöglicht schon eine fast unbegrenzte Anzahl möglicher Lavatypen. Darüber hinaus sind noch die Verhältnisse bei der Entstehung zu berücksichtigen, etwa Druck und Temperatur, die sich auch auf die Viskosität von Lava, also ihre Zähflüssigkeit, auswirken. Lava ist sehr viel viskoser als Wasser, kann aber trotzdem viele Kilometer zurücklegen, bevor sie erstarrt. Bei einem tatsächlichen Vulkanausbruch resultiert aus diesen Eigenschaften für die Anwohner der Unterschied zwischen Unversehrtheit und totaler Zerstörung. Donald Bruce Dingwells 'Feldforschung' beschäftigt sich denn auch unter anderem mit einem der Hochrisikovulkane. Der italienische Vesuv ist bekannt als der Feuerberg, dessen Ausbruch im Jahre 79 n. Chr. die Städte Pompeji und Herculaneum zerstörte und Tausenden von Menschen das Leben kostete. DREI UNTERSCHIEDLICHE ERUPTIONSTYPEN Eine Eruption heute hätte vermutlich noch ganz andere Konsequenzen. Denn mehr als eine Million Menschen leben mittlerweile in enger Nachbarschaft mit dem Vulkan. Besonders explosiv wird die Lage dadurch, dass die Ausbrüche des Vesuv in eine besonders gefährliche Kategorie fallen. Vulkanologen unterscheiden vor allem drei Eruptionstypen. Lavastromausbrüche sind dabei am wenigsten gefährlich. Das in der Magma enthaltene Gas kann relativ leicht auch schon im Erdinneren entweichen, so Donald Bruce Dingwell. Deshalb sind die Eruptionen hauptsächlich nur ein Risiko für Eigentum, das sich im Weg des relativ dünnflüssigen Lavastroms befindet. Sehr viel gefährlicher und dramatischer in ihren Konsequenzen sind die so genannten explosiven Ausbrüche. Dabei stehen Gesteinsschmelzen mit einem hohen Gasanteil hoch oben im Vulkanschlot. Enormer Druck lässt gewaltige Eruptionen sehr plötzlich entstehen. Besonders gefürchtet ist der dritte Typus: der pyroklastische Ausbruch. Dabei entwickelt sich ein Gemisch aus Asche, Staub, Lava und heißem Gestein, das explosionsartig freigesetzt wird. Diese glühende Wolke bewegt sich mit hoher Geschwindigkeit die Hänge des Vulkans hinab. Der Mount St. Helens in den USA etwa sprengte sich 1980 bei einem derartigen Ausbruch selbst in die Luft. Die schlimmsten Eruptionen des Vesuv waren ebenfalls pyroklastische Eruptionen. 65
4 7 Etwa 1200 Grad Celsius misst das Gefäß mit der glühenden Lava. Ein wissenschaftlicher Mitarbeiter vom Department für Geo- und Umweltwissenschaften prüft, bei welcher Temperatur die Probe erkaltet. Darüber hinaus untersuchen die Vulkanologen die chemische Zusammensetzung des Gesteins. Zu explosiven Ausbrüchen kann es unter anderem kommen, wenn Teile des Vulkans kollabieren. Ein weiterer Auslöser ist die Fragmentierung des Magmas, also sein Zerfall in einzelne Bestandteile. Donald Bruce Dingwell konnte zeigen, dass die chemische Zusammensetzung des Materials keine besonders große Rolle spielt, die Porosität des Materials aber entscheidend ist. Wir konnten auch bestimmen, wie viel Überdruck nötig ist, um Magma mit bekannter Porosität fragmentieren zu lassen, so der Forscher. Wie unsere Experimente zeigen, verläuft der Zerfall aber sehr langsam. Im zähflüssigen Magma bildet sich wohl eine bewegliche Schicht, in der die Fragmentierung stattfindet. Moderne Methoden erlauben bereits die Bestimmung der Druckverhältnisse in der Tiefe von Vulkanen. All diese Informationen zusammengenommen könnten Vorhersagen über eine mögliche Fragmentierung des Magmas und damit einer drohenden Explosion erlauben. Dies könnte auch einfließen in Donald Bruce Dingwells Arbeit an einem Frühwarnsystem für die Anwohner des Vesuv und für ganz Neapel. Unterstützt wird dieses Projekt von der italienischen Regierung, der Europäischen Union sowie der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Das ist jedoch nicht das einzige Projekt an seinem Lehrstuhl: Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert seit letztem Jahr das Programm Hochrisikovulkanismus am aktiven Kontinentrand des Sundabogens (SUNDAARC) im Rahmen des Themenschwerpunkts Kontinentränder: Brennpunkte im Nutzungs- und Gefährdungspotenzial der Erde. Der indonesiche Vulkan Krakatau, dessen Ausbruch im Jahre 1883 mehr als Menschen das Leben kostete, ist nur einer der insgesamt sieben Feuerberge, die dabei untersucht werden sollen. Auf diesem Weg sollen bei diesen, aber auch vergleichbaren Vulkanen in anderen Regionen, Ausbrüche besser vorhergesagt werden können. Ziel des Verbundprojektes SUNDAARC ist vor allem die Abschätzung des Gefährdungspotenzials, das von den Vulkanen im javanischen Sundabogen ausgeht. Der mehr als 3000 Kilometer lange Sundabogen im Nordwesten Sumatras markiert die tektonische Grenze zwischen der Sundalandplatte, der Indisch- Australischen Platte und der Burmaplatte und enthält etwa drei Viertel der Vulkane der Region. Von ihnen geht eine latente Bedrohung für weite Landesteile Indonesiens aus, meint der LMU-Forscher. Gerade dort aber befinden sich die großen Ballungsräume. Wie geologisch aktiv die Region ist, zeigte die Tsunami-Katastrophe vom Dezember 2004, bei der mehrere Hunderttausend Menschen ums Leben kamen. Die meterhohe Woge entstand in Folge eines Erdbebens am Meeresboden, wo die Indische Platte, ein Teil der Indo-Australischen Platte, unter die Burmaplatte gezogen wurde. Donald Bruce Dingwell leitet mit einem Team eines der fünf Projekte von SUNDAARC, das allerdings nicht direkt mit den 66
5 3 Die neue Presse in den Räumen des Lehrstuhls für Mineralogie und Petrologie der LMU, mit der das Fließverhalten silikatischer Schmelzen im Vulkan untersucht wird. indonesischen Vulkanen zu tun hat. Unser erstes Ziel ist der mexikanische Vulkan Colima, dessen jüngster Eruptionszyklus seit 1996 andauert, erklärt er. Weitere Arbeiten werden uns zum St. Augustin im zu Alaska gehörenden Aleutenbogen und dem Bezymiany im russischen Kamchatka führen. Die jüngeren Eruptionsprodukte dieser Vulkane werden bereits im Gelände untersucht. Probenmaterial wird dann auch im Labor in Hinsicht auf physikalische und chemische Eigenschaften wie die Bruchdynamik und Viskosität analysiert. Wir wollen ein besseres Verständnis der vulkanischen Prozessdynamik erreichen, sagt er. Das soll uns bei der Quantifizierung des Gefährdungspotenzials der untersuchten Hochrisikovulkane helfen. Die Forschungsergebnisse aus den verschiedenen Teilgebieten sollen sich aber auch auf vergleichbare Vulkantypen übertragen lassen. In Donald Bruce Dingwells Projekt analysiert ein eigens entwickeltes Materialprüfverfahren das Eruptionsverhalten der Vulkane. Weltweit zum ersten Mal setzen wir Untersuchungsmethoden ein, bei denen vulkanische Eruptionsprodukte unter physikalische Bedingungen versetzt werden, die denen in einem Vulkanschlot gleichen, so der Wissenschaftler. Prozesse, die in einem Vulkan in Tausenden von Jahren ablaufen, wie die Magmaentwicklung und Kristallisation, dauern bei uns im Labor nur Monate. Die neuen Methoden wurden in unseren Labors an der LMU entwickelt. Sie erlauben uns ein ganz besonderes Experiment: Vulkanismus im Zeitraffer. Prof. Dr. Donald Bruce Dingwell, Ph. D., übernahm im Jahr 2000 den Lehrstuhl für Mineralogie und Petrologie an der LMU. Seit drei Jahren leitet er zudem das Department für Geo- und Umweltwissenschaften. 67
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