2.8 KURVENINTEGRALE UND STAMMFUNKTIONEN
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- Rosa Neumann
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1 2.8 KURVENINTEGRALE UND STAMMFUNKTIONEN Im folgenden seien X normierter Vektorraum und Y B-Raum über IK = IR oder IK = CI. Wir wollen in diesem Kapitel für stetige Abbildungen f : X D f B(X; Y ) und stückweise stetig-diff bare Kurven : [α, β] X (α, β IR, α < β), welche in D f verlaufen, d.h. W = { (t) t [α, β] } D f erfüllen, das Kurvenintegral über f längs definieren. (1) BEMERKUNG, DEFINITION: Für stetiges f und stetig-diff bares ist so daß man wegen 2.7 (5) (iii) definieren kann. [α, β] t f((t)) (t) Y stetig, f := β α f((t)) (t) dt Y Ist nur stückweise stetig-diff bar, so wählt man eine beliebige Zerlegung ζ = (t 0,..., t n ) Z[α, β], so daß für ν = 1,..., n jeweils ν := [tν 1,t ν] stetig-diff bar ist, und definiert hiermit f := ν tν t ν 1 f((t)) ν(t)dt. Diese Definition ist aufgrund 2.7 (2) (vi) von ζ unabhängig. Wir bezeichnen jeweils f als Kurvenintegral über f längs der (stückweise) stetig-diff baren Kurve. Rechenregeln für das Kurvenintegral ergeben sich unmittelbar aus entsprechenden Rechenregeln in 2.7. Wir können und wollen hier auf eine ausführliche Darstellung verzichten und beschränken uns auf die Notierung der entsprechenden Integralabschätzung. (2) INTEGRALABSCHÄTZUNG: Mit der Kurvenlänge λ() von gilt f λ() max{ f(x) x W }. 1
2 Für a, b X haben wir die durch : [0, 1] t (1 t) a + t b X definierte stetig-diff bare Kurve als die Strecke ab bezeichnet. Verläuft ab in D f, gilt also [a, b] := {(1 t) a + t b t [0, 1]} D f, so folgt ab 1 Mit 2.7 (9) erhält man unmittelbar 0 ba f((1 t)a + tb) (b a) dt. ab Weiterhin bezeichnen wir für IN n 2 und a 0,..., a n X die durch (t) := (ν t) a ν 1 + (t ν + 1) a ν (t [ν 1, ν]; ν = 1,..., n) definierte, stückweise stetig-diff bare Kurve : [0, n] X als den Polgonzug a 0... a n. (Vgl. auch 2.1 (9) (ii).) Verläuft dieser in D f, so folgt (mit Hilfe von 2.7 (9) ) a 0...a n a ν 1 a ν f. a ν a ν 1 f. a n...a 0 Ist f Ableitung einer Abbildung F, so können wir in Analogie zum Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung 2.7 (4) einen Zusammenhang zwischen dem Kurvenintegral über f und der Abbildung F herstellen. (3) HAUPTSATZ DER DIFFERENTIAL- UND INTEGRALRECHNUNG: Es sei F : X D F Y stetig-diff bar mit F = f. ( D F = D f ). Weiter sei : [α, β] X mit α, β IR, α < β eine stückweise stetig-diff bare Kurve, die in D f von a := (α) nach b := (β) verläuft. Dann gilt F (b) F (a). Insbesondere gilt im Fall a = b, also für eine geschlossene Kurve 0. Der vorstehende Satz kann einmal bei bekanntem F dazu dienen, Kurvenintegrale über die Funktion F auszurechnen. Insbesondere zeigt sich, daß diese in der 2
3 gegebenen Situation nicht explizit von der jeweiligen Kurve abhängen, sondern nur von deren Anfangs- und Endpunkt. Der vorstehende Satz kann zum anderen aber auch bei unbekannter Abbildung F dazu dienen, diese mit Hilfe von Kurvenintegralen auszurechnen. Wir werden uns im folgenden insbesondere mit dem letzten Aspekt befassen. (4) DEFINITION: Es seien X, Y normierte Vektorräume, f : X D f B(X; Y ) und D f D offen. Wir bezeichnen dann jede diff bare Abbildung F : X D Y mit F (x) = f(x) (x D) als Stammfunktion zu f auf D. Ist insbesondere D D, so heißt F Stammfunktion zu f. Wir beschäftigen uns im folgenden mit der Frage nach der Existenz und Eindeutigkeit von Stammfunktionen zu einer gegebenen Funktion f. Die Eindeutigkeitsfrage wird schon in 2.2 (15) beantwortet. (5) BEMERKUNG: Es sei D f D ein Gebiet (d.h. offen und zusammenhängend). Sind dann F j : X D Y (j = 1, 2) Stammfunktionen zu f auf D, so ist F 1 F 2 konstant. (Es genügt hier, daß Y normierter Vektorraum ist!) Eine Antwort auf die Existenzfrage ist komplizierter. Zunächst ein Beispiel einer stetigen Abbildung f, die keine Stammfunktion besitzt. (6) BEISPIEL: Es sei f : IR 2 \ {0} =: D f x = (x 1, x 2 ) 1 x x 2 2 Für die stetig-diff bare Kurve ( x 2, x 1 ) IR 1 2 = B(IR 2 ; IR). (t) := (cos(t), sin(t)) IR 2 (t [0, 2π]) erhält man 2π 0. Folglich besitzt f nach (3) keine Stammfunktion auf D f. 3
4 Andererseits verifiziert man sofort, daß f lokal Stammfunktionen besitzt. So sind jeweils F 1 (x 1, x 2 ) := arctan ( x 2 x 1 ) auf D1 := {(x 1, x 2 ) x 1 0} und F 2 (x 1, x 2 ) := arctan ( x 1 x 2 ) auf D2 := {(x 1, x 2 ) x 2 0} Stammfunktionen zu f. Beispiel (6) zeigt, daß eine Abbildung f : X D f D f B(X; Y ) global d.h. auf keine Stammfunktion zu besitzen braucht, obwohl sie lokal d.h. für jeden Punkt a D f auf einer gewissen Umgebung von a sehr wohl Stammfunktionen besitzt. Die Existenz einer globalen Stammfunktion hängt somit nicht nur von lokalen Eigenschaften von f ab, sondern auch von der topologischen Struktur des Definitionsbereiches D f. Wir behandeln im folgenden die Existenzfrage für einfache Definitionsbereiche D f. Im wesentlichen diskutieren wir hier eine lokale Situation. (7) DEFINITION, BEMERKUNG: Es seien X D offen und a D. (i) D heißt Sterngebiet bzgl. a x D : ax verläuft in D. Ein Sterngebiet bzgl. a ist nach (19) (ii) zusammenhängend, also ein Gebiet. (ii) Man bezeichnet S(a; D) := {x D ax verläuft in D} als Mittag-Leffler-Stern bzgl. a in D. S(a; D) ist offenbar das größtmögliche in D gelegene Sterngebiet bzgl. a. Wir zeigen nun leicht (8) SATZ: Es seien f stetig, a D f und D f ein Sterngebiet bzgl. a. Weiter gelte für alle Punkte b, c D f mit [b, c] D f abca 0. Dann definiert F (x) := ax f (x D f ) eine Stammfunktion zu f. Gemäß (3) ist die Bedingung in (8) auch notwendig für die Existenz einer Stammfunktion. 4
5 Der folgende Satz beinhaltet schließlich eine wichtige, leicht nachprüfbare hinreichende Bedingung für die Existenz einer Stammfunktion. (9) SATZ: Es gelte (i) D f Sterngebiet (bzgl. eines beliebigen a D f ) (ii) f diff bar (iii) x D f : f (x) B 2 (X; Y ) smmetrisch. Dann besitzt f eine Stammfunktion (auf D f ). Aufgrund des Satzes von Schwarz 2.5 (1) ist unter Voraussetzung von (9) (ii) die Bedingung (9) (iii) für die Existenz einer Stammfunktion auch notwendig. (10) BEMERKUNG: Es seien X = IK n und f : IK n D f B(IK n ; Y ) in a diff bar. Dann sind die f ν : IK n D f x f(x)e ν Y für ν = 1,..., n in a diff bar, und es gilt f (a) smmetrisch ν, µ = 1,..., n : µ f ν (a) = ν f µ (a). Ein wichtiger Spezialfall von (9) ist die folgende lokale Version des Cauch schen Integralsatzes. (11) CAUCHY SCHER INTEGRALSATZ: Es seien Y B-Raum über CI, f : CI D f Y (komplex) diff bar und D f Sterngebiet (bzgl. eines Punktes a D f ). Dann gilt für alle Punkte b, c D f und je zwei in D f von b nach c verlaufende stückweise stetig-diff bare Kurven 1, 2 f. 1 2 Insbesondere gilt für jede geschlossene in D f verlaufende stückweise stetig-diff bare Kurve 0. 5
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