S Ü D W E S T R U N D F U N K F S - I N L A N D R E P O R T MAINZ S E N D U N G:

Transkript

1 Diese Kopie wird nur zur rein persönlichen Information überlassen. Jede Form der Vervielfältigung oder Verwertung bedarf der ausdrücklichen vorherigen Genehmigung des Urhebers by the author S Ü D W E S T R U N D F U N K F S - I N L A N D R E P O R T MAINZ S E N D U N G: Tödliche Krankenhauskeime: Die Bundesländer tricksen, um weiter bei der Hygiene zu sparen Autor: Kamera: Gottlob Schober Andreas Deinert Eduard Sperling Thomas Schäfer Schnitt: Roland Rossner Moderation Fritz Frey: Guten Abend zu REPORT MAINZ. Ob die Sachsenklinik schon mal von sogenannten Krankenhauskeimen heimgesucht wurde? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Was ich aber weiß, ist, dass im wirklichen Leben ca Menschen jährlich sterben, weil sie sich im Krankenhaus eine tödliche Infektion eingefangen haben. Und weil es so ist, hat die Politik den Keimen den Kampf angesagt. Im Sommer wurde das sogenannte Infektionsschutzgesetz auf den Weg gebracht.

2 2 Gottlob Schober hat sich die Umsetzung dieses neuen Gesetzes mal in der Praxis angesehen und ist dabei verzweifelten Patienten begegnet. Bericht: Brigitte Neuhaus hat sich nach einer Hüft-Operation mit einem Krankenhauskeim infiziert. Kein Antibiotikum hat ihr geholfen. Jetzt ist sie pflegebedürftig und hat andauernd Schmerzen. Insgesamt sechsmal wurde die Patientin erfolglos operiert. O-Ton, Brigitte Neuhaus:»Es wäre mein Wunsch, dass man dieses Bein amputiert, von oben an. Ich will keine Prothese mehr in der Hüfte haben, es ist nicht mehr benutzbar.«früher war Brigitte Neuhaus eine erfolgreiche Balletttänzerin. Heute ist sie nur noch verzweifelt O-Ton:»Kein Arzt will das Bein amputieren, es ist viel zu gefährlich, wegen der Staphylokokken, dass es zu einer hohen Infektion kommt auch während der OP oder danach, und dass ich es nicht überlebe.«um die Zahl von Infektionen mit solchen Krankenhauskeimen deutlich zu reduzieren, hat die Bundesregierung im Sommer das sogenannte Infektionsschutzgesetz überarbeitet. Ein wichtiges Ziel: Mehr Krankenhaushygieniker sollen in den Kliniken tätig werden, also Fachärzte mit einer Spezialausbildung. Sie sollen Hygiene-Probleme frühzeitig erkennen und strategisch bekämpfen. Wie wird das Gesetz umgesetzt? An der Universitätsklinik Gießen gibt es jetzt einen Crash-Kurs für angehende Krankenhaushygieniker. Der Unfallchirurg Urs Schiefer ist einer der ersten Teilnehmer. In insgesamt 200 Stunden soll er fit gemacht werden. Den ersten von insgesamt fünf Kursen in der Weiterbildung hat er inzwischen absolviert und auch schon eine Prüfung mit Bravour bestanden.

3 3 O-Ton, Urs Schiefer, angehender Hygienearzt:»Ich bin stolz. Habe eine Note 1,0 gemacht und habe mich sehr darüber gefreut.«neben seinem eigentlichen Job als Unfallchirurg arbeitet er derzeit zwei bis drei Stunden pro Woche im Bereich der Hygiene. Auch sein Chef ist von der Idee des 200-Stunden-Crash-Kurses begeistert. Professor Thomas Eikmann ist davon überzeugt, einen richtungsweisenden Weg einzuschlagen.»wir haben natürlich durch den Kurs, durch die Teilnahme an dem 200-Stunden-Kurs und durch die abschließende Prüfung auch die Garantie, dass wir gut qualifizierte Krankenhaushygieniker dann in die Krankenhäuser entlassen. Ich denke schon, dass diese Qualifikation, diese Zusatzbezeichnung Krankenhaushygiene auch bundesweit durchaus ein gutes Modell sein könnte.«kann das hessische Modell bundesweiten Vorbildcharakter haben? Klaus-Dieter Zastrow sieht das nicht so. Er ist Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene, einer der wichtigsten wissenschaftlichen Fachgesellschaften in Deutschland.»Das hessische Modell ist natürlich kein gutes Modell, weil die 200 Stunden viel zu wenig sind, das reicht überhaupt nicht aus. Das sind Bruchteile, das sind Fragmente von Krankenhaushygiene, die hier zusammengestückelt wurden und dann auch noch inhaltlich nicht ausreichend, also das ist wie Abitur nach der 3. Klasse, das kann man so nicht machen.«

4 4 Fakt ist: Die Anforderungen an Krankenhaushygieniker sind hoch. Das Robert-Koch-Institut hat die notwendigen Qualifikationen und Aufgaben für diese Fachärzte in einer langen Liste genau definiert. Klaus-Dieter Zastrow war selbst lange Jahre Vorsitzender der Kommission beim Robert-Koch-Institut, die diese Kriterien entwickelt hat.»3.500 Stunden sind Minimum für den Krankenhaushygieniker, nur dann ist er in der Lage, sachgerechte Krankenhaushygiene zu betreiben.«kann eine Stunden-Ausbildung durch einen 200-Stunden- Hygiene-Crash-Kurs adäquat ersetzt werden?»es ist sicherlich erst einmal eine abgespeckte Version, aber diese Kompromisslösung würde die Forderungen des Robert-Koch-Instituts sicherlich zunächst einmal erfüllen.«tatsächlich? Auf Anfrage von REPORT MAINZ erklärt das Robert- Koch- Institut: Man wolle nicht, dass die in der Liste geforderten Kenntnisse und Fertigkeiten nur pro forma erfüllt werden.»das ist eine Pro-forma-Lösung, die sehr billig ist, denn mit diesen fünf Kursen kommt man ohne Facharztausbildung zu einer Bezeichnung, die nach Krankenhaushygiene aussieht, aber keine ist.«wie wichtig der flächendeckende Einsatz von Krankenhaushygienikern ist, zeigen Schlagzeilen aus der jüngeren Vergangenheit. Frühchen hatten eine Blutvergiftung, es gab rostiges Operationsbesteck und tödliche Keime. Mit der 200-Stunden-Ausbildung nimmt man in Hessen bewusst eine schlechtere Qualifikation von Krankenhaushygienikern in Kauf.

5 5»Wenn der Kollege, der diese geringergradige Ausbildung hat, dann wenn es kompliziert wird, bei bestimmten Fragestellungen den Facharzt zu Rate zieht, dann ist das überhaupt kein Problem.Also dieses Befragen eines Fachmannes findet in der Regel nicht statt. Es wird ja häufig gar nicht erkannt, dass man ein großes Problem hat. Deswegen kommt es dann ja auch zu größeren Zwischenfällen, dass nicht zwei Leute und drei Leute, sondern zehn, zwanzig, dreißig gleichzeitig erkranken, weil man das Problem nicht erkannt hat.«ob das hessische Modell tatsächlich dazu führt, Schicksale wie das von Brigitte Neuhaus zu verhindern, ist fraglich. O-Ton, Brigitte Neuhaus:»Die Mobilität hätte ich noch, wenn das nicht so versaut worden wäre. Und da habe ich keine Zukunftsträume mehr.«abmoderation Fritz Frey: Sich im Krankenhaus eine Infektion zu holen, das halten fast 70 Prozent der Deutschen für die größte Bedrohung im Gesundheitswesen, so die Ärzte Zeitung in ihrer jüngsten Ausgabe. Vertrauen in die Krankenhausmedizin hört sich anders an.