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1 Anwaltsblatt Titelstoerer :RZ Magazin Anwaltsmarkt 2030 ein fiktiver Rückblick Als Anwältin liebe ich es, Prozesse zu gewinnen. Auch die internen. DATEV Anwalt classic pro ist jeden Tag ein Gewinn. Denn das Kanzleisystem beschleunigt Ihre internen Prozesse und ist damit die perfekte Basis für Ihren Kanzleierfolg. Natürlich alles in bewährter DATEV-Qualität schon ab 49 Euro monatlich. Mehr Infos unter Tel ipad mini-sonderaktion bis 31. Juli 2013! Alle Infos und Bedingungen unter

2 MN Editorial Vorhang auf: Die Zukunftsstudie Prof. Dr. Wolfgang Ewer, Kiel Rechtsanwalt, Präsident des Deutschen Anwaltverein Die heutige Welt verändert sich rasant und das geht auch an der Anwaltschaft nicht vorbei. Wenn wir die Zukunft des Rechtsdienstleistungsmarkts selbst gestalten wollen, müssen wir wissen, was auf uns zukommt. Im Markt der Rechtsdienstleistungen ist derjenige klar im Vorteil, der frühzeitig Handlungsoptionen für sich und seine Kanzlei erkannt hat. Unsere Mandanten können zu Recht anwaltliche Dienstleistungen auf Spitzenniveau erwarten. Wettbewerbsstrategien haben sich danach auszurichten auch in der Auseinandersetzung mit nichtanwaltlichen Dienstleistungen. Schon jetzt zeichnet sich ab: Die Entwicklung des Marktes wird die Rahmenbedingungen anwaltlicher Tätigkeit verändern. Wir werden es mit unterschiedlichen Treibern zu tun haben. Dazu gehört auch der technologische Fortschritt. Stärker denn je wird sich die Marke Anwalt im Markt behaupten müssen. Wer künftig erfolgreich am Markt agieren will, benötigt nicht nur ein professionelles Kanzleimarketing, sondern auch leistungsfähiges Kanzleimanagement. Damit Anwältinnen und Anwälte ihre eigene, persönliche Zukunftsstrategie finden, benötigen Sie Orientierung. Die Mitglieder in den Anwaltvereinen profitieren dabei von den Erkenntnissen der Zukunftsstudie des Deutschen Anwaltvereins, die die Prognos AG erstellt hat. Zukunftsaufgaben werden herausgearbeitet und dargestellt, Chancen und Risiken aufgezeigt. Ausschlaggebend wird sein, ob und wie es der Anwaltschaft gelingt, stärker unternehmerisch zu denken und zu handeln. Als Partner zur Seite steht den Anwältinnen und Anwälte der Deutsche Anwaltverein. Wir setzen uns dafür ein, dass Sie auch in Zukunft die beruflichen Rahmenbedingungen vorfinden, um im Rechtsdienstleistungsmarkt professionelle anwaltliche Dienstleistungen zu wettbewerbsfähigen Konditionen erfolgreich anbieten zu können. Wirtschaftliche Entwicklung und Innovation gehören für uns selbstverständlich zusammen. Wir wissen, dass die künftigen berufsrechtlichen Rahmenbedingungen sich daran zu orientieren haben. Die Zukunftsdebatte hat begonnen. Vorne weg bei der Bewältigung der Zukunftsaufgaben ist der Deutsche Anwaltverein. Das Anwaltsblatt dokumentiert in dieser Ausgabe die wesentlichen Erkenntnisse und Ergebnisse der Zukunftsstudie. Weitere Beiträge im Aufsatzteil beschäftigen sich mit Zukunftsfragen und im Magazinteil (ab Seite 430) blicken Autoren auf das Jahr 2030, 2013 und zurück auf die erste Zukunftsstudie des DAV Denn gestern wie heute und morgen gilt: Die Anwaltschaft muss sich stets neu erfinden immer wieder. Lassen Sie sich inspirieren! AnwBl 6 / 2013 Mantel M 195

3 Anwaltsblatt Jahrgang 63, 6 / 2013 Im Auftrag des Deutschen Anwaltvereins herausgegeben von der Rechtsanwältin und den Rechtsanwälten: Edith Kindermann Ulrich Schellenberg Herbert P. Schons Prof. Dr. Heinz Josef Willemsen Redaktion: Dr. Nicolas Lührig (Leitung) Udo Henke Manfred Aranowski Rechtsanwälte Aufsätze Magazin Editorial Anwaltszukunft Anwaltsblattgespräch 2030 M 195 Vorhang auf: Die Zukunftsstudie Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolfgang Ewer, Kiel Herausgeber des Anwaltsblatts 384 Der Rechtsdienstleistungsmarkt 2030 das Executive Summary Die Zukunftsstudie des Deutschen Anwaltvereins von der Prognos AG 430 Es ist alles anders gekommen als geglaubt... Ein Zukuntsszenario von Rechtsanwalt Dr. Cord Brügmann, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Anwaltvereins Nachrichten M 198 Passauer Passion Zum Tode von Max Stadler Peter Carstens, Berlin M 200 M 202 M 219 M 224 M 232 Justizstandort Deutschland: Wachstumsmotor Justiz Rechtsanwalt Christian Schwörer, Brüssel Nachrichten Stellenmarkt des Deutschen Anwaltvereins Bücher & Internet Deutsche Anwaltakademie Seminarkalender Schlussplädoyer M 234 Nachgefragt, Comic, Mitglieder-Service 470 Fotonachweis, Impressum 394 Anforderungen an ein modernes Anwaltsrecht Blick ins Jahr 2030 Prof. Dr. Martin Henssler, Köln 401 Der Zivilprozess im Jahre 2030: Ein Prozess ohne Zukunft? Prof. Dr. Hanns Prütting, Köln 406 Zukunft der Konfliktbeilegung: Schlichtung ist Rechtskultur Dr.h.c.RenateJaeger,Schlichterinder Rechtsanwaltschaft, Berlin 409 Richter und Anwälte: Mehr Gemeinsames als Trennendes Marion Eckertz-Höfer, Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts, Leipzig Anwaltspraxis 410 Das Urheberrecht und Geschäftsgeheimnisse im UIG und IFG Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Prof. Dr. Ulrich Ramsauer, Hamburg Report Kanzlei goes business der Blick nach England Dr. Justus von Daniels, Berlin Anwaltsblattgespräch 440 Rechtsberatungsmarkt 2030 Kanzleien werden sich neu erfinden müssen Kai Gramke, Prognos AG, Basel, Schweiz 442 DAV-Zukunftsstudie 1987: Was ist wahr geworden? Interview mit Rechtsanwalt und Notar Wolfgang Schwackenberg, Oldenburg und Rechtsanwalt Felix Busse, Troisdorf Kommentar 444 Ein Anwaltsmarkt in Europa Rechtsanwältin Dr. Claudia Seibel, Frankfurt am Main Anwaltsrecht 420 BSG ordnet Befreiungsrecht von Anwälten aus der Rentenversicherung neu Rechtsanwalt Jan Horn und Diplom-Kaufmann Michael Jung, Berlin Soldan Institut 426 Anwaltsstation und Vergütung Rechtsanwalt Dr. Matthias Kilian, Köln Gastkommentar 445 Zum Gespött NSU-Prozess und das OLG München Annette Ramelsberger, Gerichtsreporterin der Süddeutschen Zeitung Anwälte fragen nach Ethik 446 Wenn Du nicht... dann geht s an die Medien... DAV-Ausschuss Anwaltliche Berufsethik Bücherschau 428 Sozietätsrecht Rechtsanwalt Dr. Matthias Kilian, Köln M 196 AnwBl 6 / 2013 Mantel

4 Anzeige MN Aus der Arbeit des DAV Rechtsprechung 448 Die Zukunftsstudie des DAV: Hintergründe und Fakten 449 AG Arbeitsrecht: Frühjahrstagung 450 AG Verkehrsrecht: 2. DAV-Verkehrsanwaltstag 452 DAV-Stellungnahmen 452 AG Anwältinnen: Anwältinnenkonferenz 453 DAV Büro Brüssel: Eröffnung der neuen Räume 454 Deutsche Anwaltakademie: Nachrichten 454 AG Ausländer- und Asylrecht: 10 Jahre Zeitschrift ANA 455 Amnesty International und DAV: Sri Lanka 456 AG Bau- und Immobilienrecht: Verjüngung der Baurechtstagung 457 DAV Italien: Fünfjähriges Jubiläum in Mailand 457 Anwaltsverein Hannover: Mitgliederwerbung mit Film 458 Personalien: Konrad Redeker 90 / Paul-Werner Beckmann { Haftpflichtfragen 460 Versicherungslösungen bei Auslandsberührung: Vorausdenken ist gefragt Rechtsanwalt Dr. Stefan Riechert, Allianz Versicherungs-AG, München Anwaltsrecht 464 BGH: Fallgewichtung für Fachanwaltstitel zulässig in überprüfbaren Grenzen 466 BGH: Fachanwaltsfortbildung kein Widerruf bei Verstoß gegen Nachweispflicht 467 BSG: Rentenversicherungspflicht I Befreiung nur für konkrete Tätigkeit 468 BSG: Rentenversicherungspflicht II befristete berufsfremde Tätigkeit Anwaltshaftung 468 BGH: Trotz PKH-Antrags Frist zur Berufungsbegründung verlängern Anwaltsvergütung 470 BGH: Sicherung Honorar Keine Drohung mit Mandatsniederlegung Rechtsdienstleistungsgesetz 470 BGH: Mietwagenkosten und Abtretung

5 MN Bericht aus Berlin Passauer Passion Zum Tode von Max Stadler Gesetzgebung Trennbankengesetz Der Rechtsstaat war seine Lebensaufgabe, Bundestag und Justizministerium sein Wirkungsfeld und die FDP seine politische Heimat. Max Stadler, Mitte Mai überraschend gestorben, war ein Parlamentarier aus dem Buche: Kundig, ausdauernd und unabhängig. Einer, der seine Berufserfahrung mit ins Parlament brachte, ein Citoyen, der seine parlamentarische Tätigkeit als Dienst am Ganzen verstand. Der Passauer Politiker verband freiheitlich-besonnene Wesensart mit bayerischem Kolorit. Als Staatsanwalt und Richter, aber auch als Kommunalpolitiker und FDP-Vorsitzender sammelte er in seiner Heimat Einblicke in Abgründe und Höhen des menschlichen Daseins, ehe er 1994 in den Bundestag gewählt wurde. Dort wurden Innen- und Rechtspolitik und bald die Untersuchungsausschüsse Arbeitsfeld des Oppositionspolitikers. Wo im parlamentarischen Idealfall Vertreter der Bürgerinnen und Bürger Handeln und Fehlen der Exekutive ergründen und bewerten, war Stadler eine besondere Erscheinung. Denn er weigerte sich höflich, in den Untersuchungsausschüssen am üblichen parteipolitischen Kampfgetümmel mitzuwirken, zu dem die praktische Ausschussarbeit oft gerät. Während seine Fraktion manchmal gewünscht haben mag, Stadler möge mal den Dreschflegel schwingen, lernten seine Parlamentskollegen links und rechts der FDP ihn als unerbittlich sachlich und erschreckend aktenkundig schätzen. Journalisten, die ihn interviewten, verzweifelten an seiner Ausgewogenheit und mussten feststellen, dass er sich darüber auch noch leise amüsierte. Insbesondere im BND -Untersuchungsausschuss, der zwischen 2006 und 2009 die sicherheitspolitischen Entscheidungen nach den Terroranschlägen von New York und Washington 2001 überprüfte, war Stadler ein präziser, unermüdlicher Frager und Kritiker. Gegen eine nur zögerlich auskunftsbereite große Koalition von SPD und Union verfocht der FDP-Politiker praktisch im Alleingang die These, dass Grund- und Menschenrechte auch und vor allem in Zeiten terroristischer Bedrohung vollständig Achtung verdienen. Stadler machte mit seiner Arbeit deutlich, dass die SPD/Grüne-Regierung im Rahmen der Terrorabwehr zumindest bis an die Grenzen des Vertretbaren, wenn nicht darüber hinaus gegangen war. Etwa im Entführungsfall Khaled al-masri und im Falle des Guantanamo-Häftlings Murat Kurnaz. Die nachfolgende Reform des Parlamentarischen Kontrollgremiums ging wesentlich auf Stadlers Bemühen zurück, weil er auf die Kraft seiner Argumente vertraute und nicht der Polemik. Im Justizministerium war Max Stadler seit 2009 Parlamentarischer Staatssekretär. Mit der Bundesministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger bildete er ein reibungslos zusammenwirkendes Gespann. Während Leutheusser-Schnarrenberger in Berlin und auch in der bayerischen FDP/CSU- Koalition Ton und Takt vorgab, wirkte Stadler diplomatisch, effizient und stets verbindlich hinter den Kulissen. Bei den bevorstehenden politischen Auseinandersetzungen Bundestagswahl und Landtagswahl in Bayern hatte sich die Ministerin ganz auf Stadler verlassen wollen als den Mann, der das Ministerialgeschäft in Gang hält, während die liberale Frontfrau werbend durch Land und Landschaften eilt. Mit Max Stadler hat nicht nur die FDP eine Säule ihrer rechtspolitischen Kompetenz verloren, sondern das Parlament einen besonders klugen, allseits anerkannten Abgeordneten über den man sagen darf: Er war ein feiner Mensch. (H. Prantl) Der Autor Peter Carstens, Berlin ist Parlamentskorrespondent und schreibt im Wechsel mit Prof. Dr. Joachim Jahn, beide von der F.A.Z. Der Bundestag hat am 17. Mai 2013 ein Gesetz zur Abschirmung von Risiken und zur Planung der Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Finanzgruppen beschlossen (Drs. 17/12601, 17/13523). Der DAV äußerte in einer Stellungnahme von April 2013 Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der strafrechtlichen Vorschriften für Banker bei Verletzung von wesentlichen Risikomanagementpflichten. Die in dem Gesetzentwurf größtenteils aus Verwaltungsvorschriften der BaFin übernommenen Formulierungen seien mit dem Bestimmtheitsgebot nicht vereinbar. Das Gesetz tritt zum Teil am Tag nach der Verkündung, im Übrigen am 2. beziehungsweise am 31. Januar 2014 in Kraft. AIFM-Umsetzungsgesetz Am 16. Mai 2013 hat der Bundestag das Gesetz zur Umsetzung der EU-Richtlinie über die Verwalter alternativer Investmentfonds verabschiedet (Drs. 17/13335, 17/12603, März-Heft, AnwBl 2013, M 76). Ein neues Kapitalanlagengesetzbuch wird geschaffen, das bisher geltende Investmentgesetz aufgehoben. Dazu beschloss der Bundestag ein AIFM-Steuer-Anpassungsgesetz. Darin ist unter anderem eine neue offene Investmentkommanditgesellschaft zum Zwecke des Pension Asset Poolings vorgesehen. Der Bundesrat hat sich bereits dagegen ausgesprochen. Unseriöse Geschäftspraktiken Die Stellungnahme des Bundesrats vom 3. Mai 2013 zu dem Regierungsentwurf für ein Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken wurde an die beratenden Ausschüsse des Bundestags überwiesen (Drs. 17/13057, Mai-Heft, AnwBl 2013, M 154). Dem Bundesrat geht der Entwurf nicht weit genug. Unter anderem möchte er den Streitwert für urheberrechtliche Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche ausnahmslos auf 500 Euro absenken. PKH-Begrenzung Das Gesetz zur Änderung des PKH- und Beratungshilferechts hat der Bundestag am 16. Mai 2013 verabschiedet (Drs. 17/11472, 17/13538). Die beschlossene Fassung des Rechtsausschusses entschärft den Regierungsentwurf zum Teil. M 198 AnwBl 6 / 2013 Mantel

6 MN Bericht aus Brüssel Justizstandort Deutschland: Wachstumsmotor Justiz Gesetzgebung Auswertung von Fluggastdaten In Deutschland wird ein zivil- oder handelsrechtliches Gerichtsverfahren im Durchschnitt in weniger als 200 Tagen beigelegt. Damit gehört der Deutsche Prozess zur Spitzengruppe in Europa. Berechenbare, rechtzeitige und vollstreckbare Gerichtsurteile sind insbesondere für Unternehmen und Investoren unverzichtbar. Diese wägen bei ihren Investitionsentscheidungen Risiken, in Handels-, Arbeits- oder Steuerstreitigkeiten oder in Insolvenzverfahren verwickelt zu werden, ab. Ein wirksames und unabhängiges Justizsystem trägt zu Vertrauen und Stabilität bei und steigert die Attraktivität eines Mitgliedstaates als Investitions- und Unternehmensstandort. Mit diesem Fazit stellte die EU-Kommission im Frühjahr 2013 das sogenannte Justizbarometer vor und betonte dabei, dass Justizreformen in den Mitgliedstaaten ein wichtiger Baustein unserer Wirtschaftsstrategie in der EU sein müssen. Dieses neue Barometer wurde vergangenes Jahr im Zuge der Diskussion um die Rechtsstaatlichkeit mit Ungarn und Rumänien in Auftrag gegeben und sollte die Arbeitsweise der Justizsysteme aller Mitgliedstaaten untersuchen. Verglichen wurden unter anderem die Länge der Gerichtsverfahren, die Verfahrensabschlussquote, die Anzahl der anhängigen Verfahren, der Einsatz von alternativen Streitbeilegungsverfahren, das Fortbildungsangebot für Richter, der Einsatz von modernen Informations- und Kommunikationstechnologien und die Unabhängigkeit der Justiz in den EU-Mitgliedsstasten. Deutschland liegt neben der Kategorie Verfahrensdauer auch in den anderen Bereichen überwiegend in der vorderen Hälfte. Hervorzuheben ist dabei sein gutes Abschneiden bei der Wahrnehmung der Unabhängigkeit der Justiz, in einem Vergleich unter 144 Ländern weltweit belegt es den 7. Rang. Dennoch gibt es auch in Deutschland Verbesserungsbedarf. Bei der Anzahl der anhängigen verwaltungsrechtlichen Verfahren je 100 Einwohner belegt Deutschland den vorletzten Platz. Bezüglich des Einsatzes moderner elektronischer Technologien etwa bei der Bearbeitung geringfügiger Forderungen oder der Eintreibung unstreitiger Schulden ist Deutschland bislang zurückhaltend. Auch bezüglich der Fortbildungspflicht für Richter rangiert es im europäischen Vergleich auf den unteren Plätzen, in einigen anderen EU-Ländern sind deutlich mehr Fortbildungen für Richter verpflichtend. Die Ergebnisse sind aufgrund der unterschiedlichen Justizsysteme allerdings nur bedingt vergleichbar. Somit bleibt letztlich offen, ob Faktoren wie die Untätigkeitsklage oder der Wegfall des Widerspruchsverfahrens in Deutschland Einfluss auf die Ergebnisse genommen haben. Die EU-Kommission will das Barometer daher auch nicht als Ranking verstehen. Der neue Justizindex soll vielmehr als Frühwarnsystem dienen und die EU und die Mitgliedstaaten in ihren Bemühungen um eine leistungsfähigere Justiz im Dienste der europäischen Bürger und Unternehmen unterstützen. Erfasst werden sollen die Auswertungen daher in den länderspezifischen Analysen und könnten dort zu Empfehlungen führen. Am 21./22. November 2013 will die Kommission zudem eine Konferenz über die Rolle der Justiz in der EU ausrichten, an der auch Vertreter der Anwaltschaft teilnehmen sollen. Der Autor Christian Schwörer, Brüssel ist Rechtsanwalt und Referent im Brüsseler Büro des Deutschen Anwaltvereins. Nach langer Hängepartie überwiegen im EU-Parlament im federführenden Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) Bedenken gegen die Auswertung von Fluggastdaten (Passenger Name Record PNR) in der EU. Entsprechend lehnte der Ausschuss in einer Abstimmung Ende April 2013 den Kommissionsvorschlag KOM(2011) 32 für eine Richtlinie über die Verwendung von Fluggastdatensätzen zu Zwecken der Verhütung, Aufdeckung, Aufklärung und strafrechtlichen Verfolgung von terroristischen Straftaten und schwerer Kriminalität ab. Mit einer knappen Mehrheit von 30 zu 25 Stimmen entschieden die Parlamentarier gegen den umstrittenen Vorschlag der Kommission, dass persönliche Daten von Fluggästen, welche beim Reisen in oder aus der EU von Flugunternehmen gesammelt werden, an Strafverfolgungsbehörden weitergegeben werden könnten. Während teilweise Besorgnis im Hinblick auf die europäische Anti-Terror Politik geäußert wurde, begrüßten viele Parlamentarier die Abstimmung als Erfolg für den Rechtsstaat und die Grundrechte in Europa. Die Konferenz der Präsidenten der Fraktionsvorsitzenden wird entscheiden, ob es noch eine Abstimmung im Plenum des EU-Parlamentes geben wird. Neue Zivilverfahren in der EU Der Rat verabschiedete am 22. April 2013 die mit dem Parlament erzielten Kompromisse zu dem Richtlinienvorschlag KOM(2011) 793 über die alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten (ADR) sowie den Verordnungsvorschlag KOM(2011) 794 über die Online-Streitbeilegung (ODR). Die ADR-Richtlinie findet bei vertraglichen Streitigkeiten zwischen einem EU-Verbraucher und einem in der EU niedergelassenen Unternehmer Anwendung, nicht jedoch bei Streitigkeiten zwischen Unternehmern sowie bei Forderungen von Unternehmern gegenüber Verbrauchern. Die umstrittene Frage nach den Informationspflichten wurde gelöst, indem es grundsätzlich dem Unternehmer obliegt über die Anwendbarkeit des ADR/ ODR-Verfahrens zu informieren und unter Umständen die zuständige Stelle zu benennen. Die Dauer des ADR-Verfahrens soll in der Regel maximal 90 Tage betragen. M 200 AnwBl 6 / 2013 Mantel

7 MN Nachrichten Anwaltsvergütung Bundestag beschließt RVG-Erhöhung blockt jetzt der Bundesrat? Das nächste Etappenziel ist erreicht: Der Bundestag hat am 16. Mai 2013 das 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz sowie das Gesetz zur Änderung des Prozesskosten- und Beratungshilferechts in zweiter und dritter Lesung verabschiedet. Dabei wurden noch einige vom Deutschen Anwaltverein und der Bundesrechtsanwaltskammer in ihren gemeinsamen Stellungnahmen geäußerte Kritikpunkte berücksichtigt. So ist der Bundestag der zentralen Forderung der Anwaltschaft nachgekommen und hat durch eine weitere Anhebung der Wertgebühren die durch Änderungen in der Tabellenstruktur in einigen Bereichen verursachte Absenkung der Vergütung wieder ausgeglichen. Es ist die erste Erhöhung der Tabelle seit Der Deutsche Anwaltverein hatte eine RVG-Anpassung seit 2008 gefordert. Das Gesamtanpassungsvolumen der Anwaltsgebühren wird nun mit rund 14 Prozent beziffert. Allerdings wurde auch bei den Gerichtsgebühren nochmal ordentlich drauf gelegt. Bei der Änderung des Prozesskosten- und Beratungshilferechts wurden zahlreiche Einschränkungen, die im Regierungsentwurf noch vorgesehen waren, gestrichen. Wie geht es nun weiter? Das 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz soll am 1. Juli 2013 in Kraft treten, die Regelungen zur Prozesskosten- und Beratungshilfe am 1. Januar Allerdings müssen beide Gesetze noch den Bundesrat passieren. Und hier ist das letzte Wort möglicherweise noch nicht gesprochen. Die Bundesjustizministerin spricht von einem sozial ausgewogenen Ergebnis. Im Umfeld des Bundestages heißt es, dass die von den Ländern geforderte radikale Beschneidung der Prozesskosten- und Beratungshilfe nicht vorgenommen wurde und die höheren Ausgaben durch eine Anpassung der Gerichtsgebühren kompensiert worden seien. Ob die Länder das genauso sehen, bleibt abzuwarten. Voraussichtlich am 7. Juni 2013 wird im Bundesrat abgerechnet dann weiß man, ob der Vermittlungsausschuss noch angerufen wird. Institut für Anwaltsrecht Köln 25 Jahre Institut für Anwaltsrecht: Feier mit Symposium Das Jahr 2013 steht für das Institut für Anwaltsrecht an der Universität zu Köln im Zeichen von drei Jubiläen: Das Institut für Anwaltsrecht, das älteste und traditionsreichste Institut seiner Art in Deutschland, wird ein Vierteljahrhundert alt. Die Direktoren des Instituts, Hanns Prütting und Martin Henssler, die beide fast ebenso lang das Institut leiten, begehen 2013 ihren 65. beziehungsweise 60. Geburtstag. Aus diesem Anlass veranstaltet das Institut für Anwaltsrecht am Freitag, den 21. Juni 2013 ein anwaltsrechtliches Symposion mit den folgenden Vorträgen: 9 Rechtsanwalt Manfred Wissmann, Vorsitzender der Hans Soldan Stiftung: 65 Jahre Prof. Hanns Prütting 60 Jahre Prof. Martin Henssler 25 Jahre Institut für Anwaltsrecht 9 Prof. Dr. Martin Henssler: Interessenkonflikte der Dauerbrenner des Berufsrechts: Aktuelle Probleme und Entwicklungen 9 Prof. Dr. Hanns Prütting: Die Unabhängigkeit als konstitutives Merkmal der rechtsberatenden Berufe 9 Rechtsanwalt Dr. Matthias Kilian: Berufsethische Regeln für die Anwaltschaft? Gedanken zu einer falsch akzentuierten Diskussion 9 Rechtsanwalt Prof. Dr. Bernd Hirtz: 25 Jahre Institut für Anwaltsrecht in Köln: Anlass für einen Blick auf die Entwicklung des Sozietätsrechts in den letzten 25 Jahren Das Symposion findet von bis Uhr im Neuen Senatssaal, Hauptgebäude der Universität, statt. Die Teilnahme am Symposion ist kostenlos und ohne Anmeldung möglich. Im Anschluss bittet der Verein zur Förderung des Instituts für Anwaltsrecht zu einem Umtrunk im Dozentencafé. Nähere Informationen zu den einzelnen Veranstaltungen: oder unter Tel. 0221/ Assessorin Sabrina Reckin, DAV, Berlin M 202 AnwBl 6 / 2013 Mantel

8 MN Nachrichten Leserreaktion» Die Beweisgebühr als Placebo Zu dem Beitrag Das große Warten was Kostenrechtsmodernisierung für Anwälte bedeutet von Rechtsanwalt und Notar Herbert P. Schons im Mai-Heft des Anwaltsblatts (AnwBl 2013, 314): Hurra,dakommtsiewieder,dieBeweisgebühr! Eine sagenhafte Erhöhung um 0,3 bei mindestens drei umfangreichen Beweisaufnahmeterminen. Hat sich eigentlich irgendjemand Gedanken darüber gemacht, welchen minimalen Prozentsatz aller bundesweit geführten Prozesse dies betrifft? Sicherlich nicht. Aber wir finanzieren munter weiter hochbezahlte Staatsbedienstete, die sich über einen derartigen Unsinn den Kopf zerbrechen. Jeder römische Jurist würde den Dilettantismus unserer Gesetzgebung nur verächtlich belächeln. Rechtsanwalt Dr. Bernhard Beneke, Rastatt Antwort des Autors: Seien Sie versichert, dass sich die Mitglieder des Ausschusses RVG und Gerichtskosten sowohl beim Deutschen Anwaltverein (DAV) als auch bei der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) sehr viel Gedanken über die Gestaltung der Beweisaufnahmegebühr gemacht haben und Ihre Bedenken nicht nur teilen, sondern auch nachhaltig zum Ausdruck gebracht haben. Persönlich habe ich den Gesetzesvorschlag zunächst in der mir eigenen Art als Mogelpackung bezeichnet, vor die Wahl gestellt dies oder nichts war es aber nicht zu vertreten, auf den ersten kleinen Schritt gänzlich zu verzichten! Rechtsanwalt und Notar Herbert P. Schons, Duisburg Anwaltsblatt Spätes Juli-Heft Das Juli-Heft wird ausführlich über den Anwaltstag im Juni berichten. Daher wird das Heft nicht wie üblich zum Monatsanfang, sondern erst ab der zweiten Juli-Woche ausgeliefert werden. Leserreaktion» Abfindungsvergleich generell problematisch Zu dem Beitrag Risiken beim Abfindungsvergleich mit der gegnerischen Haftpflichtversicherung von Rechtsanwalt Michael Schwaiger im Mai-Heft des Anwaltsblatts (AnwBl 2013, 372): Der instruktive Aufsatz wirft ein weiteres praktisches Problem auf: Ein Feststellungantrag ist zulässig, wenn die Möglichkeit eines Schadenseintritts besteht. Das Feststellungsinteresse ist nur dann zu verneinen, wenn ausdersichtdesgeschädigtenbei verständiger Würdigung kein Grund besteht, mit dem Eintritt eines Schadens wenigstens zu rechnen. Begründet ist der Feststellungsantrag, wenn die sachlichen und rechtlichen Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs vorliegen. Es kommt noch nicht einmal darauf an, ob eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts zu verlangen ist (dazu BGH Beschl. v VI ZR 133/06). Angesichts dieser Rechtsprechung erscheint ein anwaltlicher Rat zu einem Abfindungsvergleich wie er von Versicherern gerne gesehen wird (also mit Generalquittung) generell problematisch. Rechtsanwalt Dr. Marc Mewes, Hamburg Magdeburger Anwaltverein 12. Landesanwaltstag Sachsen-Anhalt Den 12. Landesanwaltstag Sachsen- Anhalt richtet am 30. und der Magdeburger Anwaltverein in der Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts aus. Geplant ist wieder eine vielfältige, kommunikative Veranstaltung, bei der Fortbildung und kollegialer Austausch im Vordergrund stehen werden. Für die Bereiche Arbeitsrecht, Arzthaftungsrecht, Familienrecht, Gebührenrecht, Internetrecht, Sozialrecht, Straf- und OWi-Recht, Verkehrsrecht und Verwaltungsrecht wurden namhafte Referenten gewonnen. Bei der Themenauswahl wurde Wert auf die Eignung nach 15FAOgelegt.Erstmalswirdeine Zentralveranstaltung stattfinden. Auskünfte und Anmeldungen: Magdeburger Anwaltverein, Halberstädter Str.8, Magdeburg; Tel./ Fax: 0391/ , Anwaltsrecht BGH-Richter betont Unabhängigkeit von Syndikusanwälten Auf der ZIP-Jahrestagung zum Gesellschaftsrecht 2013 am 19. April 2013 in Köln referierte der stellvertretende Vorsitzendende des II. Zivilsenats des BGH Dr. Lutz Strohn zum Verschulden bei der Organhaftung. Bei der Behandlung der strengen Anforderungen an einen haftungsausschließenden unverschuldeten Rechtsirrtum führte er zur Voraussetzung der unabhängigen Beratung von Vorstand oder Geschäftsführung aus, dass diese auch durch die Rechtsabteilung des eigenen Unternehmens erfolgt sein könne. Strohn wies darauf hin, dass deren Mitarbeiter bereits aufgrund ihres Arbeitsvertrages zu einer objektiven Beratung verpflichtet seien. Besonders hob er die Unabhängigkeit von Syndikusanwälten hervor, die allein schon im Hinblick auf ihre Zulassung zur Rechtsanwaltschaft und somit Unterwerfung unter das Berufsrecht das Merkmal der Unabhängigkeit erfüllten. Strohn stellte dazu ausdrücklich klar, dass er hier eine Bindungswirkung durch die abweichende jüngste Rechtsprechung des EuGH nicht sehe. Mit dieser dezidiert vorgetragenen Position ist zum einen für das Kerngeschäft des Syndikusanwalts nämlich der Beratung der Organe im Zusammenhang mit der Ausübung der Business Judgement Rule bei unternehmerischen Entscheidungen ( 93 Abs. 1 S.2 AktG) eine wichtige Marke gesetzt. Zum anderen hat sich eine für die Unternehmenspraxis maßgebliche Stimme der Meinung angeschlossen, die dem Syndikusanwalt seine Unabhängigkeit attestiert. Der für das Gesellschaftsrecht zuständige II. Zivilsenat des BGH scheint offenbar moderner zu denken als der Anwaltssenat des BGH, indem er die Doppelberufstheorie nicht vertritt. Rechtsanwalt Dr. Siegfried Schwung, Waldenbuch (Chefsyndikus Kuka Aktiengesellschaft, Augsburg) Das Anwaltsblatt hat sich mehrfach mit der Stellung des Syndikusanwalts beschäftigt, siehe zuletzt Prütting (AnwBl 2013, 78), Kleine-Cosack (AnwBl 2012, 947), Offermann-Burckart (AnwBl 2012, 778) und Rethorn (AnwBl 2012, 426). M 204 AnwBl 6 / 2013 Mantel

9 MN Aufsätze 384 Der Rechtsdienstleistungsmarkt 2030 die Zukunftsstudie des DAV Prognos AG (Kai Gramke, Dr. Iris Pfeiffer, Dr. Reinhard Schüssler, Karin Schulze und Ulf Glöckner) Wie wird sich der Anwaltsmarkt ändern? Antworten gibt die Zukunftsstudie des Deutschen Anwaltvereins. Sie wird auf dem 64. Deutschen Anwaltstag am 7. Juni 2013 vorgestellt. Anwaltsblatt-Leser finden in diesem Heft parallel zum Anwaltstag exklusiv das Executive Summary der Studie der Prognos AG. 394 Anforderungen an ein modernes Anwaltsrecht Blick ins Jahr 2030 Prof. Dr. Martin Henssler, Köln Bei allem Wandel bis 2030: Anwälte werden weiterhin auf einem regulierten Markt tätig sein. Wie das deutsche Anwaltsrecht vor allem auf die Dynamik des Berufsrechts in England reagieren sollte, analysiert der Autor. Sein Fazit: Nicht alles muss neu werden, aber es gibt überfällige Reformen. 401 Der Zivilprozess im Jahre 2030: Ein Prozess ohne Zukunft? Prof. Dr. Hanns Prütting, Köln Anwälte und Richter bieten das Produkt des klassischen Zivilprozesses an. Doch scheint er dem europäischen wie nationalen Gesetzgeber vielfach nicht mehr zeitgemäß. Der Autor wagt eine Prognose: Wie könnte sich der Zivilprozess bis 2030 wandeln? Chancen und Risiken liegen eng beieinander. 406 Zukunft der Konfliktbeilegung: Schlichtung ist Rechtskultur Dr. h.c. Renate Jaeger, Schlichterin der Rechtsanwaltschaft, Berlin Der klassische Prozess kommt auch durch die Erfolge der Schlichtungsstellen unter Rechtfertigungsdruck. Die Schlichterin der Rechtsanwaltschaft seit 2011 im Amt und zuvor 42 Jahre Richterin wirbt für eine Stärkung der Schlichtungsstellen. Sie sollten aber an Recht und Gesetz gebunden werden.

10 MN Anwaltszukunft Anwaltszukunft Der Rechtsdienstleistungsmarkt 2030 das Executive Summary Eine Zukunftsstudie für die deutsche Anwaltschaft im Auftrag des Deutschen Anwaltvereins * Es ist eines der großen Projekte des Deutschen Anwaltvereins (DAV), das auf dem 64. Deutschen Anwaltstag am 7. Juni 2013 vorgestellt wird: Die Zukunftsstudie für die deutsche Anwaltschaft zum Rechtsdienstleistungsmarkt Der Deutsche Anwaltverein will Anwältinnen und Anwälte in allen Marktsegmenten dafür sensibilisieren, wie sich die Rahmenbedingungen ihrer Berufsausübung in den nächsten zwei Jahrzehnten ändern könnten. Es ist die zweite von der Prognos AG für den DAV erstellte Zukunftsstudie. Während die Zukunftsstudie von 1987 Inanspruchnahme anwaltlicher Leistungen hieß, wird jetzt im Titel vom Rechtsdienstleistungsmarkt gesprochen. Das bedeutet, dass sich nicht nur wie 1987 prognostiziert die Leistung des Anwalts zur Dienstleistung gewandelt hat, sondern wenn die Zukunftsforscher recht behalten die Anwaltschaft 2030 ein (allerdings großer und einflussreicher) Teil des Marktes der Rechtsdienstleistungen sein wird. Das Anwaltsblatt veröffentlicht das vollständige Executive Summary der Zukunftsstudie. Für die Teil-Veröffentlichung ist lediglich die Gliederung angepasst worden. Welche Auswirkungen haben wirtschaftliche, demografische, gesellschaftliche und technologische Entwicklungen auf den Rechtsdienstleistungsmarkt in den nächsten 20 Jahren? Wie sind die Anwaltskanzleien heute aufgestellt und können sie ausgehend vom heutigen Status quo auch in Zukunft erfolgreich am Markt agieren? Das Forschungsprojekt Rechtsdienstleistungsmarkt 2030 der Prognos AG im Auftrag des DAV hat sich mit diesen Fragestellungen befasst. Im Rahmen der Studie wurden ausführliche Fachgespräche und Workshops durchgeführt. Zudem wurden über Kanzleiinhaber und -inhaberinnen beziehungsweise Partner und Partnerinnen zu ihrem Kanzleimanagement befragt sowie bestehende Untersuchungsergebnisse und Literatur einbezogen. Im Folgenden werden die zentralen Studienergebnisse zusammenfassend dargestellt. Partnerinnen von Boutiquen und gewerblich orientierten Kanzleien verzeichneten in den letzten Jahren Umsatzsteigerungen und bewerten ihre Ertragslage als (sehr) gut. Immer mehr Kanzleien sind gegründet worden in den letzten zehn Jahren; mittlerweile existieren über Anwaltskanzleien in Deutschland. 1 Dadurch hat sich der Wettbewerb innerhalb der Anwaltschaft deutlich verschärft. Vor allem in Ballungsgebieten ist die Anwaltschaft gemessen an den Zulassungen pro Rechtsanwaltskammer stark angewachsen. Zusätzlicher Wettbewerbsdruck entsteht für einzelne Kanzleien durch die zunehmende Zahl nicht anwaltlicher Anbieter, die im Zuge des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) beschränkten Zugang zum Feld der außergerichtlichen Rechtsdienstleistung erhalten haben. Vor allem im Bereich der Unfallregulierung treten zum Beispiel Autohändler, Werkstattbetreiber, Sachverständige und Mietwagenunternehmen als Konkurrenz zur Anwaltschaft auf. Aber auch Versicherungen sowie Banken und sonstige Finanzberatungen werden verstärkt als Wettbewerber um Beratungsmandate wahrgenommen. Zwar ist der Markt für Rechtsdienstleistungen insgesamt größer geworden, parallel dazu hat sich aber der Wettbewerb intensiviert. Unter den skizzierten Konkurrenzbedingungen wird die gezielte Platzierung und Sichtbarkeit der eigenen Kanzlei nach außen auf Basis geeigneter Wettbewerbsstrategien und Marketingmaßnahmen wichtiger denn je. Wie strategisch positionieren sich folglich Kanzleien im Wettbewerb um Rechtsdienstleistungsmandate? Wie organisieren Kanzleien die internen Abläufe? Und welche Rolle spielt Personalmanagement angesichts der hohen Bedeutung von Human Resources in wissensintensiven Branchen? 2. Kanzleimanagement in der Praxis Die Kanzleien am Rechtsdienstleistungsmarkt zeichnen sich bei der Kanzleigröße und Kanzleiausrichtung durch eine große Heterogenität aus (unter anderem Fachgebiet/e, Mandantschaft und geografisches Einzugsgebiet). Unter den Kanzleien befinden sich hochspezialisierte Boutiquen, große internationale Sozietäten sowie zahlreiche Einzelanwälte und kleine Kanzleien. Der Anteil an Kleinstunternehmen mit bis zu elf Beschäftigten im Rechtsdienstleistungsmarkt fällt im Vergleich zur deutschen Wirtschaft insgesamt wesentlich höher aus. Im internationalen Vergleich der Rechtsdienstleistungsbranche zeigen Studien ähnliche Unternehmensbeziehungsweise Kanzleigrößen. So dominieren in der Rechtsdienstleistung in Dänemark, Schweiz, Großbritannien und USA ebenso Kleinst- und Kleinunternehmen. 1. Die Ausgangslage im Rechtsdienstleistungsmarkt Im Vergleich zu anderen Branchen ist der Rechtsdienstleistungsmarkt relativ konjunktur- und saisonunabhängig. Die internationale Wirtschafts- und Finanzkrise hatte bislang kaum Auswirkungen auf die Gesamtnachfrage nach Rechtsdienstleistungen in Deutschland und erfreut sich gemessen am Umsatz einer guten wirtschaftlichen Entwicklung. Profitieren konnten vor allem die Fachgebiete Informationstechnologierecht, Bank- und Kapitalmarktrecht, Urheberund Medienrecht sowie Sozial-, Agrar- und Steuerrecht. Insbesondere Inhaber und Inhaberinnen sowie Partner und * Der Rechtsdienstleistungsmarkt 2030 Eine Zukunftsstudie für die deutsche Anwaltschaft lautet der offizielle Titel der wissenschaftlichen Studie, die der Deutsche Anwaltverein in Auftrag gegeben hat und die am 7. Juni 2013 auf dem 64. Deutschen Anwaltstag in Düsseldorf vorgestellt wird. Die Studie ist von der Prognos AG (Ansprechpartner: Kai Gramke und Dr. Iris Pfeiffer, Mitarbeit: Dr. Reinhard Schüssler, Katrin Schulze und Ulf Glöckner) erstellt worden. Die 1959 gegründete Prognos AG berät europaweit Entscheidungsträger in Wirtschaft und Politik. Auf Basis neutraler Analysen und fundierter Prognosen werden praxishahe Entscheidungsgrundlagen und Zukunftsstrategien für Unternehmen, öffentliche Auftraggeber und internationale Organisationen entwickelt. Der Hauptsitz der Prognos AG ist in Basel. 1 Anwaltskanzleien umfassen hier Rechtsanwaltskanzlei mit Notariat, Rechtsanwaltskanzlei ohne Notariat, Notariat. 384 AnwBl 6 / 2013 Der Rechtsdienstleistungsmarkt 2030 das Executive Summary

11 MN Anwaltszukunft Abbildung 1: Entwicklung der Anzahl der Rechtsanwaltszulassungen, nach Rechtsanwaltskammergebieten Quelle: Bundesrechtsanwaltskammer, eigene Berechnung und Darstellung von Prognos AG Wettbewerbsstrategien Die Befragung zeigt: Eine hohe Anzahl an Kanzleien verfolgt keine expliziten Wettbewerbsstrategien, um sich am Markt erfolgreich zu positionieren. Unter den proaktiven Kanzleien stellt die fachliche Spezialisierung die wichtigste Strategie dar. Immerhin die Hälfte der Kanzleiinhaberinnen und -inhaber verweist auf eine fachliche Spezialisierung der eigenen Kanzlei. Für die Mehrheit der Mandanten gilt eine Spezialisierung der Kanzlei als Qualitätsmerkmal und ist Ausdruck von Kompetenz. Dies belegt die wachsende Zahl an Fachanwälten und Fachanwaltstiteln. Zweite zentrale Wettbewerbsstrategie ist die Fokussierung auf ausgewählte Mandantensegmente, die mit wachsender Kanzleigröße zunimmt. Boutiquen, mittelgroße Kanzleien (mit mehr als elf Berufsträgern) und international tätige Großkanzleien verfolgen am häufigsten diese Spezialisierungsstrategie. Kleine Kanzleien und Einzelanwälte hingegen verfügen zumeist nur selten über Spezialisierungen im Bereich der vertretenen Fachgebiete und Mandanten. Proaktive Strategien wie die aktive Definition und Profilierung von Geschäftsfeldern, die Bereitstellung flankierender Dienstleistungen oder die Entwicklung neuer juristischer Produkte und Dienstleistungen werden fast ausschließlich von Großkanzleien verfolgt. Insgesamt zeigt sich ein geringes Ausmaß aktiver Strategieplanung quer durch alle Kanzleitypen. Aufsätze Aus der Forschung ist bekannt, dass im Vergleich zu großen Unternehmen, die aufgrund ihres Organisationsgrads, der ausdifferenzierten Arbeitsteilung und der Ressourcenverfügbarkeit zumeist ein professionelles und strategisches Management besitzen, kleine und mittlere Unternehmen mit ihren knappen zeitlichen und finanziellen Ressourcen vielfach ohne Gesamtstrategie am Markt agieren und vor allem in Fragen der Unternehmensführung auf Maßnahmen zurückgreifen, die wenig Kosten und geringen Zeitaufwand verursachen. Dies spiegelt sich auch unter Kanzleien im Rechtsdienstleistungsmarkt und in ihrem Vorgehen beim Kanzleimanagement wider. 2 Im Folgenden werden die Ergebnisse der Befragung der Anwaltschaft dargestellt, die die Prognos AG für den DAV durchgeführt hat. 2.2 Kanzleimarketing und Mandantenakquisition Marketing und Akquisition im Bereich der Rechtsdienstleistung und -vertretung sind an spezifische berufsrechtliche Voraussetzungen gebunden und erfordern daher auch spezifische Strategien. Kanzleiinhaber und -inhaberinnen stehen vor der Herausforderung, das Angebotsspektrum der eigenen Kanzlei und auch die Qualität der eigenen Arbeit mit geeigneten Marketingstrategien unter Einhaltung der Bestimmungen des anwaltlichen Werberechts (UWG und 43 b BRAO) an (potenzielle) Mandanten zu vermitteln. Dies wird 2 Kanzleimanagement umfasst hier die Bereiche Wettbewerbsstrategien, Kanzleimarketing und Mandantenakquise, Kanzleiorganisation und IT-Einsatz sowie Personalmanagement. Der Rechtsdienstleistungsmarkt 2030 das Executive Summary AnwBl 6 /

12 MN Anwaltszukunft durch mehrere Faktoren erschwert: Die Einzigartigkeit von Fall- oder Mandatskonstellationen lässt für Mandanten kaum Rückschlüsse auf die zu erwartende Qualität für die eigene Beratung zu, und es existieren keine unabhängigen Produkttests und Anbietervergleiche, zum Beispiel von Stiftung Warentest, zur Orientierung am Markt. In den letzten Jahren neu entwickelt haben sich Internetportale, auf denen die Leistungen von Kanzleien einer Bewertung durch (ehemalige) Mandanten unterzogen werden, wie etwa auf den Portalen anwalt.de und anwaltvergleich24.de. Die Bewertungen unterliegen zwar einer subjektiven Betrachtung, dennoch sind für Verbraucher zumindest indirekt Rückschlüsse auf die zukünftig zu erwartende Qualität möglich. Die überwiegende Mehrheit der Kanzleien nutzt eine breit gestreute, nicht fokussierte Mandantenansprache: Instrumente sind die eigene Homepage und/oder Einträge in Verzeichnisse und Auskunftsdienste, zum Beispiel die Deutsche Anwaltauskunft. Auch Maßnahmen zur Erschließung von Zielgruppen auf Mandantenseite werden genutzt. Der Besuch von Veranstaltungen und Kongressen mit dem Ziel des Networkings sowie die Durchführung von Seminaren und Vorträgen sind wesentliche Instrumente in diesem Bereich. Je größer und umsatzstärker eine Kanzlei ist, je größer das Einzugsgebiet der Kanzlei verläuft und je mehr gewerbliche Unternehmen im Durchschnitt als Mandanten betreut werden, desto häufiger gehen Kanzleien im Marketing und in der Kundenakquisition strategisch vor. Die Gruppe der Einzelanwälte ist im Durchschnitt am inaktivsten, was Marketing- und Akquisitionsmaßnahmen betrifft. Insgesamt fällt das genutzte Potenzial an Maßnahmen zum Kanzleimarketing und zur Mandantenakquisition gering aus. Weniger als zehn Prozent der befragten Kanzleien geben an, zukünftig stärker in diesen Bereichen aktiv werden zu wollen. 2.3 Kanzleiorganisation Mandantenzufriedenheit und -reputation hängt nicht nur von dem Ausgang des Mandats ab, sondern nach bisherigen Erkenntnissen auch wesentlich vom Umgang der Kanzlei und des Kanzleipersonals mit dem Mandanten. Die Erwartungshaltung der Mandanten ist nach Aussagen von Experten und Kanzleiinhabern in allen Mandantensegmenten angestiegen. Professionelles Mandantenmanagement ist folglich unerlässlich. Die vorliegenden Erkenntnisse lassen hier noch deutliche Potenziale erkennen. Instrumente und Maßnahmen, die eine professionelle Aufstellung der Kanzleiorganisation erkennen lassen, werden bislang noch wenig eingesetzt. Instrumente zur internen Kanzleiorganisation werden dabei umso häufiger eingesetzt, je umsatzstärker und größer Kanzleien sind: Der Bedarf an Professionalisierung der Kanzleistrukturen steigt mit wachsender Mitarbeiterzahl. So nimmt die Dokumentation von Arbeitsabläufen mit steigendem Umsatz und wachsender Kanzleigröße zu. Kontrollmechanismen zur Einhaltung der festgelegten Maßnahmen nutzen zu einem hohen Anteil nur Großkanzleien, bei kleinen Kanzleien (zwei bis elf Berufsträger) sind es weniger als ein Drittel. In kleinen und mittleren Unternehmen ist die Organisation der Arbeitsprozesse häufig von geringer Institutionalisierung und Formalisierung gekennzeichnet zumal es aufgrund der kleinen Teamgröße formalisierter Prozesse zur Abstimmung seltener bedarf. Managementprozesse in Kanzleien werden vielmehr intuitiv durch die Inhaber oder Inhaberinnen und durch Partner oder Partnerinnen umgesetzt. Kanzleien sind sehr stark durch die Persönlichkeiten der Inhaber oder Inhaberinnen beziehungsweise der Geschäftsführung geprägt. Der Führung und dem Führungsstil kommt daher für alle Managementprozesse ein besonderer Stellenwert zu. Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) können die Kanzleiorganisation und -abläufe effizient unterstützen. Bereits zwei Drittel der befragten Kanzleiinhaber/-innen nutzen eine Software speziell für den Kanzleibetrieb. Weitere Softwareprodukte, die stärker auf das Management ausgerichtet sind, kommen hingegen kaum zum Einsatz. Die elektronische Mandantenakte (E-Akte) findet bislang nur bei rund einem Drittel Anwendung. Trotz der Planungen der zuständigen Behörden, das Justizwesen in Zukunft auf die sogenannte E-Akte umzustellen, planen derzeit nur weitere 13 Prozent die E-Akte in der eigenen Kanzlei zu nutzen. Auch hier zeigt sich: Je größer, je internationaler und je umsatzstärker eine Kanzlei ist, desto mehr wird von IKT-Maßnahmen Gebrauch gemacht. Beim Einsatz von Software speziell für das Kanzleimanagement (z. B. RA Micro, Datev Phantasy) zeigen sich hingegen kaum Unterschiede. Lediglich Einzelanwälte nutzen diese Software mit rund 45 Prozent deutlich seltener. 2.4 Personal In wissensintensiven Dienstleistungen wie der Rechtsdienstleistung zählt Personal und dessen Know-how zu den wichtigsten Wettbewerbsfaktoren. Die Ergebnisse der Prognos- Befragung deuten darauf hin, dass Maßnahmen zur Fachkräftesicherung und -rekrutierung in Kanzleien eine untergeordnete Rolle spielen. Der Handlungsdruck scheint angesichts des zahlreichen Arbeitskräfteangebots in der Rechtsdienstleistung gering zu sein. Aus Sicht der Kanzleiinhaberinnen und -inhaber besteht auch für die Zukunft kein Bedarf an Maßnahmen zur Fachkräftegewinnung und -sicherung. Die wenigen Kanzleien, die zielgerichtet daran arbeiten, ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu halten, bevorzugen finanzielle Anreize in Form von Lohnerhöhungen, leistungsorientierter Vergütung, Bonussystemen, Möglichkeiten der Partnerschaft oder Gewinnbeteiligung. Maßnahmen zur Teambildung und Beförderung der Unternehmenskultur werden kaum durchgeführt. Auch Maßnahmen zur Gesundheitsförderung oder zum Erhalt der Arbeitsfähigkeit wird kaum Beachtung geschenkt. Frauenförderung im Beruf und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird von Politik, Gesellschaft und Wirtschaft derzeit intensiv diskutiert. Die Rechtsdienstleistung ist mit einem wachsenden Anteil an Rechtsanwältinnen und vielen jungen Nachwuchskräften stärker denn je mit diesen Themen konfrontiert. 3 Konkrete Angebote zur Verbesserung der Vereinbarkeit werden nur begrenzt gemacht: 54 Prozent der befragten Kanzleiinhaber und -inhaberinnen bieten die Möglichkeit einer Teilzeitbeschäftigung an, 36 Prozent setzen andere Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf um, und 26 beziehungsweise elf Prozent 3 Siehe u.a. DAV-Arbeitsgemeinschaft Anwältinnen (2012): Anwältin und Mutter Klar geht das! Eine Umfrage und ihre Folgen. 386 AnwBl 6 / 2013 Der Rechtsdienstleistungsmarkt 2030 das Executive Summary

13 MN Anwaltszukunft Aufsätze Abbildung 2: Bevölkerungsveränderung absolut Quelle: Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), eigene Berechnungen Prognos AG 2013 Der Rechtsdienstleistungsmarkt 2030 das Executive Summary AnwBl 6 /

14 MN Anwaltszukunft verfügen über weitere Formen flexibler Arbeitszeit oder Arbeitszeitkonten. Für die Zukunft wird nur wenig Handlungsbedarf gesehen. Engagierter sind Kanzleien auf dem Gebiet der Personalentwicklung. Fast zwei Drittel der Befragten fördern die individuelle Fort- und Weiterbildung der Beschäftigten in ihren Kanzleien. Zentrales Instrument ist die Fortbildung zum Fachanwalt. Fachanwälte sind vorwiegend in kleinen Kanzleien tätig. Einzelanwälte sind hingegen im Vergleich zu Rechtsanwälten in lokal und überörtlich tätigen Sozietäten häufiger als Generalisten aufgestellt allerdings mit abnehmender Tendenz. Jenseits von Weiterbildungsaktivitäten werden weitere Instrumente der Personalentwicklung von Kanzleien selten genutzt: Strukturierte Mitarbeitergespräche oder lebenslauforientierte Karriereplanung, die Eltern- und Pflegezeiten berücksichtigen, spielen keine Rolle. Mit Blick auf die heterogene Kanzleilandschaft verzeichnen Kanzleien mit zunehmender Kanzleigröße und wachsendem Umsatz, größerem geografischen Einsatzgebiet und einem steigenden Anteil gewerblicher Mandanten vermehrt Aktivitäten im Personalmanagement. Insbesondere (internationale) Großkanzleien engagieren sich in den Bereichen der Personalrekrutierung, Personalentwicklung, Arbeitszeitgestaltung und Personalbindung wesentlich stärker und heben sich dadurch deutlich vom Rest der Kanzleien ab. 3. Jahr 2030: Zukunftstrends und deren Auswirkungen auf den Rechtsdienstleistungsmarkt Zukünftige Entwicklungen für den Rechtsdienstleistungsmarkt werden einerseits durch berufsrechtliche Rahmenbedingungen geprägt und sind andererseits in die gesamtwirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung eingebettet. 4 Diese sind für die strategische Planung und die zukünftige Aufstellung von Kanzleien nach innen und außen von größter Bedeutung. Im Folgenden werden zentrale Zukunftstrends aufgezeigt und ihre Konsequenzen für die Anwaltschaft bewertet. 3.1 Wirtschaftliche Entwicklung und Innovationen Die Wirtschaftsprognose der Prognos AG bis zum Jahr 2035 weist für Deutschland ein gedämpftes Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von durchschnittlich 1,0 Prozent per annum aus. Neben den international starken Branchen des produzierenden Gewerbes (Chemieindustrie, Maschinenbau, Elektrotechnik und Fahrzeugbau) entsteht das Gros der deutschen Bruttowertschöpfung in Zukunft im Dienstleistungssektor. Hier entwickeln sich der Handel, die Unternehmensdienstleistungen (inklusive Rechtsdienstleistung) und das Gesundheitswesen besonders dynamisch und werden zusammen voraussichtlich 47 Prozent der gesamten Bruttowertschöpfung im Jahr 2035 erwirtschaften. 5 Die Dynamik der Weltwirtschaft verschiebt sich mittelfristig weiter in Richtung der aufstrebenden Schwellenländer, insbesondere Ostasiens. Die Vereinigten Staaten werden zwar die größte Volkswirtschaft bleiben, ihre Rolle als Lokomotive der Weltwirtschaft jedoch einbüßen. Die Europäische Union muss sich insgesamt auf niedrigere Wachstumsraten als in der Vergangenheit einstellen. Die Prognosen der Prognos AG weisen im Zeitraum bis 2030 jährliche Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts von durchschnittlich 1,4 Prozent aus. Es wird wirtschaftlich in den nächsten Jahren viel davon abhängen, inwieweit die führenden Schwellenländer Brasilien, Indien und China den absehbaren Nachfrageausfall in den USA und anderen defizitären Industrieländern kompensieren können. Der Welthandel wird in den kommenden 20 Jahren mit durchschnittlich 3,9 Prozent per annum weiterhin stärker wachsen als die Weltproduktion (2,9 Prozent per annum). Dabei gewinnt der grenzüberschreitende Handel mit Dienstleistungen, inklusive Rechtsdienstleistungen, weiter an Bedeutung. Der technologische Wandel stimuliert die Wirtschaft. Studien gehen davon aus, dass sich die Umsätze im Bereich Public Cloud bis 2020 um den Faktor 18 erhöhen werden, 6 diejenigen im Bereich IKT-Sicherheit bis 2025 um den Faktor fünf. 7 Der Onlineversandhandel wird bis spätestens 2015 den Kataloghandel absorbiert haben und ebenfalls mit Blick auf seinen Umsatz kräftig wachsen. 8 Zugleich sorgen neue Informations- und Kommunikationstechnologien als Innovationstreiber für einen Wandel der Arbeitsprozesse und Organisationsstrukturen. Während Internationalisierung und internationale Mandate nur für bestimmte Kanzleien und Kanzleitypen relevant sind, werden die wirtschaftlichen und technologischen Entwicklungen den gesamten Rechtsdienstleistungsmarkt erfassen. Technologische Entwicklungen verändern die Arbeitsteilung, die Organisationsstrukturen und die Prozesse der Arbeitsteilung. Die Schnittstellen zu den relevanten Zielgruppen, den Mandanten sowie den Behörden und Gerichten (Stichwort E-Justice) verschieben sich zunehmend in den digitalen Bereich. Die Justiz wird bis zum Jahr 2030 auf den elektronischen Rechtsverkehr umgestellt sein. Das Tätigkeitsbild der Anwaltschaft und die Arbeitsprozesse in Kanzleien erfahren durch den technologischen Wandel eine spürbare Modernisierung. 3.2 Gesellschaftliche Trends Auch die Gesellschaftsstrukturen werden sich in Deutschland bis zum Jahr 2030 verändern. Leben heute mehr als 81 Millionen Menschen in Deutschland, werden es im Jahr 2030 nur noch 79 Millionen sein (minus 3,3 Prozent). Die Besetzung der jungen und mittleren Altersklassen wird stark schrumpfen. Das Verhältnis der Bevölkerung im Rentenalter (heute ab 65 Jahren) zur Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (Altenquotient) wird von 34 Prozent auf 51 Prozent ansteigen. Die demografischen Veränderungen entwickeln sich regional sehr unterschiedlich. Von dem Rückgang der Bevölkerung um 2,7 Millionen Personen bis zum Jahr 2030 entfallen 63 Prozent auf die neuen Bundesländer. Die Alterung der Bevölkerung in Deutschland hat Folgen unter anderem für die sozialen Sicherungssysteme und das Arbeitskräfteangebot. Bis zum Jahr 2030 wird die Anzahl der Erwerbstätigen in Deutschland auf 38,7 Millionen sinken, ein Rückgang um fast vier Prozent. Die Steigerung der Er- 4 Die im Folgenden dargelegten Trends sowie die daraus resultierenden Konsequenzen für Kanzleien und die Anwaltschaft basieren auf der Annahme konstanter berufsrechtlicher Regelungen. So werden skizzierte Entwicklungen zum Beispiel unter der Bedingung fortgeschrieben, dass das anwaltliche Berufsrecht bis zum Jahr 2030 in Deutschland unverändert bleibt. 5 Prognos AG Welt Report 2012: Daten, Fakten und Prognosen für 42 Länder. 6 Vgl. Berlecon Research GmbH (2010): Das Wirtschaftliche Potenzial des Internet der Dienste (BMWi). 7 Vgl. VDI VDE IT (2011): Technologische und wirtschaftliche Perspektiven Deutschlands durch die Konvergenz der elektronischen Medien (BMWi). 8 Vgl. Bundesverband des Deutschen Versandhandels, Fortschreibung Exciting Commerce. 388 AnwBl 6 / 2013 Der Rechtsdienstleistungsmarkt 2030 das Executive Summary

15 MN Anwaltszukunft Abbildung 3: Vergleich der Altersstruktur der erwerbstätigen Juristen in den Jahren 2010 und 2030 Quelle: Statisches Bundesamt, Mikrozensus 2010, eigene Berechnungen Prognos AG 2013 werbstätigkeit, vor allem unter der weiblichen und älteren Bevölkerung, federt kurzfristig den Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Beschäftigung noch ab, nach dem Jahr 2020 wird dies ohne massive Zuwanderung nicht mehr möglich sein. Es ist davon auszugehen, dass auch in Zukunft ein überdurchschnittlicher Teil an Einwanderern in Deutschland von Armut betroffen sein wird und Chancen zum Aufstieg sucht. Armut, Arbeitslosigkeit und ungleiche Chancen- und Vermögensverteilung bleiben in Deutschland trotz zunehmenden Arbeits- und Fachkräftemangels eine Herausforderung für Politik und Gesellschaft. Ein wachsender Niedriglohnsektor in Verbindung mit zunehmenden atypischen Beschäftigungsformen, das heißt flexible Arbeitsverhältnisse wie Teilzeitbeschäftigung mit bis zu 20 Wochenarbeitsstunden, befristete Beschäftigung, Zeitarbeit und Minijobs, die mittlerweile ein Viertel aller Angestelltenverhältnisse ausmachen, hat die Zahl prekärer Haushaltseinkommen in Deutschland erhöht. 9 Für diese Haushalte, insbesondere für (Langzeit-)Arbeitslose, steigt das Armutsrisiko in Deutschland. Unter den armutsgefährdeten Personengruppen sind neben Migranten und (Langzeit-)Arbeitslosen Personen mit geringer Bildung sowie Alleinerziehende und ihre Kinder. Auch Kinder in Haushalten mit geringer Erwerbsbeteiligung sind zunehmend einem Armutsrisiko in Deutschland ausgesetzt. 10 Der demografische Wandel führt langfristig zu spürbaren Veränderungen innerhalb der Anwaltschaft. Zwar altert die Bevölkerung schneller als die Gruppe der Juristen, das heißt der demografische Wandel wird die Anwaltschaft deutlich später treffen als andere Berufsgruppen. Dennoch wird der demografische Wandel in der langfristigen Perspektive auch in der Anwaltschaft seine Spuren hinterlassen. Während Deutschland den demografischen Wandel unter anderem durch Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland abzufedern versucht, ist eine Internationalisierung der Anwaltschaft in Deutschland auch langfristig nicht ohne weiteres möglich. Sprachbarrieren sowie das Erfordernis sehr guter landesspezifischer Rechtskenntnisse stellen für ausländische Rechtsanwälte und -anwältinnen Hürden für den Markteintritt in Deutschland dar. Gleiches gilt für deutsche Rechtsanwälte, die beispielsweise in nicht englischsprachigen Kanzleien im Ausland arbeiten möchten. Vorerst steigt die Zahl der Studienanfänger im Fach Rechtswissenschaft in Deutschland und somit mittelfristig auch die Zahl der Anwälte insgesamt. Der Wettbewerb um Mandate nimmt zu. Die Anwaltschaft konzentriert sich dabei in Städten und prosperierenden Regionen, während im ländlichen Raum die Anwaltsdichte abnimmt. Gleichzeitig wird sich der Anteil von Frauen in der Anwaltschaft weiter signifikant erhöhen. Für Männer und Frauen wird die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben eine große Herausforderung. Bislang war daher unter Juristinnen die Attraktivität eines Angestelltenverhältnisses oder die Tätigkeit als Einzelanwältin hoch aufgrund der besseren Möglichkeiten zur Vereinbarkeit vonfamilieundberuf.mitmehrberufstätigenfrauenund einer wachsenden Zahl von Alleinerziehenden wird das Thema der Kinderbetreuung und familienfreundlichen Arbeitsbedingungen in Zukunft einen noch höheren Stellenwert in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft erhalten, zumal sich das Selbstverständnis von Vätern wandelt und auch Männer vermehrt berufliche Auszeiten für BetreuungsaufgabeninAnspruchnehmen(wollen).Esvollziehtsichdiesbezüglich ein deutlicher Wertewandel bei Männern und Frauen. Die Nachfrage nach abhängiger Arbeit bleibt daher weiterhin hoch. Der (juristische) Nachwuchs hat veränderte Bedürfnisse bezüglich der Arbeitsorganisation und -kultur. Die kommenden Generationen streben nicht nur eine Verbesserung von Familienleben und Beruf an, sondern generell eine stärkere Ausgewogenheit von Arbeit und anderen Lebensbereichen, die sog. Work-Life-Balance. Der Bedeutungszuwachs immaterieller Werte gegenüber reinen Karrierezielen bei der nach- 9 Statistisches Bundesamt (2012): Niedriglohn und Beschäftigung 2010.Definition Statistisches Bundesamt: Prekäre Beschäftigungsverhältnisse sind nicht geeignet, auf Dauer den Lebensunterhalt einer Person sicherzustellen und/oder deren soziale Sicherung zu gewährleisten. Bei der Einstufung als prekär sind auch persönliche Lebensumstände des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin, wie bisheriger Verlauf des Arbeitslebens und Haushaltskontext, zu beachten. 10 Statistisches Bundesamt (2013): Leben in Europa. Gemeinschaftsstatistik über Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC), Armutsgefährdung nach Sozialleistungen. sowie Statistisches Bundesamt (2012): Fachserie 1 Reihe 2.2 Bevölkerung mit Migrationshintergrund Ergebnisse des Mikrozensus. Gemäß der Definition der Europäischen Union gelten Menschen als armutsgefährdet, wenn sie mit weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens (Median) der Gesamtbevölkerung auskommen müssen. Aufsätze Der Rechtsdienstleistungsmarkt 2030 das Executive Summary AnwBl 6 /

16 MN Anwaltszukunft wachsenden Generation, der so genannten. Y-Generation 11, wird in den kommenden Jahrzehnten zu tiefgreifenden Veränderungen der Arbeitsorganisation führen. 4. Konsequenzen der Trends und Treiber im Überblick Aus den skizzierten Entwicklungen resultieren die folgenden Herausforderungen für die Anwaltschaft: 9 Der Wettbewerbsdruck nimmt deutlich zu. Dem moderaten Umsatzwachstum bis 2030 wird eine immer höhere Anzahl von Kanzleien am Markt gegenüber stehen. In Feldern mit Überkapazitäten kommt es daher zu sinkender Vergütung, zum Beispiel im Verbrauchersegment, in Rechtsfragen mit geringer fachlicher Tiefe und Möglichkeit zur Standardisierbarkeit. Auch das steigende Kostenbewusstsein sowie der Ausbau juristischer Unternehmensabteilungen werden Wettbewerbs- und Kostendruck für Kanzleien weiter erhöhen. Die Gruppe von Rechtsanwälten in prekären Einkommenssituationen wird größer. 9 Die Vielfalt der Kanzleien steigt. Die bereits bestehende Vielfalt wird erweitert durch zunehmende Spezialisierungen auf der einen Seite und die Ausbildung weiterer Kanzleiformen auf der anderen Seite. Einzelanwälte und -anwältinnen werden sich flexibel und mandatsbezogen zu größeren Einheiten zusammenschließen und aufgrund ihrer günstigeren Kostenstruktur eine ernstzunehmende Konkurrenz für große Anwaltsfirmen und internationale Law Firms bilden. Die zunehmende Virtualisierung wird die Arbeit der Anwälte außerhalb der Kanzlei, in den Räumen der Kunden und als (international) mobile Dienstleister stärken. 9 Das Wissensmonopol der Anwälte wird weiter schrumpfen. Virtuelle Geschäftsmodelle, Rechtsschutzversicherungen und öffentliche Akteure wie die EU erweisen sich als Treiber zur Bereitstellung kostenlosen Know-hows im Internet. Durch die zunehmende Internetvorbildung der Mandanten verändern sich die Anforderungen an deren Ansprache, Akquisition und Beratung. Der Stellenwert standardisierten anwaltlichen Wissens sinkt, da die Transparenz von Rechtswissen die Standardisierung erhöht und die Preise sinken lässt. Dadurch steigt auch der Einfluss der Versicherungskonzerne im Rechtsdienstleistungsmarkt für private Mandanten. Geschäftsmodelle fordern hohe Qualität der rechtlichen Beratung zu reduzierten Preisen. Rechtsschutzversicherungen forcieren des Weiteren die außergerichtliche Streitbeilegung, die somit an Bedeutung gewinnt. 9 Technologische Entwicklungen werden zum zentralen Treiber für die Anwaltschaft. Zahlreiche Marktchancen werden im Bereich virtueller Geschäftsmodelle entstehen. Neue Online- Anbieter verlagern standardisierbare Leistungen der Beratung und der Vermittlung von Anwälten ins Internet. Dadurch werden traditionelle Marktsegmente erodieren und sich die Rolle des Anwalts hin zu mehr Beratungstätigkeit Abbildung 4: Entwicklung der Anzahl von Studienanfängern/-innen im Fach Rechtswissenschaften an Universitäten (beinhaltet immer ein ganzes Studienjahr bestehend aus Wintersemester und Sommersemester) Quelle: Statistisches Bundesamt, eigene Darstellung Prognos AG 2013 verändern. Die Justiz wird zu großen Teilen auf elektronischen Rechtsverkehr umgestellt werden, so dass sich auch die Arbeitsprozesse in den Kanzleien anpassen müssen. Der Ausbau und die steigende Datensicherheit bei IT und EDV ersetzen zunehmend das nicht anwaltliche Personal und verändern so die Personalstruktur. Technologische Geräte ermöglichen immer mehr Mobilität und Filesharing. In der Folge werden Anforderungen an die Erreichbarkeit, Verfügbarkeit und das Kommunikationsverhalten steigen. Es vollzieht sich ein Wandel vom Anbieter- zum Käufermarkt. Kanzleien werden zu großen Teilen ausschließlich virtuell arbeiten und so die Entlokalisierung der Anwälte vorantreiben. Zugleich sinken die Kosten der Kanzleigründung und erleichtern den Markteinstieg für junge Anwältinnen und Anwälte. 9 Der Zugang zum Recht verändert sich. Zwar wird durch den weiteren Abbau von Justizinfrastruktur der Zugang zum Recht geografisch deutlich eingeschränkt. Auch werden Möglichkeiten zur Nachfrage anwaltlicher Leistungen aufgrund real sinkender Einkommen zurückgehen. Jedoch werden diese Entwicklungen größtenteils kompensiert durch zunehmende Pro-bono-Tätigkeiten der Anwaltschaft und die Zunahme alternativer Finanzierungsformen. Insbesondere die Bedeutung sozialer Einrichtungen und Akteure als Mittler und Financiers von Anwaltsleistungen wird steigen. 9 Der internationale Wettbewerb trägt zur Steigerung der Anforderungen an Effizienz, Effektivität und spezielle Kenntnisse deutscher Anwälte bei. Die Anforderungen zur Entwicklung kanzleispezifischer Internationalisierungsstrategien steigen. Kanzleien, die international tätige Mandanten beraten wollen, werden hoch spezialisierte, internationale Netzwerke und Strukturen benötigen, um kurzfristig auf Be- 11 Siehe u.a. Fischer, H. et al. (2013): Die Zukunft der Arbeitswelt. Auf dem Weg ins Jahr Bericht der Kommission Zukunft der Arbeitswelt der Robert Bosch Stiftung.Heuser, U. et al. (2013): Generation Y: Wollen die auch arbeiten? In: DIE ZEIT, Nr. 11. URL unter: (letzter Abruf: ) 390 AnwBl 6 / 2013 Der Rechtsdienstleistungsmarkt 2030 das Executive Summary

17 MN Anwaltszukunft ratungsanfragen reagieren zu können. Dadurch entstehen neue Anforderungen an das Ausbildungsprofil des anwaltlichen und nichtanwaltlichen Personals. Sprachliche Kompetenzen werden noch bedeutsamer als es heute der Fall ist. Internationale Ausbildungsangebote erfahren daher hohen Zuspruch. Die internationale Beratungstätigkeit kollidiert jedoch mit den Ansprüchen junger Anwälte an die Work-Life- Balance. 9 Die Anwaltschaft und ihr Personal werden heterogener. Zunehmend wird die Anwaltschaft durch Anwältinnen geprägt werden. Zunehmend mehr Anwälte mit Migrationshintergrund, Juristen aus dem Ausland, Absolventen mit den unterschiedlichsten Abschlüssen (Wirtschaftsjuristen, nationale und internationale Bachelor- und Masterabschlüsse) werden in den Kanzleien tätig sein und die Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten ablösen. Standardleistungen werden an das Personal abgegeben, die Anwälte fokussieren sich auf spezialisierte Beratung und die Prozesstätigkeit. Die steigende Erwerbsbeteiligung von Frauen, fehlende Kapazitäten für die Pflege von Familienangehörigen und ein wandelndes Selbstverständnis der Väter erfordern neue Lösungen zur Arbeitsorganisation und -kultur in Kanzleien. Die kommende Generation von Anwälten strebt eine stärkere Ausgewogenheit von Arbeit und anderen Lebensbereichen an. 5. Veränderungen der berufsrechtlichen Rahmenbedingungen Die Belastbarkeit der bisher thematisierten Herausforderungen ergibt sich aus der konsequenten Ableitung übergeordneter Trends. Im Folgenden werden zwei weitere Herausforderungen für die Anwaltschaft dargestellt, deren Eintrittswahrscheinlichkeit sich aus vergleichbaren Entwicklungen in europäischen Nachbarstaaten oder in ähnlich strukturierten Branchen ableitet. Es ist zu erwarten, dass die mögliche Zulassung von Alternative Business Structures und der weitgehende Wegfall des Anwaltsmonopols Konsequenzen für die Anwaltschaft haben werden. Die im Folgenden skizzierten Auswirkungen basieren auf den Erkenntnissen aus mehreren Expertenrunden und Workshops in Zusammenarbeit mit dem DAV. Zulassung von Alternative Business Structures und weitgehende Abschaffung des Anwaltsmonopols Es kann davon ausgegangen werden, dass mit der Zulassung von Alternative Business Structures (ABS) im deutschen Rechtsdienstleistungsmarkt und der zumindest teilweisen Abschaffung des Anwaltsmonopols zahlreiche neue (finanzkräftige) Akteure in den Rechtsdienstleistungsmarkt eintreten. Gesellschaften können im Besitz von Berufsfremden stehen. Klassische Finanzinvestoren wie Versicherungen und Banken können in Anwaltsgesellschaften einsteigen und Anteile an Kanzleien erwerben. Versicherer können als 100-prozentige Stakeholder auch eigene Law Firms gründen. Die Konkurrenz wird größer. Anwälte können jedoch auch mit vielen anderen Berufen eine gemeinsame Berufsausübungsgesellschaft gründen und in diesem Rahmen gemeinsam wirtschaften beziehungsweise zusammenarbeiten. Der Rechtsdienstleistungsmarkt wird somit vielfältiger und internationaler. Allerdings dürfte rechtliche Beratung zu standardisierbaren Rechtsproblemen zunehmend in die Hand neuer Anbieter übergehen. Es ist zu erwarten, dass große Kanzleiketten auf den Markt drängen: Beratung im Supermarkt wird vielerorts üblich und ABS-Genossenschaften werden regen Mitgliederzulauf verzeichnen. Technologische Innovationen werden diese Entwicklung weiter verstärken: Mit Hilfe intelligenter Algorithmen werden Verbraucher im Internet zur gewünschten Rechtsauskunft geführt. Weitere Onlinesysteme werden rechtliche Beratung zu Verbraucherthemen, Sozialrechtsfragen und Ähnliches kostengünstig und niederschwellig anbieten. Die Preise am Rechtsdienstleistungsmarkt werden zunächst aufgrund dieses Strukturwandels sinken. Die hohen Kostenstrukturen von manchen Kanzleien werden angesichts des Wettbewerbs am Rechtsdienstleistungsmarkt nicht mehr akzeptiert. Es kommt zu einer Marktbereinigung. Einige Kanzleien müssen schließen. Erst nach einer Phase der Konsolidierung dürften die Durchschnittspreise wieder steigen. Allgemeine Rechtsdienstleistungen sowie insbesondere die vorgerichtliche Beratung werden von den großen Kanzleiketten mit Hilfe von einer Vielfalt von Juristen bearbeitet werden (Diplomjuristen/Wirtschaftsjuristen). Die gerichtliche Vertretung und die spezialisierte Beratung werden Anwälten mit einem juristischen Universitätsabschluss und den Fachanwälten vorbehalten bleiben. Unter Anwälten dürften vermehrt Spezialisten gefragt sein. Diese werden sich in Form von flexiblen Netzwerken und Kooperationen je nach Mandat zusammenfinden und gehen anschließend wieder getrennte Wege. Boutiquen werden insbesondere im Mittelstand weiter gefragt sein und werden dort die Nachfrage decken. Zentrale Herausforderungen für das Kanzleimanagement mit Auftreten von neuen (finanzkräftigen) Akteuren im Rahmen von Alternative Business Structures sind: 9 Klare Wettbewerbsstrategie zur Positionierung im Markt, zum Beispiel Konzentration auf Kerngeschäft der Anwaltschaft im Sinne von hochpreisiger, hochspezialisierter rechtlicher Beratung, Online-Geschäftsmodelle, interprofessionelle Zusammenarbeit, etc. 9 Fachliche Spezialisierung und Marketing. 6. Was macht einen erfolgreichen Anwalt und eine erfolgreiche Anwältin im Jahr 2030 aus? Die Studie kann keine Patentrezepte für die Anwaltschaft entwickeln und skizzieren, dafür ist sie zu heterogen und die Herausforderungen zu vielfältig. Im Rahmen der aufgezeigten Handlungsfelder bedarf jede Kanzlei einer eigenen (Zukunfts-) Strategie, die sich an der eigenen Kanzleiaufstellung und -ausrichtung orientieren sollte. Faktoren wie Standort, Mandantensegment, Fachgebiet, Kanzleigröße, geografisches Einzugsgebiet und persönliche Zielsetzung sind dabei entscheidend. Die zentralen übergreifenden Erfolgskriterien für die Anwaltschaft 2030 sind: Die Anwaltschaft 2030 ist unternehmerisch kompetent Der Konkurrenzdruck in der rechtlichen Beratung nimmt weiter zu. Es wird in der Zukunft schwieriger, am Markt zu überleben. Daher sind unternehmerische Kompetenzen mehr gefragt. Spezialisierung und kanzleispezifische Alleinstellungsmerkmale sind für alle Kanzleitypen erforderlich. Grundsätzlich müssen alle Kanzleiinhaber und -inhaberin- Aufsätze Der Rechtsdienstleistungsmarkt 2030 das Executive Summary AnwBl 6 /

18 MN Anwaltszukunft nen der eigenen Kanzlei eine klare Strategie und Ausrichtung geben und dabei den Blick auf bestehende und zukünftige Marktpotenziale richten. Insbesondere Einzelanwälte und Einzelanwältinnen, die einen hohen Grad an Selbstbestimmung genießen zum Beispiel in Bezug auf die eigene Work-Life-Balance, werden zukünftig mit Blick auf Wirtschaftlichkeit und Mandantengewinnung auch die Potenziale von Fusionen oder Bürogemeinschaften für sich evaluieren müssen. Das Motto size matters, das heißt die Unternehmensgröße als entscheidender Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg, gewinnt im kleinteiligen Rechtsdienstleistungsmarkt und angesichts der Entwicklungen bis 2030 immer mehr an Bedeutung. Hierzu zählt auch eine stärkere Zusammenarbeit vor allem von Einzelanwälten und kleinen Kanzleien mit anderen Kanzleien, die sich in flexiblen Netzwerken organisieren und fallbezogen zeitlich begrenzte Kooperationen suchen. In der rechtlichen Beratung werden Formen der freien und projektbezogenen Mitarbeit erhöhten Zuspruch erfahren. Die Anwaltschaft 2030 ist spezialisiert Entscheidend für Mandanten sind Spezialisierung und fachliche Expertise. Entsprechende personelle Kapazitäten für ein größeres Mandat können mittels Netzwerkkooperationen und technologischer Unterstützung flexibel auch von kleinen Kanzleien organisiert und gestellt werden. Kooperationen mit anderen Unternehmen am Rechtsdienstleistungsmarkt, zum Beispiel Versicherern, erhöhen die eigene Sichtbarkeit. Gerade kleine Kanzleien sind gefordert, sich kreativ und interdisziplinär neue Marktpotenziale zu erschließen, zum Beispiel durch innovative Geschäftsmodelle in der wachsenden Onlinewelt, durch Zertifizierungen zu rechtsdienstleistungsnahen Tätigkeiten oder durch Spezialisierung auf Nischenbereiche. Die Initiierung eines Strategieprozesses für die eigene Kanzlei bildet einen guten Auftakt, um den Rahmen abzustecken, wie die eigene Kanzlei heute im Rechtsdienstleistungsmarkt aufgestellt ist, welche Potenziale für die Kanzlei bestehen und welche Ziele in der Zukunft erreicht werden sollen. Markenbildung wird wichtig Zur Positionierung am Markt gehört ebenso ein durchdachtes und zielgerichtetes Kommunikations- und Marketingkonzept. Der Aufbau und die Etablierung der eigenen Kanzleimarke sind für die Sichtbarkeit und den Wiedererkennungswert am Markt von hoher Bedeutung. Dies wird befördert durch den Aufbau eines Corporate Designs im Sinne eines einheitlichen Erscheinungsbildes der Kanzlei in der Öffentlichkeit. Mit Unterstützung von internetbasierten Marketingmaßnahmen kann die Präsenz der eigenen Kanzleimarke weiter gesteigert werden. Insbesondere eine aktive Präsenz mit fachlichen Beiträgen im Internet trägt zur Wahrnehmung als Experte im eigenen Fachgebiet bei und erhöht die Nachfrage. Die Anwaltschaft 2030 ist vernetzt Das (Empfehlungs-)Netzwerk und die Mund-zu-Mund-Propaganda werden auch zukünftig bei Rechtsdienstleistungen ein zentraler Erfolgsfaktor für die Akquisition von Mandaten bleiben. Innerhalb der Anwaltschaft sind Netzwerkaktivitäten wichtigster Bestandteil der Mandatsakquisition. Der persönliche Erstkontakt im Rahmen von Vorträgen und Veranstaltungsbesuchen ist zwar ressourcenintensiv, aber von hoher Bedeutung in einer Branche, in der neben Kostenaspekten auch immaterielle Aspekte wie Vertrauen über die Auftragsvergabe entscheiden. Nach bisherigen Erkenntnissen entsteht die Reputation von Kanzleien wesentlich aus der Mandatsbearbeitung und -betreuung. Bedeutend sind hierfür mandantenorientiertes Handeln unter Berücksichtigung der Erwartungen und Handlungslogiken der verschiedenen Mandantensegmente sowie die Sicherstellung der Kundenzufriedenheit während der Betreuung. Systematisches und regelmäßiges Einholen eines Feedbacks vom Mandanten bietet Möglichkeiten, Bereiche zur Optimierung der weiteren Mandatsbearbeitung und der eigenen Kanzleiarbeit ausfindig zu machen. Zu berücksichtigen ist hierbei die Vielfalt der Bedürfnisse der Mandanten, die nach Segment und Fachgebiet unterschiedlich ausfallen. Nicht nur Spezialisierung, sondern eine ganzheitliche Problemlösung Das Selbstverständnis von Kanzleien sollte sich zukünftig neben der Gesetzesanwendung noch stärker auf eine Beratungs-, Problemlöser- und Dienstleistungsfunktion ausrichten. Mandanten erwarten schnelle Reaktions- und kurze Einarbeitungszeiten, Freundlichkeit, Information und Transparenz (zum Beispiel frühe Kosten- und Risikoabschätzung, enger Austausch zu Ablauf, Verfahrensstrategien, tatsächlichen Kosten und rechtzeitige Rechnungsstellung) sowie Beratung (zum Beispiel zu Risiken und Chancen im Rahmen des Mandats). Mehr denn je wird ein Höchstmaß an Flexibilität der Kanzlei als selbstverständlich erachtet. Kanzleien unterhalten ein hocheffizientes Backoffice Mit der zunehmenden Anspruchshaltung der Mandanten und der gestiegenen Kostensensibilität werden die internen Kanzleiabläufe und das Management der Kanzlei zentrale Stellschrauben. In vielen Kanzleien werden im Bereich des nicht anwaltlichen Personals die traditionellen Ausbildungsprofile für rechtliche Beratung und Notarangelegenheiten kaum noch eine Rolle spielen, weil diese Aufgaben mit Hilfe technologischer Unterstützung von externen Dienstleistern bereitgestellt, von Hochschulabsolventen mit juristischem Hintergrund (Diplom, B.A., LL.B.) übernommen oder von Anwältinnen und Anwälten selbst durchgeführt werden. Standardisierbare Beratungsleistungen werden von großen Unternehmen am Markt zu Preisen angeboten werden, mit denen kleine Kanzleien nicht mithalten können. Chancen für Einzelanwälte und kleine Kanzleien liegen in der Spezialisierung, in der Entwicklung von Alleinstellungsmerkmalen, der Vertrauensbeziehung zum Mandanten und in der effizienten Aufstellung der eigenen Abläufe. Die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien in der Mandatsbearbeitung (E-Akte) und in der Mandantenkommunikation werden bis 2030 selbstverständlich für alle Personengruppen sein. Die Anwaltschaft 2030 bietet ein attraktives Arbeitsumfeld Jenseits der Optimierung von Kanzleiabläufen und Kostenstrukturen werden im Kanzleimanagement zukünftig vor allem Maßnahmen im Personalmanagement erforderlich. Die kommenden Generationen bestehen zunehmend aus Frauen sowie so genannten. Digital Natives (also Personen, die mit dem Internet aufgewachsen sind) und Menschen, die neben 392 AnwBl 6 / 2013 Der Rechtsdienstleistungsmarkt 2030 das Executive Summary

19 MN Anwaltszukunft ihrer Arbeit auch dem Privatleben einen hohen Stellenwert einräumen (sog. Generation Y). Insgesamt wird vor allem die Nachfrage nach flexiblen Lösungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Privatem zunehmen. Anforderungen resultieren aus der zunehmenden Anzahl von Berufstätigen mit pflegebedürftigen Eltern, Vätern in Elternzeit und Frauen, die Karriere und Kinder vereinbaren wollen. Nur Kanzleien, denen es gelingt, qualifiziertes Personal zu gewinnen und an sich zu binden, können im Wettbewerb um die besten Köpfe bestehen. Dies erfordert Angebote der Kanzleien zu flexiblen Arbeitszeit- und Beschäftigungsmodellen, die Tätigkeiten orts- und zeitunabhängig erlauben (zum Beispiel Home Office, Teilzeit, freie Mitarbeit) sowie Angebote zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben insbesondere auch für (weibliche) Partner (zum Beispiel Teilzeit-Tandems für Führungskräfte). Die Anwaltschaft 2030 ist aufgeschlossen gegenüber neuen Technologien Die sich stetig innovierenden Informations- und Kommunikationstechnologien bieten zahlreiche Möglichkeiten, um den Erfordernissen einer Flexibilisierung von Arbeitsort und -zeit nachzukommen und gleichzeitig effiziente Kanzleiabläufe zu gewährleisten. So sind standortunabhängige IKT- Systeme mit der entsprechenden Datensicherheit von entscheidender Bedeutung für flexible Arbeitsmodelle in der rechtlichen Beratung, z. B. Home Office und freie Mitarbeit. Hierzu ist eine umfassende Umstellung auf EDV-gestützte Arbeitsvorgänge (zum Beispiel E-Akte) und Ausbau der IKT- Infrastruktur in Kanzleien notwendig. Gerade die technologische Entwicklung ist als einer der zentralen Treiber für den Rechtsdienstleistungsmarkt identifiziert worden. Zukünftigen Entwicklungen zu folgen und deren Potenziale für die eigene Kanzlei zu prüfen, wird eine der zentralen Herausforderungen sein. Es gilt die Zeit zu nutzen Strategien für die langfristige Zukunft werden in der Regel aus zwei Gründen entwickelt: Entweder agiert man aus einer Position der gegenwärtigen Stärke, um genau diese Stärke zukünftig zu erhalten bzw. noch auszubauen, oder vor dem Hintergrund einer besonders negativen Ausgangslage, um eine Besserung herbeizuführen. Auf die Anwaltschaft trifft Ersteres zu: Sie kann aus einer Position der Stärke agieren, insofern ist der Zeitpunkt für die vorliegende Studie gut gewählt. Die Studie zeigt, dass die Anwaltschaft durchaus Strategien zur Bewältigung der zukünftigen Herausforderungen entwickeln und umsetzen kann. Allerdings ist auch erkennbar, dass einem Teil der Anwaltschaft das Problembewusstsein gegenwärtig fehlt oder dieser Teil keinen eigenen Handlungsspielraum sieht. Zugleich mag der Eindruck entstehen, dass bis 2030 ein vergleichsweise langer Zeitraum ist, der auch mittelfristig noch genug Zeit zum Handeln lässt. Dieser Eindruck täuscht, denn mit jedem Jahr nehmen der Handlungsspielraum ab und der Handlungsdruck zu. Mit zunehmender Vielfalt nehmen auch die Chancen zu, die die Anwaltschaft nutzen kann. Dazu müssen eingefahrene Pfade auch im Berufsrecht verlassen werden. Ausschlaggebend wird sein, ob und wie es der Anwaltschaft gelingt, stärker unternehmerisch zu denken und zu handeln. Die Anwaltschaft muss sich neu erfinden immer wieder! 7. Danksagung Die dargestellten Ergebnisse sind im Rahmen des Projektes Der Rechtsdienstleistungsmarkt 2030 entstanden, mit dessen Durchführung die Prognos AG beauftragt wurde. Ziel der Studie sind die Identifikation und Darstellung wesentlicher Trends für die Anwaltschaft, die Bewertung der Trends und ihrer Wirkungen auf die Rahmenbedingungen anwaltlicher Tätigkeit und die Ableitung von Konsequenzen für das Kanzleimanagement und -marketing. Neben einer Literaturrecherche basiert die Studie empirisch auf Expertengesprächen, einem Expertendelphi auf Basis von Workshops zu den Konsequenzen von Trends für die Anwaltschaft und Szenario-Workshops. Des Weiteren wurde eine der größten (Online-)Befragungen in der Anwaltschaft durchgeführt. Diese war von Juni bis August 2012 zugänglich. Insgesamt haben sich Anwältinnen und Anwälte an der Befragung beteiligt. Wir möchten uns an dieser Stelle herzlich bei allen Personen bedanken, die das Forschungsprojekt Der Rechtsdienstleistungsmarkt 2030 durch ihre Beteiligung an der Befragung, an Fachgesprächen und Workshops unterstützt haben. Ebenso danken wir der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) für die Bereitstellung von Daten. Ein besonderer Dank geht zudem an die Mitglieder des DAV Steering Committees in alphabetischer Reihenfolge Rechtsanwalt und DAV-Geschäftsführer Franz Peter Altemeier, Rechtsanwalt und DAV-Hauptgeschäftsführer Dr. Cord Brügmann, Rechtsanwalt und DAV-Präsident Prof. Dr. Wolfgang Ewer, Rechtsanwältin und DAV-Geschäftsführerin Dr. Ulrike Guckes, Rechtsanwalt Dr. Friedwald Lübbert sowie Rechtsanwältin Dr. Claudia Seibel, die das Forschungsprojekt konzeptionell begleitet haben. Die Zukunftsstudie des Deutsche Anwaltvereins Der Rechtsdienstleitungsmarkt 2030 Eine Zukunftsstudie für die deutsche Anwaltschaft lautet der offizielle Titel der wissenschaftlichen Studie, die der Deutsche Anwaltverein in Auftrag gegeben hat. Die Studie wird am 7. Juni 2013 auf dem 64. Deutschen Anwaltstag in Düsseldorf vorgestellt. Die Studie ist von der Prognos AG (Ansprechpartner: Kai Gramke und Dr. Iris Pfeiffer, Mitarbeit: Dr. Reinhard Schüssler, Katrin Schulze und Ulf Glöckner) erstellt worden. Das Anwaltsblatt dokumentiert das Executive Summary. Die vollständige Studie kann auf der Website des Deutschen Anwaltvereins ab dem 7. Juni 2013 abgerufen werden. Aufsätze Der Rechtsdienstleistungsmarkt 2030 das Executive Summary AnwBl 6 /

20 MN Anwaltszukunft Anwaltszukunft Anforderungen an ein modernes Anwaltsrecht Blick ins Jahr 2030 Die Dynamik des Berufsrechts in England als Herausforderung für Deutschland Prof. Dr. Martin Henssler, Köln Die Rahmenbedingungen des Anwaltsmarkts bestimmt vor allem das Anwaltsrecht. Trotz aller Reformen und Liberalisierungen der vergangenen rund 25 Jahre: Der Freie Beruf des Anwalts unterliegt jenseits der Kernwerte des Verbots der Vertretung widerstreitender Interessen, der Verschwiegenheit und der Unabhängigkeit nach wie vor Beschränkungen. Das klassische Regelungsmodell von Ge- und Verboten und Gemeinwohlbindung des 20. Jahrhunderts bekommt jetzt Konkurrenz: In England wird ein prinzipienbasierter und individualistischer Ansatz erprobt. Er ermöglicht im Interesse der Rechtsuchenden gänzlich neue Kanzleiformen. Der Autor unterzieht das deutsche Anwaltsrecht des Jahres 2013 einer Bestandsanalyse, identifiziert deutsche Erfolgsmodelle (wie das System aus Kammern und Vereinen), überfällige Reformen (wie im Werbe- und Sozietätsrecht), kritische Themen (wie Kapitalbeteiligungen an Anwaltsgesellschaften) und neue Anforderungen an die Aus- und Fortbildung von Anwälten (als Folge der Spezialisierung). I. Einführung Wer sich erkühnt, die Zukunft vorherzusagen, sollte sich, sofern er weder Astrologe noch Kartenleger ist, in Demut üben. Das Bewusstsein der Grenzen menschlicher Erkenntniskraft ist erst recht angebracht, wenn gar wie auf dem diesjährigen Anwaltstag der Blick weit voraus ins Jahr 2030 gerichtet werden soll. Der Deutsche Anwaltverein hat sich in der Vergangenheit häufig als Prophet versucht, um den Berufsstand frühzeitig auf neue Herausforderungen vorbereiten zu können. Zur Eröffnung des 36. Deutschen Anwaltstages 1971 hat Hans Jürgen Rabe die Faszination thematisiert, die damals das Jahr 2000 auf Rechtspolitiker ausübte. 1 Seinerzeit betraf die Sorge um die Zukunft sehr grundsätzliche Fragen wie die Fortdauer des Friedens und den Fortbestand der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, aber auch Praxistrends wie die Spezialisierung und die wachsende Beliebtheit gemeinschaftlicher Berufsausübung in Sozietäten wurden diskutiert. Rabes Prognose, das Axiom Anwälte arbeiten hart, leben gut, sterben arm werde auch künftig Bestand haben, 2 mag sich in ihrem ersten Teil bewahrheitet haben, schon den zweiten wird mancher bezweifeln und der letzte Teil der Vorhersage ist dank der Einführung der anwaltlichen Versorgungswerke heute doch deutlich optimistischer zu beurteilen. Richtungsweisend war das DAV-Forum Zukunft der Anwaltschaft des Jahres Viele Veränderungen, die insbesondere durch die im Vorjahr ergangenen Bastille-Beschlüsse des BVerfG 3 erzwungen wurden, nämlich die Lockerung des Werberechts, die Einführung der Anwalts- GmbH, die Zulassung von Zweigstellen, die Spezialisierung, sind seinerzeit zutreffend vorausgesehen worden. 4 Zehn Jahre später auf dem Mainzer Forum Zukunft der Anwaltschaft versuchten sich die Veranstalter, dem Vorbild des Deutschen Juristentages folgend, an zur Abstimmung gestellten Thesen, 5 die freilich keinen rechtspolitischen Schub ausgelöst haben. 6 Als im Jahr 2004 das Motto des 55. Deutschen Anwaltstages erneut Zukunft der Anwaltschaft lautete, ging es sehr pragmatisch um die Trivialisierung der Anwälte zu gewöhnlichen Dienstleistern und um die Neuordnung des Rechtsberatungsrechts. 7 Die Sorgen, die in weiten Teilen der Anwaltschaft mit der Einführung des RDG 8 verbunden wurden, haben sich, das lässt sich inzwischen feststellen, als unbegründet erwiesen 9. Schon dieser kursorische Rückblick zeigt: Die Verlässlichkeit von Zukunftsprognosen hängt sehr von den konkreten Umständen ab. Nur wenn sich Änderungen bereits anbahnen, besteht eine reale Chance, sich mit Erfolg als Prophet zu betätigen. II. Ökonomische und europarechtliche Rahmenbedingungen Lassen sich solche Trends heute erkennen? Einige schon, so meine ich. In vielen Bereichen liefert der Blick in die Kristallkugel aber nur ein sehr verschwommenes Bild. Die Gestalt des nationalen anwaltlichen Berufsrechts im Jahr 2030 hängt ganz entscheidend von zwei außerhalb des Einflusses des nationalen Gesetzgebers liegenden Faktoren ab, nämlich zum einen von der weiteren Entwicklung des Anwaltsmarktes und zum anderen von den Aktivitäten des europäischen Gesetzgebers. Fragt man nach dem Anwaltsrecht des Jahres 2030, so muss man seine Phantasie zunächst einmal darauf konzentrieren, ein Bild des Anwaltsmarktes in diesem Jahr zu zeichnen. Einige Entwicklungen können als wahrscheinlich gelten: Zum einen werden die Wachstumsraten in den nächsten Jahrzehnten deutlich geringer ausfallen. 10 Ein starkes Indiz bietet die in den letzten Jahren signifikant gesun- 1 Rabe, NJW 1971, Rabe, NJW 1971, 1385, BVerfGE 76, 171 = NJW 1988, 191; BVerfGE 76, 196 = NJW 1988, 194. Siehe hierzu auch Henssler, Vom Standesrecht zum Berufsrecht, ZAP 2009, Sonderheft 20JahreZAP,S.39ff. 4 Dazu Winters AnwBl 1988, 43. Der damalige Hauptgeschäftsführer des DAV Karl- Peter Winters hat in seinem 1990 erschienenen Buch Der Rechtsanwaltsmarkt viele der späteren Entwicklungen wie die Annäherung an gewerbliche Dienstleister, die Öffnung des Werberechts und die Notwendigkeit eines professionellen Kanzleimanagements vorhergesagt. 5 Dazu AnwBl 1998, 548 ff. 6 Bei Thesen wie: Die Frage angemessener Entlohnung von anwaltlichen Mitarbeitern bleibt Herausforderung für die Zukunft konnte dies kaum überraschen, dementsprechend bemängelte auch der damalige DAV-Präsident Michael Streck mit einer gewissen Berechtigung den fehlenden Mut zur Radikalformel (Streck, AnwBl 1998, 548). 7 Vgl. den Überblick in AnwBl 2004, 411 f. 8 Siehe dazu den Überblick von Henssler/Deckenbrock, DB2008,41ff. 9 Vgl. Hommerich/Kilian, AnwB. 2009, 636 f. 10 Während der Mitgliederzuwachs der Rechtsanwaltskammern in den Jahren 1996 bis 2001 über 6 Prozent betrug, 2002 immerhin noch bei 5,93 Prozent lag, näherte er sich 2003 bis 2006 der 4 Prozent-Marke und sinkt seit 2007 auf zuletzt noch 1,58 Prozent, vgl. Fiebig, BRAK-Mitt. 2013, 77. Dies ist die niedrigste Zuwachsrate seit den frühen 1960er Jahren, vgl. Kilian/Dreske (Hrsg.), Statistisches Jahrbuch der Anwaltschaft 2011/2012, 2012, S AnwBl 6 / 2013 Anforderungen an ein modernes Anwaltsrecht Blick ins Jahr 2030, Henssler

21 MN Anwaltszukunft kene Zahl der Juristen, die sich in der Ausbildung befinden, und die demographische Entwicklung. Die doppelten Abiturjahrgänge werden diesen langfristigen Trend nur kurzzeitig unterbrechen. Zum zweiten wird der Anteil der Rechtsanwältinnen künftig deutlich wachsen. Deutschland hinkt hier mit einem Anteil von nur 32,56 Prozent 11 der internationalen Entwicklung deutlich hinterher. In Frankreich stellen Anwältinnen schon aktuell fast 52 Prozent der Anwaltschaft. 12 In England beträgt der Frauenanteil unter den neu zugelassenen Rechtsanwälten 60 Prozent. 13 Die letztgenannte Entwicklung wird die Anwaltskanzleien, insbesondere die großen Wirtschaftskanzleien, zwingen, endlich auch für Anwältinnen attraktive Arbeitsbedingungen zu schaffen und sich stärker um die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch für Partnerinnen zu kümmern. Denn nur mit einer weit stärkeren Einbeziehung auch der Top-Juristinnen werden die Anwaltsgesellschaften ihren Nachwuchsbedarf künftig stillen können. Sinkenden Zulassungszahlen bei einer wachsenden Quote altersbedingter Zulassungsrückgaben werden den internen Wettbewerbsdruck reduzieren und eine sachlichnüchterne Diskussion über die Frage ermöglichen, ob es nicht sinnvoller ist, eine kleinere, herausragend qualifizierte Anwaltschaft zu haben, die sich auf das anspruchsvolle Beratungsgeschäft konzentriert, um zugleich einfach gelagerte, außergerichtliche Streitigkeiten mit niedrigen Gegenstandswerten anderen juristischen Dienstleistern anzuvertrauen. Der europäische Gesetzgeber wird, dies lässt sich recht sicher prognostizieren, nicht nur auf eine Harmonisierung der Berufsrechte in den Mitgliedstaaten hinwirken, sondern zugleich darauf drängen, sämtliche Regulierungen einer Effizienzkontrolle zu unterziehen, die sich ausschließlich an den Interessen der Verbraucher und der Allgemeinheit orientiert. Die Ergebnisse des von der Dienstleistungsrichtlinie geforderten Normenscreenings waren wenig spektakulär, sie dürften die EU-Kommission langfristig kaum zufriedenstellen. 14 Nicht so sehr die Deregulierung, sondern vielmehr die Suche nach effektiven Regulierungen wird für sie im Vordergrund stehen. Damit wird es zu einem verschärften Wettbewerb der Rechtsordnungen im Bereich des Berufsrechts kommen, der die Vorhersage künftiger Veränderungen erschwert. III. Rethinking Deregulation und neue Regulierungsansätze Das deutsche Berufsrecht hat in den letzten Jahrzehnten eine derart weitreichende Deregulierung erfahren, dass der Blick in die Zukunft heute unter völlig anderen Vorzeichen erfolgt als auf den Zukunftsforen der 1980er und 1990er Jahre. Tradierte und überholte Fesseln sind weitgehend abgestreift worden. Der verantwortungsvolle Berufspolitiker sorgt sich heute nicht mehr vorrangig darum, dass die freie und zeitgemäße Entfaltung des Anwaltsberufs durch staatliche Regulierung behindert und die nationale und internationale Wettbewerbsfähigkeit blockiert wird. Stattdessen bewegt ihn die Sorge um die Bewahrung des besonderen Status des Anwaltsberufs als Vertrauensberuf. An die Stelle der verfassungsrechtlich unzulässigen Regulierung zum Schutz des Berufsstands vor unliebsamer Konkurrenz 15 ist die Regulierung als zeitgemäße Form des Verbraucherschutzes getreten. Das rechtsuchende Publikum bedarf eines fachlich gut qualifizierten Rechtsberaters mit hohen ethischen Standards. Der Schutz dieses Interesses wird als Reflex auch das Ansehen des Anwaltsberufs bewahren bzw. sogar stärken. Überlegungen zur zeitgemäßen Regulierung müssen die ökonomischen Theorien über die Funktionsweise von Vertrauensgütermärkten 16 berücksichtigen. Vertrauensgüter, zu denen die anwaltlichen Dienstleistungen zählen, zeichnen sich dadurch aus, dass der Mandant/Verbraucher im Gegensatz zu dem als Anbieter auftretenden Experten die benötigte Qualität des Gutes nicht kennt und sie nicht überprüfen kann. Aufgrund der Informationsasymmetrie besteht die Gefahr, dass der anwaltliche Experte (1) Leistungen erbringt, die nicht notwendig waren, (2) dass die abgerechnete Leistung nicht mit der tatsächlich erbrachten übereinstimmt, oder dass (3) der Anwalt für den Mandanten nicht erkennbar seine Vertragspflichten nur unzureichend erfüllt. Staatliche Regulierung zur Eindämmung dieser Gefahren wird, das lässt sich guten Gewissens voraussagen, auch im Jahre 2030 unverzichtbar sein. Die offene Frage ist indes, welcher Regulierungsansatz sich dann durchgesetzt haben wird, weil er im Wettbewerb der Systeme die für Verbraucher und Allgemeinheit besten Resultate geliefert hat. In Europa stehen sich nicht nur bei den Rechtsanwälten, sondern bei allen Freien Berufen aktuell zwei theoretische Regulierungskonzepte gegenüber: Auf der einen Seite der traditionelle kontinentaleuropäische Ansatz (rule based), der auf Ge- und Verbote und strikte Gemeinwohlbindung vertraut, und auf der anderen Seite der angelsächsische, stärker individualistische und prinzipienbasierte Ansatz (sogenannte outcomes focused regulation). Letzterer begnügt sich mit der Vorgabe von Prinzipien wie etwa der anwaltlichen Unabhängigkeit und vertraut darauf, dass sich die Akteure am Markt an diesen Prinzipien orientieren. So bekennt sich die mit dem Legal Services Act eingerichtete englische Solicitors Regulation Authority (SRA) ausdrücklich zur Politik einer outcomes focused regulation und kennzeichnet sie als Regulierung, die sich auf die Vorgabe von Prinzipien und Ergebnisse konzentriert, welche die anwaltliche Dienstleistung prägen sollen. Sie ersetze detaillierte verbotsorientierte Regelwerke und gewähre den Anwaltsgesellschaften größere Flexibilität, wie sie im Interesse der Verbraucher die gewünschten Ergebnisse und Dienstleistungsstandards sicherstellen. 18 Die SRA Principles umfassen zehn ethische Schlüsselanforderungen an anwaltliche Dienstleistungen, darunter etwa Integrität und Unabhängigkeit, aber auch Verpflichtungen 11 Stand: , vgl. statistiken2012/rainnen2012.pdf. Zur Entwicklung des Frauenanteils seit 1925 vgl. Kilian/Dreske (Hrsg.) (Fn. 10), S betrug der Anteil der Rechtsanwältinnen 4,5 Prozent, ,6 Prozent, ,1 Prozent. 12 Zum Frauenanteil in den Anwaltschaften der europäischen Länder Kilian/Dreske (Hrsg.) (Fn. 10), S Somerlad et. al., Diversity in the Legal Profession in England and Wales, 2010, S Dazu Denzin, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht, 2. Aufl. 2010, 27 Rn. 48; Hellwig, AnwBl 2011, 77, 82; siehe auch Henssler, AnwBl 2009, 1, 2 f. 15 BVerfGE 7, 377, 408 = NJW 1958, 1035, 1038; BVerfGE 94, 372, 395 = NJW 1996, 3067, 3069; BVerfGE 97, 12, 31 = NJW 1998, 3481, Vgl. hierzu mit Blick auf die Anwaltschaft Wein, Recht durch Rechtsanwälte, c Vgl. dazu die Selbstdarstellung unter 19 Abrufbar unter Aufsätze Anforderungen an ein modernes Anwaltsrecht Blick ins Jahr 2030, Henssler AnwBl 6 /

22 MN Anwaltszukunft zur Förderung von equality und diversity. In den kontinentaleuropäischen Ländern ist dieser auf ökonomische Regulierungstheorien gestützte Ansatz erstaunlicherweise kaum zur Kenntnis genommen worden. 20 Geht man aufgrund der Erfahrungen der Vergangenheit davon aus, dass sich angelsächsische Marktprinzipien mit einer gewissen Verspätung schließlich doch im Rest der Welt durchsetzen, dann muss man ernsthaft damit rechnen, dass im Jahre 2030 diese Diskussion auch im deutschen Berufsrecht ihre Spuren hinterlassen haben wird. Der outcomes focused, also ergebnis- oder wirkungsorientierte Regulierungsansatz wird häufig als per se großzügiger und damit besonders liberaler Ansatz eingestuft, wohl deshalb, weil er als Rechtfertigung für die Einführung der ABS (Alternative Business Structures) herangezogen wird. 21 Schon ein Blick auf das Regelwerk der SRA, wie es im SRA Handbook zusammengefasst ist, 22 belehrt einen eines Besseren. Es stellt vorrangig darauf ab, ob aus Sicht der Verbraucher beziehungsweise der Allgemeinheit optimale Ergebnisse erzielt werden. Vor dem Hintergrund des effektiven Verbraucherschutzes ist dieser Regulierungsansatz dem verbotsorientierten sogar überlegen, da er ausschließlich darauf abstellt, ob die erzielten Ergebnisse für den Verbraucher optimal sind. Die Anwaltsfirmen sollen ermutigt werden, selbst zu beurteilen, wie unter Berücksichtigung der Natur der Anwaltsgesellschaft, den besonderen Umständen und den Bedürfnissen der Mandanten bestmögliche Resultate erzielt werden können. Die Richtlinien, an denen sich der Rechtsanwalt im Einzelfall orientieren kann, sind weit ausdifferenzierter, als dies etwa bei der Berufsordnung für deutsche Rechtsanwälte (BORA) der Fall ist. Der Vergleich des Handbooks der SRA mit dem deutschen, aus BRAO und Berufssatzung zusammengesetzten Berufsrecht lässt in vielen Bereichen Übereinstimmung erkennen. Insbesondere könnten die principles unbedenklich in einen deutschen ethischen Kodex 23 übernommen werden. In jenen Bereichen, in denen diese Übereinstimmung herrscht, ist auch mittel- bis langfristig eine Änderung des deutschen Berufsrechts nicht absehbar. Die anwaltlichen Core Values 24 können weltweit als unantastbare Wesenselemente des Anwaltsberufs und damit als Essentialia jedes rechtsstaatlichen Systems gelten. Reformschritte sind für die nächsten Jahrzehnte allein in jenen Bereichen zu erwarten, in denen signifikante Unterschiede bestehen. Nicht allein die europäischen Harmonisierungsbemühungen, sondern weit stärker noch der Wettbewerbsdruck werden hier zu einer Angleichung führen. Im Wettbewerb der Systeme wird sich letztlich dasjenige Berufsrechtsmodell durchsetzen, das für den Verbraucher die besten Ergebnisse vorweisen kann. IV. Überfällige Reformen Betrachtet man die Entwicklung des Anwaltsrechts in den vergangenen beiden Jahrzehnten, so lässt sich eine sehr weit reichende Liberalisierung feststellen. Raum für weitere Lockerungen, die bis zum Jahr 2030 umgesetzt werden könnten, besteht nur noch auf dem Gebiet der den Marktauftritt betreffenden Restriktionen. Zu nennen sind hier die Werbung, die für die berufliche Zusammenarbeit zur Verfügung gestellten Rechtsformen und die interprofessionelle Zusammenarbeit mit freiberuflichen oder gewerblichen Unternehmern. 1. Werbung Keines besonderen Wagemutes bedarf es zunächst, um für alle Freien Berufe eine weitere Liberalisierung des Werberechts zu prognostizieren. Einzelne Freie Berufe, wie die Wirtschaftsprüfer, haben bereits einen radikalen Schritt vollzogen. 52WPO 25 begnügt sich mit der selbstverständlichen Vorgabe: Werbung ist zulässig, es sei denn, sie ist unlauter und unterwirft die Werbung der Wirtschaftsprüfer damit nur noch dem allgemeinen Wettbewerbsrecht. Weshalb für andere rechts- und wirtschaftsberatende Berufe ein strengeres Werberecht gelten sollte, ist nur schwer einzusehen. Auch der EuGH 26 hebt hervor, dass Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt einer nationalen Regelung entgegensteht, die es den Angehörigen eines reglementierten Berufs vollständig verbietet, Kundenakquisehandlungen vorzunehmen. Ich habe daher eine gewisse Sympathie für die vollständige Aufgabe des berufsspezifischen Werberechts. 27 Jedenfalls geht das generelle Verbot der einzelfallbezogenen Werbung zu weit. Zugleich erscheint es mir notwendig klarzustellen, dass den Besonderheiten der anwaltlichen Dienstleistung im Rahmen des allgemeinen Wettbewerbsrechts Rechnung getragen werden muss. Hauptanliegen der anwaltsrechtlichen Werberegeln muss es sein, sicherzustellen, dass die Werbung nicht irreführend ist und dem potenziellen Mandanten die erforderlichen Informationen für seine Auswahlentscheidung bietet. Insoweit deckt sich das Werberecht der Rechtsanwälte mit demjenigen gewerblicher Anbieter. Zudem gibt es Werbeformen, die mit dem strengeren Berufsethos der Freien Berufe keinesfalls zu vereinbaren sind. Dazu zählt insbesondere das unaufgeforderte Ansprechen von Personen auf der Straße, am Telefon, in Krankenhäusern oder an Unfallorten. Diese Formen des Direktmarketings müssen Anwälten generell auch künftig verboten bleiben. Das 8. Kapitel des Code of Conduct der englischen SRA, das die anwaltliche Werbung anspricht, erklärt diese Werbeformen für unvereinbar mit den anwaltlichen Grundprinzipien. Der Rückgriff auf das wettbewerbsrechtliche Lauterkeitsgebot ist daher nur dann ausreichend, wenn zugleich sichergestellt ist, dass bei Vertrauensgütern strenge Maßstäbe gelten. Es wäre jedenfalls unglücklich, wenn im Zuge einer Liberalisierung des Werberechts eine überflüssige Diskussion über die Zulässigkeit anwaltlichen Direktmarketings ausbrechen würde. Allerdings geht auch in der Rechtsprechung zum allgemeinen Wettbewerbsrecht die Tendenz dahin, die gezielte Direktansprache von Personen an öffentlichen Orten zu Werbezwecken als unzumutbare Belästigung im Sinne des 7 UWG einzuordnen. 28 Eine gezielte und individuelle Direktansprache von Passanten an 20 Vgl. aber Kilian, AnwBl 2010, Dazu unten unter V Zu dieser Diskussion siehe nur Henssler, AnwBl 2008, 721, 728; ders., AnwBl 2009, 1, 7 f. sowie Hellwig, AnwBl 2008, 644, 651 f.; Offermann-Burckart, AnwBl 2008, 763, 765; Saenger, AnwBl 2009, 393, 397 f.; Ignor, NJW2011,1537ff. 24 Siehe dazu Henssler, in: Henssler/Prütting, BRAO, 3. Aufl. 2010, 43a Rn Mit Wirkung zum geändert durch das Gesetz zur Stärkung der Berufsaufsicht und zur Reform berufsrechtlicher Regelungen in der Wirtschaftsprüferordnung (Berufsaufsichtsreformgesetz BARefG) v (BGBl. I, S. 2178). 26 EuGH AnwBl 2011, 492 m. Anm. Hellwig. 27 Henssler, AnwBl 2008, 721, 726 f.; ders., AnwBl 2009, 1, 7; siehe auch Kämmerer, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 68. Deutschen Juristentages Berlin 2010, Band I, 2010, H 96 f.; Römermann, AnwBl 2007, 744 ff.; Hellwig, AnwBl 2008, 644, 648; Kleine-Cosack, AnwBl 2010, 537, 542 f.; ders., NJW 2010, 1921, 1924; ders., NJW 2013, 272, 275 sowie Sechzehntes Hauptgutachten der Monopolkommission 2004/2005, BT-Drucks. 16/2460, Nr BGH NJW 2005, 1050, 1051 f. 396 AnwBl 6 / 2013 Anforderungen an ein modernes Anwaltsrecht Blick ins Jahr 2030, Henssler

23 MN Anwaltszukunft öffentlichen Orten ist eine unerbetene Kontaktaufnahme und damit ein belästigender Eingriff in die Individualsphäre des Umworbenen. 29 Für eine Beibehaltung einer berufsrechtlichen, aber an das allgemeine Wettbewerbsrecht angepassten Werbevorschrift spricht, dass sich das Rügerecht des Kammervorstands nach 74 BRAO allein auf die Verletzung spezifischer Berufspflichten in BRAO und BORA bezieht. Eine Rüge des Kammervorstandes ist für den betroffenen Rechtsanwalt sicherlich preiswerter als eine Unterlassungsverurteilung durch staatliche Gerichte Anwaltliche Organisationsfreiheit Zu den bedauerlichen Entwicklungen der laufenden Legislaturperiode zählt, dass die von der Anwaltschaft geforderte PartGmbB im Gesetzgebungsverfahren auf Widerspruch stößt. 31 Das Reformprojekt hat einige Schwächen, dient es doch primär den Interessen der großen Wirtschaftskanzleien. 32 Offenbar ist bei einigen Bundestagsabgeordneten zudem der Eindruck entstanden, dass in erster Linie die Anwaltschaft, nicht aber sonstige Freie Berufe von der Reform profitieren würden. Gewisse Schwächen des Entwurfs rechtfertigen freilich nicht den vollständigen Reformverzicht, der sich nun abzeichnet. Ausgangspunkt für den Regierungsentwurf war die zutreffende Erkenntnis, dass das deutsche Gesellschaftsrecht keine Rechtsform zur Verfügung stellt, die gegenüber der englischen LLP konkurrenzfähig wäre. 33 Der Siegeszug der LLP in Deutschland belegt dies. An diesem Befund hat sich nichts geändert, und es ist ein Ärgernis, dass den Angehörigen der Freien Berufe, die in einem haftungsträchtigen Marktsegment tätig sind, nun weiterhin nur der Weg zur Umwandlung in eine LLP bleibt, wenn sie eine optimal auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Gesellschaftsform wählen möchten. Bis zum Jahr 2030 wird sich hier, das kann als sicher gelten, Einiges getan haben. Den Freien Berufen und damit auch den Anwälten werden dann all jene Gesellschaftsformen zur Verfügung stehen, die auch gewerbliche Unternehmer für ihre erwerbsgerichtete Tätigkeit nutzen können. 34 Die Trennung zwischen Freiberuflichen und gewerblichen Unternehmen ist schon heute im Bereich des Gesellschaftsrechts überholt. Das englische Recht hat hier schon vor einigen Jahren den richtigen Weg eingeschlagen und die LLP für alle Unternehmer geöffnet. 35 Eine entsprechende Reform würde freilich nicht nur eine Änderung des Berufsrechts, sondern zugleich die Aufgabe der längst überholten Beschränkung des Handelsrechts auf gewerbliche Unternehmer bedingen Multidisziplinäre Zusammenarbeit Zu den überfälligen Reformen, die bis zum Jahr 2030 umgesetzt sein werden, zählt nach meiner Überzeugung auch eine Neuordnung der Regeln über die interprofessionelle Zusammenarbeit. 37 Der Deutsche Juristentag hatte hier schon 2004 im Anschluss an den Diskussionsentwurf des Bundesjustizministeriums zum RDG einen gangbaren Weg gewiesen. 38 Entscheidend ist, dass das vollständige Verbot der Zusammenarbeit mit allen nicht in 59 a BRAO genannten Personen nicht im Interesse der Verbraucher und der Allgemeinheit liegt, denen ein interessantes und nützliches Dienstleistungsangebot vorenthalten wird. Das Konzept des Regierungsentwurfs, das jede Tätigkeit, die ein Rechtsanwalt sogar persönlich als Zweitberuf ausüben kann, auch als sozietätsfähig einstufte, 39 hatte eine bestechende Logik. 40 Den unbestreitbaren Gefahren für Unabhängigkeit und Verschwiegenheit beziehungsweise ganz allgemein für das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant kann auf anderen Wegen weit passgenauer begegnet werden als durch das derzeitige pauschale Verbot. Zu Recht verbietet es Art. 25 Abs. 1 der Dienstleistungsrichtlinie (Multidisziplinäre Tätigkeiten) den Mitgliedstaaten, die Dienstleistungserbringer Anforderungen zu unterwerfen, welche die gemeinschaftliche oder partnerschaftliche Ausübung unterschiedlicher Tätigkeiten beschränken. 41 Die interessante Frage ist auch insoweit, ob im Sinne eines ergebnisorientierten Regulierungsansatzes den Anwaltsgesellschaften lediglich vorgegeben werden soll, durch gesellschaftsrechtliche Absprachen sicherzustellen, dass 9 Interessenkonflikte und Unvereinbarkeiten zwischen bestimmten Tätigkeiten vermieden, 9 die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit gewährleistet und 9 das Berufsrecht aller beteiligten Berufe beachtet wird, oder ob es zwingender, nicht zur Disposition der Gesellschafter stehender gesetzlicher Vorgaben zur Sicherung der Unabhängigkeit bedarf. Ich würde mir eine strikte strafrechtliche Absicherung des Berufsgeheimnisses durch Erstreckung des 203 StGB auf alle Mitglieder einer interprofessionellen Berufsausübungsgesellschaft wünschen, wie sie auch der Regierungsentwurf zum RDG vorsah 42. Sie würde den Raum schaffen für die meines Erachtens überfällige Erweiterung des Dienstleistungsangebotes im Interesse der Mandanten wird es, da bin ich sehr zuversichtlich, ganz selbstverständlich sein, dass im Medizinrecht tätige Beratungskanzleien auch Spezialisten aus den Heilberufen in ihren Reihen haben und dass etwa in einer auf dem Gebiet der betrieblichen Altersversorgung spezialisierten Kanzlei Versicherungsberater (nicht dagegen Versicherungsmakler 43 ) neben Rechtsanwälten tätig sind. 29 BGH NJW 2005, 1050, Es gibt aber keine Pflicht der Rechtsanwaltskammer, vorrangig berufsrechtlich vorzugehen (BGH NJW 2006, 2481), zumal das verschuldensabhängige Berufsrecht enger ist als das Wettbewerbsrecht. 31 Siehe auch Schellenberg, AnwBl 2013, M 151; vgl. aber jetzt die positiven Signale in FAZ v , S Siehe etwa die Kritik bei Grunewald, NJW 2011, 3767, 3770; dies., ZIP 2012, 1115, BT-Drucks. 17/10487, S. 1, Hierzu wird auch die bislang nicht zulässige (BGH NJW 2011, 3036; BVerfG NJW 2012, 993) Rechtsanwalts-GmbH & Co. KG zählen, dazu ausführlich Henssler, NZG 2011, 1121 ff. 35 Ausführlich zur LLP als Organisationsform anwaltlicher Berufsausübung Henssler/ Mansel, NJW 2007, 1393 ff. 36 Siehe dazu bereits Henssler, ZHR 161 (1997), S. 13 ff. 37 Hierzu Henssler, AnwBl 2009, 670 ff. 38 Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 65. Deutschen Juristentages Bonn 2004, Band II/1, 2004, R 46. Der 68. Deutsche Juristentag 2010 in Berlin hat allerdings den Vorschlag, die bestehenden berufsrechtlichen Beschränkungen einer multidisziplinären Zusammenarbeit innerhalb von Freiberuflergesellschaften aufzuheben, soweit es um den Zusammenschluss mit Angehörigen anderer reglementierter freier Berufe mit gleicher Verschwiegenheitspflicht geht, knapp abgelehnt, vgl. Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 68. Deutschen Juristentages Berlin 2010, Band II/2, 2011, Q BT-Drucks. 16/3655, S. 15, 83 f.; hierzu umfassend Pelzer, Die Sozietät im Sinne der BRAO unter besonderer Berücksichtigung der Beteiligung von Berufsfremden, 2008, S. 88 ff. 40 Siehe bereits Henssler, AnwBl 2007, 553, 558; ders., BRAK-Mitt. 2007, 186, Siehe auch Hellwig, AnwBl 2011, 77, 79 f. 42 BT-Drucks. 16/3655 S Insoweit bleibt es dabei, dass der Maklerberuf nicht mit demjenigen des Rechtsanwalts vereinbar ist, vgl. Henssler, in: Henssler/Prütting (Fn. 24), 7 Rn Aufsätze Anforderungen an ein modernes Anwaltsrecht Blick ins Jahr 2030, Henssler AnwBl 6 /

24 MN Anwaltszukunft V. Problematische Reformschritte Kapitalbeteiligungen an Anwaltsgesellschaften 1. Alternative Business Structures ein Vorbild für Europa? Die deutlichsten Unterschiede zwischen dem traditionellen kontinentaleuropäischen Regulierungsmodell und den neuartigen angelsächsischen Regulierungsansätzen bestehen im Bereich der Kapitalbeteiligung an anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften. Das englische Recht hat mit den Alternative Business Structures (ABS) einen radikalen Bruch mit bislang nahezu weltweit akzeptierten Grundsätzen vollzogen und damit die anderen europäischen Staaten unter Zugzwang gesetzt. Obwohl die Zulassung der ABS bereits seit längerem feststand, konnten die ersten neuen Gesellschaften erst nach einer langen Übergangsfrist mit Inkrafttreten des fünften Teils des Legal Services Act 2007 am 6. Oktober 2011 lizenziert werden. 44 Die Neuerung war ein voller Erfolg. Im März 2012 wurde die erste Lizenz vergeben, im April 2013 waren bereits 138 ABS durch die Solicitors Regulation Authority und 33 durch das Council for Licensed Conveyancers, die zweite Zulassungsbehörde, lizenziert. 45 Die Bandbreite der Gesellschaften ist groß und reicht von kleinen Sozietäten, die einen nichtanwaltlichen Partner aufgenommen haben, über mittlere Gesellschaften mit externen Kapitalgebern bis hin zu Großunternehmen wie Admiral, einem großen Versicherungsunternehmen, der BT-Group oder der Co-operative Group (Co-op), einer großen britischen genossenschaftlichen Supermarktkette. 46 Am bemerkenswertesten dürfte das Co-op-Modell sein, für das bereits 460 angestellte Rechtsanwälte arbeiten, die vielfach Telefon- und Online-Beratung anbieten. Obwohl das neue Recht in England umgangssprachlich als Tesco Law bezeichnet wird, hat Tesco, die noch größere britische Supermarktkette, bislang kein Interesse bekundet, in den Markt der Rechtsdienstleistungen einzusteigen. Co-op dagegen plant, innerhalb von fünf Jahren Mitarbeiter zu beschäftigen, und würde damit binnen kurzer Zeit zur größten Anwaltsgesellschaft nicht nur im Vereinten Königreich, sondern wohl in ganz Europa aufsteigen. 2. Auswirkungen auf den deutschen Rechtsberatungsmarkt Diese Entwicklung wird zwangsläufig Auswirkungen auf Resteuropa haben. Die Aktivitäten englischer ABS in Deutschland einzuschränken oder gar ganz zu verbieten, ist nicht derart einfach, wie es gelegentlich angedeutet wird. Es rächt sich wie schon bei ausländischen Kapitalgesellschaften 47 und der LLP erneut, dass der deutsche Gesetzgeber darauf verzichtet hat, den durch Art. 11 der Richtlinie 98/5/EG eröffneten Gestaltungsspielraum zu nutzen und für die Niederlassung von ausländischen Gesellschaften, die entweder ihren Verwaltungssitz nach Deutschland verlegen oder hierzulande eine Zweigniederlassung unterhalten, klare Vorgaben, etwa in Form einer Zulassungspflicht, festzuschreiben. Angesichts der erheblichen Meinungsunterschiede im aktuellen Schrifttum 48 seien die entscheidenden Rahmenbedingungen kurz zusammengefasst: Auf der Grundlage der Artt. 49, 54 AEUV sowie Art. 11 der Niederlassungsrichtlinie 98/5/EG können sich auch ABS grundsätzlich in Deutschland niederlassen. Einer nach dem Recht eines Mitgliedstaats wirksam gegründeten Gesellschaft ist es nicht nur erlaubt, Zweigniederlassungen in einem anderen Mitgliedstaat zu errichten, sondern dorthin auch ihren Verwaltungssitz zu verlegen. Abweichend vom Recht anderer europäischer Staaten kennt das deutsche Recht keine Regelung, welche die berufsrechtliche Beurteilung von Auslandsgesellschaften unmittelbar erfasst. Bei der Umsetzung der Niederlassungsrichtlinie durch das EuRAG wurden wohl, weil sich seinerzeit noch keine praktischen Probleme abzeichneten eigenständige Regelungen für entbehrlich gehalten. Es wäre indes ein grundlegendes Missverständnis, wollte man aus diesem Regelungsverzicht nun herleiten, dass sich ABS in Deutschland in einem regelungsfreien Raum bewegen. 49 Das europäische Recht geht vielmehr davon aus, dass ausländische Gesellschaften bei einer Tätigkeit in einem anderen EU-Staat selbstverständlich das dortige Berufsrecht beachten müssen. Gleichwohl müssen ABS, die sich in Deutschland niederlassen, kein Zulassungsverfahren durchlaufen. 50 Der von der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) entwickelte Musterbescheid, auf dessen Grundlage die Rechtsanwaltskammern etwaige Zulassungsanträge von ABS ablehnen sollen, 51 geht daher weitgehend ins Leere. Da das deutsche Recht auch deutschen Gesellschaften keine Zulassung abverlangt, kann für ausländische Gesellschaften nichts anderes gelten. Der Hinweis auf die Zulassungspflicht für die GmbH gemäß 59 c ff. BRAO hilft nicht weiter, da diese Vorschriften nicht einmal auf eine deutsche Rechtsanwalts-AG 52 und damit erst recht nicht auf eine ausländische Kapitalgesellschaft übertragbar sind. 53 Nach geltendem Recht bedarf eine Rechtsanwalts-AG keiner Zulassung, sie kann aber eine Zulassung beantragen und muss dies auch tun, wenn sie vor deutschen Gerichten postulationsfähig sein möchte. 54 Zu einem Zulassungsantrag einer ABS könnte es dementsprechend nur dann kommen, wenn eine ABS die Postulationsfähigkeit vor deutschen Gerichten anstrebt. 59 l BRAO lässt sich nämlich der Grundsatz entnehmen, dass die Postulationsfähigkeit einer Gesellschaft nur ausnahmsweise und nur bei Beachtung der 59 c ff. BRAO verliehen werden soll. 55 Will die ABS in Deutschland rechtsdienstleistend tätig werden, muss sie ungeachtet der nicht einschlägigen Zulassungspflicht zumindest diejenigen Voraussetzungen erfüllen, die auch von deutschen Gesellschaften generell zu beachten sind. 56 Wie jede deutsche Berufsausübungsgesellschaft muss sie damit die von 59 a Abs. 1, 59 e Abs. 1 BRAO aufgestellten und rechtsformunabhängig geltenden Anforderungen an den Gesellschafterkreis einhalten. Die reine Kapitalbeteiligung an Anwaltsgesellschaften ist damit 44 Dahns/Keller, NJW-Spezial 2012, Vgl. The Economist v ; Binham, Financial Times v Vgl. auch die Beispiele bei Kilian/Lemke, AnwBl 2011, 800, Dazu Henssler, NJW 2009, 950 ff. 48 Vgl. Hellwig, AnwBl 2012, 876 ff. einerseits und Keller, BRAK-Mitt. 2012, 17 ff. sowie Weil, BRAK-Mitt. 2013, 54 ff. andererseits. 49 Vgl. dazu die Kontroverse zwischen Hellwig, AnwBl 2012, 876, 880 und Keller, BRAK-Mitt. 2012, 17, Insoweit zutreffend Hellwig, AnwBl 2012, 876, Dazu Hellwig, AnwBl 2012, 876, Henssler, in: Henssler/Prütting (Fn.24), Vor 59c ff. Rn. 28 ff.; ders., in: Henssler/ Streck, Handbuch Sozietätsrecht, 2. Aufl. 2011, E Rn. 10 ff. 53 Henssler, NJW 2009, 950, 952 ff. 54 Henssler, in: Henssler/Prütting (Fn. 24), Vor 59c ff. Rn. 26 f.; ders., in: Henssler/ Streck (Fn. 52), E Rn. 8 f. 55 Henssler, in: Henssler/Prütting (Fn. 24), Vor 59c ff. Rn.26 f.; ders., NJW 2009, Dazu schon eingehend Henssler NJW 2009, 950, 953 ff.; jetzt auch Hellwig, AnwBl 2012, 876, AnwBl 6 / 2013 Anforderungen an ein modernes Anwaltsrecht Blick ins Jahr 2030, Henssler

25 MN Anwaltszukunft ebenso wie die Beteiligung von Kapitalgesellschaften generell unzulässig. 57 Die entsprechende Anwendung dieser Vorschriften ist grundsätzlich mit dem Europarecht zu vereinbaren, dient sie doch dem Schutz zwingender Gemeinwohlgüter wie dem Schutz der anwaltlichen Unabhängigkeit, die eine unverzichtbare Voraussetzung für eine funktionsfähige Rechtspflege ist. Eine spannende Frage ist, ob das generelle Verbot der Kapitalbeteiligung von nicht aktiv mitarbeitenden Gesellschaftern auch insoweit europarechtskonform ist, als es die Schutzmechanismen vollständig unberücksichtigt lässt, die das ausländische Recht zum Schutz der anwaltlichen Unabhängigkeit vorsieht. Ich neige dazu, diese Frage zu bejahen, da das europäische Recht den Mitgliedstaaten einen gewissen Spielraum lässt, wie sie den Schutz zwingender Gemeinwohlinteressen sicherstellen möchten. 58 Die Entscheidung des EuGH lässt sich aber schwer prognostizieren, sie wird langfristig davon abhängen, ob es auf dem britischen Markt zu Fehlentwicklungen kommt oder ob die über die ABS erzielten Ergebnisse aus Verbrauchersicht sogar als klar vorzugswürdig eingestuft werden müssen. Anwaltliche Leistungen darf die englische ABS in ihrer deutschen Niederlassung nur durch Gesellschafter oder Mitarbeiter erbringen, die hierzu auch befugt sind. Ist kein deutscher Rechtsanwalt beteiligt und hat keiner der ausländischen Anwälte über die Eignungsprüfung oder die Integration gemäß 11 EuRAG den Titel eines deutschen Rechtsanwalts erworben, so dürfen die Beratungsleistungen nur unter dem ausländischen Titel erbracht werden. Da die ABS kein Kammermitglied ist, kann die zuständige Rechtsanwaltskammer keine berufsrechtlichen Sanktionen gegen sie verhängen. Möglich sind aber wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche 59 und außerdem berufsrechtliche Maßnahmen gegen die für die ABS tätigen Berufsträger, sofern diese etwa nach 206 ff. BRAO oder als deutsche Rechtsanwälte Kammermitglieder sind. Ihren Mitgliedern kann die Rechtsanwaltskammer auch aufgeben, ihren Beruf nicht in einer ABS als einer berufsrechtswidrig handelnden Gesellschaft auszuüben (vgl. 30 BORA). Kommt ein in der ABS tätiger deutscher Rechtsanwalt dieser Aufforderung nicht nach, kann ihm im Extremfall sogar die Zulassung entzogen werden. Auch gegenüber Solicitors, die in Deutschland für eine ABS tätig werden, sind anwaltsgerichtliche Maßnahmen möglich. Gemäß 6 Abs. 3 EuRAG tritt für niedergelassene europäische Rechtsanwälte an die Stelle der Ausschließung aus der Rechtsanwaltschaft das Verbot, in Deutschland fremde Rechtsangelegenheiten zu besorgen mit gleichzeitigem Verlust der Kammermitgliedschaft Regelungsbedarf Ungeachtet des hier vorgestellten Lösungskonzeptes ermuntert die derzeitige unbefriedigende Rechtslage geradezu, die bestehenden Unsicherheiten für neue Dienstleistungsangebote auf dem deutschen Markt zu nutzen. Das gilt umso mehr, als auch die nur vorübergehende Dienstleistungstätigkeit von ABS in Deutschland nicht abschließend geklärte Rechtsfragen aufwirft und vieles dafür spricht, die anwaltliche Bereichsausnahme in Art. 17 Abs. 4 der Dienstleistungsrichtlinie 2006 eng zu fassen. 61 So könnten insbesondere Rechtsschutzversicherungen versucht sein, über ABS in Deutschland Beratungsleistungen für ihre Versicherungsnehmer anzubieten. Die Gewinnmargen der deutschen Rechtsschutzversicherungen sind schon derzeit schmal, die zum 1. Juli 2013 geplante Anhebung der Anwalts- und Gerichtsgebühren 62 wird die Kosten dieser Versicherungen zusätzlich erheblich erhöhen. Für sie liegt es daher nahe, nach Wegen zur Kostendämpfung zu suchen. Die ABS könnten ein solches kostengünstiges Beratungsangebot sein. Das Coop-Konzept, das auf Telefon- und Online-Beratung abstellt, liegt ganz auf der Linie der aktuellen Bemühungen um eine Reduzierung insbesondere der anwaltlichen Beratungskosten durch die Zusammenarbeit von Rechtsschutzversicherungen mit Anwaltsnetzwerken. Wünschenswert wäre es, für ausländische Gesellschaften und damit auch für ABS ein Registrierungsverfahren vorzuschreiben. Eine solche Registrierung würde den deutschen Rechtsanwaltskammern die Vorabkontrolle erlauben, ob die Gesellschaften die berufsrechtlichen Anforderungen an ein Tätigwerden in Deutschland erfüllen. Das französische Recht, das vergleichbare Regelungen kennt, bestätigt die Zulässigkeit solcher Registrierungserfordernisse, die zugleich der Konzeption des europäischen Rechts entsprechen. VI. Fortsetzung des Trends zur Spezialisierung Die wichtigste tätigkeitsbezogene Veränderung, die den Anwaltsberuf schon in den letzten Jahrzehnten gekennzeichnet hat, die ihn aber auch in der Zukunft prägen wird, ist ohne Zweifel die dynamisch fortschreitende Spezialisierung. Der Universalanwalt klassischer Prägung ist ein Auslaufmodell, als unternehmerisches Konzept ist er überholt. Der Trend zur Spezialisierung ist durch die im Ausland sehr aufmerksam verfolgte Einführung der Fachanwaltsbezeichnungen noch forciert worden. Über an rund Berufsträger verliehene Fachanwaltstitel in insgesamt 20 Fachanwaltschaften sind der eindrucksvolle Beleg dieses Erfolgs. 63 Spätestens 2030 wird es, so meine Prognose, für den anwaltlichen Nachwuchs ganz selbstverständlich sein, nach Abschluss ihrer juristischen Ausbildung als weiteren Qualifikationsschritt einen Fachanwaltstitel zu erwerben. Der 2008 als vorerst letzter Fachanwalt beschlossene Fachanwalt für Agrarrecht verdeutlicht aber zugleich, dass das Potenzial für weitere Fachanwaltschaften weitgehend ausgeschöpft ist. 64 Der Nutzen von sehr engen Fachanwaltsgebieten erschließt sich nicht, hier sind Spezialisierungshinweise das sachgerechte Marketinginstrument. Die Großkanzleien waren zwar die ersten, die die Spezialisierung vorangetrieben haben, die Fachanwaltsbezeichnung spielt für sie aber nur eine untergeordnete Rolle. Ihre Reputation stützt sich nicht auf die Anzahl der in ihnen tätigen Fachanwälte, sondern primär auf den Ruf ihres Kanzleinamens im Sinne einer Marke. Gleich- 57 Henssler, in: Henssler/Prütting (Fn. 24), 59e Rn. 15 ff.; ders., BRAK-Mitt. 2007, 186, 187 ff. 58 Siehe bereits Henssler, BRAK-Mitt. 2007, 186, 189 sowie Hellwig, NJW 2005, 1217, Die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen fällt in den Funktionsbereich der Rechtsanwaltskammern, BGH NJW 2006, 2481; Weyland, in: Feuerich/Weyland, BRAO, 8. Aufl. 2012, 73 Rn. 16b. 60 Zum Ganzen Dittmann, in: Henssler/Prütting (Fn. 24), 114 Rn Vgl. auch insoweit die Kontroverse zwischen Hellwig, AnwBl 2012, 876, 883 und Keller, BRAK-Mitt. 2012, 17, 19. Überzeugend dürfte insoweit die von Kämmerer in seinem Gutachten für den 68. Deutschen Juristentag in Berlin entwickelte einschränkende Interpretation des Art. 17 Abs. 4 der Dienstleistungsrichtlinie 2006 sein, vgl. Verhandlungen des 68. Deutschen Juristentages Berlin, 2010, H 1 ff. 62 Siehe hierzu jüngst Schons, AnwBl 2013, 314 ff.; Reckin, AnwBl 2013, 318 ff. 63 Stand waren Fachanwaltstitel verliehen, vgl. w/files/04_fuer_journalisten/statistiken/statistiken2012/entwicklungfaebis2012.pdf. Siehe zum Nutzen eines Fachanwaltstitels Kilian, AnwBl 2012, 106 ff. 64 Zum gab es gerade einmal 106 Fachanwälte für Agrarrecht. Aufsätze Anforderungen an ein modernes Anwaltsrecht Blick ins Jahr 2030, Henssler AnwBl 6 /

26 MN Anwaltszukunft wohl: Auch in Großkanzleien finden sich immer mehr Fachanwälte nicht zuletzt auch, weil seit 2005 zahlreiche neue Fachanwaltsgebiete geschaffen worden sind, die typische service lines der Wirtschaftskanzleien abbilden. Zwei Erkenntnisse lassen sich aus dieser Entwicklung für die Anwaltsausbildung gewinnen: Zum einen müssen wir nüchtern realisieren, dass unsere Absolventen, die den Anwaltsberuf ergreifen, und das sind immerhin über 70 Prozent, als künftige Spezialisten nach ihrem Examen wachsende Teile ihres erlernten Wissens für ihre Berufsausübung niemals mehr benötigen werden. Zum zweiten liegt es nahe, zwar nicht im Basisstudium, wohl aber bei den Masterstudiengängen auf Verbindungen zu den Fachanwaltsgebieten zu achten. Zur Schärfung des Profils als aufgrund besonderer Qualifikation herausragender Experte wird es zwingend sein, bis zum Jahre 2030 die Anforderungen an die Fortbildung der Rechtsanwälte zu schärfen. 65 Auch insoweit sind gegenüber dem obligatorischen Besuch einer fest bestimmten Anzahl von Fortbildungsveranstaltungen flexiblere Regelungen denkbar. Zu denken wäre etwa an eine über 15 Abs. 3 FAO hinausgehende Pflicht zur jährlichen Dokumentation, welche Fortbildungsmaßnahmen ergriffen wurden. VII. Die Zukunft des Kammermodells Die Neigung der deutschen Bundesländer, diese Aufgaben wieder an sich zu ziehen, dürfte schon aus Kostengründen gering sein, waren diese doch froh, ihre Justizhaushalte von den finanziellen Belastungen des Zulassungsverfahrens befreit zu haben. Ich vermag daher keinen Grund zu erkennen, weshalb nicht auch im Jahre 2030 die Freien Berufen die bewährte Form der Selbstverwaltung als Ausdruck professioneller Autonomie weiterhin pflegen sollten. VIII. Zusammenfassung und Ausblick Das Zukunftsprofil der Anwaltschaft lässt sich für das Jahr 2030 sehr klar bestimmen. Ziel der Rechtsanwälte muss es sein, sich als Vertrauensberuf mit hoher Qualifikation und hohen ethischen Standards zu profilieren. Neben der stärkeren Ausrichtung des Berufsrechts auf optimale Betreuung und Versorgung der Mandanten (Verbraucherschutz) durch Anforderungen an Aus- und Fortbildung und die Erweiterung und Verbesserung des Leistungsangebotes muss der Schutz der Vertrauensstellung durch klare ethische Leitlinien im Vordergrund stehen. Der Code of Conduct der englischen Solicitors Regulation Authority bietet insoweit vielfältige Anregungen. Die Neuordnung des Berufsrechts von England und Wales durch Einführung der Solicitors Regulation Authority ist zu Recht als Kampfansage an das kontinentaleuropäische Kammermodell verstanden worden. Es handelt sich freilich nicht um ein auf England und Wales beschränktes Phänomen. Australien, Neuseeland und seit 2010 auch Schottland haben ebenfalls staatliche Regulierungsbehörden geschaffen und die Rolle der weiterbestehenden Law Societies auf diejenige reiner Interessenvertretungen beschränkt. Der Grund für diese Trennung liegt in dem Rollen- und Interessenkonflikt zwischen Regulierungsbehörde und Interessenvertretung. 66 Das mehrgliedrige deutsche System, das den Interessenverband des Deutschen Anwaltvereins, die Rechtsanwaltskammern als Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Regulierungs- und Sanktionsbefugnissen und ergänzend die staatliche Rechtsaufsicht über Rechtsanwaltskammern und Satzungsversammlung kennt, hat diesen Interessenkonflikt seit jeher vermieden. Die Kammern haben sich zudem als fachkundige Zulassungs- und Berufsaufsichtsinstanz bewährt. 67 Dass sie aufgrund ihrer Nähe zu den Berufsträgern ihre Aufsichtsfunktion nicht ernst nehmen würden, war in der Vergangenheit jedenfalls bei den Rechtsanwaltskammern nicht erkennbar und kann damit auch kein Grund sein, das Zulassungsverfahren und die Berufsaufsicht auf staatliche Behörden zurückzuverlagern In diese Richtung gehen auch Forderungen der BRAK (Pressemitteilung Nr. 10/2005 der BRAK v ; dazu Filges NJW 2010, 2619, 2622 f.) sowie des DJT (Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des 68. DJT Berlin 2010, 2011, Band II/1, Q 76 f.). Die Mehrheit der Anwaltschaft lehnt allerdings eine Pflichtfortbildung ab, vgl. Hommerich/Kilian NJW 2010, 31, 34 ff. 66 Vgl. Kilian, AnwBl 2004, 389, 390 ff. 67 Siehe bereits Henssler, Der Beitrag der Kammern zur Wertediskussion dargestellt am Beispiel der Kammern der Freien Berufe, in: Kluth (Hrsg.), Jahrbuch des Kammer- und Berufsrechts 2011, S. 13 ff. Sehr kritisch allerdings Kleine-Cosack, AnwBl 2006, 368 ff. 68 Die jüngste EuGH-Rechtsprechung (EuGH AnwBl 2013, 375) zur Verzerrung des Wettbewerbs auf dem Markt der obligatorischen Fortbildung tangiert den hier angesprochenen Kernbereich der Kammeraufgaben nicht. Prof.Dr.MartinHenssler,Köln Der Autor ist Geschäftsführender Direktor des Instituts für Arbeits- und Wirtschaftsrecht sowie des Instituts für Anwaltsrecht an der Universität zu Köln. Leserreaktionen an anwaltsblatt@anwaltverein.de. 400 AnwBl 6 / 2013 Anforderungen an ein modernes Anwaltsrecht Blick ins Jahr 2030, Henssler

27 MN Anwaltszukunft Anwaltszukunft Der Zivilprozess im Jahre 2030: Ein Prozess ohne Zukunft? Faktoren in der Zukunftsdebatte: Anwälte, Richter und die ZPO Prof. Dr. Hanns Prütting, Köln Der deutsche Zivilprozess ist eine historische Errungenschaft. Viele Länder der Welt beneiden Deutschland um sein preisgünstiges, leistungsfähiges und rechtsstaatliches Justizwesen. Doch die Kritik nimmt zu. Der Anwaltsmarkt scheint im Umbruch und damit auch das von Richtern und Anwälten angebotene Produkt des Zivilprozesses. Der Autor untersucht, was den Zivilprozess im Jahre 2030 auszeichnen könnte. Sein Fazit: Anwälte und Richter werden sich wandeln, nicht aber die Grundsätze der ZPO. I. Einführung oder: Wolken am Himmel Dem regelmäßigen Leser des Anwaltsblatts dürfte im Aprilheft dieses Jahres sicherlich eine Schlagzeile ins Auge gesprungen sein: Sind ZPO und GVG noch zeitgemäß? fragte dort der Präsident des Deutschen Juristentages und Rechtsanwalt Prof. Dr. Thomas Mayen 1 allen Ernstes und wollte damit den Startschuss für eine Diskussion über die Zukunft des Zivilprozesses beim kommenden Juristentag im September 2014 in Hannover geben, bei der worauf Mayen überzeugend hinwies Anwältinnen und Anwälte nicht fehlen sollten. Wenn nahezu zeitgleich auch der diesjährige Anwaltstag seinen Blick auf das Jahr 2030 richtet 2 und Fragen nach der Zukunft des Zivilprozesses stellt, so kann das kein reiner Zufall sein 3. Gerade der deutschen Anwaltschaft muss es nicht erklärt werden, welch einschneidende Bedeutung grundlegende Strukturveränderungen des Zivilprozesses (oder gar dessen weitgehende Zurückdrängung) für die Gesellschaft im Ganzen und für die Anwaltschaft im Besonderen haben würde. Umso mehr drängt sich die Frage auf, welche Entwicklungen solche Fragestellungen des Anwaltstages 2013 und des Juristentages 2014 ausgelöst haben. II. Wetterleuchten nah und fern Nicht erst im Jahre 2013 wird darauf hingewiesen, dass die Ausbreitung und die zunehmende Bedeutung der privaten Schiedsgerichtsbarkeit ein erstes Warnzeichen darstellen 4. Ähnliches gilt wohl auch für die langjährigen Diskussionen um überlange Verfahrensdauer 5. Ein weiteres deutliches Zeichen ist die aktuelle Zielrichtung konsensualer Streitbeilegung. Verhandlungslösungen, Schlichtungsmodelle und nicht zuletzt die Mediation wollen heute das streitige Verfahren nicht mehr nur ergänzen, sondern sie wollen es zum Teil ersetzen (der Zivilprozess allenfalls als ultima ratio). Dies könnte in besonderer Weise für eine künftige Online-Streitbeilegung gelten 6. Wirtschaftliche Erwägungen und vor allem Effizienzkriterien werden die Ausgestaltung der staatlichen Streitverfahren massiv beeinflussen 7, zumal die technologischen Mittel einer solchen Umgestaltung vor der Tür stehen (insbesondere der elektronische Zivilprozess mit allen seinen Facetten einer künftigen e-justice ). Als eine echte Sinnkrise des Zivilprozesses als Instrument zur Durchsetzung individueller Ansprüche wird man es wohl auch betrachten müssen, wenn ein ehemaliger Präsident des Bundesgerichtshofs die These aufstellt, der Prozess diene vorrangig dem Allgemeininteresse und könne (jedenfalls in der Revisionsinstanz) durchgeführt und mit einem Urteil beendet werden, obgleich die Parteien durch Klagerücknahme oder Rechtsmittelrücknahme dem konkreten Verfahren eigentlich die Legitimation entzogen haben 8. Erwähnt sei schließlich der jüngste Vorschlag des für das Recht der freien Berufe zuständigen Bundesverfassungsrichters Reinhard Gaier 9. In einem aktuellen FAZ-Beitrag geht er von der These aus, das geltende Zivilprozessrecht leide unter mangelnder Diversifizierung. In geeigneten wirtschaftsrechtlichen Streitigkeiten sollte daher neben den Prozessbevollmächtigten der Parteien ein dritter Rechtsanwalt, vergleichbar einem Special Master nach amerikanischem Vorbild, hinzugezogen werden. Dessen Aufgabe sei es, den Sachverhalt aufzuklären, deeskalierend zu wirken und letztlich gerichtliche Ressourcen einzusparen. Umgekehrt ließe sich aus der These der mangelnden Diversifizierung aber auch die Frage ableiten, ob wir nicht einen eigenen Verbraucherprozess oder andere zivilprozessuale Sonderverfahren benötigen 10. Der kurze Überblick über einige Diskussionsbeiträge der vergangenen zwei Jahre, der sich auf die nationale Sicht beschränkt und noch nicht einmal europäische Rahmenbedingungen 11 oder transatlantische Impulse 12 erfasst, unterstreicht wohl eindrucksvoll die Berechtigung der Fragestellung nach der Zukunft des Zivilprozesses. III. Die möglichen Entwicklungsschritte: Von Tief- und Hochdruckgebieten Zukunftsprognosen sind gefährlich. Das ist beim Zivilprozess genauso wie beim Wetter. Doch es gibt auch gesicherte Prognosen mit hoher Eintrittswahrscheinlichkeit. Man denke 1 Mayen, AnwBl 2013, 268 in einem Kommentar, der auf den 70. Deutschen Juristentag im September 2014 in Hannover aufmerksam machen wollte. 2 Vgl. dazu vor allem auch den Beitrag von Henssler in diesem Heft, AnwBl 2013, Nur am Rande sei vermerkt, dass am in Freiburg ein Symposium aus Anlass des 70. Geburtstags von Rolf Stürner stattfand, das den Titel Die Zukunft des Zivilprozesses trug. 4 Die Bedeutung der privaten Schiedsgerichtsbarkeit für das Zurückdrängen des staatlichen Zivilprozesses wird beispielsweise hervorgehoben bei Mayen, AnwBl 2013, 268; Duve/Sattler, AnwBl 2012, 2, 3, 7; Trittmann/Schröder, SchiedsVZ 2005, 71; Zypries, SchiedsVZ 2009, 1. In der Zeitschrift Wirtschaftswoche Nr. 18 vom , S. 46 wird die Schiedsgerichtsbarkeit sogar als veritable Schattenjustiz und als neuer Trend vorgestellt. 5 Darauf weist beispielsweise Ewer, AnwBl 2012, 18 hin. Aufgrund von Urteilen des EGMR aus den Jahren 2006 und 2010 (NJW 2006, 2389 und NJW 2010, 3355) hat der deutsche Gesetzgeber in der Zwischenzeit ein Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren (BGBl I 2011, S. 2302) verabschiedet und in das GVG einen neuen Abschnitt eingefügt ( 198 ff. GVG). 6 Vgl. etwa Duve/Sattler, AnwBl 2012, 2, 3, 8; Engel, AnwBl 2012, 13; Ewer, AnwBl 2012, So bereits eindrucksvoll die Prognose von Duve/Sattler, AnwBl 2012, 2. 8 In diesem Sinne Hirsch, NJW-Editorial, Heft 18, 2012; Bräutigam, AnwBl 2012, 533; früher bereits Brinkler, NJW 2002, Gaier, FAZ vom , S. 6 unter dem Titel Harte Nüsse Die deutsche Justiz braucht mehr Anwälte im Richterberuf und einen Special Master, der den Sachverhalt aufklärt und Ressourcen schont. 10 Diese Frage wurde auf dem Freiburger Symposium für Rolf Stürner (s. o. Fn. 3) in einem Referat von Herbert Roth näher behandelt. 11 Vgl. dazu etwas Duve/Sattler, AnwBl 2012, 2, Vgl. dazu Engel, AnwBl 2012, 13. Aufsätze Der Zivilprozess im Jahre 2030: Ein Prozess ohne Zukunft?, Prütting AnwBl 6 /

28 MN Anwaltszukunft nur an die alte und bewährte Bauernregel: Wenn der Hahn kräht auf dem Mist, dann ändert sich das Wetter oder es bleibt, wie es ist. Im Folgenden seien daher einige zentrale Entwicklungstendenzen als Grundlage für mögliche Prognosen etwas näher betrachtet und mit gebotener Vorsicht bewertet. 1. Spezialisierung und Diversifizierung Die Gesichtspunkte der Spezialisierung und der Diversifizierung mögen sich auf den ersten Blick aufdrängen. Bei näherem Hinsehen wird man freilich unterscheiden müssen, ob vom Anwalt, vom Richter oder vom Verfahren die Rede ist. a) Für die deutsche Anwaltschaft steht der dynamische Prozess einer ständig fortschreitenden Spezialisierung und Diversifizierung außer Frage. Dieser Prozess wird sich unaufhaltsam voran entwickeln. Der deutsche Zivilprozess mit seinen Prägungen der Dispositions- und der Verhandlungsmaxime wird auch künftig auf beiden Seiten des Rechtsstreits vom Anwalt geführt werden. Dies wird im materiellen Recht wie im Prozessrecht immer stärker den Spezialisten verlangen. Der Einzelanwalt mit universellem Aufgabenbereich wird mehr und mehr unter rechtlichen und ökonomischen Druck geraten. Die seit Jahren anhaltende Tendenz zum Fachanwalt mit seinen nunmehr 20 Fachanwaltsbereichen und mehr als vergebenen Fachanwaltstiteln ist hier nur ein einzelner Schritt, wenngleich ein sehr gewichtiger. Die Zukunft wird eine starke Spezialisierung innerhalb der einzelnen Fachanwaltsbereiche bringen. Es werden Fachportale entstehen, in denen der zuständige Anwalt nur noch Einzelproblemfelder bearbeitet. Wenn zum Beispiel berichtet wird, dass in Deutschland im Jahr mehr als Zivilurteile allein wegen Flugverspätungen erlassen werden 13, dann lässt sich ahnen, wohin im Rahmen bestimmter Haftungsbereiche die Reise gehen wird 14. b) Nun wird mit guten Gründen neuerdings auch vom Richter weit stärkere Spezialisierung verlangt (Reinhard Gaier). Dies ist zunächst ein Problem der Geschäftsverteilung, die wiederum dem Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) geschuldet ist. Die Umsetzung richterlicher Spezialisierung muss und wird daher über eine deutliche Ausweitung der Fach- und Spezialkammern und Senate im Rahmen der Geschäftsverteilung führen. Das wird Probleme aufwerfen, weil die jährlich festgelegte Geschäftsverteilung ein sehr starres Element in sich trägt. Dennoch wird hier der ökonomische und rechtliche Druck auf mehr Flexibilität deutlich anwachsen. c) Soweit manchmal auch bei den Regeln des Zivilprozessrechts eine mangelnde Diversifizierung beklagt wird, beruht dies darauf, dass ein Schadensersatzanspruch über Euro aufgrund derselben Regeln geführt wird wie zum Beispiel der Mühlheim-Kärlich-Prozess, bei dem um eine Schadenssumme von ca. 2 Mrd. Euro gestritten wurde. Besonders deutlich ist in jüngster Zeit das Verlangen nach Diversifizierung des Verfahrensrechts im Rahmen des Verbraucherschutzes geäußert worden. So hat Micklitz in seinem Referat auf dem 69. Deutschen Juristentag gefordert, wir würden ein Sonderprozessrecht für Verbraucher (und darüber hinaus ein Verbrauchergesetzbuch) benötigen. Einem solchen Gedanken steht nun allerdings entgegen, dass eine normative Diversifizierung eine unerwünschte Komplexität des Rechts fördert, dass sie damit die Vorhersehbarkeit von Verfahren vermindert und auf diese Weise die Verfahrenssicherheit reduziert. Bei näherer Betrachtung ist es geradezu die Stärke eines einheitlichen Prozessrechts, dass im Grundsatz jedes Zivilverfahren nach gleichen Verfahrensregeln abgehandelt wird. Auch der Kläger mit einem Schaden von Euro kann die Wahrung aller verfahrensmäßigen Garantien und eine ordnungsgemäße Prozessführung verlangen. Dem steht nicht entgegen, dass man im Bagatellbereich nur eine Instanz öffnet und Rechtsmittel ausschließt und dass man auch in den höheren Instanzen gewisse Streitwertgrenzen einführt. Denn durch Streitwertgrenzen wird die Verfahrenssicherheit nicht beeinträchtigt. Die Polemik des Gesetzgebers der ZPO-Reform von 2002 gegen Streitwertgrenzen im Rechtsmittelbereich ist von daher wenig verständlich, zumal der Gesetzgeber selbst die in der Revisionsinstanz beseitigten Streitwertgrenzen durch die Hintertür wieder eingeführt hat (vgl. 26 Nr. 8 EGZPO). Insgesamt wäre ein eigenständiges Verbraucherprozessrecht jenseits von besonderen Zuständigkeitsnormen wie 29c ZPO eine Fehlentwicklung. 2. Konsensuale Streitbeilegung Zu den vermutlich häufigsten Aussagen über die künftige Entwicklung des Zivilprozesses gehört es, dass die Bedeutung außergerichtlicher und speziell konsensualer Streitbeilegung künftig weiter anwachsen wird. Dies könnte zu einer starken Zurückdrängung des staatlichen Zivilprozesses führen. Der Gesetzgeber selbst hat bereits mehrfach diesen Trend bewusst gefördert. Zunächst wurde in 15a EGZPO die Möglichkeit geschaffen, dass die Bundesländer dem amtsgerichtlichen Zivilprozess eine obligatorische Streitschlichtung vorschalten. Vor kurzem wurde durch den neuen 278a ZPO die gesetzliche Möglichkeit für eine gerichtsnahe Mediation trotz bereits bestehender Rechtshängigkeit geschaffen. Auch die Verabschiedung eines eigenen Mediationsgesetzes 15 soll letztlich diese Tendenz unterstützen. Dies alles ist eine in jeder Hinsicht lobenswerte und förderungswürdige Entwicklung. Es darf freilich dabei nicht verkannt werden, dass Mediation und Schlichtung keine eigenen Verfahrensordnungen darstellen, sondern nur besondere Methoden beinhalten. Dies hat der Gesetzgeber im neuen 278 Abs. 5 Satz 2 ZPO übrigens ausdrücklich anerkannt. Weiter gilt es zu bedenken, dass eine erfolgreiche und fachgerechte Mediation oder Schlichtung Zeit und Geduld benötigen. Für Massenverfahren oder echte Rechtsprobleme mit Modellcharakter sind sie denkbar ungeeignet. Dem entspricht es auch, dass in Deutschland die Zahlen echter Mediationsverfahren keineswegs deutlich ansteigen. Noch immer gilt vielmehr der bekannte Satz, dass das Angebot an qualifizierten Mediatoren die Nachfrage deutlich übersteigt 16. Der Versuch mit obligatorischer Streitschlichtung nach 15 a EGZPO hat sich zahlenmäßig im Übrigen als vollkommener Fehlschlag erwiesen. Ein obligatorisches Verfahren verträgt sich schlecht mit konsensualer Streitbeilegung, für die Freiwilligkeit ein Wesensmerkmal ist. Besonders unglücklich, obgleich zahlenmäßig zunächst erfolgreich, waren die Modellversuche der Jahre 2002 bis 2012 mit richterlicher Mediation gewesen. Bei allem Lob über das große richterliche Engagement wurde hier aus ökonomischer Sicht die richterliche Arbeitskraft in die falsche 13 Vgl. dazu etwa den Bericht in Wirtschaftswoche Nr. 19 vom , S Im genannten Beispiel wird diese aktuelle Tendenz nicht zuletzt dadurch bestätigt, dass der Gesetzgeber soeben einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Schlichtung im Luftverkehr zur Abstimmung vorliegen hat (BT-Drucks. 17/12876). 15 Gesetz zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vom , BGBl I Ewer, AnwBl 2012, AnwBl 6 / 2013 Der Zivilprozess im Jahre 2030: Ein Prozess ohne Zukunft?, Prütting

29 MN Anwaltszukunft Richtung gelenkt. Abgesehen von der fehlenden gesetzlichen Grundlage wurde auch verkannt, dass hierbei ein gravierender Widerspruch zur Bindung des Richters an Gesetz und Recht gemäß Art. 20 Abs. 3 GG vorlag und dass die richterliche Autorität mit einer gerichtsinternen Mediation nicht harmonierte 17. Insgesamt wird der gesamte Bereich der konsensualen Streitbeilegung in Zukunft leicht anwachsen. Dies wird aber nicht zu einer nennenswerten Zurückdrängung des staatlichen Zivilprozesses führen. 3. Die Schiedsgerichtsbarkeit Der Wert und die Bedeutung der privaten Schiedsgerichtsbarkeit sind unbestritten. So zeigen etwa die Zahlen der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) schon seit über 15 Jahren eine ansteigende Tendenz. Darüber hinaus wird gerne geltend gemacht, ein schiedsgerichtliches Verfahren sei schneller und kostengünstiger sowie zweckmäßiger als ein staatlicher Zivilprozess. Viele dieser Hinweise beruhen freilich auf gravierenden Fehleinschätzungen der privaten Schiedsgerichtsbarkeit. Dies wird bei der zahlenmäßigen Entwicklung deutlich, wenn man berücksichtigt, dass die von der DIS betreuten Schiedsgerichtsverfahren von rund 50 pro Jahr (vor 15 Jahren) auf heute rund 200 pro Jahr angestiegen sind. Bei aller Deutlichkeit dieser Tendenz zeigen die Zahlen, dass es sich jedenfalls innerstaatlich um ein zahlenmäßig verschwindend geringes Phänomen handelt. Eine deutliche Fehleinschätzung ist es weiterhin, wenn man die Schiedsgerichtsbarkeit für schneller und billiger als den staatlichen Prozess ansieht. Der zeitliche Aspekt der Abwicklung eines Zivilstreits hängt sehr stark von individuellen Gesichtspunkten ab. So gibt es viele staatliche Prozesse und ebenfalls manche Schiedsgerichtsverfahren, die in weniger als einem Jahr abgewickelt werden können. Es gibt aber auch die Fälle wie zum Beispiel das berühmte schiedsgerichtliche Verfahren in der Sache Toll Collect, das im Jahre 2004 begonnen wurde und bis heute nicht abgeschlossen ist. Auch in finanzieller Hinsicht bedarf es erheblicher Differenzierung. Die schiedsrichterliche Tätigkeit wird üblicherweise finanziell in Anlehnung an anwaltliche Tätigkeiten abgerechnet. Nahezu stets sind die Parteien eines Schiedsverfahrens ebenfalls anwaltlich vertreten. Eine generell kostengünstigere Abwicklung ist daher nicht zu beobachten. In Wahrheit liegen die echten Vorteile privater Schiedsgerichtsbarkeit in ihrer Nichtöffentlichkeit, in der Möglichkeit der Heranziehung von Fachleuten als Schiedsrichter und im fehlenden Instanzenzug. Dem stehen als negative Gesichtspunkte vor allem gegenüber, dass durch private Schiedsgerichte eine Fortentwicklung des Rechts nicht geleistet werden kann, dass Schiedssprüche keine Präzedenzwirkung haben können und dass sie damit als Orientierungshilfe für ähnliche Fälle in der Praxis ausscheiden. Der Wert und das besondere Gewicht privater Schiedsgerichtsbarkeit, vor allem der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, liegen also in einem Spezialbereich, den die staatliche Justiz aus unterschiedlichen Gründen nicht abdecken kann. Diese kurzen Andeutungen zeigen bereits, dass staatliche Zivilgerichtsbarkeit und private Schiedsgerichtsbarkeit in aller Regel nebeneinanderstehen, ohne sich übermäßig zu tangieren. Die Behauptung, der Erfolg und die Fortentwicklung privater Schiedsgerichtsbarkeit sei ein starkes Indiz für die Zurückdrängung des staatlichen Zivilprozesses, ist eine Fehleinschätzung. 4. Effizienzkriterien Wichtige Veränderungen des staatlichen Zivilprozesses werden sich aus dem Gesichtspunkt notwendiger Effizienzsteigerungen in der Zukunft ergeben. Dies haben vor kurzem Duve/ Sattler bereits eindrucksvoll dargestellt 18. Veränderungen wird es insbesondere bei Massenverfahren und bei Bagatellstreitigkeiten geben müssen, ohne dass dadurch die Struktur des Zivilprozesses außer Kraft gesetzt wäre. Wenn ein Phänomen wie die bereits beschriebenen Zivilurteile pro Jahr allein wegen Flugzeugverspätungen zu beobachten ist, muss der Gesetzgeber eingreifen. Wenn er dies in der Weise tut, dass für solche Streitigkeiten ein eigenes Verfahren zur privatrechtlich organisierten und zur behördlichen Schlichtung mit Kostenanreizen geschaffen wird, so ist das nur zu begrüßen 19. Aber auch darüber hinaus wird es künftig stärker erforderlich sein, gewisse Standardisierungen für Massenverfahren einzuführen. Ob dies über eine Verstärkung des kollektiven Rechtsschutzes erfolgt, ist freilich noch offen. Die bisherige Diskussion über kollektiven Rechtsschutz und insbesondere der bisher einzige Versuch des Gesetzgebers im Rahmen des Gesetzes über Musterverfahren in kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten (KapMuG vom ) sind hier eher ein abschreckendes Beispiel. Dennoch wird künftig jedenfalls über den Weg aus Brüssel auf das deutsche Recht vermehrt eine Regelung des kollektiven Rechtsschutzes zukommen. 5. Der Zweck des Zivilprozesses Eine massive Veränderung von Strukturprinzipien des Zivilprozesses könnte es bedeuten, wenn richtig wäre, was Hirsch im Jahre 2012 behauptet hat 20. Danach sei der Zweck des Zivilprozesses (jedenfalls in der Revisionsinstanz) vorrangig im Allgemeininteresse zu bestimmen und deshalb sei es möglich, Urteile zu erlassen, obgleich die Parteien durch Klagerücknahme oder Rechtsmittelrücknahme dem konkreten Verfahren die Legitimation entzogen haben. Nun gehört der berühmte Streit um den Zweck des Zivilprozesses zu den Klassikern der zivilprozessualen Dogmatik. Bei allem Streit ist aber bis heute allgemein anerkannt, dass es zentraler Zweck des Zivilprozesses ist, den Schutz und die Durchsetzung subjektiver Rechte des einzelnen Rechtsinhabers zu gewährleisten. Denn dieser Schutz und damit die Institution des Zivilprozesses sind verfassungsrechtlich garantiert. Soweit der Gesetzgeber der einzelnen Person subjektive Rechte zuteilt und ihr zugleich Selbsthilfe verbietet, muss der Gesetzgeber zur Durchsetzung dieser subjektiven Rechte den Zugang zu Gericht eröffnen. Eine Privatrechtsordnung kann also ohne die Hilfe eines staatlichen Zivilprozesses nicht bestehen 21. Speziell für die Revisionsinstanz gilt, dass auch hier in strikter Weise die Dispositionsmaxime anzuwenden ist, sodass es Revisionsverfahren ohne Parteiantrag nicht geben kann. Die Rücknahme der Revision ist in den 565, 516 ZPO ausdrücklich normiert. Die zwingende Kostenfolge für die Parteien gemäß 97 ZPO ließe sich mit einer Revision im Allgemeininteresse nicht verbinden. Auch die Möglichkeit von Anerkenntnis, Verzicht und Vergleich im Revisionsverfahren widerspricht der These von Hirsch. Schließlich zei- 17 Vgl. im Einzelnen Prütting, ZZP 124 (2011), 163 ff.; ders. AnwBl 2012, Duve/Sattler, AnwBl 2012, 2, 55 ff. 19 Entwurf eines Gesetzes zur Schlichtung im Luftverkehr, Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses vom , BT-Drucks. 17/ Hirsch, NJW-Editorial, Heft 18, Vgl. dazu insbes. Gaul, AcP 168, 27; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 17. Aufl., 1 Rn. 5. Aufsätze Der Zivilprozess im Jahre 2030: Ein Prozess ohne Zukunft?, Prütting AnwBl 6 /

30 MN Anwaltszukunft gen die 522 Abs. 2, 552a ZPO sehr deutlich, dass im Mittelpunkt der richterlichen Entscheidung der jeweilige Parteierfolg bzw. die Erfolglosigkeit des Parteibegehrens steht. Eine abstrakte Entscheidung über rechtliche Fragen kennt das deutsche Recht nicht. So verständlich also der Ärger des Richters ist, so ändert dies nichts an dem Ergebnis, dass eine grundlegende Umgestaltung des deutschen Zivilprozesses und seines Hauptzwecks de lege lata ausgeschlossen ist und de lege ferenda nicht in Betracht kommt. 6. Die Einführung des Special Master Besonders eigenartig erscheint der Vorschlag aus höchstrichterlichem Mund, einen dritten Rechtsanwalt als Special Master in den deutschen Zivilprozess einzufügen 22. Zu einer Verbilligung des Verfahrens kann dieser Vorschlag sicherlich nicht führen, allenfalls zu einer Kostenabwälzung auf die Parteien. Auch eine zeitliche Beschleunigung des Verfahrens ist nicht ersichtlich. In jedem Falle müsste dieser beigezogene Drittbeteiligte genau wie der zuständige Richter die Akten studieren und die jeweiligen Beweise erheben. Durch welche Maßnahme sich dies gegenüber richterlicher Beweisanordnung und Beweisführung beschleunigen soll, ist schwer ersichtlich. Allenfalls könnte man sich denken, dass durch die Auswahl eines besonderen Fachmanns als Special Master ein gewisses schiedsgerichtliches Element Einzug in den staatlichen Prozess findet, weil nunmehr über die Tätigkeit des Gerichts hinaus ein Spezialist beteiligt wäre. Soweit dies (wie etwa in großen wirtschaftsrechtlichen Streitigkeiten) von besonderem Gewicht sein könnte, werden die Parteien möglicherweise von Anfang an ein privates Schiedsgerichtsverfahren wählen. In anderen Verfahren wird sich eine solche Suche nach dem Spezialisten schon aus Kostengesichtspunkten wahrscheinlich verbieten. Unklar bleibt schließlich bei diesem Vorschlag, warum der drittbeteiligte Special Master im stärkeren Maße deeskalierend wirken kann als der Richter. 7. Elektronischer Prozess Eine weithin gesicherte Prognose dürfte es darstellen, wenn vermutet wird, dass der Zivilprozess des Jahres 2030 in seiner technischen Abwicklung weitgehend ein elektronischer Prozess sein wird. Denn bekanntlich hat der deutsche Gesetzgeber bereits durch das Formvorschriftenanpassungsgesetz vom , durch das Zustellungsreformgesetz vom und insbesondere durch das Justizkommunikationsgesetz vom eine große Anzahl rechtlicher Voraussetzungen für die Schaffung eines elektronischen Prozesses gesetzlich geschaffen 23. Über diese schon heute im Gesetz gegebenen normativen Möglichkeiten hinaus gibt es vielfältige Modellversuche zur Nutzung elektronischer Verfahrensschritte. Zuletzt hat hier der Gesetzgeber das Gesetz zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren vom (BGBl. I 935) erlassen. Über solche Einzelschritte hinaus hat der Gesetzgeber im Jahre 2012 die Initiative ergriffen, um ein sehr ambitioniertes Programm zur praktischen Umsetzung des elektronischen Rechtsverkehrs in die Wege zu leiten. Nach derzeitigem Stand liegt der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom vor 24. Hierdurch will der Gesetzgeber in einem Zehnjahresplan in insgesamt drei Stufen den elektronischen Rechtsverkehr obligatorisch vor deutschen Gerichten einführen. Es ist sicherlich nicht zu viel gewagt vorherzusagen, dass hier die technologische Entwicklung sich als starke Antriebskraft für Veränderungen im deutschen Zivilprozess erweisen wird. Dem steht allerdings gegenüber, dass auch ein elektronisches Verfahren die verfassungsrechtlichen Garantien und die anerkannten Verfahrensgrundsätze wahren muss. So darf auch eine elektronische Prozessführung nicht das rechtliche Gehör der Parteien, die Garantie der Öffentlichkeit, der Unmittelbarkeit sowie das Mündlichkeitsprinzip grundlegend einschränken. Auch am Grundsatz der Dispositionsmaxime und des Verhandlungsgrundsatzes wird der elektronische Prozess nichts ändern. Schon diese kurzen Erwägungen zeigen, dass bei aller zu erwartenden einschneidenden Veränderungen im formalen Vorgehen die grundlegenden Strukturprinzipien des Zivilprozesses gewahrt bleiben werden und bleiben müssen. 8. Demographischer Wandel Nahe liegt der Gedanke, der zu erwartende demographische Wandel in Deutschland könne Auswirkungen auch auf das Recht und insbesondere das Verfahrensrecht haben. Denn bis zum Jahr 2030 wird wohl die Bevölkerung in Deutschland um ca. 5 Prozent geschrumpft sein, während die Zahl der über 65jährigen Menschen deutlich ansteigen wird. Dies könnte sich auf das Wirtschaftswachstum negativ auswirken. Das wiederum würde die durch die Staatsverschuldung und die aktuelle europäische Schuldenkrise langfristig erforderliche Tendenz einer Ausgabenreduktion noch deutlich verstärken. Inwieweit eine solche Entwicklung auch den Justizhaushalt spürbar beträfe, lässt sich heute aber noch nicht sagen. Der Gefahr ökonomisch bedingter Einsparungen im Justizhaushalt stünde gegenüber, dass hier wohl weniger das Prozessrecht als vielmehr das staatliche Leistungs- und Subventionsrecht betroffen wäre. Zu erwarten ist in der Zukunft aus dieser Sicht im Justizbereich also wohl in erster Linie eine Kürzung der Prozesskostenhilfe. Auch das Stundungsmodell der 4a ff. InsO könnte betroffen sein. 9. Englisch als Gerichtssprache Nur eine Randnotiz wert ist der in den Jahren 2009 bis 2011 diskutierte Versuch, in Sonderfällen und mit Zustimmung aller Beteiligten Englisch als Gerichtssprache vor internationalen Kammern für Handelssachen einzuführen 25. Diese als Modell in Köln und Bonn gestartete Initiative ist im Gesetzgebungsverfahren gestrandet. Anders als ihre Kritiker meinten, wäre die Initiative selbst im Falle der Umsetzung auch langfristig nur eine winzige Ergänzung des Justizangebotes geworden. Als Merkposten für eine Liste prognostizierter grundlegender Veränderungen des Zivilprozesses muss diese Initiative (leider) ausscheiden. 10. Das Prozessrecht in der Legitimationskrise? Menschliches Zusammenleben schafft notwendigerweise Konfliktlagen. Die Bewältigung der einzelnen Konfliktfälle ohne Blutvergießen durch ein nach festen Regeln ablaufendes Verfahren ist daher ein uraltes Anliegen der Menschheit. Daher ist es durchaus von übergeordneter Bedeutung, wenn eine große Zahl von Menschen gegen Projekte heftig protes- 22 Vgl. Gaier (Fn. 9). 23 Zu den Einzelheiten vgl. Prütting, AnwBl 2013, Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten, BT-Drucks. 17/12634 v Basis hierfür war der Bundesratsentwurf v , der die Kammer für Internationale Handelssachen einrichten wollte; vgl. dazu Salger, AnwBl 2012, 40; v. Westphalen, AnwBl 2009, 214; Prütting, AnwBl 2010, AnwBl 6 / 2013 Der Zivilprozess im Jahre 2030: Ein Prozess ohne Zukunft?, Prütting

31 MN Anwaltszukunft tiert, nachdem diese Projekte in langen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren abgesegnet wurden (Stuttgart 21). Hierin könnte ein schwerwiegendes Problem verborgen sein. Es wurde in der Öffentlichkeit vielfach die Frage gestellt, wie es zu einem solchen Konflikt kommen konnte. Eine nicht selten darauf gegebene Antwort lautete, die Ursache liege in den früheren Konflikten. Denn damals wurde die Uneinigkeit in der Sache durch eine Einigung per Verfahren ersetzt. Diese Antwort mag nicht völlig falsch sein. Sie verfehlt aber den Kern der Sache. Denn es ist durchaus das Ziel des Verfahrensrechts, Legitimation durch Verfahren zu schaffen, wie dies bekanntlich Niklas Luhmann 26 formuliert hat. Es entspricht geradezu dem Wesen der Menschen, dass Einigkeit in der Sache nicht immer erzielt und nicht erzwungen werden kann. Daher muss eine letztlich notwendige Einigung auf einem verfahrensmäßigen Weg erzielt werden. Der Abschluss eines solchen Verfahrens durch die Rechtskraft ist also die absolut zentrale Grundlage jedes rechtsstaatlichen Verfahrens. Vor diesem Hintergrund muss man es durchaus als eine Krise moderner Gerichtsbarkeit empfinden, wenn Bürger endgültig abgeschlossene Planungen und Grundsatzentscheidungen auf der Straße abändern wollen. Es könnte nämlich bedeuten, dass unsere Verfahren keine ausreichende Legitimationswirkung mehr bieten. Die Beantwortung dieser Frage ist schwierig. Für den vorliegenden Versuch einer Prognose über die Zukunft des Zivilprozesses sei daher einmal der ungünstigste Fall unterstellt, dass nämlich rechtskräftig abgeschlossene Verfahren in Deutschland keine ausreichende Legitimation und keine Befriedung der Streitparteien mehr herbeiführen können. Was wäre die Konsequenz? Es wäre sicher nicht die Abschaffung oder die Einschränkung staatlicher Verfahren, sondern doch wohl eher die Modernisierung und der Ausbau. IV. Die Künftige Zielrichtung Der Überblick über mögliche Entwicklungsschritte des Zivilprozesses bis 2030 hat deutlich gemacht, dass eine große Zahl vermuteter Auslöser für Veränderungen nicht das Potential für grundlegende und strukturelle Umgestaltungen aufweist. Neben Eingriffen zur Effizienzsteigerung von Verfahren und insbesondere der zu erwartenden Umsetzung elektronischer Verfahren wird es vor allem der ständig wachsende Spezialisierungsdruck auf Anwaltschaft und Richterschaft sein, der das aktuelle Gesicht des Zivilverfahrens verändern könnte. Im Übrigen gibt die Durchsicht der Entwicklungstendenzen Anlass zu der Vermutung, dass wir auch im Jahre 2030 einen viel genutzten Zivilprozess vor deutschen Gerichten haben werden, dessen verfassungsrechtliche Grundlagen und dessen Verfahrensmaximen unverändert sind. Dagegen liegt die Vermutung nahe, dass sich die Anforderungen insbesondere an die Anwaltschaft erheblich verändern werden. War die Vergangenheit von einer Entwicklung geprägt, die sich vielleicht als Schritt von der Rechtsanwendung zur Dienstleistung kennzeichnen ließe, so könnte es die Zukunft erfordern, dass sich der Rechtsanwalt vom Dienstleister mehr und mehr zum Unternehmer entwickelt. Die verlangten Kennzeichen einer schnellen, kompetenten, effektiven, leistungsfähigen und dennoch kostengünstigen Arbeit lassen sich nämlich wohl nur noch durch Spezialisierung, durch projektbezogene Arbeit, durch Standardisierung und durch elektronische Umsetzung bewerkstelligen. Solche eher unternehmensbezogenen Schritte werden in aller Regel Teamarbeit erfordern. Das könnte im Übrigen den forensisch tätigen Rechtsanwalt wieder stärker an den Unternehmensanwalt (also den Syndikus) heranführen. V. Vom Wesen und Wert des Zivilprozesses Der Versuch einer Prognose zur Entwicklung des Zivilprozesses im Jahr 2030 findet ein überraschendes Ergebnis: Die beteiligten Personen werden sich weit stärker verändern müssen als die normativen Grundlagen des Prozessrechts. Dies wirft wichtige Fragen für die künftige Ausbildung junger Juristen auf, die an dieser Stelle nicht beantwortet werden können. Das Ergebnis macht aber zugleich auch deutlich, welches Gewicht und welche Bedeutung einem funktionsfähigen Zivilprozess jenseits technischer Einzelheiten zukommen. Anknüpfend an die Legitimation des Verfahrensrechts 27 ist nämlich festzustellen, dass der Prozess in seiner Bedeutung häufig falsch eingeschätzt wird. Besonders deutlich macht dies das berühmte Zitat von Friedrich Stein aus dem Jahre 1921: Der Prozess ist für mich das technische Recht in seiner allerschärfsten Ausprägung, von wechselnden Zweckmäßigkeiten beherrscht, der Ewigkeitswerte bar 28. Einer solchen Auffassung steht heute die Erkenntnis gegenüber, dass es einen eigenständigen Gerechtigkeitswert verfahrensrechtlicher Normen gibt 29. Der Erwartung einer inhaltlich richtigen Gerichtsentscheidung und damit einer materiellen Gerechtigkeit steht also eine prozedurale Gerechtigkeitserwartung gegenüber, die beiden Seiten rechtliches Gehör gewährt, ein faires Verfahren praktiziert, die Sache durch neutrale und unabhängige Personen behandelt und damit letztlich im Rahmen rationaler Ergebnisbegründung Rechtssicherheit und Rechtsfrieden durch Rechtskraft schafft. Betrachtet man den Zivilprozess aus diesem Blickwinkel, so zeigt sich, dass ein solches Verfahren ein hohes Kulturgut darstellt. Es ist eine rechtliche Errungenschaft von bleibendem Wert. Dem Wesen der Menschen entspricht es, dass jeden Tag aufs Neue Streit entstehen kann und dass sich Streit nicht stets durch materiellen Konsens lösen lässt. Mediation und andere Formen konsensualer Streitbeilegung werden daher das streitige Verfahren und das autoritative Urteil als Verfahrensabschluss niemals gänzlich ersetzen können. Vielmehr bedarf es des formalen Streitentscheids und der Rechtskraft, um nach dem Streit eine neue Chance zu einem friedlichen Zusammenleben von Menschen zu ermöglichen. Der Zivilprozess als Institution hat daher einen Ewigkeitswert. Prof. Dr. Hanns Prütting, Köln Der Autor ist Direktor des Instituts für Verfahrensrecht und des Instituts für Rundfunkrecht sowie Geschäftsführender Direktor des Instituts für Anwaltsrecht an der Universität Köln. Leserreaktionen an Aufsätze 26 Niklas Luhmann, Legitimation durch Verfahren, Neuwied 1969, S. 38 ff. 27 S. oben III Friedrich Stein, Grundriss des Zivilprozessrechts, 1921, Vorwort, S. III. 29 Henckel, Vom Gerechtigkeitswert verfahrensrechtlicher Normen, Göttinger Universitätsreden, 1966, S. 25. Der Zivilprozess im Jahre 2030: Ein Prozess ohne Zukunft?, Prütting AnwBl 6 /

32 MN Anwaltszukunft Anwaltszukunft Zukunft der Konfliktbeilegung: Schlichtung ist Rechtskultur Funktion und Bedeutung der Schlichtungsverfahren in Deutschland * Dr. h.c. Renate Jaeger, Schlichterin der Rechtsanwaltschaft, Berlin Wie wird die Zukunft der Konfliktbeilegung aussehen? Das Mediationsgesetz von 2012 sollte die Mediation fördern. Die Eurpäische Union, aber auch viele Branchen und Berufe setzen auf Schlichtungsstellen. Die Schlichterin der Rechtsanwaltschaft, zuvor 42 Jahre Richterin, plädiert für eine Stärkung der Schlichtung und die Bindung an Recht und Gesetz. Schlichtung ist Rechtskultur. Und: Schlichtung setzt den Rechtsstaat voraus und kann ihn zugleich stärken. I. Schlichtung ein akzeptabler Weg Es gibt Berufsgruppen, die Schlichtung wollten, wie die Rechtsanwälte. Es gibt Branchen, die sie fürchten wie der Teufel das Weihwasser (Fluggesellschaften). Es gibt andere, die eine Kosten-/Nutzenkalkulation angestellt haben mit dem Ergebnis, dass der Nutzen alles in allem verhältnismäßig überwiegt (Banken, Versicherungen und Ärzte). Die Ausgangslagen und die Interessen sind unterschiedlich. Ich kann das gut nachvollziehen. Die Sichtweise hängt unter anderem davon ab, ob in dem jeweiligen Geschäftszweig die öffentliche Meinung und das öffentliche Ansehen wichtig sind (so beispielsweise im Medizinbereich), welchen Stellenwert Kundenbindung hat, wie bereitwillig die Verbraucher in dem jeweiligen Zweig Ungerechtigkeiten schlucken und Gerichtskosten und/oder Zeit und Mühe scheuen. Zu letzteren zähle ich beispielsweise die Zug- und Flugkunden. Sie haben zwar Verspätungen und Ausfälle nicht klaglos hingenommen. Aber erst über eine öffentliche Debatte ist dieser Ärger dramatisiert worden, weshalb dann auch die Transportunternehmen bereit waren, Verantwortung zu übernehmen. Manchmal muss auch der EuGH erst Verbraucherrecht stärken, damit Beanstandungen genügend ernst genommen werden und Schlichtung als akzeptabler Ausweg aufscheint. Das formalisierte Verfahren erlaubt es dann, dass der Kunde nach dem Ärger über den Zeitverlust nicht noch den unendlich größeren in der Warteschlange der Beschwerdestelle ansammelt, samt der Wut über die Vergeblichkeit allen Tuns; der Kunde fürchtet auch nicht mehr, als zu alledem noch bei faktischen Monopolisten chancenlos zu sein, weil er nicht mal den Anbieter wechseln kann. Dabei können Monopolisten natürlich auch örtliche Handwerksbetriebe, spezialisierte Zulieferer und der einzige Post- Shop im Umland sein. Mir ist aus all diesen Gründen mehr als nachvollziehbar, dass die Europäische Union die Schlichtungsmöglichkeiten erheblich ausweiten will. II. Europa fördert Schlichtung Ich schlichte für die Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft zwischen Rechtsanwälten und Mandanten und bringe 2 1/3 Jahre an Erfahrung mit. Es war die Bundesrechtsanwaltskammer (kurz: BRAK), die diese Schlichtungsstelle für die Anwaltschaft gewollt hat. Es war die BRAK, die die europäischen Signale richtig gedeutet hat: Sie wollte keine unnötigen Angriffsflächen für staatliche Reglementierung geben, sondern selbst etwas tun. Es war die BRAK, die das Budget aufgestockt hat, als die Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft von Anfang an auf eine unerwartet große Resonanz stieß. Die Anwaltschaft war zwar nicht ihrer Zeit voraus, als sie beim Bundesministerium der Justiz eine Schlichtungsstelle angeregt hat, aber sie hatte ein gutes Gespür dafür, was dem Zeitgeist und einer modernen Interpretation der Selbstverwaltung entspricht. Die europäische Entwicklung, die für praktisch alle Lebensbereiche Schlichtungsverfahren verbindlich einführen will, bestätigt dies nur. Freie Berufe leben vom Vertrauen. Eine solche Schlichtungsstelle ist vertrauensbildend für die Berufsgruppe. Davon waren auch das Bundesministerium der Justiz als federführend und schließlich das Parlament zu überzeugen. Zwar haben andere Branchen wie die Banken und die Versicherungen, der öffentliche Nahverkehr oder die Makler schon viel früher den Ombudsmann eingeführt. Das ist verständlich, weil hier greifbare wirtschaftliche Interessen mit der Streitbeilegung verfolgt werden. Kundenbindung ist das oberste Ziel. Ein verärgerter Kunde ist geschäftsschädigend, auch als Multiplikator. So klar ist die Sachlage bei den Rechtsanwälten nicht. Nur ein kleiner Teil der Anwälte lebt von der Pflege langfristiger Mandate, so dass auch hier Mandantenbindung das Handeln bestimmen kann. Im Großen und Ganzen aber ist für den einzelnen Anwalt eine unerfreuliche Auseinandersetzung mit einem früheren Mandanten oder der Gang vor Gericht nicht spielentscheidend, wenn nur im Regelfall die Beziehungen zum Mandanten problemlos sind. III. Faktoren guter Schlichtung Was braucht eine solche Schlichtungsstelle um erfolgreich zu sein? Sie braucht vor allem Autorität, sonst funktioniert das in Deutschland nicht. Dazu gehört: 9 der Rückhalt in einem Gesetz (1.) 9 und die Bindung an das Gesetz. (1.) 9 Dazu gehört die persönliche Unabhängigkeit der schlichtenden Personen, die sich aus Sachkompetenz und gleichzeitiger Ferne zur kontrollierten Branche speisen. (2.) 9 Dazu gehört auch die institutionalisierte Unabhängigkeit, die die Funktionsfähigkeit garantiert, weil die Stelle über genügend Sach- und Personalmittel verfügt. Das muss gesichert sein. (3.) 9 Daneben wird man auf Folgebereitschaft der Beteiligten setzen müssen, weil es anderenfalls nur mittels Gerichtsverfahren, also der förmlichen Entscheidung und Vollstreckung zwar keine Lösung aber ein Ende des Streits gibt. (4.) 1. Gesetzesbindung Ich habe die Gesetzesbindung erwähnt. Natürlich ist die Freiheit der Schlichterin größer als die der Richterin. Sie kann unter Annahmen von Plausibilität und Lebenserfahrung ohne Beweisaufnahme Vergleiche vorschlagen. Dies ist allen * Der Beitrag beruht auf dem Vortrag Funktion und Bedeutung der Schlichtungsverfahren in Deutschland der Autorin auf der Tagung Schlichtung und Mediation Erfahrungen und Perspektiven des Bundesjustizministeriums am 19. April 2013 in Berlin. Die Vortragsform ist beibehalten worden. 406 AnwBl 6 / 2013 Zukunft der Konfliktbeilegung: Schlichtung ist Rechtskultur, Jaeger

33 MN Anwaltszukunft Beteiligten klar, jedenfalls den meisten. Vom Schlichter wird nicht das erwartet, was vom Richter erwartet wird. Ebenso wird vom Mediator nicht die Wegweisung zu der allein gesetzmäßig richtigen Lösung erwartet. Das Terrain für die Einigung ist viel größer. Eine präzise Festlegung der Kompetenzen ist indessen willkommen, weil die Antragsteller sich sicheres Terrain wünschen. Normen und Regularien, Merkblätter und Transparenz schaffen ein solches Umfeld. 2. Unabhängigkeit (auch durch Sachkompetenz) Als zweiten Punkt habe ich die Unabhängigkeit, die Sachkompetenz sowie die Distanz zur Branche erwähnt. Diese Gesichtspunkte sind sehr wichtig, wenn Schlichtung auf Dauer funktionsfähig sein soll. Schon haben sich einzelne Branchen den Begriff Schlichter oder Ombudsmann zu eigen gemacht und bieten durch eigene Angestellte im eigenen Unternehmen Schlichtung an, wo es sich doch allenfalls um hauseigene Beschwerdestellen handeln kann. Das ist Irreführung des Verbrauchers und wird von ihm auf längere Sicht gewiss nicht akzeptiert werden. Ein solches Verhalten ist zugleich geeignet, die Idee der Schlichtung insgesamt zu diskreditieren. Meines Erachtens sollte daher die Bezeichnung Schlichter oder die Bezeichnung Ombudsmann, Ombudsfrau in irgendeiner Form so geschützt werden, dass mit der Institution kein Missbrauch getrieben werden kann. Ohne Sachkompetenz ist ein überzeugender Vorschlag zur Güte kaum vorstellbar. Die betroffenen Beteiligten sind erfahren in der Sache, also muss der Schlichter insofern mithalten können. Um gleichzeitig Unabhängigkeit und Sachkompetenz zu gewährleisten, wird sich vielfach anbieten, dass branchenferne Schlichter von zuarbeitenden Fachkräften unterstützt werden. 3. Unabhängigkeit (durch Sach- und Personalausstattung) Die ausreichende sachliche und personelle Ausstattung von Schlichtungsstellen ist unverzichtbar, wenn man ihren Erfolg will. Auch wenn man zunächst nicht gut abschätzen kann, in welchem Ausmaß die Stellen beansprucht werden, sollte in den institutionellen Rahmenbedingungen festgelegt werden, nach welchem Schlüssel Mittel und Personal zugewiesen werden. Daran besteht ein Interesse aus der Sicht der Verbraucher, die eine rasche Antwort wünschen. Das gebietet auch das öffentliche Interesse, wenn man wie aus 253 Abs. 3 Nr. 1 ZPO hervorgeht die Schlichtung generell für ein wünschenswertes Vorschaltverfahren vor gerichtlicher Auseinandersetzung hält; denn nur dann steht von Anfang an die Sacharbeit im Vordergrund. Bei unzureichender Ausstattung ist der Misserfolg vorprogrammiert. 4. Folgebereitschaft Auch zur Vorbereitung von Folgebereitschaft ist es noch ein weiter Weg. Erkennbar halten manche Antragsteller das Schlichtungsverfahren lediglich für ein Test- und Erprobungsverfahren, um die Chancen für eine gerichtliche Auseinandersetzung abschätzen zu können. Das ist legitim, mindert aber die Effizienz. Es wird sich lohnen, über eine Verzahnung der außergerichtlichen und der gerichtlichen Streitbeilegung nachzudenken. Die ZPO-Änderung ist ein erster Schritt in diese Richtung. IV. Rechtskultur und Rechtsstaat Das zweite Jahr der Schlichtungsstelle war ein Jahr der Weiterentwicklung und Konsolidierung. Wir sind gewachsen, sowohl hinsichtlich der Zahl der Mitarbeiter als auch in Bezug auf Eingänge und Erledigungen. Mehr als Verfahren wurden inzwischen bearbeitet, davon erledigt. Mit unserer größeren Erfahrung haben wir stringente und transparente Verfahrensabläufe entwickelt, thematische Schwerpunkte bilden und endlich auch Prioritäten setzen können. Das alles hat unsere Effizienz maßgeblich gesteigert. Verbesserungswürdig und fähig ist noch manches. Indessen sind wir angesichts des Erreichten zuversichtlich, dass noch Steigerungspotenzial vorhanden ist. Mut machen uns positive Zuschriften sowohl aus dem Kreis der Mandanten wie der Rechtsanwälte. Ansporn ist uns sachliche Kritik, die ebenfalls nicht ausgeblieben ist, und vor allem die Formalitäten des Verfahrens sowie die noch immer zu lange Verfahrensdauer bei komplexen Sachverhalten betrifft. Gelassenheit verlangen uns unsachliche, vereinzelt auch beleidigende Äußerungen von ewig Unzufriedenen ab, nicht nur den Assistentinnen im Telefondienst, sondern auch den Sachbearbeiterinnen, denen in ihrer Praxis als Rechtsanwältinnen solche Erfahrungen bisher erspart geblieben sind. Mir als ehemaliger Richterin sind sie nicht völlig unbekannt. Vor allem aber hat das zweite Jahr in der Schlichtungsstelle meinen Blick auf die außergerichtliche Streitbeilegung verändert. Die zunehmenden Erfahrungen mit menschlichem Verhalten im Vorfeld gerichtlicher Auseinandersetzung und die Quintessenz aus der Masse der unterbreiteten Streitfälle haben meine Perspektive verschoben. Ich sehe heute viel deutlicher als bei Übernahme der Aufgabe, welche Bedeutung die außergerichtliche Streitbeilegung für den Bürger und die Bürgerinnen hat und welche sie für die Gesellschaft gewinnen kann. Schlichtung ist nicht vor allem deshalb nötig, weil damit Engpässe bei Gericht vermieden werden können. Das mag allenfalls eine willkommene Folgeerscheinung sein. Ombudsleute, Mediation und Schlichtung sind auch nicht deshalb wünschenswert, weil die einvernehmliche Lösung im Rechtsstaat ethisch vorzugswürdig ist, wie es einmal das Bundesverfassungsgericht formuliert hat. Denn einvernehmliche Lösungen werden auch von Gerichten herbeigeführt. Vor- und außergerichtliche Schlichtung ist gesellschaftspolitisch wichtig: 9 Die Zivilgesellschaft besinnt sich auf ihre Stärke. 9 DerBürgergewinnt VertrauenundSelbstbewusstseinzurück. 9 Einzelne Gruppen in der Bevölkerung, die in verantwortungsvollen Berufen tätig sind, tragen solche Einrichtungen. Sie tragen sie in doppelter Weise, finanziell und durch aktive Teilnahme am Verfahren. 9 Man kann ohne Gesichtsverlust, eher beiläufig, kleinere Irrtümer eingestehen bzw. sich gegenüber dem anderen Teil großzügig erweisen. Führt man diese Argumente zusammen, bedeutet Schlichtung gleichermaßen Verbraucherschutz und verbesserte Rechtskultur. Beide Punkte haben Gewicht. Am wichtigsten erscheint mir aber nicht die Befriedung im Einzelfall, sondern der langfristige Erfolg der Institution Schlichtung, der einen Bewusstseinswandel bewirken könnte. Im Rahmen meiner Tätigkeit zähle ich zum Verbraucherschutz 9 das individuelle Eingehen auf den schwächeren Teil; 9 die Rücksichtnahme auf das Informationsgefälle zwischen Rechtsanwalt und Mandant, das auch bei geschäftsgewandten Personen (etwa Gewerbetreibenden) anzutreffen ist; 9 das Handeln im Interesse rechtsferner und schriftlichkeitsferner Teile der Bevölkerung; 9 die Kostenfreiheit. Aufsätze Zukunft der Konfliktbeilegung: Schlichtung ist Rechtskultur, Jaeger AnwBl 6 /

34 MN Anwaltszukunft Nach meiner Meinung gehört hierzu ergänzend aber auch die Unterrichtung des Verbrauchers über die Grenzen, die das Recht setzt: Wir stutzen unerfüllbare Erwartungen zurück, korrigieren groteske Fehleinschätzungen und weisen überzogenes Anspruchsdenken zurück. Solche Einstellungen nehmen in der Bevölkerung zu, vielleicht auch durch gewisse Sendeformate in Radio und Fernsehen. Dem zu begegnen gelingt im Schlichtungsverfahren besser als vor Gericht; denn in Gerichtsverfahren ist ein solcher Lernprozess schmerzhaft, weil er so viel Geld kostet, so dass der Lerneffekt darüber leicht verloren geht. Leicht denkt der Verlierer, dass doch nicht falsch gewesen sein kann, wofür er so teuer bezahlt hat. Im kostenlosen Schlichtungsverfahren hingegen begegnen die Streitenden einander auf Augenhöhe; damit ist der Erkenntnisgewinn nicht von vornherein ausgeschlossen. Dieser Erkenntnisgewinn verbindet den Verbraucherschutz mit meinem Hauptpunkt, der verbesserten Rechtskultur, die sich nur entwickelt, wenn Lernfortschritte auf breiter Front erzielt werden und sich Verhaltensmuster ändern. Auch wenn Anwalt und Mandant mit Hilfe der Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft befähigt werden, ihre Probleme selbst zu bereinigen, ist dies ein Beitrag zu einer verbesserten Rechtskultur. Rechtskultur setzt zunächst einmal einen etablierten Rechtsstaat voraus. Ich habe 42 Jahre meines Lebens als Richterin gearbeitet. Da verwundert es nicht, dass ich die Rechtsweggarantie als Herzstück des Rechtsstaates begreife. Vor allem in meiner Zeit in Straßburg schienen mir die Garantien des Art.6 der EMRK weit mehr als alle anderen Menschenrechtsverbürgungen für die Durchsetzung ziviler Rechte und Freiheiten ausschlaggebend. Wo es keinen funktionierenden Rechtsstaat gibt, streitet der Bürger auf verlorenem Posten, ungeachtet aller Versprechungen in einer Verfassung und ohne Rücksicht auf gesetzlich fixierte Ansprüche. Rechtsmacht und Rechtsdurchsetzung sind ganz unverzichtbar für eine friedliche Zivilgesellschaft. Ohne Streitentscheidung durch eine unabhängige Judikative und die Vollstreckung des für richtig Erkannten leben wir nicht unter der Rule of Law. Das ist richtig und bleibt richtig. Aber heute sehe ich daneben ein Zweites: Streitvermeidung und Streitschlichtung sind Tugenden und Instrumentarien, die vom Kampf um den Rechtsstaat verdrängt worden sind. Wer keine unabhängigen Gerichte zu Hilfe rufen konnte, der war unter den damaligen schlechten Vorzeichen eher geneigt, Streit zu vermeiden oder sich schließlich zu einigen. Diese Bereitschaft vermisse ich inzwischen bei uns, obwohl die Bedingungen günstiger sind, weil der Gang zu Gericht immer offen steht. Heute geht es vielen Menschen nicht mehr um das Recht, sondern um mein Recht, wenn sie streiten, und sei der Anlass noch so nichtig. Aus dem Wunsch nach Gerechtigkeit wird Selbstgerechtigkeit. Nachgeben und Kompromissbereitschaft werden als Schwächen interpretiert. Das war schon einmal anders, als sich das Sprichwort entwickelte: Der Klügere gibt nach. Mit dem Rechtsstaat im Hintergrund sollte eigentlich die Einigungsbereitschaft unter professioneller Assistenz wachsen. Das hoffe ich. Das ist meine langfristige Perspektive. V. Alles gut? Was zu tun bleibt! Ich möchte nicht mit solch idealistischem Aufruf schließen, sondern zum Abschluss nochmals auf Praktisches eingehen, damit wir Stoff für die Diskussion haben: 9 Noch fehlen materielle Anreize zur Implementierung der Schlichtungsverfahren. Die Rechtsschutzversicherer bieten ihre Leistung vor allem für die Prozessphase an. Verklag mich doch heißt eine Fernsehserie; zu ergänzen wäre... ich bin schließlich rechtsschutzversichert. Zwar hat es in den letzten Jahren bei einigen Versicherungsunternehmen eine gewisse Hinwendung zur vorgerichtlichen Phase der Auseinandersetzung gegeben. Besonderen Wert auf die Streitvermeidung legen sie indessen nicht. Bezahlt macht sich die Rechtschutzversicherung vor allem für den Kunden, der die Gerichte in Anspruch nimmt. Die Kostenfreiheit für den Verbraucher einerseits und die im Menschen angelegte Neigung zur exzessiven Verfolgung solcher Wege andererseits sind miteinander zum Ausgleich zu bringen. Das ist keine einfache Aufgabe für einen Gesetzgeber. Man könnte vielleicht auch an Kostenfolgen im gerichtlichen Verfahren denken, wenn mutwillig vernünftige Einigungsversuche von Schlichtungsstellen torpediert werden, nur um anschließend die Gerichte mit denselben Problemen zu behelligen. Materielle Anreize sind durchaus in der Lage, menschliches Verhalten auf Dauer in der gewünschten Weise zu beeinflussen. Man muss es versuchen. 9 Einen weiteren Ansatzpunkt sehe ich in den Tätigkeitsberichten. Mir sind neben den Einzelfallentscheidungen, die die tägliche Arbeit ausmachen, vor allem die Tätigkeitsberichte wichtig. Sie fassen Erfahrungen zusammen, die anders nicht zu gewinnen wären. Die Tätigkeitsberichte sollten von den betroffenen Organisationen und der Politik als Spiegel des Lebens gelesen werden; sie sollten als Quelle für zusätzliche Erkenntnis nutzbar gemacht werden. Die Tätigkeitsberichte können Anregungen enthalten, die Rechtsänderungen nahe legen. Das Recht weist Schwachpunkte auf, es gibt Konfliktzonen, wo es häufig knirscht, wo dem Rechtsfrieden Gefahr droht. Man muss nicht immer abwarten, bis die Gerichte in einer Klageflut ersticken. So könnten Schlichtungsstellen einerseits beizeiten vorwarnen, wo dem Rechtsstaat Ungemach droht, und andererseits können die Schlichtungsstellen den Rechtsstaat in vielen Einzelfällen in kleiner Münze stärken. Bisher sind die Tätigkeitsberichte eher Rechenschaftsberichte und Rechnungslegung, sollen die Einschätzung ermöglichen, ob sich die Institution lohnt. Wir kennen das aus allen Bereichen, in denen nicht Rechtskontrolle im engeren Sinne ausgeübt wird, sondern so etwas wie ein Soft-Checking. Druckt man solche Berichte auf geduldiges Papier, hält den Übergabetermin mit Händeschütteln fest und liest sie nicht, werden sie wenig bewirken. Am wirkungsvollsten sind sie dort, wo über die parlamentarische Kontrolle nachgehakt wird. Das werden wir für die Schlichtungsverfahren in absehbarer Zeit nicht erreichen können. Aber alle Schlichter, mit denen ich Kontakt habe, finden es unverzichtbar, dass ihre in der Praxis gewonnenen Erfahrungen genutzt werden. Es wird eine gesellschaftliche und politische Aufgabe sein, solche Stellen aufzuwerten, ihnen mit Interesse und Respekt zu begegnen und die Vorteile der außergerichtlichen Streitbeilegung zu verbreiten. Wir machen hier heute einen ersten Anfang. Dr. h.c. Renate Jaeger, Berlin Die Autorin ist seit Januar 2011 Schlichterin der Rechtsanwaltschaft. Davor war sie von 2004 bis 2010 Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und von 1994 bis 2004 Richterin des Bundesverfassungsgerichts. Im Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts hat sie das anwaltliche Berufsrecht geprägt. Leserreaktionen an anwaltsblatt@anwaltverein.de. 408 AnwBl 6 / 2013 Zukunft der Konfliktbeilegung: Schlichtung ist Rechtskultur, Jaeger

35 MN Anwaltszukunft Anwaltszukunft Richter und Anwälte: Mehr Gemeinsames als Trennendes Integrität, Professionalität und Zuverlässigkeit führen zur inneren Unabhängigkeit * Marion Eckertz-Höfer, Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Der Rechtsdienstleistungsmarkt 2030 steht im Fokus des Juni-Hefts des Anwaltsblatts. Die von der Prognos AG vorgelegte Zukunftsstudie des DAV (das Executive Summary in diesem Heft, AnwBl 2013, 384) ist vor allem eine Marktstudie. Doch Anwälte sind mehr als reine Marktteilnehmer. Im Gerichtsprozess verwirklichen sie das Recht zusammen mit Richterinnen und Richtern. Was sich eine Richterin von Anwälten wünscht? Eine ganze Menge im Interesse des Rechtsstaats. Richter und Anwälte: Das gerichtliche Verfahren ist ihre gemeinsame Bühne. Zwei Berufe mit (noch) gleicher Ausbildung. Man meint, die jeweils andere Profession zu kennen, und ist einander doch mehr als einmal fremd. Der gemeinsame Bezugspunkt ist indessen vorgegeben: Die Arbeit am Recht, die Durchsetzung des Rechts der eine kann nicht ohne die andere und umgekehrt. Auch wenn im konkreten Einzelfall Recht für beide sehr Unterschiedliches meinen kann. Und für den Mandanten noch etwas anderes. Richterin/Richter oder Rechtsanwältin/Rechtsanwalt: Im Jurastudium und in der nachfolgenden Referendarzeit ist selten bereits ausgemacht, wohin es den einen oder die andere verschlagen wird. Nicht einmal die Interessenschwerpunkte unterscheiden sich notwendigerweise. Erst nach dem Zweiten Staatsexamen trennen sich die Wege von den sehr wenigen abgesehen, die zunächst im Richter- oder im Anwaltsberuf ihre Erfahrungen sammeln, um dann sofern es die Umstände erlauben die Seite zu wechseln: Vielleicht weil man zunächst nicht im Traumberuf gelandet war und sich diesem durch den Seitenwechsel näher wähnt. Vielleicht, weil man zuvor als Anwalt die Nachteile einer Rechtsfindung erlebt hat, die prägend auf Interessenvertretung beruht, oder man als Richter erlebt hat, dass jedenfalls die eigene Justizverwaltung wenig Sinn dafür hat, dass gute Rechtsprechung solide Personal- und Sachausstattung voraussetzt von einer Ausstattung zu schweigen, die es darüber hinaus noch erlauben würde, die angestrebte Servicefunktion gegenüber Parteien und Beteiligten täglich und werbend mit neuem Leben zu erfüllen. Wie auch immer: Es gibt gegenseitige Erwartungen, die im forensischen Alltag aufeinanderprallen. Die Erwartungen an die jeweils andere Seite sind dabei allgemein recht hoch. Richter haben ihr Bild vom idealen Anwalt und was dieser von ihm, dem Richter, erwartet, Anwälte ebenso vom idealen Richter und seinen Erwartungen. Es sollte dabei für beide Seiten um Messlatten gehen, die es zu überspringen, nicht zu unterlaufen gilt. Langer Wunschzettel Aus der Perspektive der Richterschaft auf die ich mich hier beschränke ist der Wunschzettel an die forensisch tätigen Anwälte im Zweifel lang. Da geht es vor allem um Wünsche zum kooperativen Prozessverhalten wie etwa zum präzisen Sachvortrag: Dieser sollte natürlich gegliedert, konzentriert sein, verständlich auch für mit dem Fall (bislang) nicht Vertraute. Er sollte in jeder Beziehung sachlich sein: also ohne Polemiken gegen den Gegner, das Gericht oder die Vorinstanz. Es wird erhofft, dass der Anwalt (selbst-)organisiert arbeitet: dass er nicht mehr Mandate annimmt, als er wirklich bewältigen kann, nicht jede Frist bis zum letzten Tag ausnutzt, die zeitliche Bedrängnis der chronisch überlasteten Gerichte berücksichtigt. Der beliebte Appell eines Anwalts an die gerichtliche Hebammenkunst im Übrigen erbitte ich richterlichen Hinweis darf sein, stößt aber auf Kopfschütteln, wenn der Schriftsatz eine eigene gedankliche Durchdringung des Rechtsstreits nicht erkennen lässt. Beliebter bei Gericht ist naturgemäß ein anderer Typus von Anwalt, der meist einschlägig spezialisiert nicht nur den Sachverhalt akribisch schildert, sondern die aus Sicht seines Mandanten zielführende Rechtsauslegung unter Verwertung der Rechtsprechung des Gerichts schriftsätzlich anbietet. Diese Kette von Wünschen ließe sich leicht verlängern. Letztendlich unabhängig von solchen Wünschen aus dem forensischen Alltag geht es im Verhältnis Anwalt/Richter aber doch um Tugenden, die für beide Seiten ganz gleichermaßen wichtig sind. Von beiden werden Integrität, Professionalität und Zuverlässigkeit erwartet. Die ihnen beiden verliehene, nicht in allem deckungsgleiche Unabhängigkeit bedarf der ethischen Fundierung und stets neuer Selbstvergewisserung. Erst hieraus kann für beide Seiten die erforderliche innere Unabhängigkeit entstehen. Allein sie ermöglicht es dem Richter, sich auf seine Bindung an Recht und Gesetz zu konzentrieren. Und hilft dem Anwalt, ungeachtet vermeintlicher finanzieller Abhängigkeiten, seine Integrität und Professionalität zu wahren. Ihre gemeinsame Verantwortung für den Rechtsstaat ergänzt sich hier. Rechtlich erzwingen lässt sich da wenig. Insoweit haben wir es auch hier mit Voraussetzungen zu tun und dabei nicht den unwichtigsten!, von denen der Staat unseres Grundgesetzes lebt, ohne sie selbst garantieren zu können. Marion Eckertz-Höfer, Leipzig Die Autorin ist Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig. Leserreaktionen an anwaltsblatt@anwaltverein.de. Aufsätze * Es handelt sich um den unveränderten Nachdruck eines Gastkommentars der Autorin, der Mitte Mai zuerst im Heft 1/2013 von Anwaltsblatt Karriere erschienen ist. Anwaltsblatt Karriere ist das zum Sommer- und Wintersemester erscheinende Magazin des DAV für Studierende und Referendare. Richter und Anwälte: Mehr Gemeinsames als Trennendes, Eckertz-Höfer AnwBl 6 /

36 MN Anwaltspraxis Anwaltspraxis Das Urheberrecht und Geschäftsgeheimnisse im UIG und IFG Auf dem Weg zu einem neuen Informationsverwaltungsrecht * Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Prof. Dr. Ulrich Ramsauer, Hamburg Es ist ein Paradigmenwechsel: Früher war die Verwaltung nicht nur Herr des Verfahrens, sondern auch der Informationen des Verfahrens. Ein Zugriff auf das Behördenwissen setzte in der Regel ein berechtigtes Interesse voraus. Heute gibt es Rechte für jeden auf Information. Die Umweltinformationsgesetze und die Informationsfreiheitsgesetze schaffen Transparenz. Manche träumen sogar von der gläsernen Behörde. Doch wo liegen die Grenzen der neuen Informationsfreiheit? Konflikte gibt es vor allem mit dem Urheberrecht und dem Schutz von Geschäftsgeheimnissen. Der Autor stellt das neue Rechtsgeflecht dar und zeigt praktikable Lösungen auf. Bei aller Vorsicht lautet sein Fazit, dass die neuen Informationsmöglichkeiten in der Praxis nicht leerlaufen dürfen. Darauf sollten sich auch Anwälte in der Beratungspraxis einstellen, je nachdem, auf welcher Seite sie agieren. I. Einführung Die Umweltinformationsgesetze und die Informationsfreiheitsgesetze in Bund und Ländern räumen weitreichende Auskunfts- und Informationsrechte ein, die grundsätzlich nicht an den Nachweis eines bestimmten berechtigten Interesses geknüpft sind. Diese noch relativ jungen Gesetze sind Ausdruck eines sich wandelnden Verhältnisses zwischen Bürger und Staat: Eine möglichst weit gehende Transparenz staatlichen Handelns, insbesondere des Verwaltungshandelns, ermöglicht nicht nur eine bessere Kontrolle durch die Öffentlichkeit, sondern verbessert auch die Chancen für eine Akzeptanz dieses Handelns. Die Möglichkeiten aufgrund der Umweltinformations- und Informationsfreiheitsgesetze müssen auch im Zusammenhang mit den Bemühungen um eine stärkere Einbeziehung der Öffentlichkeit in Entscheidungsprozesse der öffentlichen Hand gesehen werden, wie sie in der Aarhus-Konvention 1 im Bereich der Umweltverwaltung von den Mitgliedstaaten verlangt werden und auf Unionsebene ihren Ausdruck in der UVP-Richtlinie 2 und auf nationaler Ebene im UVPG 3 und im Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz 4 gefunden haben. Der Konflikt dieser Informationsrechte mit gegenläufigen Interessen an der Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen sowie mit den Urheberrechten ist unausweichlich, nicht nur weil sich die Informationsrechte auch auf solche Informationen beziehen, die seitens der Verwaltung von Privatleuten eingefordert beziehungsweise erhoben oder von privaten Rechtssubjekten im Rahmen von Antragsverfahren vorgelegt beziehungsweise eingereicht wurden, sondern auch weil die Verwaltung selbst an den bei ihr vorhandenen Informationen Urheberrechte und Geheimhaltungsinteressen haben kann. Mit dieser Konfliktsituation beschäftigen sich die folgenden Überlegungen. II. Ansprüche des Bürgers auf Zugang zu Informationen der öffentlichen Hand 1. Die Informationsfreiheitsgesetze Der Bund hat 2005 ein Informationsfreiheitsgesetz (IFG) 5 erlassen. Die entsprechenden Ländergesetze haben sich daran weitgehend orientiert. 6 Bei den Ländern lassen sich drei Gruppen unterscheiden: 7 Die meisten Länder (Bremen, Berlin, Hamburg, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein) haben eigene Informationsfreiheitsgesetze als Vollregelungen erlassen. Einige Bundesländer (Saarland, Thüringen) verweisen in ihren Informationsfreiheitsgesetzen auf das IFG. 8 Nur wenige Bundesländer (Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen und Sachsen) haben bisher noch keine eigenen Informationsfreiheitsgesetze erlassen. Die Informationsfreiheitsgesetze vermitteln einen grundsätzlich voraussetzungslosen Anspruch auf die bei den Behörden des Bundes und der jeweiligen Länder vorhandenen Informationen. Unterschiede bestehen bei den Regelungen über Umfang und Ausnahmen. Das IFG enthält Ausschlüsse beziehungsweise Beschränkungen des Informationsanspruchs in folgenden Fällen: 9 Schutz von öffentlichen Belangen ( 3 IFG) 9 Schutz von behördlichen Entscheidungsprozessen ( 4 IFG) 9 Schutz personenbezogener Daten ( 5 IFG) 9 Schutz geistigen Eigentums und von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ( 6 IFG) Die Untersuchung der Beschränkungen des Informationszugangs wird sich auf 6 IFG konzentrieren, also auf die Restriktionen für Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse und für das geistige Eigentum, zu dem das Urheberrecht und die gewerblichen Schutzrechte gehören. Darüber hinaus wird ein Blick auf die Rechtslage in den Ländern geworfen. * Der Beitrag beruht auf einem Vortrag des Verfasssers auf dem 1. Norddeutschen Verwaltungsrechtstag am in Hamburg, der vom Hamburgischen Anwaltverein und der Deutschen Anwaltakademie veranstaltet wurde. 1 Aarhus-Konvention v , abrufbar unter: Aarhus- Vertragsgesetz v (BGBl. II S. 1251). 2 Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates (ABl. L 41, S. 26 m.ä.). 3 Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) i.d.f. v , BGBl I S Gesetz über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG (UmwRG) v (BGBl I S. 2816, zuletzt geändert durch Gesetz v (BGBl I S. 95). 5 Informationsfreiheitsgesetz (IFG) v (BGBl. I S. 2722). 6 Eine gewisse Sonderstellung nimmt neuerdings Hamburg mit seinem Transparenzgesetz ein, das über die bisherigen Informationsfreiheitsregelungen hinausgeht, indem es für bestimmte Informationen eine Veröffentlichung von Amts wegen vorsieht und damit die Möglichkeit der Kenntnisnahme für Jedermann ohne ein besonderes Verwaltungsverfahren eröffnet. 7 Das IFG sowie die Gesetze der norddeutschen Länder finden sich auszugsweise im Anhang. 8 Eine Revisibilität der auf diesem Landesrecht beruhenden Entscheidungen ist damit nach BVerwG NVwZ 2009, 627 nicht verbunden. 410 AnwBl 6 / 2013 Das Urheberrecht und Geschäftsgeheimnisse im UIG und IFG, Ramsauer

37 MN Anwaltspraxis 2. Die Umweltinformationsgesetze Zur Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben hat der Bund 2004 ein Umweltinformationsgesetz (UIG) 9 erlassen. Die Länder sind für ihre Zuständigkeitsbereiche jeweils mit eigenen Umweltinformationsgesetzen gefolgt. Im Unterschied zur Situation bei den Informationsfreiheitsgesetzen 10 sind Bund und Länder zur Schaffung von gesetzlichen Ansprüchen auf Umweltinformationen unionsrechtlich verpflichtet. Diese Pflicht ergibt sich aus der Umweltinformations-RL 11 der Union. Das Landesrecht ergibt folgendes Bild: 12 Einige Länder (Bayern, 13 Hessen, 14 Rheinland-Pfalz, 15 Sachsen 16 ) haben Vollregelungen erlassen; die meisten Länder (Baden-Württemberg, 17 Brandenburg, 18 Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen, Nordrhein- Westfalen 19 ) haben dagegen auf das UIG in seiner jeweils geltenden Fassung 20 verwiesen und nur Ergänzungen beziehungsweise Modifizierungen vorgenommen. Die Ansprüche auf Umweltinformationen nach dem UIG und den entsprechenden Landesgesetzen sind zwar inhaltlich auf Umweltinformationen beschränkt, gehen aber tendenziell weiter als diejenigen nach den Informationsfreiheitsgesetzen. Insbesondere Ausnahmen und Einschränkungen sind deutlich enger geregelt. Das gilt auch für Einschränkungen zugunsten der hier interessierenden Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie zum Schutz von Urheberrechten, für die jeweils Abwägungsklauseln vorgesehen sind. 3. Sonstige Regelungen zur Informationsfreiheit Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass es eine Fülle weiterer Regelungen gibt, die sich vor allem bereichsspezifisch mit Informationsrechten der Bürger befassen. Genannt seien die Landespressegesetze, außerdem das Bundesarchivgesetz, das Stasi-Unterlagen-Gesetz und das Personenstandsgesetz sowie die diversen Registergesetze. 21 Wegen seines wesentlich breiteren Anwendungsbereichs besondere Bedeutung hat das erst kürzlich umfassend novellierte Verbraucherinformationsgesetz, 22 welches in 2 einen Anspruch auf Zugang zu Informationen über Verbraucherprodukte und Erzeugnisse enthält ( 1 VIG). 23 Die in 3 VIG geregelten Ausschluss- und Beschränkungsgründe entsprechen für den hier interessierenden Bereich des Geheimnisund Urheberrechtsschutzes teilweise den Regelungen in 9 UIG, sehen also auch Abwägungsklauseln vor (vgl. 3 Satz 2 VIG), sind aber für bestimmte Fälle auch enger gefasst (vgl. zum Beispiel 3 Satz 3 VIG). 24 Die bereichsspezifischen Besonderheiten des VIG können hier nicht weiter untersucht werden. Bund und Länder haben zur Umsetzung der sog. Inspire-Richtlinie 25 der Union außerdem Geodatenzugangsgesetze erlassen, nach denen Geodaten in öffentlich verfügbarer Form bereitgestellt werden müssen. 26 Das Geodatenzugangsgesetz des Bundes 27 enthält eine entsprechende Verpflichtung in 11 und Einschränkungen aus Gründen der Geheimhaltung in 12. Letztere weichen inhaltlich von den Regelungen in 6 IFG beziehungsweise 9 UIG ab. Erst vor wenigen Jahren hat der Bund zudem ein Informationsweiterverwendungsgesetz 28 erlassen, das sowohl für die Bundes- als auch für die Landesverwaltungen gilt. Es spielt für die vorliegende Untersuchung keine besondere Rolle, weil es nach 1 Abs. 2 Nr. 4 IWG nicht für Informationen gilt, die von Urheberrechten oder gewerblichen Schutzrechten erfasst werden. 4. Verhältnis der Regelungen über Informationsrechte zueinander Das Verhältnis der Informationszugangsvorschriften zueinander ist nur unvollkommen geregelt und demgemäß kompliziert. Dies ist bei der typisch deutschen Rechtszersplitterung auf diesem Gebiet auch nicht anders zu erwarten. Fragen stellen sich vor allem bei der Abgrenzung der Anwendungsbereiche der einzelnen Bundesgesetze untereinander. Aber auch die Abgrenzung der Bundes- und Landesregelungen voneinander wirft Fragen auf. 29 a) Bundes- und Landesinformationsrechte Für die Umweltinformationsgesetze und die Informationsfreiheitsgesetze von Bund und Ländern richtet sich die Anwendbarkeit nach der Zuordnung der informationspflichtigen Stelle. Soweit sie dem Bund zuzurechnen ist, also bei Bundesbehörden und Einrichtungen des Bundes, sind nur UIG und IFG, im Übrigen ist nur Landesrecht anwendbar. Die unterstaatlichen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sind dem Bund zuzurechnen, wenn ihr Aufgabenbereich sich auf das gesamte Bundesgebiet erstreckt (zum Beispiel die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, Verwaltungsberufsgenossenschaften und so weiter), im Übrigen sind sie dem jeweiligen Land zuzurechnen, in dem sie ihren Sitz haben beziehungsweise ihre Aufgaben erfüllen. Letzteres gilt insbesondere für die Kommunen, aber auch für die meisten berufsständischen Körperschaften des öffentlichen Rechts (Kammern). 9 Umweltinformationsgesetz (UIG) v (BGBl. I S. 3704). 10 Allerdings wird teilweise vertreten, dass die Schaffung von Informationsansprüchen verfassungsrechtlich geboten sei, vgl. z. B. Wegner, Umweltinformationsfreiheit, Rn. 31 m.w.n. 11 Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates (ABl L 41/26 v ). 12 Die Bestimmungen des UIG und der entsprechenden landesrechtlichen Regelungen der norddeutschen Länder finden sich im Anhang. 13 Bayerisches Umweltinformationsgesetz (BayUIG) v (BayGVBl 933). 14 Hessisches Umweltinformationsgesetz (HUIG) v (GVBl. I S. 659) 15 Landesumweltinformationsgesetz (LUIG) v (GVBl S. 484). 16 Sächsisches Umweltinformationsgesetz (SächsUIG) v (GVBl S. 146). 17 Landesumweltinformationsgesetz (LUIG) v (GBl S. 50). 18 Umweltinformationsgesetz des Landes Brandenburg (BbgUIG) v (GVBl, 74). 19 Umweltinformationsgesetz Nordrhein-Westfalen (UIG NRW) v (GV 142) 20 Dabei handelt es sich um eine dynamische Verweisung, die in derartigen Konstellationen grundsätzlich als zulässig anzusehen ist, vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Aufl. 2012, Einf. I Rn. 9 zur vergleichbaren Situation bei den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder. 21 Weitere Beispiele bei Jastrow/Schlatmann, IFG 1 Rn. 62; Schoch, IFG 1 Rn. 170 ff. 22 Gesetz zur Verbesserung der gesundheitsbezogenen Verbraucherinformation (Verbraucherinformationsgesetz VIG) idf d. Bek. v (BGBl I, S. 2166) 23 S. zur alten Rechtslage Albers/Ortler, Verbraucherschutz und Markttransparenz im Recht der Verbraucherinformation, GewArch 2009, Der Aussage von Wegener, Umweltinformationsfreiheit, Rn. 23, wonach das VIG keine Abwägungsklausel enthalte, liegt offenbar noch eine ältere Fassung des VIG zugrunde. 25 Richtlinie 2007/2/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v zur Schaffung einer Geodateninfrastruktur in der Europäischen Gemeinschaft (ABl L 108 v , S. 1). 26 Polenz, Aufbau einer Geodateninfrastruktur, NVwZ 2010, Gesetz über den Zugang zu digitalen Geodaten (GeoZG) v (BGBl I, S. 278). 28 Gesetz über die Weiterverwendung von Informationen öffentlicher Stellen (Informationsweiterverwendungsgesetz IWG) v (BGBl. I. S. 2013). 29 Zu speziellen landesrechtlichen Fragen Schnabel, Die Konkurrenz zwischen Ansprüchen nach UIG und IFG in Hamburg und Schleswig-Holstein, NordÖR 2011, 167. Aufsätze Das Urheberrecht und Geschäftsgeheimnisse im UIG und IFG, Ramsauer AnwBl 6 /

38 MN Anwaltspraxis b) Spezialität und Parallelität Soweit gesetzliche Vorrangregelungen nicht etwas anderes vorsehen, gilt der Grundsatz der Parallelität, wonach die Bestimmungen des Informationsrechts nebeneinander anwendbar sind. Insoweit sind auch Überschneidungen denkbar mit der Folge, dass sich Ansprüche sowohl auf das eine als auch auf das andere Informationsgesetz stützen lassen. Für das IFG ist allerdings in 1 Abs. 3 IFG ein allgemeiner Vorrang spezialgesetzlicher Regelungen des Informationsrechts vor dem IFG festgelegt; die Anwendbarkeit des IFG ist danach ausgeschlossen, wenn spezielle gesetzliche Regelungen einschlägig sind. Hiervon sind nur die Akteneinsichtsrechte in laufenden Verfahren ( 29 VwVfG, 25 SGB X) ausgenommen. Dies dürfte auch für die Akteneinsichtsrechte in Planfeststellungsverfahren nach 72 VwVfG gelten. Da es in 1 Abs. 3 IFG nicht um den Vorrang von Ansprüchen, sondern von anderen Rechtsvorschriften geht, kommt das IFG auch dann nicht zur Anwendung, wenn das anwendbare Spezialgesetz im konkreten Einzelfall keinen Anspruch gewährt, zum Beispiel weil der Anspruch aus Gründen des Geheimnisschutzes und so weiter spezialgesetzlich ausgeschlossen ist. Deshalb kann ein Anspruch auf Umweltinformationen im Grundsatz auch dann nicht auf das IFG gestützt werden, wenn das anwendbare UIG den Anspruch versagt. Insoweit kommt es auch nicht darauf an, ob diese anderen Rechtsvorschriften vor oder nach dem Inkrafttreten des IFG erlassen wurden 30. Werden Informationen von spezielleren Rechtsvorschriften erfasst, greift damit die in 1 Abs. 3 IFG angeordnete Sperrwirkung. Das bedeutet, dass durch das IFG nicht erfasst werden etwa 9 Umweltinformationen ( 1, 3 UIG); insoweit gelten die Umweltinformationsgesetze, 9 Verbraucherinformationen ( 1 VIG); insoweit ist allein das VIG anwendbar. 9 Archivgut (s. 2 Archivgesetz); insoweit gilt allein 5 BArchG. 9 Informationen nach dem Stasi-Unterlagengesetz; insoweit gelten allein die Sonderregelungen des 12 ff. StUG (s. 3 StUG). 9 Auskünfte aus öffentlichen Registern (Vereinsregister, Personenstandsregister, Handwerksrollen, Architektenlisten, Schuldnerverzeichnisse). Hier gelten allein die bereichsspezifischen Regelungen. III. Der Schutz von Geheimnissen und Urheberrechten im Informationsfreiheitsrecht Der Schutz von Urheberrechten und von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen im Zusammenhang mit dem Zugang zu Informationen ist bundesrechtlich in 6 IFG geregelt. Nach 6 Satz 1 IFG besteht ein Anspruch auf Informationszugang nicht, soweit der Schutz geistigen Eigentums entgegensteht ; Zugang zu Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen darf nach 6 Satz 2 IFG nur gewährt werden, soweit der Berechtigte zugestimmt hat. Diese Regelungen enthalten anders als die Vorschriften des UIG und neuerdings auch des VIG keine Abwägungsklausel und schließen den Informationszugangsanspruch grundsätzlich unabhängig von den Zwecken aus, zu denen er geltend gemacht wird. Der Begriff des Entgegenstehens lässt zwar nach seinem Wortsinn auch eine Auslegung zu, wonach der Ausschluss erst greift, wenn das Interesse des Inhabers am Schutz seines geistigen Eigentums das Informationsinteresse des Bürgers (im Rahmen einer Abwägung) überwiegt. 31 Allerdings ergibt sich aus der Systematik der Vorschrift, dass eine solche Abwägung nicht vorgesehen ist. Zum einen geht es in 6 Satz 1 IFG um den Schutz von Rechten und nicht nur von Interessen, zum anderen zeigt ein Blick auf 5 Abs. 1 Satz 1 IFG, dass das Gesetz die Fallgestaltungen ausdrücklich mit Abwägungsklauseln ausgestattet hat, in denen es zu einer Abwägung kommen soll. Schließlich hätten, wenn über das Entgegenstehen von Rechten im Wege einer Interessenabwägung zu entscheiden sein sollte, nach dem Muster des 5 IFG Abwägungsdirektiven oder wie etwa in 9 UIG jedenfalls Konkretisierungen des Interesses nahe gelegen. Deshalb ist davon auszugehen, dass 6 Satz 1 IFG ebenso wie Satz 2 keine Abwägung erlaubt. Stimmt der Inhaber des Schutzrechts 32 allerdings der Weitergabe zu, steht es naturgemäß im Sinne des 6 Satz 1 IFG der Gewährung des Informationszugangs nicht mehr entgegen. Eine Abwägung wird von der herrschenden Meinung 33 im Bereich des IFG auch nicht im Hinblick auf unionsrechtliche oder verfassungsrechtliche Grundsätze verlangt. Das Unionsrecht enthält zwar für den direkten Vollzug (durch Organe der Union) 34 sehr weitgehende Regelungen über einen Zugang zu Informationen (gläserne Behörden), nicht aber vergleichbare Vorgaben für den indirekten Vollzug durch Organe der Mitgliedstaaten. Auch das Grundgesetz enthält insoweit keine zwingenden Vorgaben. Zwar wird teilweise vertreten, der Anspruch auf Informationszugang sei für sich bereits verfassungsrechtlich fundiert beziehungsweise grundrechtlich abgesichert. 35 Die ganz überwiegende Auffassung geht aber davon aus, dass sich daraus derzeit kein grundrechtlicher Anspruch auf Informationszugang unabhängig von bestimmten (bereichsspezifischen) Informationsbedürfnissen herleiten lässt, der aus verfassungsrechtlichen Gründen eine Abwägung mit den in 6 IFG geschützten Rechten beziehungsweise Interessen erfordert. 36 Es kommt danach für den Anspruch auf Informationszugang darauf an, ob der Schutz geistigen Eigentums entgegensteht beziehungsweise ob der Träger von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zugestimmt hat. 1. Der Schutz geistigen Eigentums im IFG Der Begriff geistiges Eigentum ist im Gesetz nicht definiert. Es ist deshalb mit Blick auf das Fachrecht auszulegen, wann geistiges Eigentum anzunehmen ist und gegen welche Formen von Beeinträchtigungen es geschützt ist. Einigkeit besteht darüber, dass der Begriff das Urheberrecht, das heißt die Rechte nach dem UrhRG, 37 sowie die gewerblichen Schutzrechte (Patent-, Gebrauchsmuster-, Geschmacksmuster-, Markenrecht, möglicherweise auch Sortenschutzrecht 30 Schoch, IFG, 1 Rn Vgl. insoweit 35 Abs.1 BauGB, wonach öffentliche Interessen einem privilegierten Vorhaben erst dann entgegenstehen, wenn sie sich in einer Abwägung gegen die Privilegierungen durchsetzen. 32 Sind mehrere Personen Inhaber des Rechts, müssen sie sämtlich zustimmen; vgl. BGHZ 94, 276 = NJW 1986, 192 (Urheberrechtsschutz für von mehreren Autoren geschaffene Computerprogramme). 33 Schoch, IFG, 2009, 6 Rn. 55; eine Abwägung verlangen Hoeren/Herring MMR 2011, 500 m.w.n. auch für die h.m. 34 Zur Unterscheidung von direktem und indirektem Vollzug siehe nur Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Aufl. 2012, Einf. II Rn. 36 ff. 35 So z. B. Wegener, Umweltinformationsfreiheit, Rn. 27 ff. m.w.n. 36 Schoch, IFG Einl. Rn. 51 ff. 37 Schoch, IFG 6 Rn AnwBl 6 / 2013 Das Urheberrecht und Geschäftsgeheimnisse im UIG und IFG, Ramsauer

39 MN Anwaltspraxis und Halbleiterschutzrecht) umfasst. 38 Die gewerblichen Schutzrechte sollen hier nicht weiter betrachtet werden, weil sie nur in Ausnahmefällen mit den Informationsrechten kollidieren können. Sie sind weitgehend durch das Prinzip der Registeröffentlichkeit geprägt. Für sie gilt weitestgehend der Grundsatz der Publizität. Häufig entsteht das gewerbliche Schutzrecht erst mit dem Eintritt der Registeröffentlichkeit. Ohne die Möglichkeit der Kenntnisnahme durch die Öffentlichkeit kann ihre Beachtung jedenfalls kaum sinnvoll verlangt werden. Deshalb greift insoweit der Geheimnisschutz nach 6 Satz 2 IFG grundsätzlich nicht. 39 Etwas anderes kann nur gelten, soweit es um noch nicht veröffentlichte Erfindungen geht. Der Umfang der Urheberrechte ergibt sich aus dem Urheberrechtsgesetz. Das Urheberrecht umfasst nach 2 Abs. 1 UrhG solche Werke im Bereich von Literatur, Wissenschaft und Kunst, die nach 2 Abs. 2 UrhG persönliche geistige Schöpfungen darstellen. Als geistiges Eigentum geschützt werden dadurch nicht Informationen als solche, geschützt wird vielmehr das Werk, also die besondere Form, in welche Informationen und Gedanken als Ergebnis eines geistigen Schöpfungsakts gekleidet worden sind. a) Schutzgut: Persönliche geistige Schöpfungen Die Begrenzung des Urheberrechtsschutzes auf das Werk ist deshalb von Bedeutung, weil sich daraus bereits ergibt, dass das Urheberrecht einen auf die bloße Mitteilung von Informationen gerichteten Auskunftsanspruch nicht ausschließen kann, sondern nur den weitergehenden Anspruch auf Zugang zu Dokumenten, Lichtbildern, Werken usw. selbst. Sind also in einem Gutachten oder anderen als Werk einzustufenden Schriftstücken beziehungsweise Datenträgern bestimmte Informationen enthalten, zum Beispiel Feststellungen über gemessene oder sonst ermittelte Werte (Größenordnungen, Zahlen von Vorfällen und so weiter), über Sachverhalte oder Sachzusammenhänge getroffen worden, so müssen diese Informationen im Rahmen eines Auskunftsersuchens auch dann herausgegeben werden, wenn das Gutachten selbst als Werk urheberrechtlichen Schutz genießt. 40 aa) Zulässigkeit von Auskünften Nach 1 Abs. 2 Satz 1 IFG kann die Behörde Auskunft erteilen, Akteneinsicht gewähren oder Informationen in sonstiger Weise zur Verfügung stellen. Danach steht die Art und Weise der Erfüllung des Informationsanspruchs im Ermessen der Behörde, soweit der Antragsteller nicht eine bestimmte Art des Informationszugangs begehrt. Dann nämlich muss die Behörde dem entsprechen, wenn keine wichtigen Gründe entgegenstehen ( 1 Abs. 2 Satz 2 IFG). Kann die Behörden den Informationsanspruch durch die Erteilung einer Auskunft erfüllen, steht das Urheberrecht nach 6 Satz 1 IFG regelmäßig nicht entgegen. Allerdings kann diese Art der Erfüllung die auskunftspflichtige Stelle stark belasten, weil die Mitteilung der nackten Informationen mehr Mühe machen wird als die Herausgabe einer Kopie des Gutachtens beziehungsweise Schriftstücks selbst. bb) Begriff des geschützten Werks Als Schutzgegenstand kommen also Werke in Betracht. Hierzu können nach der nicht abschließenden Aufzählung in 2 Abs. 1 UrhRG etwa wissenschaftliche Abhandlungen, auch Gutachten, Bilder, Zeichnungen, Konstruktionsund Ablaufpläne, auch sonstige Pläne zählen, sofern sie als persönliche geistige Schöpfungen angesehen werden können. Ein Werk ist urheberrechtlich und damit als geistiges Eigentum nur dann und nur insoweit geschützt, als es sich um eine persönliche geistige Schöpfung im Sinne des 2 Abs. 2 UrhRG handelt. Umstritten ist, ob Werke im Sinne des 2 UrhRG eine bestimmte Schöpfungshöhe aufweisen müssen, also eine bestimmte gestalterische Mindestqualität. Diese Frage ist besonders dann von Bedeutung, wenn der Urheber das Werk nicht im Hinblick auf eine besondere Form geschaffen hat, sondern lediglich mit dem Ziel, bestimmte Informationen, zum Beispiel zu einem Sachverhalt, oder Auffassungen, zum Beispiel Rechtsauffassungen wiederzugeben. Zutreffend verlangt die herrschende Meinung 41 eine bestimmte schöpferische Mindesthöhe eines Werks. Die Gegenmeinung 42 spricht von der kleinen Münze des Urheberrechts, wenn es um den Schutz von Werken ohne besonderen Gestaltungsanspruch geht, und nimmt auch insoweit einen urheberrechtlichen Schutz an. Richtigerweise wird man zwar keine besondere Schöpfungsqualität, wohl aber einen erkennbaren Schöpfungsanspruch verlangen müssen. Beim Urheberrechtsschutz kann es nicht um die Frage gehen, welche inhaltliche oder gestalterische Qualität etwa ein Schriftsatz aufweist, sondern um die Frage, ob das Werk ersichtlich mit einem individuellen gestalterischen Anspruch geschaffen wurde. Auch ein gestalterisch minderwertiges Werk genießt grundsätzlich Urheberrechtsschutz; Voraussetzung ist aber ein Werk, das heißt etwas Geschaffenes, bei dem ein Schöpfungsanspruch des Urhebers spürbar ist. Einfache Schriftsätze in einem Verwaltungsoder Gerichtsverfahren werden danach regelmäßig nicht ausreichend sein, um den Schutz als geistiges Eigentum auszulösen, ebenso wenig einfache Antragsunterlagen in Genehmigungsverfahren, die bloße Wiedergabe von Prüfungsund Untersuchungsergebnissen. 43 Schutz genießen dagegen Architektenpläne oder auch wissenschaftliche, zum Beispiel medizinische oder juristische Gutachten oder Werke mit künstlerischem Anspruch. Insoweit wird von Bedeutung sein, ob das Werk für sich selbst stehen kann und von einem neutralen Betrachter als Ergebnis eines Schöpfungsakts angesehen würde. Die Rechtsprechung stellt an die persönliche geistige Schöpfung, an die Schöpfungshöhe leider nur geringe Anforderungen. 44 So wurde etwa bei einem Mietenspiegel wegen seiner klare(n) Konzeption der Gliederung und seiner insgesamt gut verständliche(n) und einleuchtende(n) Darstellung des Stoffs angenommen, die erforderliche Schöpfungshöhe sei erreicht. 45 Diese Entscheidung vermag nur begrenzt zu überzeugen, weil es bei einem von einer Kommune erstellten Mietenspiegel nur um die geordnete 38 Schoch, IFG 6 Rn Siehe näher Schoch IFG 1 Rn. 20ff. 40 S. aber 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhRG, wonach sogar Tabellen Urheberrechtsschutz genießen können. 41 Ulrich DS 2011, 308 mit Nachweisen auch für die Gegenmeinung. 42 Dreier/Schulze, UrhRG,3.Aufl.2008, 2Rn.4;Dreyer/Kotthoff/Meckel, UrhRG,2. Aufl. 2008, 2 Rn. 61 ff. 43 Landmann/Rohmer, Bd. 3 Stand: 66. EL 2012, UIG, 9 Rn S. näher Dreyer/Kotthoff/Meckel, UrhG, 2. Aufl. 2008, 2, Rn. 58 ff.; A.A. wohl VG Berlin JZ 2012, 799, das offenbar Zweifel daran hegt, ob Ausarbeitungen des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages die notwendige Schöpfungshöhe aufweisen. 45 OLG Stuttgart, GRUR-RR 2010, 369. Aufsätze Das Urheberrecht und Geschäftsgeheimnisse im UIG und IFG, Ramsauer AnwBl 6 /

40 MN Anwaltspraxis Wiedergabe der ermittelten Miethöhen in einzelnen Wohnungskategorien geht und nicht um Werk mit schöpferischem Anspruch. Bei Fotographien ist danach zu unterscheiden, ob es nur um die Abbildung von Gegenständen oder Personen geht, oder ob ein Bild mit gleichsam künstlerischem Anspruch geschaffen wurde. Ist letzteres der Fall, so liegt ein Lichtbildwerk im Sinne des 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhRG vor; anderenfalls nur ein einfaches Lichtbild. Letzteres genießt zwar auch einen den Werken entsprechenden Schutz, aber nach 72 UrhRG nur in eingeschränktem Umfang. 46 b) Ausnahmen vom Schutz für amtliche Werke ( 5 UrhG) Für Werke, die innerhalb der Verwaltung hergestellt wurden beziehungsweise entstanden sind, gilt der Schutz geistigen Eigentums grundsätzlich ebenfalls, unterliegt aber einigen besonderen Regelungen. Das UrhG selbst sieht in 5 UrhRG Einschränkungen des Urheberrechtsschutzes für amtliche Werke vor, die allerdings nur einen sehr begrenzten Bereich von Werken erfassen, nämlich die sog. gemeinfreien Werke (aa). Soweit ein Schutz nach dem UrhG besteht, stellt sich die Frage, ob und unter welchen Umständen sich dieser Schutz stets gegenüber den Informationszugangsregelungen des IFG durchsetzt, weil es die öffentliche Hand als Inhaberin des Urheberrechts selbst ist, die durch die Einräumung von Informationsrechten die Möglichkeit einer Kenntnisnahme gerade eröffnet. Darin könnte eine generelle Zustimmung zur Veröffentlichung beziehungsweise eine Verpflichtung dazu liegen (bb). aa) Gemeinfreie Werke Nach 5 UrhG sind die dort aufgezählten amtlichen Werke vom Urheberrechtsschutz ausgenommen. Es handelt sich um Werke, die nach ihrer Zweckbestimmung gerade darauf angelegt sind und abzielen, von der Allgemeinheit zur Kenntnis genommen zu werden. Das gilt insbesondere für Rechtsnormen. Es besteht ein überragendes öffentliches Interesse daran, dass diese eine möglichst weite Verbreitung finden und insbesondere den Adressaten jederzeit ohne weiteres zur Verfügung stehen. Hierfür seitens der öffentlichen Hand zu sorgen ist ein Gebot des Rechtsstaatsprinzips. Soweit überhaupt ein individuelles Interesse der Autoren an der Verwertung anzuerkennen wäre, müsste es gegenüber diesen auch verfassungsrechtlich geschützten Interessen zurückstehen. 47 Deshalb entfällt der urheberrechtliche Schutz vollen Umfangs. Die Vorschrift wird von der herrschenden Meinung 48 als Ausnahmeregelung eng ausgelegt. Erfasst werden nach 5 Abs. 1 UrhG nur Gesetze, Verordnungen, 49 amtliche Erlasse 50 und Bekanntmachungen sowie Entscheidungen von Gerichten und Verwaltungsbehörden einschließlich amtlich verfasster Leitsätze zu Entscheidungen. 51 Das gleiche soll nach 5 Abs. 2 UrhRG für andere amtliche Werke gelten, die im amtlichen Interesse zur allgemeinen Kenntnisnahme veröffentlicht worden sind. Diese Regelung betrifft nur Werke, die innerhalb der Behörden hergestellt worden sind oder die die Behörden haben herstellen lassen, also nicht solche Werke, die von Dritten aus welchen Gründen auch immer eingereicht worden sind. 52 Private Normwerke, insbesondere die DIN-Normen, werden wie 5 Abs. 3 UrhRG klarstellt von diesen Einschränkungen auch dann nicht erfasst, wenn in Gesetzen und Rechtsverordnungen auf sie Bezug genommen wird, ohne dass ihr Text unmittelbar im Wortlaut wiedergegeben wird. Die Regelung gilt zunächst einmal nur für die genannten Rechtsnormen, Erlasse, Entscheidungen und so weiter in der Form, in der sie amtlich veröffentlicht worden sind. Insoweit genießen Gesetz- und Verordnungsblätter keinen besonderen Schutz durch das Urheberrecht. Soweit von 5 Abs. 1 UrhRG erfasste Rechtsnormen und so weiter einer besonderen redaktionellen Bearbeitung, etwa durch die Einarbeitung von Änderungen und so weiter, unterzogen worden sind, wird das Ergebnis (zum Beispiel Vorschriftensammlungen) nicht mehr durch 5 Abs. 1 UrhRG vom Urheberrechtsschutz ausgeschlossen. Sie stellen ihrerseits wiederum eigenständige Werke dar. Die von den Gutachterausschüssen für Grundstückswerte erstellte Sammlung von Bodenrichtwerten wird von der Rechtsprechung weder als amtliche Bekanntmachung im Sinne von 5 Abs. 1 UrhG noch als anderes amtliches Werk im Sinne des 5 Abs. 2 UrhRG angesehen. 53 Das OLG Stuttgart hat in einem Mietenspiegel kein amtliches Werk im Sinne des 5 Abs. 1 UrhG gesehen mit der Folge, dass die Kommune als berechtigt angesehen wurde, für den in Form einer Broschüre vorliegenden Mietenspiegel ein Entgelt zu nehmen. 54 bb) Informationsfreiheitsspezifische Einschränkungen Soweit 5 UrhG nicht einschlägig ist, genießen amtliche Werke grundsätzlich Urheberrechtsschutz. Allerdings stellt sich die Frage, ob dies uneingeschränkt auch für diejenigen Werke gilt, für die die auskunftspflichtige Stelle selbst Inhaberin des Urheberrechts ist. Zwar differenziert 6 Satz 1 IFG nicht danach, ob das Urheberrecht bei der auskunftspflichtigen Stelle selbst oder bei Dritten liegt. Es spricht aber viel dafür, dass soweit gesetzlich nichts anderes geregelt ist 55 sich die auskunftspflichtige Stelle gegenüber einem Auskunftsanspruch nicht darauf soll berufen können, die Entscheidung über die Veröffentlichung eines urheberrechtlich geschützten Werkes liege bei ihr und sie sei deshalb nicht verpflichtet, das Werk im Rahmen eines Begehrens auf Informationszugang zur Verfügung zu stellen. Wenn das IFG nämlich der Allgemeinheit ein Zugangsrecht zu allen bei den verpflichteten Stellen verfügbaren Informationen einräumt, wird anzunehmen sein, dass solche Urheberrechte, über welche die durch das IFG verpflichteten Stellen der öffentlichen Hand selbst verfügen können, dem Zugang grundsätzlich nicht entgegenstehen. Die öffentliche Hand als Inhaberin von Urheberrechten wird zwar Verwertungsund Vergütungsrechte geltend machen können, den Infor- 46 VGH Mannheim NuR 2009, 650 zur Fotographie einer Pflanze, die in eine Datenbank aufgenommen wurde. 47 Vgl. Amtl. Begr. BT-Drs. IV/270, S. 39; hierzu auch BVerfG NJW 1999, BGH GRUR 2007, 500, 501; siehe bereits BGH NJW 1964, 1621 zu den VOB. 49 Zur Anwendbarkeit der Vorschrift auf Satzungen, Schniker, Urheberrecht, Kommentar 2. Aufl. 1999, 5 Rn. 28 m.w.n. 50 Hierzu zählen auch Verwaltungsvorschriften, vgl. Dreyer/Kotthoff/Meckel, 5 Rn Zum Begriff des amtlichen Leitsatzes BGHZ 116, 136 = NJW 1992, Werden Leitsätze von Dritten, z. B. Redaktionen von Publikationsorganen, formuliert, sind sienichtamtlichundwerdendeshalbvon 5Abs.1UrhGnichterfasst. 52 Zum Urheberrecht für Sachverständige s. näher Ulrich DS 2011, 308. Zur Auslegung des Begriffs amtliche Werke näher Dreier/Schulze, UrhG, 5 Rn. 8 ff. 53 Nach BGH NJW-RR 2007, 342 handelt es sich um eine Datenbank i.s. des 87a Abs. 1 UrhG; hierzu näher und letztlich zustimmend Riesenhuber LMK 2007, I, OLG Stuttgart GRUR-RR 2010, Eine spezielle Regelung findet sich z. B. in 8 Satz 2 des Informationsfreiheitsgesetzes von Mecklenburg-Vorpommern v (GVOBl. MV S. 556) für die Teilnahme der öffentlichen Hand am Wirtschaftsverkehr. 414 AnwBl 6 / 2013 Das Urheberrecht und Geschäftsgeheimnisse im UIG und IFG, Ramsauer

41 MN Anwaltspraxis mationszugang wird sie aber nicht unter Berufung auf ihr eigenes Erstveröffentlichungsrecht nach 12 UrhG (siehe unten) verweigern dürfen. Vielmehr wird sich von den Ausschlussgründen des 3 IFG zum Beispiel wegen Geheimhaltungsinteressen und so weiter abgesehen insoweit nur die Frage nach den Verwertungsrechten und der Vergütung dafür stellen. Dies dürfte insbesondere für amtlich eingeholte Gutachten gelten. Wer ein Gutachten in Auftrag gibt, erhält, sofern nichts anderes vereinbart wurde, mit der Übergabe des Gutachtens grundsätzlich auch das Recht, dieses zu veröffentlichen. 56 Der Auftraggeber ist deshalb nicht nur berechtigt, das Gutachten zweckentsprechend zum Beispiel in einem Verfahren einzusetzen, er darf es in diesem Rahmen auch veröffentlichen, also Dritten zugänglich machen. c) Schutz des Rechts auf Erstveröffentlichung ( 12 Abs. 1 UrhG) Urheberrechtlich lassen sich beim Schutz geistigen Eigentums im wesentlichen zwei Schutzrichtungen unterscheiden, das Recht auf Erstveröffentlichung ( 12 UrhRG) und die Verwertungsrechte ( 14 ff. UrhRG). Soweit das Werk bereits einmal der Öffentlichkeit nach 6 Abs. 1 UrhRG zugänglich gemacht wurde, ist das Erstveröffentlichungsrecht nach der zutreffenden herrschenden Meinung verbraucht, es liegt insoweit kein Ausschlussgrund im Sinne des 6 Satz 1 IFG mehr vor. 57 Danach ist davon auszugehen, dass sich das Urheberrecht nach der Erstveröffentlichung auf die Verwertungsrechte ( 14 ff. UrhG) beschränkt. 58 Deshalb ist die Frage von Bedeutung, wann das Werk als veröffentlicht zu gelten hat. aa) Veröffentlichung durch Übermittlung an die Behörde? Fraglich ist zunächst, ob in der Übermittlung des Werkes durch den Urheber oder einen Dritten an eine Behörde oder eine andere auskunftspflichtige Stelle auf Anforderung oder im Rahmen eines Antragsverfahrens bereits eine Veröffentlichung zu sehen ist. Nach 6 Abs. 1 UrhG ist ein Werk veröffentlicht, wenn es mit Zustimmung des Berechtigten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist. Reicht der Berechtigte das Werk der Behörde oder einer anderen Stelle ein, dann gelangt es zwar mit seiner Zustimmung an die Behörde beziehungsweise Stelle, es ist aber der Öffentlichkeit damit noch nicht zugänglich, wie sich aus der Existenz der Schutzvorschrift des 6 Satz 1 IFG zwanglos ergibt. Es ist deshalb dem Zugriff der nach dem IFG informationsberechtigten Öffentlichkeit noch nicht unmittelbar ausgesetzt. Es ist auch anzunehmen, dass der Berechtigte mit der Einreichung seines Werks nicht schon regelmäßig seine Zustimmung zu einer Veröffentlichung oder Weitergabe erteilt. Vielmehr bedarf es, wenn der Berechtigte wie regelmäßig hierzu schweigt, hinreichend klarer Willensbekundungen, die darauf schließen lassen, dass der Berechtigte auf sein Erstveröffentlichungsrecht auch tatsächlich verzichten will. Das gilt insbesondere dann, wenn er zur Übermittlung des Werkes rechtlich verpflichtet ist oder wenn die Übermittlung erfolgt, um Antragsunterlagen in einem Verwaltungsverfahren zu vervollständigen. Zutreffend wird deshalb in der Übermittlung des Werkes an die Behörde noch keine Veröffentlichung gesehen. 59 Etwas anderes wird allerdings anzunehmen sein, wenn der Berechtigte von vornherein weiß, dass die von ihm eingereichten Unterlagen im Zuge einer obligatorischen oder in das Ermessen der Behörde gestellten Beteiligung der (betroffenen) Öffentlichkeit, etwa im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens nach 73 VwVfG oder im Rahmen einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach 9 UVPG, mit Sicherheit oder mit hoher Wahrscheinlichkeit bekannt werden kann beziehungsweise wird. bb) Veröffentlichung durch Gewährung des Informationszugangs Zu entscheiden ist weiter, ob eine Behörde, die ein ihr übermitteltes noch unveröffentlichtes Werk einem Antragsteller im Rahmen eines Verfahrens auf Informationszugang nach dem IFG zugänglich macht, damit gegen das Bestimmungsrecht des Urhebers nach 12 Abs. 1 UrhG verstößt. Das wäre anzunehmen, wenn darin eine Veröffentlichung gesehen werden müsste. Hiergegen könnte sprechen, dass im Rahmen des IFG der Zugang zu derartigen Werken in dem vorgesehenen Verfahren nur einzelnen Anspruchsinhabern gewährt wird und nicht der Allgemeinheit. 60 Dem lässt sich aber entgegen halten, dass es grundsätzlich nicht darauf ankommt, ob eine Vielzahl von Personen Kenntnis nimmt, sondern dass die Möglichkeit der Kenntnisnahme durch die Öffentlichkeit besteht, auch wenn nur Einzelne davon Gebrauch machen. 61 Die Möglichkeit der Kenntnisnahme wäre aber gegeben, wenn jedermann durch einen bloßen Antrag nach 7 IFG den Zugang zu dem Werk erhalten könnte. Deshalb wird man davon auszugehen haben, dass mit der Eröffnung des Zugangs im Rahmen eines einzelnen Verfahrens bereits die Veröffentlichung erfolgt. Wird ein Gutachten oder ein anderes Werk zum Gegenstand einer öffentlichen Verhandlung gemacht, liegt hierin grundsätzlich eine Veröffentlichung, durch die das Erstveröffentlichungsrecht verbraucht wird, unabhängig davon, ob und wie viele Dritte an der Verhandlung teilnehmen. 62 Gleiches wird anzunehmen sein, wenn ein Werk im Rahmen einer Öffentlichkeitsbeteiligung Teil der etwa nach 73 Abs. 3 VwVfG im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens ausgelegten oder nach 9 UVPG der Öffentlichkeit zugänglich gemachten Unterlagen (gewesen) ist. d) Schutz des Verwertungsrechts ( 14 ff. UrhG) aa) Inhalt der Verwertungsrechte, Zulässigkeit der Einsichtnahme Das Urheberrecht ist nach Maßgabe der 14 ff. UrhG gegen die unbefugte Verwertung durch Dritte geschützt. Zu den Verwertungsrechten gehören die in 15 Abs. 1 UrhG aufgezählten Rechte wie das Recht zur Vervielfältigung ( 16 UrhG), Verbreitung ( 17 UrhG) und so weiter sowie die anderen in 15 Abs. 2 UrhG genannten Nutzungsformen. Daraus folgt, dass der Inhaber des Urheberrechts auch nach der Erstveröffentlichung die weitere Verbreitung seines Werks 56 Ulrich, DS 2011, 208 ff. (III.1.c.). 57 OLG München NJW-RR 1997, 493; Dreier/Schulze, UrhRG,3.Aufl.2008, 12 Rn. 6 mwn; a.a. LG Berlin GRUR 1983, Dreier/Schulze, 12 Rn. 6 m.w.n. 59 VG Braunschweig ZUM 2008, 254, 256; Schoch, IFG 1 Rn. 32 m.w.n.; Jastrow/ Schlatmann, IFG 1 Rn So etwa VG Berlin JZ 2012, 799 für Ausarbeitungen des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages mit der Erwägung, dass der Informationszugang nur dem jeweiligen Antragsteller eröffnet wird. Hierzu Heuner/Küpper JZ 2012, 801; krit. auch Schnabel K&R 2012, So wohl trotz der Legaldefinition der Öffentlichkeit in 15 Abs. 3 UrhG BVerwG NJW 1991, 1234; auch Schnabel K&R 2012, Ulrich DS 2011, 308 ff. Aufsätze Das Urheberrecht und Geschäftsgeheimnisse im UIG und IFG, Ramsauer AnwBl 6 /

42 MN Anwaltspraxis kontrollieren kann, um seine eigenen Verwertungsrechte zur Geltung zu bringen. Derartige Verwertungsrechte sind allerdings nicht berührt, wenn dem Antragsteller in einem Informationszugangsverfahren lediglich Einsicht in das urheberrechtlich geschützte Werk gewährt, ihm also nur Gelegenheit zur Kenntnisnahme gegeben wird. Gegen eine derartige Einsichtnahme in ein bereits veröffentlichtes Werk schützen die Verwertungsrechte der 14 ff. UrhG grundsätzlich nicht, solange keine Vervielfältigung oder eine anderweitige Verbreitung oder Nutzung stattfindet. Das ergibt sich schon daraus, dass die im Zuge der Einsichtnahme gewonnenen Erkenntnisse normalerweise nicht das Ergebnis einer Werkrezeption sind, sondern der urheberrechtlich nicht geschützten in dem Werk enthaltenen Informationen. bb) Herstellung von Abschriften oder Kopien Problematischer ist die Frage, ob und unter welchen Umständen dem Antragsteller auch die Gelegenheit zur Herstellung von Kopien, Abschriften und so weiter gegeben werden darf beziehungsweise ob die Behörde die vom Antragsteller erbetenen Kopien selbst zur Verfügung stellen darf, um den Anspruch auf Informationszugang zu befriedigen. In 7 Abs. 4 Satz 1 IFG heißt es dazu, im Falle der Einsichtnahme könne sich der Antragsteller Notizen machen oder Ablichtungen und Ausdrucke fertigen lassen; allerdings wird in 7 Abs. 4 Satz 2 IFG ausdrücklich darauf hingewiesen, dass 6 Abs. 1 IFG (und damit der Schutz des Urheberrechts) unberührt bleibe. Im Grundsatz sind Verwertungshandlungen wie die Herstellung von Kopien ohne vorherige Zustimmung des Inhabers von Urheberrechten nicht zulässig; der Inhaber des Urheberrechts selbst kann entscheiden, auf welche Weise eine Verwertung erfolgen soll und welche Verwertung durch Dritte er zulässt. Das UrhG selbst enthält aber in den 44a ff. UrhG diverse Einschränkungen des Verwertungsschutzes, die auch im Zusammenhang mit Informationszugangsrechten eine Rolle spielen können. Hiernach kommen Vervielfältigungen auch ohne Zustimmung des Rechteinhabers zu unterschiedlichen in den 45 ff. UrhG abschließend aufgezählten Zwecken in Betracht. Zu den Einschränkungen gehören Vervielfältigungen zu Zwecken unbedeutender Natur ( 44 a UrhG), solche zugunsten der Rechtspflege und öffentlichen Sicherheit ( 45 UrhG), zu Unterrichts- und Bildungszwecken ( 46 ff. UrhG), zu Zwecken der öffentlichen Berichterstattung ( 48 ff. UrhG) sowie für den eigenen nichtkommerziellen Gebrauch ( 53 UrhG). Deshalb muss bei einem Informationszugangsantrag, der sich auf urheberrechtlich geschützte Werke bezieht, die Zielsetzung des Antragstellers festgestellt werden. Hierauf nimmt 7 Abs. 1 Satz 3 IFG Rücksicht, indem dort vorgesehen ist, dass der Antragsteller seinen Antrag begründen muss, soweit es um Daten im Sinne des 6 IFG geht. Im Vordergrund steht in diesem Zusammenhang die Bestimmung des 53 Abs. 1 UrhG, wonach Vervielfältigungen eines Werks durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch auf beliebigen Trägern zulässig sind, sofern sie weder unmittelbar noch mittelbar Erwerbszwecken dienen. Nach 53 Abs. 1 Satz 2 UrhG darf der zur Vervielfältigung Befugte die Vervielfältigungsstücke auch durch eine andere Person herstellen lassen, sofern dies unentgeltlich geschieht oder es sich um Vervielfältigungen auf Papier oder einem ähnlichen Träger mittels photomechanischer Verfahren (Abfotografieren) oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung handelt. Diese nach 53 Abs. 1 UrhG zulässige Herstellung von Ablichtungen setzt nicht voraus, dass sich das Werk im Eigentum des Vervielfältigers befindet. 63 Es ist wie sich aus 53 Abs. 1 Satz 2 UrhG ergibt auch nicht erforderlich, dass die Herstellung der Ablichtungen eigenhändig erfolgt. Auch die Frage der Entgeltlichkeit spielt keine Rolle, soweit es wie regelmäßig um Fotokopien und ähnliche Formen der Vervielfältigung geht. Deshalb wird auch der Fall des 7 Abs. 4 Satz 1 IFG von der Ausnahmeregelung des 53 UrhG erfasst, in dem sich der Antragsteller von der Behörde Kopien des Werkes machen lässt und dafür Kosten entstehen. Allerdings lässt 53 Abs. 1 UrhG die Herstellung von Kopien und so weiter ausdrücklich nur zum privaten Gebrauch zu und eröffnet diese Möglichkeit anders als 53 Abs. 2 UrhG auch nur natürlichen Personen, während der Informationszugangsanspruch nach 1 IFG grundsätzlich jedermann, also auch juristischen Personen 64, und ohne Rücksicht auf den Zweck eröffnet wird, der damit verfolgt wird. Insbesondere dürfen die nach 53 Abs. 1 UrhG zugelassenen Vervielfältigungen weder unmittelbar noch mittelbar Erwerbszwecken dienen. Dadurch wird die Zulässigkeit der Herstellung von Abschriften beziehungsweise Ablichtungen durch die Regelungen des 53 Abs. 1 UrhG wesentlich eingeschränkt. Soweit die Ausnahmeregelungen der 44a ff. UrhG nicht greifen, kommt es darauf an, ob der Inhaber des Urheberrechts dem Informationszugang zustimmt oder nicht. Um dies festzustellen, ist der Inhaber des Urheberrechts nach 8 IFG im Antragsverfahren nach 7 IFG zu beteiligen. e) Zulässigkeit landesrechtlicher Einschränkungen? Zweifelhaft ist, ob weitergehende landesrechtliche Informationsfreiheitsvorschriften den bundesrechtlich gewährten Urheberrechtsschutz einschränken können, wie dies etwa in 10 des Informationsfreiheitsgesetzes für das Land Schleswig-Holstein geschehen ist. 65 Dies wird unter Hinweis auf Art. 31 GG verneint. 66 Wenn das Bundesrecht einen bestimmten Schutz geistigen Eigentums im Urheberrechtsgesetz vorsehe, dürften die Länder keine Regelungen erlassen, die diesen Schutz in der Sache einschränken. Diese Auffassung geht vom Vorliegen einer Kollisionslage aus, bei der sich das Bundesrecht gegenüber landesrechtlichen Regelungen zur Informationsfreiheit durchsetzt. Und in der Tat würde die landesrechtliche Zulassung des Informationszugangs in Fällen, in denen das bundesrechtliche Urheberrecht diesen Zugang als solchen oder die Art und Weise des Zugangs (Fertigung von Ablichtungen und so weiter) von der Zustimmung des Inhabers des Urheberrechts abhängig macht, zu einer bundesrechtlich nicht vorgesehenen zusätzlichen Beschränkung von Rechten des Inhabers führen. Es stellt sich die Frage, ob hier wirklich eine Kollisionslage im Sinne des Art. 31 GG vorliegt. Eine Kollision setzt voraus, dass die Länder auf dem Gebiet des Urheberrechts abweichendes Recht setzen. Wenn die Länder Regelungen im Bereich der Informationsfreiheit treffen, geht es ihnen an sich nicht um eine abweichende Regelung des Urheber- 63 BGH GRUR 1997, 459, Die Beschränkung des Rechts auf natürliche Personen dürfte damit zusammenhängen, dass bei juristischen Personen ein privater Zweck für die Vervielfältigung nicht angenommen wird. Ob diese Einschränkung bei nichtkommerziellen Organisationen berechtigt ist, erscheint zweifelhaft. 65 Informationszugangsgesetz für das Land Schleswig-Holstein v (GVOBl 2012, S. 89). 66 Lenski, NordÖR 2006, 89 m.w.n. 416 AnwBl 6 / 2013 Das Urheberrecht und Geschäftsgeheimnisse im UIG und IFG, Ramsauer

43 MN Anwaltspraxis rechts, sondern darum, Bürgern die Möglichkeit zu geben, die bei ihren Behörden und Stellen befindlichen Informationen, Akten und Unterlagen zur Kenntnis zu nehmen. Wenn man darin keine Veröffentlichung sehen würde, wäre eine Kollision mit 12 Abs. 1 UrhG jedenfalls nicht gegeben. Wenn man wie oben dargelegt schon in der Eröffnung des Zugangs für einzelne Antragsteller eine Veröffentlichung im Sinne des 6 Abs. 1 UrhG sehen würde, liegt indessen die Annahme einer Kollision nahe. Die Einräumung von Informationsrechten auf Landesebene verfolgt das Ziel der Herstellung von Transparenz, keine sonstigen landesspezifischen Ziele. Man wird wohl nicht annehmen dürfen, dass der Transparenzgedanke allein die Schlussfolgerung rechtfertigt, insoweit treffe das Urheberrecht keine abschließende Regelung. Eine substantielle Einschränkung des Urheberrechts durch die Eröffnung weitergehender Zugangsrechte seitens der Länder wird deshalb nach derzeitiger Rechtslage nicht zu rechtfertigen sein. f) Fazit Urheberrechte können einem Informationsanspruch entgegenstehen, wenn und soweit der Informationszugang zu einer Erstveröffentlichung eines urheberrechtlich geschützten Werkes führen würde, und wenn die Herstellung von Abschriften oder Ablichtungen und so weiter einen Eingriff in die Verwertungsrechte des Urhebers darstellt. Letzteres ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn es um die Herstellung von Ablichtungen zum privaten Gebrauch geht. Soweit die öffentliche Hand selbst Inhaberin des Urheberrechts ist, wird sie dieses dem Informationsbegehren eines Bürgers nicht entgegen halten können, weil sie eine gegebenenfalls erforderliche Zustimmung zur Kenntnisnahme oder zur Herstellung einer Ablichtung oder Ähnliches nach dem Sinn und Zweck des Informationsfreiheitsrechts nicht verweigern darf. Im Übrigen stehen der Herausgabe von Informationen aus urheberrechtlich geschützten Werken die Regelungen des Urheberrechtsgesetzes nicht entgegen, weil nur das Werk, nicht aber die darin enthaltenen Informationen geschützt sind. Ist das Werk der Öffentlichkeit bereits zugänglich gemacht, so ist anhand der 44a ff. UrhG zu prüfen, ob und unter welchen Voraussetzungen Ablichtungen hergestellt werden dürfen. 2. Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen nach 6 Satz 2 IFG a) Der Begriff des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses Der Begriff des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses ist gesetzlich weder in 6 Satz 2 IFG noch in 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG definiert. Er wird in beiden Vorschriften in gleicher Weise verwendet. Nach einer allgemein akzeptierten Definition sind Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat. 67 Betriebsgeheimnisse betreffen in diesem Zusammenhang die technischen, Geschäftsgeheimnisse die geschäftlichen Informationen. 68 Zu den Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen werden auch solche gewerblichen Schutzrechte und so weiter zu zählen sein, die aus welchen Gründen auch immer nicht dem Publizitätsprinzip unterliegen und also noch nicht jedermann zugänglich sind oder waren. 69 Zutreffend wird darüber hinaus verlangt, dass ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis darüber hinaus begrifflich ein berechtigtes Interesse an der Nichtverbreitung der nicht offenkundigen Information erfordert. 70 Dieses Interesse wird verneint, wenn die Offenlegung der Information nicht geeignet ist, exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen den Marktkonkurrenten zugänglich zu machen und so die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen. 71 Allerdings geht das Bundesverwaltungsgericht in neuerer Rechtsprechung davon aus, dass es zur Begründung des Interesses ausreicht, wenn die Informationen Rückschlüsse auf Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse zulassen. 72 Diese Erweiterung ist zwar im Grundsatz überzeugend, bedarf aber einer einschränkenden Handhabung: Viele Informationen erlauben nämlich im Zusammenhang mit anderen Informationen Rückschlüsse auf andere Informationen, die nicht preisgegeben werden sollen. So lassen sich etwa Indizien sammeln, die nach sorgfältiger Analyse und Kombination einen Schluss auf bestimmte Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zulassen. Den Geheimnisschutz des 6 Satz 2 IFG (und des 9 Abs. 1 UIG) können nur solche Informationen beanspruchen, die entweder schon für sich derartige Rückschlüsse zulassen oder jedenfalls für solche Schlüsse von maßgeblicher Bedeutung sind. Sind hiernach Betriebsoder Geschäftsgeheimnisse anzunehmen, kommt ein Informationszugang nur mit Einwilligung des Berechtigten in Betracht. Grundsätzlich kommt es nach 6 Satz 2 IFG nicht zu einer Abwägung mit den Informationsinteressen des Antragstellers, sondern lediglich zu einer Betrachtung der Interessenlage des betroffenen Geheimnisträgers. Auch in diesem Zusammenhang stellt sich die Frage der Zulässigkeit weitergehender landesrechtlicher Informationsansprüche, wie sie etwa im Informationsfreiheitsgesetz des Landes Bremen 73 enthalten sind. Da es insoweit nicht um bundesrechtlich abschließend geregelte Rechte geht, sondern um die Berücksichtigung eines zwar grundrechtlich fundierten, aber nicht umfassend konkretisierten Geheimnisschutz, steht höherrangiges Recht einer Abwägungsklausel nicht entgegen. b) Das Trennungsprinzip Von wesentlicher Bedeutung für das Informationszugangsrecht ist in diesem Zusammenhang das Trennungsprinzip, das als allgemeiner Grundsatz auch dann gilt, wenn es nicht ausdrücklich im Gesetz geregelt ist. 74 Auch im Hinblick auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gilt nämlich, dass dem 67 Länderausschuss NVwZ 1986, 284; vgl. BVerfG NVwZ 2006, 1041; BVerwG NVwZ 2009, 1113; Kopp/Ramsauer, 13. Aufl. 2012, 30 Rn. 8. Einige Landesgesetze enthalten eine entsprechende Definition, so z. B. 7 Abs. 1 Hamb. Transparenzgesetz v (GVBl. 271). 68 SodieAbgrenzunginBVerfG,Beschl.v BvR2087,2111/ Kloepfer/Greve, Das IFG und der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, NVwZ 2011, SoBVerwGNVwZ2009,1113zu 9Abs.1UIG. 71 BerwG NVwZ 2009, 1113 (LS 1) unter Berufung auf BVerwG, B. v , 20 F BVerwG NVwZ 2010, 189, 193; ebenso OVG Koblenz NVwZ 2013, 376; hierzu Fischer/Fluck NVwZ 2013, Satz 2 des Gesetzes über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Bremen (Bremer Informationsfreiheitsgesetz) v (BremGBl. S. 263) stellt den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen unter eine Abwägungsklausel. 74 EinegesetzlicheRegelungfindetsichetwain 8desHamburgischenTransparenzgesetzes v (GVBl. S. 271). Aufsätze Das Urheberrecht und Geschäftsgeheimnisse im UIG und IFG, Ramsauer AnwBl 6 /

44 MN Anwaltspraxis Antragsteller diejenigen Informationen zur Verfügung gestellt werden müssen, die ohne Verletzung des Geheimnisschutzes gegeben werden können. Geht es um Akten, müssen diejenigen Teile entfernt oder unkenntlich gemacht werden, die Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse enthalten oder Rückschlüsse darauf zulassen. Dies kann für die Behörde einen erheblichen Aufwand zur Folge haben. Eine Grenze dürfte hier deshalb bei der Unverhältnismäßigkeit des Aufwands für die zuständige Behörde liegen. 3. Verfahrensfragen Geht es im Rahmen eines Verfahrens nach 7 IFG um Urheberrechte oder um Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, sind die oben in anderem Zusammenhang bereits erwähnten Besonderheiten zu beachten. Zunächst ist der Antragsteller nach 7 Abs. 1 Satz 3 IFG verpflichtet, die Gründe für den begehrten Informationszugang mitzuteilen. Das ist zwar keine Ausnahme von dem Grundsatz, dass der Informationszugang völlig unabhängig von den Gründen und Motiven gewährt wird, wohl aber eine verfahrensrechtliche Besonderheit. Sodann ist nach 8 IFG der Dritte zu beteiligen, in dessen Urheberrecht möglicherweise eingegriffen beziehungsweise dessen Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis berührt wird. Soweit es um nicht schon gesetzlich zugelassene Verwertungen geht, wird der Dritte im Rahmen seiner Beteiligung ggfs. auch Vergütungsansprüche anmelden können. Probleme ergeben sich, wenn und soweit es um die Frage geht, ob es sich bei den Informationen, zu denen ein Antragsteller den Zugang begehrt, tatsächlich um Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse handelt. Entsteht nach der Ablehnung durch die Behörde insoweit Streit, so kann das Gericht darüber sinnvoll nur entscheiden, wenn es seinerseits die Informationen kennt, die möglicherweise der Geheimhaltung bedürfen. Zieht es zum Zweck der Beurteilung dieser Fragen die Akten und Unterlagen der Behörde bei, so entsteht damit grundsätzlich ein Akteneinsichtsrecht des Klägers nach 100 Abs.1 VwGO, dessen Ausnutzung dann den Geheimnisschutz praktisch obsolet werden lassen kann. In diesen Fällen bleibt nur der Weg über das sog. in-camera-verfahren nach 99 VwGO, sofern das Gericht nicht auf die Beiziehung der Akten verzichtet und die Entscheidung aufgrund einer Beschreibung der Geheimhaltungsbedürfnisse trifft. 75 VI. Die Regelungen des UIG über den Schutz von Geheimnissen und Urheberrechten Für das Umweltinformationsgesetz (UIG) gelten weitgehend vergleichbare Grundsätze, wie sie oben für die Informationsfreiheitsgesetze, insbesondere für das IFG, dargelegt worden sind. Allerdings genießt die Versorgung der Öffentlichkeit mit Umweltinformationen einen höheren Stellenwert als die mit allgemeinen Informationen, weshalb die Umweltinformationsansprüche teilweise weiter gehen als diejenigen nach den Informationsfreiheitsgesetzen. Wie bereits oben dargelegt, schließt andererseits die Anwendbarkeit des UIG einen Rückgriff auf das IFG und die Informationsfreiheitsgesetze aus. In seinem Anwendungsbereich ist das UIG deshalb das speziellere Gesetz; auch dann, wenn die Ablehnungsgründe des 8 UIG einen Anspruch ausschließen, kommt eine Berufung auf das IFG deshalb grundsätzlich nicht mehr in Betracht. 1. Anwendungsbereich: Der Begriff der Umweltinformationen Der Begriff der Umweltinformationen in 2 Abs. 3 UIG ist weit gefasst. 76 Es fallen darunter alle Daten über den Zustand von Umweltmedien wie Luft, Wasser, Boden, Natur und Landschaft (Nr. 1), über Faktoren wie Schadstoffe, Energie, Lärm, Strahlung, Abfälle (Nr. 2), über Maßnahmen und Tätigkeiten, die sich auf die Umweltmedien oder die Faktoren auswirken können (Nr. 3), über die Umsetzung des Umweltrechts (Nr. 4), Kosten-Nutzen-Analysen, die der Vorbereitung von Maßnahmen und Tätigkeiten im Sinne der Nr. 3 dienen (Nr. 5), und schließlich Daten über den Zustand der menschlichen Gesundheit und sonstiger Schutzgüter, soweit sie von den Umweltbedingungen abhängig sind (Nr. 6). Wegen der gegenüber dem IFG weitergehenden Ansprüche wird deshalb vorrangig zu prüfen sein, ob ein Anspruch nach dem UIG geltend gemacht werden kann. Allerdings unterliegt auch der Informationsanspruch nach 8 UIG einer Reihe allgemeiner Einschränkungen aus Gründen des öffentlichen Interesses. Diese decken sich inhaltlich zu einem wesentlichen Teil mit denen des 3 IFG. Von praktischer Bedeutung ist hier insbesondere die Missbrauchsklausel in 8 Abs. 2 Nr. 1 UIG, für die es im IFG keine unmittelbare Entsprechung gibt und deren Verständnis nicht ganz einfach ist. Da ein Ausschluss nur vorgesehen ist, wenn der Antrag offensichtlich missbräuchlich gestellt wurde, werden hier im Wesentlichen nur solche Fälle erfasst werden, bei denen in Wahrheit kein Informationsinteresse besteht, also bei offensichtlich querulatorischen Anträgen usw. 77 Da auch der Anspruch auf Umweltinformationen voraussetzungslos gewährt wird, ist es nicht missbräuchlich, wenn mit dem Antrag private Interessen, solche politischer oder wirtschaftlicher Art verfolgt werden oder wenn damit ein anderes Verfahren vorbereitet oder gefördert werden soll. 2. Geheimnis- und Urheberrechtsschutz unter Abwägungsklausel ( 9 Abs. 1 UIG) Die Voraussetzungen, unter denen der Antrag auf Umweltinformationen aus Gründen der Geheimhaltung oder des Urheberrechtsschutzes abzulehnen ist, sind für Umweltinformationen in 9 Abs. 1 UIG geregelt. Die Regelung erfasst Fälle, in denen 9 Personenbezogene Daten offenbart und dadurch Interessen der Betroffenen erheblich beeinträchtigt würden, 9 Rechte am geistigen Eigentum, insbesondere Urheberrechte, durch die Zugänglichkeit verletzt würden, 9 Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zugänglich gemacht würden oder die Informationen dem Steuer- oder Statistik- Geheimnis unterliegen, sofern die Betroffenen nicht zugestimmt haben oder das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt. In dieser zuletzt genannte Gegenausnahme, der sog. Abwägungsklausel, liegt die wichtigste Abweichung des UIG vom IFG dar. Sie bedarf deshalb einer näheren Betrachtung. Die Abwägungsklausel in 9 Abs. 1 UIG wurde im Hinblick auf das EU-Recht in das Gesetz eingefügt; Art. 4 Abs. 2 UAbs. 2 UI- RL verlangt eine Berücksichtigung des öffentlichen Interes- 75 Hierzu näher BVerwGE 135, 34; Fischer/Fluck, NVwZ 2013, 337, Vgl. z. B. OVG Münster ZD 2011, 89 (Informationen über Agrarförderung); s. auch Wittman/Kümper, Der Zugang zu Grundstücksdaten auf der Grundlage des UIG, AbfallR 2010, Vgl. hierzu: Landmann/Rohmer, Bd. 3, Stand: 66 EL 2012, UlG, 8, Rn. 53 ff. (missbräuchliche Anträge). 418 AnwBl 6 / 2013 Das Urheberrecht und Geschäftsgeheimnisse im UIG und IFG, Ramsauer

45 MN Anwaltspraxis ses an der Bekanntgabe der Umweltinformationen. Dem folgt 9 Abs. 1 UIG, wobei nicht auf das Interesse des Auskunftsberechtigten selbst, sondern auf das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe der Information abgestellt wird und dieses dem Interesse des Betroffenen an der Geheimhaltung beziehungsweise an der Wahrung seines Urheberrechts gegenüberzustellen ist. Diese Regelungen gelten nach 9 Abs. 2 UIG im Wesentlichen auch für solche Informationen, die von privaten Dritten freiwillig einer informationspflichtigen Stelle übermittelt worden sind. 9 Abs. 2 UIG dient nach der Gesetzesbegründung der Umsetzung von Art. 4 Abs. 2 Buchst. g der Richtlinie 2003/4/EG über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen. Sie betrifft vor allem den Informantenschutz. 78 a) Beeinträchtigung von Urheberrechten Der Ausschluss des Umweltinformationsrechts nach 9 Abs. 1 Nr. 2 UIG setzt zunächst voraus, dass Urheberrechte durch die Bekanntgabe verletzt würden, dass also das Urheberrecht selbst die Bekanntgabe an sich nicht zulässt. Ist dies der Fall, muss die Bekanntgabe unterbleiben, es sei denn, der Inhaber des Rechts stimmt zu oder das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt. b) Beeinträchtigung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen Der Begriff des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses in 9 UIG ist identisch mit dem Begriff in 6 Satz 2 IFG. Das bedeutet, dass der weite Geheimnisbegriff (siehe oben II.), wonach auch solche Informationen erfasst werden, die Rückschlüsse auf Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse erlauben, 79 auch hier gilt, auch wenn sich gerade bei den Umweltinformationen besondere Fragen stellen. 80 Allerdings ist in 9 Abs. 1 Satz 2 UIG eine praktisch wichtige Einschränkung geregelt. Danach kann nämlich der Zugang zu Umweltinformationen über Emissionen nicht unter Berufung auf 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG abgelehnt werden. Welche Emissionen von einer Anlage ausgehen, ist zwar möglicherweise ein Betriebsgeheimnis, bei der Behörde darüber vorliegende Informationen genießen diesen Geheimnisschutz aber nicht. Allerdings betrifft die Information über Emissionen nur die Emissionswerte als solche und nicht Informationen über Vorgänge innerhalb einer emittierenden Anlage, durch die die später in die Umwelt abgegebenen Stoffe entstehen oder deren Zusammensetzung und Menge beeinflusst werden Vgl. etwa VGH Mannheim NuR 2009, 650 (auch zum Verhältnis zwischen 9 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 UIG); VGH Kassel UPR 2009, BVerwGE 135, 34 = NVwZ 2010, Vgl. z. B. OVG Münster NVwZ 2009, 794: Zu den vertraulich zu behandelnden Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zählt im Gentechnikrecht nicht die Risikobewertung im Sinne des 17 a Abs. 2 Nr. 6 GenTG. 81 BVerwGE 135, 34 = NVwZ 2010, Vgl. BVerwGE 135, 34: Das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe der Informationen überwiegt i.s.d. 9 Abs. 1 Satz 1 UIG nur dann, wenn mit dem Antrag auf Zugang zu Informationen ein Interesse verfolgt wird, das über das allgemeine Interesse der Öffentlichkeit hinausgeht. c) Abwägung mit öffentlichen Interessen Die Rechtsprechung verlangt im Rahmen der Abwägungsklausel zunächst einmal ein öffentliches Interesse, also ein Interesse der Allgemeinheit. Die privaten Interessen des Antragstellers sind insoweit nicht relevant, auch wenn der Antragsteller selbst möglicherweise im Interesse der Allgemeinheit tätig wird, wie das etwa bei anerkannten Umweltverbänden angenommen werden kann. Außerdem muss das öffentliches Interesse nach der Rechtsprechung ein spezifisches sein. Es darf sich nicht in einem allgemeinen Informationsinteresse erschöpfen. 82 Das bedeutet, dass das öffentliche Interesse an kollektiven Schutzgütern ansetzen muss, also etwa an dem Interesse der Aufrechterhaltung oder Verbesserung von Leben und Gesundheit der Bevölkerung, Verbesserung der Lebens- und Versorgungsbedingungen oder am Schutz der Umwelt, insbesondere von Natur und Landschaft. Aber auch wissenschaftliche Interessen können in Betracht kommen. Geht es um die Befürchtung von ernsthaften Gefahren für die menschliche Gesundheit oder für Natur und Umwelt, werden die öffentlichen Interessen regelmäßig vorgehen. 3. Verfahrensfragen ( 9 Abs. 1 Satz 3 5 UIG) Ähnlich wie im IFG sieht auch das UIG eine Beteiligung der Inhaber von Urheberrechten und Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen am Verwaltungsverfahren vor. Durch die Beteiligung der Betroffenen kommt es zu einer hinreichend tragfähigen verfahrensrechtlichen Grundlage für einen Ausgleich der Interessen. Vor allem durch das Trennungsgebot aber auch durch die Modalitäten der Gewährung des Informationszugangs lassen sich im Einzelfall für alle Beteiligten vertretbare Lösungen auch im Hinblick auf das Ziel eines möglichst weitgehenden Informationszugangs für Jedermann finden. V. Fazit Die Überlegungen haben gezeigt, dass die Schaffung voraussetzungsloser Ansprüche auf Informationszugang gerade im Hinblick auf Urheberrechte und Geheimnisschutz eine Reihe von neuen Problemen ausgelöst hat, die bisher nur unvollkommen gelöst sind. Das gilt vor allem für das Verhältnis des Informationszugangs zum Urheberrecht. Insgesamt entwickelt sich hier ein neues Informationsverwaltungsrecht, in dem der Informationszugang für die Allgemeinheit von wachsender Bedeutung sein wird. Prof. Dr. Ulrich Ramsauer, Hamburg Der Autor ist Vorsitzender Richter am Hamburgischen Oberverwaltungsgericht. Leserreaktionen an anwaltsblatt@anwaltverein.de. Aufsätze Das Urheberrecht und Geschäftsgeheimnisse im UIG und IFG, Ramsauer AnwBl 6 /

46 MN Anwaltsrecht Anwaltsrecht BSG ordnet Befreiungsrecht von Anwälten aus der Rentenversicherung neu Verschärfungen bei Wechsel treffen jeden angestellten Anwalt Regelung für Altfälle Rechtsanwalt Jan Horn und Diplom-Kaufmann Michael Jung, Berlin Angestellte Anwälte können von der Rentenversicherungspflicht befreit werden. War das Befreiungsrecht bislang vor allem für Syndikusanwälte wichtig, trifft es jetzt jeden angestellten Anwalt. Das Bundessozialgericht (BSG) verlangt in zwei Urteilen vom (Az. B 12 R 3/11 und B 12 R 5/10, siehe in diesem Heft, AnwBl 2013, 467) nun bei jedem Arbeitgeberwechsel einen neuen Befreiungsantrag. Was das für Kanzleien als Arbeitgeber und angestellte Anwälte ab sofort bedeutet und wie mit Altfällen umgegangen wird, erläutern die Autoren. Außerdem hat das BSG mit Urteil vom (Az. B 12 R 8/10 R, in diesem Heft, AnwBl 2013, 468 das Befreiungsrecht nach 6 Abs. 5 S. 2 SGB VI eingeschränkt. Das betrifft vor allem Anwälte, die als Berufsanfänger oder Selbständige zusätzlich eine zeitlich befristete berufsfremde Tätigkeit ausüben (zum Beispiel als Assistent eines Bundestagsabgeordneten). Auch dieses dritte BSG-Urteil wird besprochen. I. Die historische Entstehung des Befreiungsrechts 1. Rentenreform von 1957 Mit der großen Rentenreform von 1957 wurde die gesetzliche Rentenversicherung völlig neu geordnet, indem die dynamische Rente und als Finanzierungssystem der so genannte Generationenvertrag mit dem für ihn wesenstypischen Umlageverfahren eingeführt wurde. In diesem Zusammenhang wurde das erst zwischen 1933 und 1945 geschaffene Recht der Selbstversicherung für Selbständige in der gesetzlichen Rentenversicherung ersatzlos gestrichen 1 und die Möglichkeit der Weiterversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung beschränkt, weil man eine derartige freiwillige Risikoabsicherung als ein Privileg gerade auch für Freiberufler ansah, welches für die Kritiker nicht nur einen Schönheits-, sondern einen echten Charakterfehler der gesetzlichen Rentenversicherung darstellte, weil diese Rentenversicherung sich nur auf die wirklich unselbstständigen Arbeitnehmer Angestellte und Arbeiter beziehen könne und man es deshalb auch bei diesen Einschränkungen belassen müsse 2. Mit der Begründung, was später mit den Freien Berufen geschehen soll und was diese aus ihrer Initiative heraus tun möchten, bleibt der Zeit überlassen, wurden die Freiberufler vom damaligen Bundesgesetzgeber vom Tisch der Solidarität in der Rentenversicherung gewiesen und auf solidarische Hilfe zur Selbsthilfe verwiesen 3. Der Gesetzgeber unterstrich diese Verweisung auch dadurch, dass er den angestellt tätigen Pflichtmitgliedern eines berufsständischen Versorgungswerks ein Befreiungsrecht von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung einräumte, das in 7 Abs. 2 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) (heute 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI) verankert wurde und als Magna Charta der berufsständischen Versorgungswerke bezeichnet werden kann 4. Ein solches Befreiungsrecht war aus dem Kreis der angestellten Freiberufler gefordert worden, weil im Rentenreformgesetz des Jahres 1957 (anders als heute) eine Versicherungspflichtgrenze bestimmt worden war. Wer mit seinem Einkommen über dieser Versicherungspflichtgrenze lag, die 1957/ DM monatlich betrug, konnte sich nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung freiwillig weiter versichern, wenn er nicht im Zeitpunkt des Überschreitens dieser Einkommensgrenze bereits fünf Jahre versichert war. 2. Kein Privileg für Freiberufler Der historische Befund zeigt, dass es sich beim Befreiungsrecht des 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI von vornherein um kein Privileg der verkammerten Freien Berufe, sondern um eine rentensystematische Notwendigkeit handelte. Gegenwärtig entlastet jeder Freiberufler, der eine durchschnittlich längere Lebenserwartung von 4 Jahren gegenüber der allgemeinen Erwerbsbevölkerung aufweist, die gesetzliche Rentenversicherung um mindestens Euro 5. Außerdem finanzieren die Freiberufler über ihre Steuerlast die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung mit, da diese zu 30 Prozent über den Bundeszuschuss finanziert wird. Es gibt also kein Solidaritätsdefizit der Freien Berufe gegenüber den Versicherten der gesetzlichen Rentenversicherung. Gegenwärtig erhobene Forderungen, Mitglieder berufsständischer Versorgungswerke zukünftig 6 in die Versicherungspflicht nach dem SGB VI einzubeziehen, führen auch deshalb in die Irre, weil die Erweiterungsgewinne, die kurzfristig bei jeder Erweiterung des versicherten Personenkreises in der gesetzlichen Rentenversicherung eintreten, unmittelbar in der jetzigen Rentnergeneration verbraucht werden, so dass in der Zukunft für die derzeitigen Beitragszahler keinerlei Mehrwert eintreten wird 7. II. Der Inhalt des Befreiungsrechts Ein angestellter Rechtsanwalt 8 ist mit Aufnahme seiner Berufstätigkeit zunächst in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert ( 1 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI). Nach 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI besteht für Pflichtmitglieder berufsständischer Versorgungswerke allerdings die Möglichkeit der Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzli- 1 Vgl. Kannengießer, In eigener Verantwortung, Die berufsständischen Versorgungswerke und ihre Arbeitsgemeinschaft, 1998, S 57 f. 2 Reusch, rv 1987, S 168 f. 3 Reusch, rv 1987, S Reusch, rv 1987, S Endbericht der TAF Consutlting AG / Prognos AG Auswirkungen der längeren Lebenserwartung der Freien Berufe auf eine Erwerbstätigenversicherung, 2011, S Der Fortbestand der Anwartschaften von Bestandsmitgliedern berufsständischer Versorgungswerke unterliegt dem Eigentumsschutz des Art. 14 GG und ist von daher aus verfassungsrechtlichen Gründen unantastbar, vgl. Ehlers, Grundrechtsschutz berufsständischer Altersversorgung, 2010, S Vgl. Quest, Sozialer Fortschritt 1998, 18, 22f. 8 Soweit im vorliegenden Beitrag die berufsbezogene Bezeichnung Rechtsanwalt verwendet wird, bezieht sich diese auf Männer und Frauen in gleicher Weise. 420 AnwBl 6 / 2013 BSG ordnet Befreiungsrecht von Anwälten aus der Rentenversicherung neu, Jung/Horn

47 MN Anwaltsrecht chen Rentenversicherung. Diese trägt einer sinnvollen Vorsorgegestaltung des einzelnen Freiberuflers Rechnung, beginnt doch kaum ein Angehöriger eines freien Berufes seine Berufsausübung in freier Niederlassung, sondern folgt einer Phase angestellter Berufsausübung zu Beginn der Karriere erst der Wechsel in die Selbstständigkeit 9. Die Befreiungsmöglichkeit schon zu Zeiten angestellter Berufsausübung sichert so den Aufbau einer einheitlichen Altersvorsorge 10.Mit der einem Mitglied eines berufsständischen Versorgungswerks eingeräumten Möglichkeit, nach 6 Abs. 1 S 1 Nr. 1 SGB VI die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu erlangen, koordiniert das SGB VI damit die selbstständig nebeneinander stehenden, sich partiell überschneidenden Systeme der berufsständischen Altersvorsorge und der gesetzlichen Rentenversicherung. Diese Koordinationsregelung soll den Berufsstandsangehörigen die Verpflichtung nehmen, Beiträge zu zwei weitgehend funktionsgleichen sozialen Sicherungssystemen zahlen zu müssen 11. Die Pflichtmitgliedschaft im berufsständischen Versorgungswerk berechtigt einen angestellten Rechtsanwalt auf seinen schriftlichen Antrag hin zur Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung, wenn am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit für seine Berufsgruppe bereits vor dem 1. Januar 1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat, nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zu zahlen sind und auf Grund dieser Beiträge Leistungsansprüche für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit, des Alters sowie für Hinterbliebene bestehen. Alle diese Anforderungen erfüllen die berufsständischen Versorgungswerke für Rechtsanwälte regelmäßig. Soll die Befreiung vom Beginn des Beschäftigungsverhältnisses an wirken, muss sie binnen 3 Monaten nach Beschäftigungsaufnahme beantragt werden ( 6 Abs. 4 SGB VI). Nach 6 Abs. 5 S 1 SGB VI erfolgt die Befreiung von der Versicherungspflicht nicht wegen der Zugehörigkeit zu einem Berufsstand (personenbezogen), sondern ist auf die jeweilige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit (als Rechtsanwalt), auf der die Mitgliedschaft im Versorgungswerk und in der Kammer beruht, beschränkt. Die Befreiung erfolgt also nur wegen der jeweiligen berufsspezifischen Beschäftigung. Dieses Tatbestandsmerkmal ist zwar nicht ausdrücklich in 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI verankert, kann jedoch aus dem konkreten Tätigkeitsbezug der Befreiung von der Versicherungspflicht Wortlaut des 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI ( für eine Beschäftigung, wegen der ) bzw. der Übergangsvorschrift des 231 SGB VI ( in derselben Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit von der Versicherungspflicht befreit bleiben ) hergeleitet werden, wie ihn das BSG 12 in seinem Urteil vom bei der Frage der Anerkennung von Kindererziehungszeiten von berufsständisch Versicherten (nach damaligem Recht) unter Bezugnahme auf den Bedeutungsgehalt der einschlägigen gesetzlichen Normen bestimmt hat. Negativ formuliert kommt eine Befreiung von der Versicherungspflicht für berufsfremde Beschäftigungen oder Tätigkeiten daher grundsätzlich nicht in Betracht, da hier regelmäßig Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung eintritt (zu den Ausnahmen vgl. 6 Abs. 5 S. 2 SGB VI). III. Die Rechtswirkung der Befreiung Bislang war es so, dass eine einmal nach 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI erteilte Befreiung von der Versicherungspflicht seitens der Deutschen Rentenversicherung Bund für jede Tätigkeit unter der Berufsbezeichnung Rechtsanwalt fortwirkte. Diese von der früheren Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) mit Inkrafttreten des SGB VI im Zuge des Rentenreformgesetzes 1992 eingeführte Verwaltungspraxis hatte die BfA der Arbeitsgemeinschaft Berufsständischer Versorgungseinrichtungen (ABV) mit Schreiben vom ausdrücklich bestätigt Befreiungen von der Versicherungspflicht sollten danach für die jeweilige berufsgruppenspezifische Tätigkeit weiter gelten können. ABV hatte in diesem Zusammenhang mit Schreiben vom genau die jetzt vom Bundessozialgericht geprüfte Fallgestaltung vorgetragen: Wechselt das unselbständig Tätige und nach 7 Abs. 2 AVG bzw. 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI befreite Mitglied eines berufsständischen Versorgungswerks seine berufsbezogene Beschäftigungsstelle bzw. seinen berufsbezogenen Arbeitsplatz, z. B. der angestellte Krankenhausarzt X wechselt vom Krankenhaus Berlin- Neukölln in die Dienste des Behring-Krankenhauses in Berlin-Zehlendorf, bleibt also Pflichtmitglied der einschlägigen berufsständischen Versorgungseinrichtung, so wirkt die durch die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte ausgesprochene Befreiung fort. Die Begriffe,jeweilige Beschäftigung oder,selbständige Tätigkeit in 6 Abs. 5 S. 1 SGB VI stellen also nicht auf den konkreten Arbeits- bzw. Tätigkeitsplatz ab. Aus der Aussage, dass die Befreiung nach 6 Abs. 5 S. 1 SGB VI auf die jeweilige Beschäftigung bzw. selbständige Tätigkeit beschränkt sei, leitet das Bundessozialgericht 13 jedoch die Unzulässigkeit der bisherigen Befreiungspraxis der Deutschen Rentenversicherung Bund ab. Tragender Grund hierfür ist ein sehr enges und keinesfalls zwingendes Wortlautverständnis des Begriffes Beschäftigung. Das BSG interpretiert diesen Rechtsbegriff gleichlautend mit dem Inhalt von 7 SGB IV und kommt von daher zu dem Ergebnis, dass wegen 6 Abs. 5 S. 1 SGB VI die jeweilige Befreiung auf das konkret ausgeübte Beschäftigungsverhältnis beschränkt sein müsse. Das BSG möchte einer einmal ausgesprochenen Befreiung nach 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI damit nur solange eine Rechtswirkung zusprechen, wie der Rechtsanwalt seine Tätigkeit, für die die Befreiung einmal ausgesprochen worden ist, noch ausübt. Mit anderen Worten muss bei jedem Arbeitgeberwechsel zukünftig ein neuer Befreiungsantrag gestellt werden. Die Antragsfrist des 6 Abs. 4 SGB VI von drei Monaten wirkt dabei konstitutiv. Hält der Rechtsanwalt diese Frist nicht ein, kann eine Befreiung erst ab Zeitpunkt der Antragstellung erfolgen, unabhängig davon, ob zuvor bereits die materiellen Befreiungsvoraussetzungen vorgelegen haben. Dieses Befreiungsverfahren entspricht demjenigen Prüfungsansatz, den die Deutsche Rentenversicherung Bund seit einiger Zeit bereits bei den Syndikusanwälten verfolgt. 9 SG Braunschweig, , Az. S 51 R 35/ Jung, Die berufsständischen Versorgungseinrichtungen der verkammerten Freien Berufe, in: Hügelschäffer et al (Hrsg), Handbuch Alterssicherung, 2006, 6010, Rn Klattenhoff in: Hauck/Noftz Kommentar zum SGB VI, 6 Rn 9, 14, BSG, , Az. B 5/4 80/97 R, SozR , 56 Nr BSG, , Az. B 12 R 3/11 R, B 12 R 5/10 R. Aufsätze BSG ordnet Befreiungsrecht von Anwälten aus der Rentenversicherung neu, Jung/Horn AnwBl 6 /

48 MN Anwaltsrecht Sie hatte hier argumentiert, dass auf diese Weise die rechtzeitige Stellung von Befreiungsanträgen erreicht werde, was spätere (umständliche) Beitragsrückforderungen überflüssig mache und die Arbeit des Betriebsprüfers erheblich erleichtere, da dieser nur noch zu prüfen brauche, ob eine Befreiung für die jeweils ausgeübte Beschäftigung bereits vorliege 14. Als Konsequenz der Entscheidungen des BSG vom ist nunmehr die Durchführung einer Vielzahl von weiteren Befreiungsverfahren notwendig, und zwar auch in materiell rechtlich völlig unzweifelhaften Fallgestaltungen, die regelmäßig zu einer Befreiung von der Versicherungspflicht nach 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI führen (z. B. im Falle des in einer Anwaltskanzlei angestellten Rechtsanwalts). Der Ansicht des BSG 15, dass die neue Befreiungspraxis zu keinem bürokratischen Monstrum werde, können daher Bedenken entgegen gebracht werden. Auch bei der Behandlung von Altfällen nach 231 SGB VI verfolgt das Gericht einen zu 6 SGB VI gleichlautenden Prüfungsansatz. 231 SGB VI knüpfe für die fortdauernde Wirkung einer früheren Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung an die konkrete Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit an und fordere eine Identität der Beschäftigung oder der selbständigen Tätigkeit, die während der ursprünglichen Befreiung von der Versicherungspflicht verrichtet wurde, indem die Fortwirkung einer vor dem erteilten Befreiung von der Versicherungspflicht nur hinsichtlich derselben Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit möglich sei 16. Damit spielt es zukünftig auch keine Rolle mehr, welcher Tenor einem möglicherweise anders lautenden Altbefreiungsbescheid zugrunde liegt, da dessen Rechtswirkungen ebenso auf die jeweilige Beschäftigung beschränkt sind, für die der Befreiungsbescheid einmal ausgesprochen worden ist. Die immer wieder aufflammende Diskussion, inwieweit Altbescheide, die noch auf der Basis des früheren 7 Abs. 2 AVG und nach der vom BSG bestätigten Rechtsauffassung im Sinne einer personenbezogenen Befreiung 17 ausgesprochen worden sind, rechtlich anders behandelt werden müssen als tätigkeitsbezogene Befreiungen, hat das Gericht damit ein für alle Mal beendet. Das BSG hat im Ergebnis eine 20 Jahre andauernde Verwaltungspraxis, nach der für anwaltliche Arbeitgeber tätige Rechtsanwälte nicht bei jedem Tätigkeitswechsel einen erneuten Befreiungsantrag zu stellen brauchten, solange eine einmal erteilte Befreiung von der Versicherungspflicht nach 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI unter ihrer Berufsbezeichnung fortwirkte (bis zum wurde diese Rechtsauskunft seitens der Deutschen Rentenversicherung Bund regelhaft erteilt), umfassend beseitigt. Für Rechtsanwälte, die im Lichte der Entscheidungen des BSG vom damit über keine aktuell wirksame Befreiung für die von ihnen zuletzt ausgeübte Beschäftigung mehr verfügen, stellt sich angesichts dieser langjährig geübten Verwaltungspraxis die Frage nach Bestands- und Vertrauensschutz. Bei der Behandlung von Altfällen muss nach Auffassung von ABV Rechtsfrieden eintreten, solange (wie nach bisheriger Rechtslage) die materiellen Befreiungsvoraussetzungen rückwirkend gegeben sind, also eine berufsgruppenspezifische anwaltliche Tätigkeit im Sinne von 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI ausgeübt wurde. Allein wegen des Fehlens eines Befreiungsantrages für die zuletzt ausgeübte Beschäftigung darf deshalb auch keine Rückforderung von Sozialversicherungsbeiträgen betrieben werden; eine ex-ante Betrachtungsweise des neuen Verfahrensrechts verbietet sich schon aufgrund grundrechtlicher Verbürgungen. Die Deutsche Rentenversicherung Bund hat in diesem Zusammenhang bereits signalisiert, dass Rechtsanwälte, die bei anwaltlichen Arbeitgebern tätig sind und ihre derzeitige Beschäftigung vor dem aufgenommen haben, neue Befreiungsanträge erst beim nächsten Wechsel ihrer Beschäftigung zu stellen brauchen. Auf Wunsch können Anträge zur Klarstellung auch für die aktuell ausgeübte Beschäftigung gestellt werden. Für bereits beendete Beschäftigungen werden für diesen Personenkreis keine Befreiungsbescheide mehr erteilt. 18 Probleme können auch dort entstehen, wo bislang der sozialversicherungsrechtliche Status einer Tätigkeit nicht hinreichend geklärt ist. Kommt eine Betriebsprüfung etwa zu dem Ergebnis, dass ein Sozietäts-Rechtsanwalt eine scheinselbständige Tätigkeit im Sinne des 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VI ausübt und damit der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegt, kann er nicht mehr wie bisher auf die Erstreckungsoption der Altbefreiung nach 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI setzen. Vielmehr muss er einen neuen Befreiungsantrag stellen, mit der Konsequenz, dass die Befreiung erst ab Antragstellung gilt und rückwirkend nicht mehr erteilt werden kann. Von daher ist zukünftig dringend anzuraten, in Zweifelsfällen unverzüglich nach Aufnahme einer selbständigen anwaltlichen Tätigkeit ein Statusfeststellungsverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung Bund zu durchlaufen. Nach Ablauf der Frist von 1 Monat ( 7 a Abs. 6 SGB IV) sollte jedes Anfrageverfahren eines Rechtsanwalts hilfsweise mit einem Befreiungsantrag verbunden werden, für den Fall, dass durch die Statusfeststellung eine in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtige Tätigkeit festgestellt wird, um die Dreimonatsfrist des 6 Abs. 4 SGB VI in jedem Falle zu wahren. IV. 6 Abs. 5 S. 2 SGB VI kein eigenständiger Befreiungstatbestand Sehr grundlegend sind auch die Ausführungen des Bundessozialgerichts 19 zur Bedeutung des Befreiungstatbestands des 6 Abs. 5 S. 2 SGB VI für zeitlich befristete berufsfremde Tätigkeiten. Der Entscheidung lag eine Fallgestaltung zugrunde, bei der ein Steuerberater für die Zeit der Absolvierung des juristischen Vorbereitungsdienstes seine Zulassung zurückgegeben hatte und eine Nebentätigkeit zeitlich befristeter Natur auf 400 Euro Basis ausübte, für die er (nach früherer Rechtslage) auf seine Versicherungsfreiheit wegen geringfügiger Beschäftigung in der gesetzlichen Rentenversicherung nach 5 Abs. 2 S. 2 SGB VI verzichtet hatte. Der Kläger war der Auffassung, dass es für eine derartige Tätigkeit einer Kammerpflichtmitgliedschaft nicht mehr bedürfe. Schließlich habe er nach Absolvierung des Referendardienstes seine steuerberatende Tätigkeit in der Praxis seines Vaters 14 Vgl. Horn, AnwBl 2011, 755, BSG, , Az. B 12 R 5/10 R, Rz BSG, , Az. B 12 R 5/10 R, Rz Ob es eine derartige personenbezogene Befreiung jemals gegeben hat, kann bezweifelt werden, denn dem Sozialrecht wohnt regelmäßig der Anknüpfungspunkt der Beschäftigung inne (vgl. etwa 4, 5, 7 SGB IV). 18 Quelle: Suchpfad: Presse, Aktuelles aus der Rechtsprechung, Bundessozialgericht, Änderungen im Befreiungsrecht der Rentenversicherung. 19 BSG, , Az. B 12 R 8/10 R. 422 AnwBl 6 / 2013 BSG ordnet Befreiungsrecht von Anwälten aus der Rentenversicherung neu, Jung/Horn

49 MN Anwaltsrecht erneut aufgenommen, weswegen eine einheitliche Zuordnung seiner Versicherungszeiten infolge der koordinierenden Funktion des 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI von Nöten sei. Das BSG ist dieser Rechtsauffassung nicht gefolgt. Es hat sich an einer strengen Wortlautauslegung des 6 Abs. 5 S. 2 SGB VI orientiert, der insoweit kein eigenständiger Befreiungstatbestand sei, als er aufgrund seiner Formulierung ( erstreckt sich ) regelmäßig eine Befreiung nach 6 Abs. 1 S.1 Nr. 1 SGB VI voraussetze. Bei Ausübung einer zeitlich befristeten berufsfremden Tätigkeit sei von daher auch die Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer weiterhin originäre Befreiungsvoraussetzung. Mit diesem Richterspruch wurde eine seit etwa zwei Jahren veränderte Befreiungspraxis der Deutschen Rentenversicherung Bund zur Auslegung des 6 Abs. 5 S. 2 SGB VI bestätigt. Zukünftig können Rechtsanwälte, die noch über keine Befreiung nach 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI verfügen, für berufsfremde Tätigkeiten keine Befreiung über 6 Abs. 5 S. 2 SGB VI mehr erhalten. Für Rechtsanwälte, die zu Beginn ihrer beruflichen Laufbahn z. B. an einem rechtswissenschaftlichen Lehrstuhl tätig sind, um einen akademischen Grad zu erlagen, der im späteren Umfeld der Freien Berufe nutzbar gemacht werden kann, wird es von daher wichtig sein, herauszuarbeiten, dass die jeweilige Tätigkeit berufsbezogen im Sinne von 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI ausgeübt wird (z. B. aufgrund Mitarbeit an einem Institut für Anwaltsrecht oder in der Fachanwaltsausbildung) und dieser Befreiungstatbestand auch für zeitlich befristete Tätigkeiten Anwendung finden kann. Der Rechtsanwalt sollte dazu eine Stellen- und Funktionsbeschreibung entwerfen. Befreiungen für Assistenten eines Bundestagsabgeordneten dürfen zukünftig nicht mehr ausgesprochen werden, wenn nicht bereits eine Befreiung nach 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI vorgelegen hat, da die Tätigkeit regelmäßig berufsfremder Natur ist und daher nur über 6 Abs. 5 S. 2 SGB VI befreit werden kann. Auch selbständige Rechtsanwälte verfügen wegen ihrer Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung typischerweise über keine Befreiung von der Versicherungspflicht nach 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI. Wenn diese eine zusätzliche Tätigkeit aufnehmen, welche die Deutsche Rentenversicherung Bund als berufsfremd klassifiziert, könnte eine Befreiung über 6 Abs. 5 S. 2 SGB VI ebenfalls nicht mehr möglich sein. Dass das BSG in dieser speziellen, gerichtlich bislang nicht abschließend geklärten Fallkonstellation durchaus auch zu einem anderen Ergebnis kommen könnte, zeigt allerdings eine im vergangenen Jahr ergangene Entscheidung des SG Münster 20, nach der für die Dozententätigkeit eines selbständigen Rechtsanwalts an einer Universität die Befreiungsvoraussetzungen nach 6 Abs. 5 S. 2 SGB VI gegeben sein sollten. Das SG Münster kam unter Berücksichtigung des Art. 12 GG und insbesondere des Art. 3 Abs. 1 GG im Wege einer verfassungskonformen Auslegung zu diesem Ergebnis. Soweit eine Dozententätigkeit im anwaltlichen 21 Umfeld ausgeübt wird, kann darüber hinaus eine Befreiung über 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI ausgesprochen werden. Auch das SG Münster hatte in seinen Entscheidungsgründen einen ähnlichen Ansatz verfolgt, indem es mit Hilfe des Befreiungsmerkmals der Rechtsvermittlung für Syndikusanwälte die Dozententätigkeit eines selbständigen Rechtsanwalts als berufsgruppenspezifisch zu definieren versuchte. Auf den Überlegungen des BSG basierend, die bereits Gegenstand der mündlichen Verhandlung am waren, gab es seit Jahresbeginn einen nochmals verengenden Bescheidungsansatz der Deutschen Rentenversicherung Bund, nach dem eine Erstreckung der Befreiung nach 6 Abs. 5 S. 2 SGB VI grundsätzlich nicht mehr möglich sein sollte, wenn der Rechtsanwalt nicht für eine parallel ausgeübte Tätigkeit innerhalb des verkammerten Freien Berufes nach 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI von der Versicherungspflicht befreit war. Befreiungen nach 6 Abs. 5 S. 2 SGB VI wären damit nur noch für Nebentätigkeiten (neben dem anwaltlichen Kammerberuf) denkbar gewesen. Das Bundessozialgericht hat einer derartigen Rechtsauffassung unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung eine Absage erteilt. Es entspricht nämlich dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers 22 der mit der Schaffung des 6 Abs. 5 S. 2 SGB VI die Möglichkeit eröffnen wollte, dass Freiberufler in ihrem berufsständischen Versorgungssystem versichert bleiben können, dass die Ausübung einer zeitlich befristeten berufsfremden Tätigkeit gerade der Überbrückung einer Lücke in der Erwerbsbiografie z. B. zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit dienen soll. Das BSG stellt insoweit klar, dass die Unterbrechung einer kammerpflichtigen Erwerbstätigkeit ( Hauptbeschäftigung ) durch eine berufsfremde, zeitlich befristete Tätigkeit gerade der vom Gesetzgeber intendierte Regelfall der Befreiung nach 6 Abs. 5 S. 2 SGB VI ist 23. Dass darüber hinaus eine zeitlich befristete berufsfremde Tätigkeit, die als Nebentätigkeit neben dem Kammerberuf ausgeübt wird, über 6 Abs. 5 S. 2 SGB VI zu befreien ist, steht nach der ganz überwiegenden Auffassung in der Literatur 24 völlig außer Zweifel. V. Pflichtmitgliedschaft in berufsständischer Kammer und Versorgungswerk als originäre Befreiungsvoraussetzung Nach 6 Abs. 1 Nr. 1 a) SGB VI besteht ein Anspruch auf Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht nur dann, soweit am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für die jeweilige Berufsgruppe bereits vor dem 1. Januar 1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat. Dieser Nachweis bereitet dem angestellten Rechtsanwalt in aller Regel wenige Schwierigkeiten. Zusätzlich muss aber auch Pflichtmitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk bestehen. Dies geschieht dadurch, dass das Antragsformular nach Ausfüllung und Unterschrift beim Versorgungswerk eingereicht wird. Das Versorgungswerk tritt insoweit als Empfangsbevollmächtigter der Deutschen Rentenversicherung auf. Es bringt seinen Eingangsstempel 20 SG Münster, , Az. S 4 R 895/10, AnwBl 2012, 772 mit Anm. Horn. 21 Etwa vor Personen, die selbst dem Anwaltsstand zugehörig sind, den Anwaltsberuf zukünftig ausüben möchten (z. B. Referendare) oder zum Mitarbeiterkreis von Anwaltskanzleien (z. B. Rechtsanwaltsfachangestellte) zählen: Vgl. dazu das Rundschreiben der Arbeitsgemeinschaft Berufsständischer Versorgungseinrichtungen (ABV) vom gemeinsame Handhabungsempfehlung mit der Deutschen Rentenversicherung Bund über die versicherungsrechtliche Behandlung von Dozententätigkeiten innerhalb des Rechtsanwaltsberufs. 22 Vgl. BT-Drs. 11/5530, S. 40: Abs. 5 S. 2 soll sicherstellen, dass eine vorübergehende berufsfremde Tätigkeit nicht zu einem Wechsel des Alterssicherungssystems führt. 23 BSG, , Az. B 12 R 8/10 R, Rz Voelzke in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts Rentenversicherungsrecht, 1999, 17 Rn. 74; Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, Stand VI/08, 6 Rn. 133; Schmidt in Kreikebohm, SGB VI, 3. Aufl. 2008, 6 Rn. 96. Aufsätze BSG ordnet Befreiungsrecht von Anwälten aus der Rentenversicherung neu, Jung/Horn AnwBl 6 /

50 MN Anwaltsrecht an, womit die im Rechtsverhältnis zur Rentenversicherung geltende Frist postalisch gewahrt ist. Das Versorgungswerk bescheinigt damit die Pflichtmitgliedschaft. Probleme entstehen in jüngerer Zeit bei der fortgesetzten freiwilligen Mitgliedschaft im Versorgungswerk, selbst wenn diese satzungsrechtlich als echte Antragspflichtversicherung ausgestaltet ist und von daher nicht gekündigt werden kann. Eine echte Pflichtversicherung auf Antrag, wie sie in 4 SGB VI und 28 a SGB III niedergelegt ist, ist von ihrer Rechtsfolge her eindeutig auf den Eintritt einer Versicherungspflicht gerichtet und damit von allen Formen freiwilliger Versicherungen ( 7 Abs. 1 SGB VI, 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII), wo das Versicherungsverhältnis (jederzeit) gekündigt werden kann, grundsätzlich zu unterscheiden 25. Es ist unverständlich, warum die Deutsche Rentenversicherung Bund diesen in ihrem Rechtskreis allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz im Befreiungsrecht des 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI nicht anwendet. Ungeachtet dessen soll im Lichte der Rechtsprechung des BSG vom im Sinne einer möglichst wortgetreuen Auslegung des Befreiungsrechts der Grundsatz gelten, dass die fortgesetzte freiwillige Mitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk weder zur Erteilung noch zur Aufrechterhaltung einer Befreiung von der Rentenversicherungspflicht berechtigt. Sie wird nur dann von der Deutsche Rentenversicherung Bund als ausreichend erachtet, wenn sie (im Anschluss an eine Pflichtmitgliedschaft) eine ansonsten in einer anderen berufsständischen Versorgungseinrichtung eintretende Pflichtmitgliedschaft ersetzt. Gemeint ist damit die Fallgestaltung, wenn sich ein unter 45jähriger Rechtsanwalt von der Pflichtmitgliedschaft in einem Versorgungswerk zugunsten eines anderen Versorgungswerks befreien lässt, weil er seine Tätigkeit in ein anderes Bundesland verlegt, aber weiterhin (freiwilliges) Mitglied in seinem alten Versorgungswerk bleiben möchte. Soweit der Rechtsanwalt dabei das 45. Lebensjahr überschritten hat und insoweit keine ersetzende Pflichtmitgliedschaft in dem neu aufnehmenden Versorgungswerk vorweisen kann, ist die Befreiung im Lichte der jüngsten Bescheidungspraxis der Deutschen Rentenversicherung Bund jedoch hinfällig 26 VI. Befreiungsrecht für Syndikusanwälte Prägend für eine berufsspezifische, also anwaltliche Tätigkeit des Syndikus sind nach dem von der Deutschen Rentenversicherung Bund mit der Arbeitsgemeinschaft Berufsständischer Versorgungseinrichtungen (ABV) erstellten Merkblatt 27, das Plitt/Stütze 28 als norminterpretierende Verwaltungsvorschrift verstehen, die vier Befreiungskriterien Rechtsberatung, Rechtsentscheidung, Rechtsgestaltung und Rechtsvermittlung 29. In der Spruchkörperpraxis der Sozialgerichtsbarkeit verfestigen sich seit einiger Zeit zunehmend die Grundsätze zur Geltung und Anwendung der vier Befreiungskriterien. Bisherige Entscheidungspraktiken der Deutschen Rentenversicherung Bund werden dabei einer kritischen Einzelfallprüfung unterzogen und oftmals als unzulässig verworfen 30. Eine erste sehr grundlegende und wegweisende Entscheidung zur Definition des Berufsbildes des Syndikus erging durch das SG München 31. Der Syndikus in einem Unternehmen geht danach einer Tätigkeit nach, die insbesondere auf konkrete Rechtsfälle bezogen ist, den beratenden und streitigen Dialog in schriftlicher und mündlicher Form umfasst (Rechtsberatung), mit Entscheidungskompetenzen versehen ist (Rechtsentscheidung), sich auf die Formulierung von Regelwerken wie Verträgen oder einer Satzung erstreckt (Rechtsgestaltung) und ein ansatzweise didaktisches Element enthält (Rechtsvermittlung). Die Deutsche Rentenversicherung Bund bescheinigt dem Syndikus regelmäßig ein zu viel an rechtsberatender Tätigkeit und ein zu wenig an rechtsentscheidender und rechtsgestaltender Tätigkeit. Das SG München 32 bemängelt vor diesem Hintergrund, dass die gängige Bescheidungspraxis das Wesen des heutigen Syndikus grundsätzlich falsch einordnet. Die Rechtsberatung gewinne nämlich in Unternehmen generell mehr an Bedeutung, und der jeweilige Beratungsbedarf werde dabei immer unternehmensspezifischer. Von daher entschieden sich Unternehmen vermehrt zur Beschäftigung von so genannten in-house -Anwälten, die mit dem Unternehmen besonders vertraut seien und somit ohne Effizienzverluste hoch spezialisierte anwaltliche Beratung leisten könnten. Dies sei aufgrund der hohen Kosten von externen Kanzleien zum einen wirtschaftlich begründet, zum anderen seien die Unternehmen schon aus Haftungsgesichtspunkten oftmals daran interessiert, nicht nur Volljuristen, sondern eben gerade auch zugelassene Rechtsanwälte zu beschäftigen, da diese dem Berufsethos unterlägen und über eine ausreichende Berufshaftpflichtversicherung verfügten. Ursache für die überkommene Entscheidungspraxis der Deutsche Rentenversicherung Bund ist nicht zuletzt ein völlig überaltertes Bild des Anwaltsberufes, das noch hinter die Zweitberufsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts 33 zu Artikel 12 GG zurückfällt und den modernen Berufsbildern der Anwaltschaft, die an bestimmte Spezifika einer unternehmerischen Tätigkeit anknüpfen und oftmals sehr vielfältige Qualifikationen und auch zusätzliche Kenntnisse z. B. im kaufmännischen Bereich beinhalten oder das Beherrschen von Fremdsprachen voraussetzen, nicht mehr gerecht wird. Für den Syndikusanwalt ist in diesem Zusammenhang etwa der gesamte Bereich der rechtlichen Compliance, also der rechtlichen Beratung des Unternehmens in Bezug auf die Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien, von besonderer Bedeutung. Freie Berufe sind heute eben nicht mehr nur und ausschließlich für andere Berufsträger tätig, sondern auch in hoch spezialisierten Tätigkeitsbereichen außerhalb dieser klassischen Tätigkeitsbereiche. Ihr Know How wird dort dringend benötigt und kann auch nur und ausschließlich von diesen erbracht werden. Das Bundessozialgericht 34 hat in seinen Entscheidungen vom in diesem Zusammenhang festgestellt, dass zur Bestimmung des Berufsbildes der verkammerten Freien 25 Vgl. Fuchs in: Gagel, SGB II/SGB III, Grundsicherung und Arbeitsförderung, 28a SGB III, Rz. 2 m.w.v. 26 Vgl. dazu BMAS, Übersicht über das Sozialrecht 2011/2012, S Hinweisblatt Befreiung Rechtsanwälte Stand 05/ Plitt/Stütze, NJW 2011, 2556, Kreikebohm-Kuszynski, in: HDR, 2. Aufl. 2011, Kap. 10, Rn Ausführlich dazu mit einschlägigen Beispielen aus der Rechtsprechung: Horn, NJW 2012, 966 ff. 31 SG München, , Az. S 30 R 1451/10; ausführlich dazu: Horn, AnwBl 2011, 755 ff. 32 BVerfG, , Az. S 12 R 1574/ BVerfGE 87, 287; ausführlich zur Berufsspezifischen Tätigkeit von Rechtsanwälten im Lichte des Zweitberufsbeschlusses des BVerfG und dem Befreiungsrecht nach 6SGBVI(unterausdrücklicherAblehnungder Zwei-Berufe-Theorie ): Kilger, AnwBl 1999, 571ff. 34 BSG, , Az. B 12 R 3/11 R, Rz AnwBl 6 / 2013 BSG ordnet Befreiungsrecht von Anwälten aus der Rentenversicherung neu, Jung/Horn

51 MN Anwaltsrecht Berufe stets die maßgeblichen Berufsgesetze heranzuziehen seien. Einen zuvor seitens der Deutschen Rentenversicherung Bund praktizierten Prüfungsansatz, das Berufsbild von Industrieapothekern mittels des Arzneimittelgesetzes (AMG) zu definieren, hat das Gericht aus dem Gedanken des Schutzzwecks der Norm heraus am Beispiel des Pharmareferenten zurückgewiesen, denn es ginge beim AMG so die Ausführungen des Vorsitzenden Richters beim 12. Senat in der mündlichen Verhandlung ausschließlich um Fragen der Arzneimittelsicherheit. Übertragen auf den Anwaltsberuf bedeutet dies, dass die einschlägigen Vorschriften der Bundesrechtsanwaltsordnung zur Bestimmung des anwaltlichen Berufsbilds maßgeblich sind. Von daher müssen die zuständigen berufsständischen Organisationen das Berufsbild des Syndikus in 46 BRAO hinreichend bestimmen, wollen sie sicherstellen, dass zukünftig Syndikusanwälte weiterhin von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreit werden können. Diese Aufgabenstellung der Kammern hat jüngst auch das Landessozialgericht Baden-Württemberg 35 bei der Befreiung von Synkdikusanwälten besonders hervorgehoben. Das Gericht hat es für ausreichend angesehen, wenn die Beschäftigung eines Rechtsanwalts bei einem nicht anwaltlichen Arbeitgeber keinen Tatbestand erfüllt, der eine Versagung der Zulassung nach 7 Nr. 8 BRAO, die Rücknahme der Zulassung oder ihren Widerruf nach 14 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 8 BRAO seitens der zuständigen Rechtsanwaltskammer rechtfertigt. Insoweit bestehe ein Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für jede Beschäftigung bei einem nicht anwaltlichen Arbeitgeber, solange diese von der zuständigen Rechtsanwaltskammer mit dem Beruf des Rechtsanwalts als vereinbar angesehen wird und das Vertrauen in die anwaltliche Unabhängigkeit nicht gefährdet. VII. Beitragsabführung und Aufhebung der Befreiung In der gesetzlichen Sozialversicherung hat der Arbeitgeber grundsätzlich die Anmeldung des versicherten Arbeitnehmers zu bewirken und als Beitragsschuldner den geschuldeten Beitragssatz monatlich vom Bruttoarbeitsentgelt abzuführen ( 174 Abs. 1 SGB VI, 28e SGB IV). Die Hälfe des Gesamtbeitrages, den der Arbeitgeber abzuführen hat, darf er seinem versicherten Arbeitnehmer von dessen Bezügen als Beitragsanteil abziehen ( 168 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI, 28 g SGB IV). In der berufsständischen Versorgung gilt dagegen die Besonderheit, dass das Mitglied (der Rechtsanwalt) unmittelbarer Beitragsschuldner gegenüber dem Versorgungswerk ist. Der Arbeitgeber zahlt nach 172 a SGB VI zu dieser Beitragslast deshalb lediglich einen Zuschuss in Höhe der Hälfte des Beitrags zu der berufsständischen Versorgungseinrichtung, höchstens aber die Hälfte des Beitrags, der zu zahlen wäre, wenn der Beschäftigte nicht von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit worden wäre. 172 a SGB VI geht insoweit im Wege der Spezialität der Grundnorm des 28 e SGB IV vor. 35 LSG BW, , Az. L 11 R 2182/ BSG, , Az. B 12 R 3/11 R, Rz Vgl. dazu: Seewald in: Leitherer (Hrsg.), Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand: 68. EL 2010, 28g SGB IV, Rn Vgl. dazu: Seewald in: Leitherer (Hrsg.), Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand: 68. EL 2010, 28o SGB IV, Rn. 5 ff. Eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung wegen Zugehörigkeit zu einer berufsständischen Versorgungseinrichtung ist nach 48 Abs. 1 S. 1 SGB X mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, wenn z. B. die Pflichtmitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung wegen Ausscheidens aus der Berufsgruppe endet, für die die Versorgungseinrichtung errichtet ist. Tritt der Fall ein, dass sich eine Befreiung für eine anwaltliche Tätigkeit erst im Nachhinein als unwirksam herausstellt, trifft den Arbeitgeber vom BSG 36 in seinen Entscheidungen vom nochmals ausdrücklich bestätigt als Beitragsschuldner nach 28 e S. 1 SGB IV die Nachzahlungspflicht im Hinblick auf die ausstehenden Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung. Der Rückforderungsanspruch unterliegt nach 25 Abs. 1 S. 1 SGB IV der Verjährung von 4 Jahren, wenn, was in aller Regel gegeben ist, Sozialversicherungsbeiträge nicht vorsätzlich vorenthalten wurden. Der Arbeitgeber kann den unterbliebenen Beitragsabzug grundsätzlich aber nur bei den nächsten drei Lohn- und Gehaltszahlungen von seinem Arbeitnehmer (unter Beachtung der Pfändungsfreigrenzen des 850 c ZPO) zurückfordern ( 28 g S. 3 SGB IV), danach nur dann, wenn der Abzug ohne Verschulden des Arbeitgebers unterblieben ist g S. 3 SGB IV gilt ebenfalls nicht, wenn der Beschäftigte seinen Auskunftspflichten nach 28 o Abs. 1 SGB IV (sämtliche Angaben, die zur Entscheidung über die Versicherungspflicht und die Beitragshöhe erforderlich sind 38 ) vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. In derartigen Fällen kann der Arbeitgeber in entsprechender Anwendung des 25 Abs. 1 S. 1 SGB IV seinen Rückforderungsanspruch binnen 4 Jahren geltend machen. Vor diesem Hintergrund empfiehlt es sich, mit dem Versorgungswerk über die Rückzahlung einkommensbezogener Beiträge zu sprechen. Da auch die Versorgungswerke kein Interesse an einer Belastung des Arbeitsverhältnisses ihrer Mitglieder haben, werden sie in aller Regel dem Wunsch/Antrag auf Rückzahlung der einkommensbezogenen Beiträge, bis auf den Mindestbeitrag, entsprechen. Michael Jung, Berlin Der Autor ist Diplom-Kaufmann und Hauptgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Berufsständischer Versorgungseinrichtungen (ABV). Leserreaktionen an anwaltsblatt@anwaltverein.de. Jan Horn, Berlin Der Autor ist Rechtsanwalt. Er ist Referent der Geschäftsführung der Arbeitsgemeinschaft Berufsständischer Versorgungseinrichtungen (ABV). Leserreaktionen an anwaltsblatt@anwaltverein.de. Aufsätze BSG ordnet Befreiungsrecht von Anwälten aus der Rentenversicherung neu, Jung/Horn AnwBl 6 /

52 MN Anwaltsrecht Soldan Institut Anwaltsstation: Zusatzvergütung für Referendare AusnahmeoderRegel? Die internationale Sozietäten zahlen fast immer Einzelanwälte nur selten Rechtsanwalt Dr. Matthias Kilian, Köln II. Zusatzvergütungen durch Ausbildungskanzleien ja Die Anwaltsstation stand im Fokus der empirischen Untersuchungen des Soldan Instituts. Gibt es das Phänomen des Tauchens? Das wurde im April-Heft vorsichtig bejaht (Kilian, AnwBl 2013, 258). Im Mai-Heft wurde gefragt: Welche deutschen Kanzleien bilden aus? Es zeigte sich unter anderem, dass Einzelanwälte und kleinere Kanzleien kaum noch ausbilden (Kilian, AnwBl 2013, 336). In diesem Heft stellt das Soldan Institut die empirischen Ergebnisse zu der Frage vor, ob Kanzleien in der Anwaltsstation eine Zusatzvergütung zahlen. Wieder zeigt sich, wie vielfältig die Anwaltschaft inzwischen geworden ist. Die großen internationalen Sozietäten sind fast immer zu einer Zusatzvergütung bereit. Die große Mehrheit der Kanzleien aber nicht: Im Schnitt verzichten rund 70 Prozent aller befragten Anwälte auf eine Zusatzvergütung. I. Einleitung Ein praktisches Problem, das sich aus Sicht der Referendarinnen und Referendare in zunehmendem Ausmaß stellt, ist ihre Alimentierung während der Dauer des Vorbereitungsdienstes. Sie hat im Vergleich zur Vergütung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst nicht nur mit der allgemeinen Kostenentwicklung nicht Schritt gehalten, sondern ist in vielen Bundesländern sogar reduziert worden. Hiermit einher gegangen ist auch eine Änderung des Status der Referendare, die nicht länger (auf Widerruf) beamtet werden, sondern angestellt tätig sind. Gezahlt wird eine Ausbildungsbeihilfe, die in ihrer Höhe je nach Bundesland zwischen 875, Euro und knapp 1.200, Euro brutto variiert. 1 Für viele Referendare stellt sich daher die Frage nach einer Aufstockung ihres Einkommens während des Vorbereitungsdienstes durch Nebentätigkeiten. In der Anwalts- und der Wahlstation, die nicht im öffentlichen Dienst bzw. der Justiz verbracht werden, ist ergänzend oder alternativ denkbar, dass die Ausbildungsstelle trotz der staatlichen Alimentierung ergänzend eine Vergütung zahlt, soweit eine solche als Zusatzvergütung nach dem jeweiligen Landesrecht genehmigungsfähig ist und nicht auf die Bezüge aus dem Referendardienst angerechnet wird. Das Berufsrechtsbarometer 2011 des Soldan Instituts ist daher der Frage nachgegangen, ob die Zahlung einer solchen zusätzlichen Vergütung an Referendare weit verbreitet ist. Die Teilnehmer der Befragung wurden daher um Mitteilung gebeten, ob sie Referendaren in der Stationsausbildung eine Vergütung zahlen. 2 nein 71% 24% teils / teils Abb. 1: Zahlung einer Vergütung an Referendare in der Stationsausbildung (nur Rechtsanwälte, deren Kanzleien Referendare in der Anwaltsstation ausbilden). Mit 71 Prozent verzichten fast drei Viertel der Kanzleien, die Referendare in der Anwaltsstation ausbilden, darauf, diesen eine zusätzliche Vergütung für die Tätigkeit im Rahmen der Stationsausbildung zu zahlen. 24 Prozent der Kanzleien zahlen grundsätzlich eine die staatliche Ausbildungsbeihilfe aufstockende Vergütung, fünf Prozent der Kanzleien machen dies vom Einzelfall bzw. der Person des Referendars abhängig. Insofern gilt, dass sich die Frage, ob eine zusätzliche Vergütung gezahlt wird, in Abhängigkeit von einer grundsätzlichen Unternehmenspolitik beantwortet und nur selten Umstände des Einzelfalls einen Einfluss haben. Ob eine Kanzlei Referendaren in der Anwaltsstage eine zusätzliche Vergütung zahlt, hängt entscheidend von ihrer Größe ab. Nur 13 Prozent der Einzelkanzleien und Kleinsozietäten einer Größe von bis zu fünf Anwälten zahlen üblicherweise eine solche Vergütung, hingegen mit 64 Prozent fast zwei Drittel der Sozietäten einer Größe von mehr als 20 Anwälten. In mittelgroßen Sozietäten (sechs bis zehn bzw. elf bis 20 Anwälte) wird mit 28 Prozent bzw. 38 Prozent eine Vergütung zwar mehr als doppelt bzw. dreimal so häufig gezahlt wie in kleineren Sozietäten bzw. in Einzelkanzleien, dennoch kann auch hier nur eine Minderheit der Referendare, die eine solche Ausbildungskanzlei wählen, mit einer zusätzlichen Vergütung rechnen. Nahezu garantiert ist eine solche nur in internationalen Sozietäten diese zahlen den Referendaren in 88 Prozent der Fälle eine zusätzliche Vergütung während ihrer Anwaltsstation. 1 Übersicht etwa bei 2 Die für diese Studie erhobenen Daten beruhen auf einer vom Soldan Institut per Telefax durchgeführten Umfrage. Im Zeitraum vom 26. April bis zum 23. Mai 2011 nahmen insgesamt Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte an der Befragung teil. Die Fragebögen wurden an eine jeweils identisch große Zahl von Rechtsanwälten versandt, die nach dem Zufallsprinzip aus einer Stichprobe von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, die tatsächlich anwaltlich tätig sind, ausgewählt wurden. Jeder dieser Rechtsanwälte hatte die gleiche Chance, in die Stichprobe zu gelangen, wodurch das Kriterium einer Zufallsauswahl erfüllt ist. 5% 426 AnwBl 6 / 2013 Anwaltsstation: Zusatzvergütung für Referendare Ausnahme oder Regel?, Kilian

53 MN Anwaltsvergütung Einzelanwalt Sozietät Sozietät Sozietät Sozietät mit bis mit 6 bis mit 11 mit mehr zu 5 Anwältewälten 10 An- bis 20 als 20 Anwälten Anwälten Ja 13 % 13 % 28 % 38 % 64 % Nein 82 % 84 % 66 % 51 % 32 % teils / teils 5 % 3 % 6 % 11 % 4 % Tab. 1: Zahlung einer Vergütung an Referendare in der Stationsausbildung nach Größe der Kanzlei (nur Rechtsanwälte, deren Kanzleien Referendare in der Anwaltsstation ausbilden). p5=0,05 Einzelkanzlemein- Büroge- örtliche überörtli- internaschafzietät Sozietät che Sotionale Sozietät* Ja 14 % 12 % 23 % 36 % 88 % nein 80 % 85 % 73 % 57 % 12 % teils / teils 6 % 3 % 4 % 7 % 0 % Tab. 2: Zahlung einer Vergütung an Referendare in der Stationsausbildung nach Kanzleityp (nur Rechtsanwälte, deren Kanzleien Referendare in der Anwaltsstation ausbilden). p5=0,05 * Fallzahl gering III. Zusammenfassung Etwas weniger als ein Viertel der Ausbildungskanzleien zahlt Referendaren grundsätzlich eine zusätzliche Vergütung zur staatlichen Ausbildungsbeihilfe. Ein deutlicher Unterschied besteht zwischen großen Sozietäten mit mehr als 20 Anwälten, die in fast zwei Dritteln der Fälle eine zusätzliche Vergütung zahlen, und Kleinsozietäten mit bis zu 5 Anwälten, die nur in 13 Prozent der Fälle hierzu bereit sind. Das überdurchschnittliche Engagement größerer Kanzleien in der Referendarausbildung kann daher auch auf einer größeren Attraktivität dieser Kanzleien für Referendare nicht ausschließlich aus fachlichen, sondern auch aus finanziellen Gründen beruhen. Eine abschließende Klärung dieser Frage ist im Rahmen einer Anwaltsbefragung allerdings zwangsläufig nicht möglich. Aufsätze Da die Chancen auf eine zusätzliche Vergütung stark von der Kanzleigröße abhängen, kann nicht überraschen, dass Referendare insbesondere dann zusätzlich vergütet werden, wenn sie für Rechtsanwälte tätig sind, die überwiegend gewerbliche Mandanten betreuen, finden sich solche Rechtsanwälte doch überdurchschnittlich häufig in größeren Kanzleien: 47 Prozent der Rechtsanwälte, die mehr als 60 Prozent gewerbliche Mandanten betreuen, zahlen routinemäßig eine zusätzliche Vergütung, hingegen nur 11 Prozent der Anwälte, die mehr als 70 Prozent private Mandanten betreuen. bis 30 % 31 % bis 60 % mehr als 60 % Ja 11 % 19 % 47 % Nein 87 % 77 % 46 % teils / teils 2 % 4 % 7 % Tab. 3: Zahlung einer Vergütung an Referendare in der Stationsausbildung nach Anteil gewerblicher Mandanten (nur Rechtsanwälte, deren Kanzleien Referendare in der Anwaltsstation ausbilden). p5=0,05 Ein Streiflicht: Referendare, die von Rechtsanwälten ausgebildet werden, erhalten in 27 Prozent der Fälle und damit mehr als doppelt so häufig eine zusätzliche Vergütung wie Referendare, deren Ausbilder weiblich sind (13 Prozent). Der Einfluss des Geschlechts ist freilich geringer, als dies auf den ersten Blick erscheinen mag, da Rechtsanwältinnen überdurchschnittlich häufig in kleinen Kanzleien tätig sind und private Mandanten betreuen und dies die primär relevanten Determinanten dafür sind, ob eine Vergütung gezahlt wird oder nicht. weiblich männlich Ja 13 % 27 % Nein 83 % 68 % teils / teils 4 % 5 % Tab. 4: Zahlung einer Vergütung an Referendare in der Stationsausbildung nach Geschlecht (nur Rechtsanwälte, deren Kanzleien Referendare in der Anwaltsstation ausbilden). p5=0,05 Dr. Matthias Kilian, Köln Der Autor ist Rechtsanwalt und Direktor des Soldan Instituts. Informationen zum Soldan Institut im Internet unter Leserreaktionen an anwaltsblatt@anwaltverein.de. Anwaltsstation: Zusatzvergütung für Referendare Ausnahme oder Regel?, Kilian AnwBl 6 /

54 MN Bücherschau Sozietäten: Rechtsreformen made in USA Rechtsanwalt Dr. Matthias Kilian, Köln Die US-amerikanische Limited Liability Partnership im deutschen Rechtsverkehr: Eine Untersuchung gesellschafts- und steuerrechtlicher Aspekte sowie eine rechtsvergleichende Gegenüberstellung der Partnerschaftsgesellschaft Armin Fary, Verlag Dr. Kovac, Hamburg2012,201S., ISBN , 79,80 Euro. besondere gesellschaftsrechtlichen Strukturen dieser modernen Rechtsform des amerikanischen Rechts dargelegt, ebenso findet sich eine steuerrechtliche Einordnung. Der dritte Teil der Arbeit ist für den deutschen Leser besonders interessant, behandelt er doch die US-LLP im deutschen Rechtsverkehr. Erörtert werden hier vier Aspekte: Die Anerkennung der Rechtsform als solche, ihre registerrechtliche Behandlung (Eintragung im Partnerschaftsregister), die Haftung der Gesellschaft und ihrer Partner in Deutschland sowie steuerrechtliche Fragen. Der sich anschließende 50-seitige Teil zur PartG bietet dem sozietätsrechtlich bewanderten Leser naturgemäß keiner nennenswerten neuen Erkenntnisse; dieser Teil ist letztlich als solide Vorbereitung des sich im letzten Hauptteil anschließenden (recht kurzen) Vergleichs zwischen der US- LLP und der PartG zu verstehen. Der Verfasser arbeitet heraus, dass die US-LLP im Wesentlichen der PartG entspricht, wenngleich die US-LLP in fast allen US-Bundesstaaten nicht nur Freiberuflern offen steht. Als entscheidenden Vorteil der US-LLP identifiziert Fary die Haftungsbeschränkung auch für außerberufliche Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Gleichwohl geht er davon aus, dass die US-LLP im Hinblick auf den administrativen Aufwand und die Notwendigkeit eines Gesellschaftssitzes in den USA bei Gründung für die breite Masse deutscher Rechtsanwaltskanzleien als Organisationsmodell nicht geeignet ist, soweit die Gesellschaft nicht auch Aktivitäten in den USA entfaltet. Er empfiehlt deshalb, sich eher der UK-LLP zu bedienen. 2 Eine dickleibige, mehr als 500 Seiten und rund 1500 Fußnoten umfassende Studie zu Anwaltsgesellschaften mit beschränkter Haftung in den USA und in Deutschland hat Christel Turpeinen vorgelegt, es handelt sich um eine von Meyer in Dresden betreute Dissertationsschrift. Der an dieser Stelle zur Verfügung stehende Raum erlaubt keine angemessene Befassung mit der Arbeit, so dass einige Hinweise zu den Inhalten genügen müssen. Die Verfasserin untersucht mit großer Detailtiefe fünf Schwerpunktthemen, deren Erörterung eine ausführliche Einleitung vorangeht, die die Rechtsquellen des Gesellschafts- und Berufsrechts, die geschichtliche Entwicklung des Sozietätsrechts und die zur Verfügung stehenden Gesellschaftsformen in einem kursorischen Aufriss vorstellt. Diese Grundlegungen erstrecken sich bereits auf über 130 Seiten, bevor die Verfasserin dann auf gut 100 Seiten Haftungsfragen der Sozietäten in Deutschland und den USA behandelt. Hier erläutert sie auch recht breit die Grundstrukturen der Anwaltshaftung jenseits des Sozietätsrechts. Interessant, weil bislang kaum bekannt, ist die im folgenden Abschnitt erfolgende Erörterung der Berufshaftpflichtversicherung in den USA, die sodann mit Deutschland verglichen wird. Instruktiv ist auch der nächste Hauptabschnitt, in dem die Verfasserin erörtert, inwieweit in beiden Rechtsordnungen anwaltsspezifische Gründe gegen Anwaltsgesellschaften mit beschränkter Haftung indenusaundindeutschland Christel Turpeinen, Verlag Dr. Kovac, Hamburg2012,583S., ISBN , 138 Euro. Alles redet von der UK-LLP offensichtlich nur wenigen Beobachtern fällt auf, dass sich unter den 50 größten deutschen Kanzleien, die sich einer ausländischen Rechtsform bedienen, das Verhältnis von UK-LLP und US-LLP in etwa die Waage hält. Es ist deshalb verdienstvoll, dass sich trotz des Faszinosums UK-LLP zwei aktuelle Studien ausführlich mit Anwaltsgesellschaften US-amerikanischer Rechtsform befasst haben. 1 Armin Fary hat Die US-amerikanische Limited Liability Partnership im deutschen Rechtsverkehr untersucht. Die Münchner Dissertationschrift gliedert sich in fünf große Teile. Der erste Teil grenzt die US-LLP vor allem von den anderen Personengesellschaften des US- Rechts ab. Auf gut 75 Seiten stellt der Verfasser im zweiten Teil sodann die US-LLP im Detail vor. Neben ihrer historischen Entwicklung werden ins- die Übernahme gesellschaftsrechtlicher Haftungsmodelle durch die Anwaltschaft sprechen und Anwaltsgesellschaften als Ausgleich zu einer gewährten Haftungsbegrenzung bestimmte Anforderungen erfüllen müssen. Rund 70 Seiten sind sodann der Frage der Kapitalbeteiligungen Dritter und des Kapitalmarktzugangs für Anwaltsgesellschaften in Deutschland und in den USA gewidmet. Gegen Minderheitsbeteiligungen berufsfremder in Professional Corporations und AGs hat die Verfasserin keine Bedenken, während sie dies für LLC, LLP, PartG und GmbH ablehnt. Der letzte Abschnitt erörtert sodann allerdings eher kursorisch und den Meinungsstand zusammenfassend die Behandlung ausländischer, haftungsbeschränkter Anwaltsgesellschaften in den USA und Deutschland. Dr. Matthias Kilian, Köln Der Autor ist Rechtsanwalt und Direktor des Soldan Instituts. Leserreaktionen an anwaltsblatt@anwaltverein.de. 428 AnwBl 6 / 2013 Bücherschau, Kilian

55 MN 430 Die deutsche Anwaltschaft und der DAV im Jahre 2030 ein Blick zurück Anwaltsblattgespräch 2030 mit Rechtsanwalt Dr. Cord Brügmann, Hauptgeschäftsführer des DAV Mit seiner Zukunftsstudie (in diesem Heft ab Seite 384) blickt der DAV in das Jahr Mit diesem fiktiven Anwaltsblattgespräch wird im Jahr 2030 zurückgeblickt. Es entsteht ein Szenario, das deutlich macht: Eine starke Anwaltschaft und ein starker Deutscher Anwaltverein können die Zukunft gestalten. Magazin 436 Kanzlei goes Business: England 2013 als Versuchslabor für Deutschland 2030? Dr. Justus von Daniels, Berlin Fremdkapital in Kanzleien und Nicht-Anwälte im Kanzleimanagement: Diese radikale Reform in England und Wales löst auch bei Anwälten auf der britischen Insel einen Innovationsschub aus. Wie sich der Rechtsdienstleistungsmarkt wandelt und was das für Deutschland bedeuten könnte, beschreibt der Autor. 440 Die Prognos-Studien von 2013 und 1987 was Anwälte daraus lernen können Interview mit Kai Gramke (Prognos AG) sowie Interviews mit Rechtsanwalt Wolfgang Schwackenberg und Rechtanwalt Felix Busse Die Prognos AG hat für den DAV 2013 und 1987 Zukunftsstudien erstellt. Beiden Studien ist ein Fazit gemein: Kanzleien müssen sich immer wieder neu erfinden. Was bis 2030 wichtig sein wird und im Rückblick auf 1987 auffällt, fasst das Anwaltsblatt in drei Anwaltsblattgesprächen zusammen. 444 Ein Anwaltsmarkt in Europa Rechtsanwältiin Dr. Clauda Seibel, Frankfurt am Main Welche Faktoren bestimmen den Wandel des Anwaltsmarktes? Für die Autorin ist ein wesentlicher Treiber die Europäisierung des Rechts. Ihre These: Nationales Recht und Sprachbarrieren könnten im Jahr 2030 keine Hürden mehr für Anwälte sein.

56 MN Anwaltsblattgespräch 2030

57 MN Anwaltsblattgespräch 2030 Es ist alles anders gekommen als geglaubt... Die deutsche Anwaltschaft und der Deutsche Anwaltverein im Jahre 2030 ein Blick zurück Ein fiktivers Interview mit Rechtsanwalt Dr. Cord Brügmann, im Jahr 2013 Hauptgeschäftsführer des Deutschen Anwaltvereins Es ist reine Fiktion und doch ein anregendes Gedankenspiel: Wie wird ein ehemaliger Hauptgeschäftsführer des Deutschen Anwaltvereins im Jahr 2030 auf die Entwicklung des Rechtsdienstleistungsmarktes zurückblicken? Wer heute, im Jahr 2013, auf das Jahr 1996 schaut, sieht: Der Anwaltsmarkt hat sich in 17 Jahren grundlegend gewandelt. Die Anwaltschaft ist spezialisierter, segmentierter, weiblicher, europäischer und internationaler geworden. Es gibt in allen Bereichen des Anwaltsmarkts einen harten Wettbewerb. Was wird 2030 im Rückblick bestimmend sein? Das Szenario soll Anwältinnen und Anwälten zu einer eigenen Strategie-Planung anregen. Ein Anwaltsblattgespräch könnte 2030 so aussehen: Die Zukunftsstudie des Deutschen Anwaltvereins war 2013 ein Meilenstein für die Anwaltschaft. Damals warf die Prognos AG aus dem schweizerischen Basel für den DAV einen Blick ins Jahr Auch wenn sich die Wirklichkeit nicht an die Prognosen hielt: Die Kernbotschaft hat ihre Wirkung nicht verfehlt. Die Anwaltskanzlei ist nicht nur Dienstleister, sondern muss sich als Unternehmen im Markt verstehen. So schaffte es die deutsche Anwaltschaft zwar kräftig durchgerüttelt, aber erfolgreich auf die Veränderungen im Rechtsdienstleistungsmarkt zu reagieren. Der Deutsche Anwaltverein hat die Entwicklungen nicht nur begleitet, sondern war auch Anstoßgeber für Veränderungen. Rechtsanwalt Dr. Cord Brügmann, 2013 Hauptgeschäftsführer des Deutschen Anwaltvereins (DAV), zieht kritisch Bilanz. Magazin Die Kernbotschaft hat ihre Wirkung nicht verfehlt. Die Anwaltskanzlei ist nicht nur Dienstleister, sondern muss sich als Unternehmen im Markt verstehen. Blicken Sie zurück: Was war die wichtigste Änderung in der Anwaltschaft? Das Rechtsdienstleistungsrecht ist heute im Jahr 2030 weitgehend liberalisiert. Vor 20 Jahren haben wir noch von einem Anwaltsmarkt gesprochen, ehrlicherweise sollten wir zugeben: Es entwickelt sich ein Rechtsdienstleistungsmarkt. Wir sehen neue Player auf dem Markt Anwälte wie Nichtanwälte. Zu den Liberalisierungen wurde der Gesetzgeber getrieben von findigen Unternehmern, die eine Vielzahl neuer Rechtsdienstleistungsunternehmen hervorgebracht haben. Liberalisierung was heißt das konkret? Die so genannte Alternative Business Structures (ABS) sind weitgehend zugelassen. Das sind neue Kanzleiformen mit Nicht-Anwälten als Partnern und der Möglichkeit von Fremdkapitalbeteiligung. Die ABS eine Erfindung aus Australien, die in England vor etwa 15 Jahren zum Erfolg wurde, sind zwar zahlenmäßig nicht besonders bedeutend. Die Geschäftsideen aber stellen eine echte Herausforderung gerade für kleinere Kanzleien dar. Das kontinentale Europa hat die ABS nie geliebt: Wie ist der Widerstand gegen die ABS gebrochen worden? Das war Europa, genau genommen der Europäische Gerichtshof in Luxemburg. In einem Großverfahren gegen 12 EU-Mitgliedsstaaten hat die Große Kammer im Jahre 2025 entschieden: Auch die nach englischem Recht gegründeten und zugelassenen ABS genießen europaweit uneingeschränkte Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit. Nationale Regelungen, die teilweise sehr geschickt versucht haben, die Freiheiten einzuschränken, müssen im Anwendungsbereich des EU- Vertrages unanwendbar bleiben. Die englischen ABS durften damit nicht nur ihre Dienstleistungen in Deutschland uneingeschränkt anbieten, sondern waren auch ausnahmslos zuzulassen. Damit waren auch die nationalen Regelungen in den Mitgliedstaaten hinfällig. Der DAV hatte sich, wie auch die Bundesrechtsanwaltskammer, vehement dagegen gewehrt letztlich war das aber ein erfolgloser Kampf. AnwBl 6 /

58 MN Anwaltsblattgespräch 2030 Und der deutsche Sonderweg mit der Reform des Sozietätsrecht 2017 hat nichts gebracht? Die partielle Öffnung 2017 hat Deutschland 2025 in der Tat nicht geholfen. Damals wollte man der EU-Kommission entgegen kommen, indem man zumindest dem nicht-anwaltlichen Personal unter engen Voraussetzungen die Möglichkeit einräumte, am Gesellschaftsvermögen zu partizipieren oder die Geschäftsführung in Kanzleien zu übernehmen. Auch Fremdkapitalisierung durch Angehörige wurde zugelassen. Dies reichte der Kommission allerdings nicht mehr. Frage: Wie verändern ABS den Rechtsdienstleistungsmarkt? Vor allem: Der Rechtsrat in Verbrauchersachen mit geringen Gegenstandswerten ist heute in Deutschland kaum noch Geschäftsfeld für Anwälte. Haben wir vor 20 Jahren noch Internet-Beratungsportale belächelt, gibt es heute ausgefeilte Onlinesysteme zur Rechtsberatung zu Verbraucherthemen und Sozialrechtsfragen als niederschwelliges Angebot. Woran liegt das? Hauptsächlich daran, dass diese Fälle zum einen anders als früher immer behauptet doch häufig standardisierbar sind und dass zum anderen Mandanten nicht in jedem Fall eine maßgeschneiderte Beratung wollen. Genau wie bei allen anderen Waren und Dienstleistungen gibt es Fälle, in denen Kunden und Mandanten bereit sind, Geld für individuelle Betreuung und passgenaue Leistungen auszugeben. In vielen Fällen geben sie sich aber mit weniger zufrieden, wenn das Ergebnis befriedigend ist, es schneller geht und jedenfalls auf den ersten Blick günstiger ist. Gerade in diesem Bereich haben große, kommerzielle Rechtsdienstleistungs-Anbieter nun die Nase vorn. Simple Law, ein intuitives Online-Tool à la Google, ist als ABS vor kurzem mit seiner Online-Plattform an die Börse gegangen. Das Unternehmen hatte übrigens schon 2016 den Markt durcheinandergerüttelt. Seitdem kann jeder am PC eine Rechtsfrage stellen und wird von einem hoch intelligenten Algorithmus durch weitere Fragen zu einem Ziel geführt. Nochmals: Wir wissen, dass dabei keine perfekte Beratung möglich ist. Wir mussten aber schlicht akzeptieren, dass genau diese auch nicht immer gewünscht ist. Neben Simple Law liefern sich besonders drei Player auf dem Markt einen knallharten Wettbewerb: Club Law (von einem Mobilitätsverband), Legium (eine bundesweite Kanzleikette) und das Internet-Angebot Disco Law (von einem Internethändler). Diese drei Firmen kämpfen mit ihren unterschiedlichen Konzepten zur Zeit vehement um die Vormachtstellung auf dem Markt. Alle werden wohl nicht überleben. Außerdem verzeichnen die ABS-Genossenschaften zum Beispiel der Mietervereine und der Gewerkschaften einen starken Mitgliederzuwachs und konkurrieren insbesondere dadurch, dass kostengünstiger Rechtsrat auch für Nicht-Mitglieder angeboten wird mit Versicherern und Anwälten. Wie wichtig ist die Online-Beratung? Diese Facette im Markt ist immer stärker geworden. Haben wir vor 20 Jahren noch Internet-Beratungsportale belächelt, gibt es heute ausgefeilte Onlinesysteme zur Rechtsberatung zu Verbraucherthemen und Sozialrechtsfragen als niederschwelliges Angebot. Rechtsblogs der großen Verbraucherverbände haben weitgehend die anwaltliche Erstberatung bei finanzschwachen Verbrauchern ersetzt. Warum erobern ABS neue Märkte? Sie denken konsequent aus Sicht ihrer Kunden. Ich nenne nur den deutschen Ableger der in Großbritannien außerordentlich erfolgreichen Firma SiGH. Das steht für Services im Goldenen Herbst. Neben Versicherungsangeboten, Kreuzfahrten und Gesundheitsdienstleistungen bietet SiGH nun Rechtsberatung im Seniorenrecht. In England schon seit Jahren, in Deutschland erst seit kurzem und jedenfalls mit einem tollen Außenauftritt, der eine Kampfansage an den nach quälenden Diskussionen in der Satzungsversammlung erst 2018 eingeführten Fachanwalt für Seniorenrecht darstellt. Die Zulassung von ABS war der Wendepunkt für den Rechtsdienstleistungsmarkt? Ja, aber diese Reform entstand nicht am grünen Tisch der EU-Kommission in Brüssel. Das EuGH-Urteil 2025 war Folge des Marktdrucks der genannten Player außerhalb der Anwaltschaft. Während Anwälte sich früher untereinander einen harten Wettbewerb geliefert haben, kommt dieser seit mehr als 10 Jahren von au- 432 AnwBl 6 / 2013

59 MN Anwaltsblattgespräch Wir wissen von mehreren DAX-Konzernen, die den Versuch gemacht haben, ihre Rechtsabteilungen zu schließen. Dort gibt es juristisch ausgebildete Manager in der Einkaufsabteilung, die für die Suche nach Rechtsdienstleistern verantwortlich sind. ßen. Sogar Rechtsschutzversicherer haben eigene Law Firms gegründet. Von diesem Angebot profitiert vor allem die außergerichtliche Streitbeilegung. Die Mogelpackungen der 2010er-Jahre, als Rechtsschutzversicherer zum Beispiel so genannte Shuttle-Mediation als echte Mediation zu verkaufen versuchten, gibt es nicht mehr. Rechtsschutzversicherer setzen bei den Versuchen, Rechtsfälle aus Kostengründen nicht zu Beratungsfällen für Anwälte werden zu lassen, allerdings nicht auf Anwaltsmediatoren. Diese Aufgabe erledigen im Wesentlichen Paralegals, also Mitarbeiter mit einer praktischen juristischen Ausbildung unter dem Niveau eines Anwalts. Haben Sie ein weiteres Beispiel für die Vielfalt des Marktes? Gerne. Diese Vielfalt existiert nämlich nicht nur in der Verbraucherberatung. Da gibt es beispielsweise den Legal Outsourcing Provider Flautuum. Eine Reihe von großen Unternehmen bedient sich der Dienste dieser Firma, die die gesamte juristische Projektsteuerung übernimmt und so einen Teil dessen erledigt, was zuvor Unternehmensjuristen getan hatten. Flautuum bietet auch teilweise die Mandatsbearbeitung, die früher von Anwaltskanzleien erledigt wurde. Typischerweise ist das etwa der Document Review bei einer Due Diligence oder Rechercheaufgaben besonders bei Sachverhalten mit Bezug zu ausländischen Rechtssystemen. Für die Anwaltschaft ist das eine schwierige Entwicklung, aber ich fürchte, für die Kunden von Rechtsdienstleistungen führt das zu weiteren Einsparmöglichkeiten ohne Qualitätsverlust. Hat das auch Auswirkungen auf Rechtsabteilungen? Ja. Wir wissen von mehreren DAX-Konzernen, die den Versuch gemacht haben, ihre Rechtsabteilungen zu schließen. Dort gibt es juristisch ausgebildete Manager in der Einkaufsabteilung, die für die Suche nach Rechtsdienstleistern verantwortlich sind. Diese Manager stehen von der Struktur neben ihren Kollegen, die für den Einkauf aller anderen Waren und Dienstleistungen zuständig sind. Und die ehemalige Rechtsabteilung jetzt häufig eine outgesourcte Anwalts-GmbH bewirbt sich wie alle anderen auch um die Mandate. Hat sich damit das Thema der Syndikusanwälte erledigt? 2013 war die Gleichstellung mit Kanzleianwälten ein breit diskutiertes Thema im Anwaltsrecht. Die Syndikusanwälte sind wohl ein Beispiel für zu späte Reformen. Hier hatte der Gesetzgeber erst im Jahr 2019 die DAV-Forderung nach Gleichstellung aufgegriffen. Etwas holzschnittartig zusammengefasst: Syndikusanwälte wurden berufsrechtlich den angestellten Kanzleianwälten im Wesentlichen gleich gestellt, aber die Kammern sind strenger geworden, was die Zulassung als Syndikus-Rechtsanwalt angeht. Wäre diese Reform früher gekommen, hätte das die Rechtsabteilungen gestärkt. Magazin AnwBl 6 /

60 MN Anwaltsblattgespräch 2030 Der Deutsche Anwaltverein war immer Anwalt der Anwälte. In einem liberalisierten Rechtsdienstleistungsumfeld hat der Anwaltsberuf eine neue Strahlkraft gewonnen, wenn es um Rechtsberatung und -vertretung auf hohem Niveau geht. Wer sind in der Kanzleilandschaft die Gewinner und die Verlierer der Liberalisierung? Diese Frage ist heute noch schwierig zu beantworten. Die Reform liegt erst wenige Jahre zurück. Der Markt hat sich über die Jahre ohnehin radikal verändert. Kleinere Einheiten sind vom Markt so gut wie verschwunden oder haben es viel schwieriger zu überleben. Aber natürlich gibt es weiter Einzelanwältinnen und -anwälte: Einzelanwaltskanzleien sind vor allem dann erfolgreich, wenn sie Teil eines Netzwerks sind. Die Bildung solcher Netzwerke zum großen Teil unter dem Dach des DAV ist übrigens eine der interessantesten Veränderungen für kleine und mittelständische Kanzleien der letzten Jahre. Zugleich sehen wir, dass sich auch in strukturschwachen Regionen Sozietäten mit fünf bis acht Partnern gut halten, wenn sie sich auf ihre Klientel einstellen und einen bezahlbaren Mehrwert gegenüber Online-Angeboten bieten. Durch die allgemeine Landflucht der Dienstleister sowie die Konzentration und die Spezialisierung auf dem Rechtsdienstleistungsmarkt gibt es allerdings kaum noch Anwälte außerhalb der größeren Städte, die zugleich auch Gerichtsstandorte sind. ABS mit Fremdinvestoren sind dort mit Ausnahme der günstigen Online-Anbieter nicht präsent. Abgesehen von dieser rein betriebswirtschaftlichen Betrachtungsweise ist es ein Erfolg des DAV, die Rahmenbedingungen auch für Einzelanwaltskanzleien gestärkt zu haben, die außerhalb eines Netzwerks erfolgreich sein wollen oder für die ein besonderer wirtschaftlicher Erfolg nicht das primäre Ziel der Anwaltstätigkeit ist. Die Diskussion um ein neues System der Qualitätssicherung hat jedenfalls dazu geführt, dass Anwälte in ihrer Funktion als Organe der Rechtspflege gegen Deregulierungsbestrebungen vor allem aus Europa gestärkt wurden. In der Vergangenheit gab es die Besorgnis, dass bei neuen Kanzleiformen die Unabhängigkeit des Anwalts verloren geht. Ihr Fazit? Inwieweit die anwaltliche Unabhängigkeit in Mitleidenschaft gezogen wurde, wage ich noch nicht zu beurteilen. Ich kann mir allerdings Konstellationen vorstellen, auf die wir künftig einen besonderen Blick werfen müssen. Gefahren sehe ich vor allem da, wo sich Anwälte in Abhängigkeiten begeben haben. Die müssen übrigens nicht immer finanzieller Natur sein. Das kann auch die Abtretung von Geschäftsanteilen im Zuge von Kreditvergaben sein. Die Kammern haben diese Konstellationen aber ganz besonders im Blick. Unsicherheiten werden meist schon im Zulassungsverfahren im Wege des aus Großbritannien übernommenen Fitand Proper -Test beseitigt. Insoweit konnten wir von den Engländern lernen. Die haben seit 2011 mit der Solicitors Regulation Authority (SRA) als Regulierungsbehörde einen verlässlichen Partner. Ein anderes Thema: Ist der Anwaltsberuf nach diesen Reformen noch attraktiv für den Nachwuchs? Die Dynamik des Rechtsdienstleistungsmarkts gerade durch neue Kanzleiformen hat neue Studiengänge entstehen lassen. Wer hätte sich vor 20 Jahren vorstellen können, dass es einmal den Abschluss Sozialrechtsberater (LL.B.) oder den Insolvenzverwalter als echten, regulierten Beruf gibt? Die Ausbildung von Anwälten hat sich auf die Bereiche spezialisiert, in denen hochspezialisierte Interessenvertreter Umsätze erzielen können. Und es hat einen Wandel in der Anwaltsausbildung gegeben: Betriebswirtschaftslehre und Marketing sind heute fester Bestandteil. Im Unterbau von Kanzleien arbeiten angestellte Bachelors of Law und Betriebswirte mit rechtlichem Aufbaustudium. Die Liberalisierung des Anwaltsrechts hat das Anwaltsmonopol im Kern gesichert. Die eifrigsten Reformer behaupten, dass sich das Preis-Leistung-Verhältnis aus Sicht der Verbraucher mit einem Wegfall des Anwaltsmonopols noch weiter verbessern würde. Ich bin nicht sicher, ob das richtig ist. Intensiven Preis- und Leistungswettbewerb haben wir doch schon heute trotz des Anwaltsmonopols. Die Professionalisierung hat sicherlich dazu geführt, dass die Verbraucher aus ihrer subjektiven Sicht besser versorgt werden. Gerade Disco Law hat gezeigt, dass Rechtsrat in bestimmten Segmenten auch ein Massengeschäft ist. Ob aber wirklich die Durchsetzung des Rechts für den Einzelnen in schwierigen Fällen besser geworden ist, bezweifele ich. Wer die gerichtliche Konfrontation sucht, braucht natürlich weiterhin eine Anwäl- 434 AnwBl 6 / 2013

61 MN Anwaltsblattgespräch 2030 tin oder einen Anwalt am Gerichtsort. Übrigens: Auch wenn Disco Law mit Rechtsrat zu Schnäppchenpreisen lockt, sind soweit absehbar in jüngster Zeit die Durchschnittspreise in der Anwaltschaft sogar wieder angestiegen. Wie haben die Veränderungen im Rechtsdienstleistungsmarkt den Deutschen Anwaltverein verändert? Der Deutsche Anwaltverein war immer Anwalt der Anwälte. In einem liberalisierten Rechtsdienstleistungsumfeld hat der Anwaltsberuf eine neue Strahlkraft gewonnen, wenn es um Rechtsberatung und -vertretung auf hohem Niveau geht. In der Allensbacher Berufsprestigeskala hat der Anwaltsberuf seit 2005 zugelegt. Das ist gut. Der DAV hatte daran keinen geringen Anteil. War der DAV eher Treiber des Wandels oder hat er vornehmlich reagiert? Ich denke, er hat reagiert, wo das notwendig war. So hat der DAV beispielsweise 2018 die Kanzleimitgliedschaft eingeführt. Das war für den Verband eine große Reform, weil das anwaltliche Berufsrecht traditionell immer an der einzelnen Anwältin, an dem einzelnen Anwalt festgemacht worden war, der Rechte hatte und den Pflichten trafen. Die Realität aber sah anders aus: Nach der Zukunftsstudie 2013 haben einzelne Anwälte wie auch Zusammenschlüsse von Anwälten gleich welcher Rechtsform sich stark professionalisiert und ihre Kanzlei als Unternehmen gesehen, das auch als solches auf dem Rechtsdienstleistungsmarkt auftritt. Insofern war es nur konsequent, die Kanzlei als Mitglied des örtlichen Anwaltvereins vorzusehen und nicht mehr die einzelne Anwältin oder den einzelnen Anwalt. Ganz klar die Handschrift des DAV trägt der elektronische Rechtsverkehr. Ein DAV-Forum zum elektronischen Rechtsverkehr hatte schon im Herbst 2012 die verschiedenen Stakeholders aus Bund, Ländern und Berufsvertretern zusammengebracht. Es dauerte zwar noch einmal zehn Jahre, bis der elektronische Rechtsverkehr verbindlich wurde. Heute ist er aber wie selbstverständlich Teil des anwaltlichen Tagesgeschäfts. Wir hören praktisch keine Kritik daran. Die Digitalisierung der anwaltlichen Tätigkeit geht übrigens weit über den elektronischen Rechtsverkehr hinaus: Integrierte digitale Lösungen mit Zugriff auf Checklisten, Muster, Wissenschaft und Rechtsprechung haben zu einem immensen Anstieg der Effizienz in Büros geführt, auch in kleinen Büros. Ohne diese Innovation wären kleinere Einheiten in der Anwaltschaft endgültig chancenlos geworden. Magazin Wo sehen Sie im Rückblick Fehler des DAV? Fehler ist ein hartes Wort. Ich meine, es gibt Felder, in denen die Anwaltschaft und der DAV wenn sie entschiedener gehandelt hätte mehr hätten erreichen können. Leider hat die Anwaltschaft das Thema Work-Life-Balance nicht so gut in den Griff bekommen. Zu viele Vertreter der Generation Y sitzen heute in Behörden, Gerichten oder in der freien Wirtschaft und nicht in unseren Kanzleien. Die demographische Entwicklung hat das Nachwuchsproblem weiter verschärft. Dr. Cord Brügmann, Berlin Der Autor ist im Jahr 2013 Hauptgeschäftsführer des DAV. Der Beitrag beruht auf Thesen, die Grundlage für die Diskussion in Experten-Workshops der Prognos AG waren. Das Szenario stellt weder eine Prognose noch durchweg Gewolltes dar. Und was ist der größte Erfolg des DAV? Das ist auf den ersten Blick eher ein Zufallsergebnis, weil die Initiativen zunächst durchaus unstrukturiert von der Basis in den Anwaltvereinen und Arbeitsgemeinschaften ausgingen: Die Attraktivität der Fachanwaltschaften ist dank neuer Fachanwaltsbezeichnungen ungebrochen, auch wenn bei den großen Fachanwaltschaften eine Sättigung erreicht ist und sie nicht mehr den massenhaften Zulauf haben. Neue Fachanwaltschaften wie der Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht, für Seniorenrecht, für Sport- und Sponsoringrecht, für Kartellrecht, für Vergaberecht oder der für Ausländer- und Migrationsrecht funktionieren sehr gut. Die Aufspaltung alter Fachanwaltschaften beispielsweise beim gewerblichen Rechtsschutz in den Fachanwalt für Patentrecht, für Markenrecht und für unlauteren Wettbewerb hat sich bei den Mandanten bewährt. Und der zweite Blick? Wer genauer hinschaut, sieht: Die Fachanwaltschaften sind Kinder des DAV. Ohne die Prognos-Studie des DAV aus dem Jahre 1987 hätte sich die (alte) Idee der Fachanwaltschaften nicht so durchsetzen können. Gerade weil der DAV immer offen war, konnte sich hier neues entwickeln. Und: Der DAV bietet mit seinen Arbeitsgemeinschaften weiterhin Netzwerke, die unverzichtbar sind. Das ist für einen Berufsverband ein toller Befund. AnwBl 6 /

62 MN Report 2013

63 MN Report 2013 Kanzlei goes business Der Blick nach England im Jahr 2013 könnte ein Blick in die deutsche Zukunft 2030 sein Dr. Justus von Daniels, Berlin Selten schlägt eine Berufsrechtsreform so hohe Wellen: Seit das Fremdbesitzverbot in England und Wales gefallen ist, drängen kommerzielle Anbieter und Investoren auf den Rechtsdienstleistungsmarkt. Aber auch für Rechtsanwälte ergeben sich neue Chancen durch Kooperation mit Berufsfremden. Ein Bericht aus dem englisch-walisischen Versuchslabor. In England wirbt Co-op, eine bekannte Supermarktkette, seit Neustem in Fernsehspots damit, dass sie mit großer Sensibilität Scheidungsverfahren zu einem Festpreis durchführt. Rund 500 Anwälte sitzen an sechs Standorten des Unternehmens, haben elektronischen Zugang zu den Akten und beraten per Telefon. Für den Mandanten ist immer jemand erreichbar, kleine Anfragen werden schnell bearbeitet. Mit dem Einsatz innovativer Technologien kann das Unternehmen Anwaltsberatung kostengünstig anbieten. Und im März hat der Telekomanbieter BT angekündigt, als B2B-Partner ins Anwaltsgeschäft einzusteigen. Der Konzern betreibt eine eigene Fuhrparkflotte und bietet anderen Unternehmen ein komplettes Schadensmanagement an. Dazu soll nun bei der neuen BT Law auch die anwaltliche Vertretung gehören, teils mit In-house-Anwälten, teils über Beraterverträge mit Sozietäten (darunter Freshfields Bruckhaus Deringer). Als Tesco Law wurde die Berufsrechtsreform bezeichnet, nach der sich auch Unternehmen und Nicht-Juristen an Kanzleien beteiligen und Nicht-Anwälte die Geschäftsführung in Sozietäten übernehmen dürfen. Recht sollte für den Verbraucher durch besseren Service und durch neue Anbieter leichter zugänglich werden wie Waren im Regal. Nun war es nicht Tesco, sondern der Lebensmittelhändler Cooperative Group, der als erstes großes Unternehmen die Chance nutzte, auch anwaltliche Dienstleistungen in sein Angebot aufzunehmen. Magazin Erst als Supermarkt-Recht verspottet jetzt gefürchtet Die großen Marken haben natürlich für viel Wirbel gesorgt. Doch wer sich bei dem Label Tesco Law vorstellt, dass der Anwaltsmarkt um eine Holzklasse bereichert wird, indem Rechtsanwälte neben Supermarktkassen oder in Bankfilialen sitzen und schnelle Beratung gegen Cash anbieten, verkennt die Reichweite des Phänomens. Denn um Supermärkte geht es nur am Rand. Die Reform beschleunigt eine Entwicklung, bei der sich das Berufsprofil des Anwalts wandelt. Neue Technologien verändern die Beratungsleistungen und auch der Bedarf an umfänglicher Betreuung, bei der der Anwalt zum Manager eines privaten Problems oder einer unternehmerischen Aufgabe wird, wächst. Andererseits drängen Unternehmen in den Markt der Rechtsdienstleistung. Die Grenze zwischen der klassischen Anwaltskanzlei und Beratungsdienstleistern wird poröser. Seit einem Jahr dürfen Nichtjuristen in England und Wales Kanzleien besitzen oder in sie investieren. Unter dem Namen ABS Alternative Business Structure firmieren seither etwa 150 Kanzleien. Darunter sind Unternehmen, die Rechtsberatung als neue Sparte für sich entdecken, kleine Anwaltskanzleien, die Nicht-Juristen als Partner aufnehmen und Kanzleien, die die Möglichkeit externer Investitionen nutzen. Über 200 weitere Anträge liegen allein auf dem Tisch der Solicitors Regulation Authority (SRA), die für die Registrierung der neuen Gesellschaftsform zuständig ist. Anwaltschaft erlebt Innovation von außen Nicht ganz überraschend gilt die Liberalisierung, die auf dem Legal Service Act aus dem Jahr 2007 beruht, als ziemlich revolutionär. Denn die Alternative Business Structure stellt die Gewissheit auf den Kopf, dass Rechtsanwaltskanzleien ein autarker Markt sind, in dem kaum Einfluss von außen zu befürchten ist. Die Briten haben nun die Monopolstellung des Rechtsanwalts als Eigentümer einer Kanzlei auf- AnwBl 6 /

64 MN Report 2013 Hintergrund Die Reform in England: Was ist eine ABS? Vor England und Wales hatte bisher nur Australien das Fremdbesitzverbot abgeschafft. Schon 2001 beschloss die britische Regierung, den Rechtsberatungsmarkt zu liberalisieren. Sie stellte damals fest, dass der derzeitige berufsrechtliche Rahmen unzeitgemäß, unflexibel und undurchsichtig ist schlug der von der Regierung beauftragte Banker Sir David Clementi die Abschaffung des Fremdbesitzverbotes für Rechtsanwaltskanzleienvor.InseinemAbschlussbericht zur Reform des Berufsrechts forderte er unter anderem, auch alternative Geschäftsmodelle für den Rechtsberatungsmarkt zuzulassen. Nichtjuristen sollte danach erlaubt werden, in Kanzleien zu investieren oder als Partner aufgenommen zu werden beschloss das britische Parlament den Legal Service Act, ein Gesetz, das als Tesco Law bekannt wurde. Danach gibt es keine Beschränkung auf Rechtsanwälte für den Besitz von Kanzleien. Auch Unternehmen ist es erlaubt, Anwaltsdienstleistungen anzubieten. Anträge für die neue Gesellschaftsform Alternative Business Structure (ABS) werden nach einem formellen Verfahren durch Regulierungsabteilungen von Berufsverbänden genehmigt war es dann soweit: die Solicitors Regulation Authority genehmigt die ersten drei ABS. Als erstes Unternehmen wurde die Supermarktkette Co-op registriert, die vorher schon Rechtsberatung für ihre Genossenschaftsmitglieder angeboten hatte. In einer eigenen Abteilung arbeiten nun 500 Rechtsanwälte. Bei den beiden anderen Antragstellern handelte es sich um kleinere Kanzleien, die ihre Kanzleimanager zu Partnern machten. Seitdem sind 100 Kanzleien oder Unternehmenssparten als ABS registriert und über 200 Anträge werden derzeit geprüft. gebrochen, der Beruf wird zum Geschäftsmodell. Es gab seitdem Befürchtungen, dass es englischen Kanzleien schon bald gehen könnte wie dem liebgewonnen Einzelhandel, der von großen Handelsketten unter Druck gesetzt wurde. Aber ganz soweit ist es noch nicht. Ziel des Gesetzes war es, den Wettbewerb auf dem Rechtsmarkt zu stärken und damit ein besseres Angebot für den Verbraucher zu schaffen. Es war ein Finanzexperte, der im Auftrag der britischen Regierung 2004 dem Parlament empfahl, Kanzleien für Nicht-Juristen zu öffnen, und eine Idee aus Australien aufnahm. Sir David Clementi wollte den Kanzleien die Möglichkeit geben, sich mit besseren finanziellen Mitteln auszustatten und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, um dem technologischen Wandel zu begegnen, der ganze Arbeitsstrukturen aufhebt. Dazu gehören elektronisches Aktenmanagement, schnellere Kommunikation oder Effizienzgewinne bei standardisierten Rechtsdienstleistungen. Was auf der Beratungsseite wegfällt, soll der Anwalt nun durch die Erweiterung des Geschäftes wieder kompensieren können. Und Unternehmen sollte erlaubt werden, anwaltliche Tätigkeiten anzubieten, auch wenn sie noch in anderen Geschäftsfeldern aktiv sind. Engländer wie in den 1980er Jahren wieder vorneweg Unternehmen, die aggressiv und großflächig mit Anwaltsdiensten werben und den kleineren Kanzleien das Wasser abgraben könnten, sind bislang eher Fiktion. Nach einem Jahr ist zu beobachten, dass der überwiegende Teil der Registrierungsanträge als Alternative Business Structure bisher kleine oder mittlere Kanzleien sind. Ihnen geht es in der Regel um Effizienzgewinne, indem sie Partner aufnehmen, die als Nicht-Juristen Kanzleimanagement betreiben oder die in die Kanzlei investieren, sagt Helen Venn, Managerin in der Registrierung bei der SRA. Daneben gibt es Zusammenschlüsse von mehreren Berufssparten, etwa Rechtsanwälte, die mit Nicht-Juristen gleichberechtigt unter einem Dach arbeiten und neue innovative Produkte entwickeln, bei denen die anwaltliche Vertretung ein Teil des Angebotes ist. Jigsaw ist eine Firma, die sich auf Unfallschäden spezialisiert hat und seit Februar als ABS registriert ist. Christian Lindley, Gründer und Partner von Jigsaw ist selbst kein Jurist. Wir reparieren das Auto, kümmern uns um die Arztkosten und vertreten den Geschädigten rechtlich. Service und Anwaltsberatung kommen aus einer Hand und sparen letztlich Kosten, sagt Lindley. Die Firma bietet dem Verbraucher eine All-in-One-Lösung an, die dem Geschädigten eine reibungslose Organisation seines Anliegens ermöglicht. Unter den vier Partnern der Firma ist ein Rechtsanwalt, die anderen sind Versicherungsmanager. Jigsaw wappnet sich aber auch für einen Konkurrenzkampf mit größeren Unternehmen, die anwaltliche Dienste ab jetzt absorbieren könnten. Noch haben die Großen nicht zu erkennen gegeben, ob sie in den Markt einsteigen. Aber wenn sie es tun, wird es vor allem für kleinere Kanzleien in unserem Segment ungemütlich, glaubt Lindley. Ein großer Konkurrent auf dem Markt ist Quindell, ein Versicherungsdienstleister, der eine ABS-Sparte mit 750 Anwälten eröffnet hat und zur Zeit dadurch auffällt, dass er kleine Kanzleien aufkauft. Noch sind solche Kooperationen selten. Denn auch für die britischen Rechtsanwälte sind diese neuen Beteiligungsformen ein großer Sprung im Berufsrecht. Eine Partnerbeteiligung ohne Berufsbeschränkung war auch in Großbritannien bisher nicht denkbar. Für die Londoner City könnte es mal wieder ein strategischer Vorteil sein, neue Geschäftsmodelle zu etablieren, die bisher weder in den USA noch im sonstigen Europa erlaubt sind. Zur Erinnerung: auch bei der Bildung von Großkanzleien ist London in den 1980er Jahren Schrittmacher gewesen und dominiert seitdem das Feld. Die internationale Strategie der Londoner Kanzlei wurde damals noch als Großmannssucht belächelt. Dreißig Jahre später könnten es Geschäftsmodelle sein, in denen Unternehmensberater, Rechtsanwälte und Banker gemeinsam tätig und verantwortlich sind. Für die City würde es in Europa eine Erprobungsfläche für cross-over Modelle eröffnen, in denen sich Anwälte mit anderen Geschäftsfeldern organisatorisch neu verzahnen. Sorgen, Nöte und Chancen der Anwaltschaft In der Anwaltschaft lösen die Entwicklungen und ihre Dynamik natürlich Unsicherheit aus. Der Markt wird unübersichtlicher, der Wettbewerb intensiver und stellt das hergebrachte Modell einer anwaltlich betriebenen Kanzlei zur Disposition. Beunruhigend sind die neuen Großanbieter, die zu Fixhonoraren eine Anwaltsleistung anbieten und nicht mehr lokal verwurzelt sind. Können große Unternehmen 438 AnwBl 6 / 2013

65 MN Report denselben Grad an persönlicher Betreuung anbieten? Entsteht ein neues Effizienzdenken, das den unternehmerischen Gewinn über das anwaltliche Ethos stellt? Müssen kleine Kanzleien befürchten, durch einen Preiskampf mit großen Anbietern in die Knie gezwungen zu werden? In Großbritannien ist zunächst nicht damit zu rechnen, dass das neue Modell der ABS flächendeckend die Kanzleistrukturen beeinflussen wird. Es ist eine Gesellschaftsform unter vielen anderen. Bisher ist etwa die Zahl der Registrierungen von rechtsfremden Unternehmen überschaubar und konzentriert sich auf das Versicherungswesen und Forderungsmanagement. Für Anwälte besteht aber durchaus die Herausforderung, sich zukünftig noch mehr mit Kanzleiführung beschäftigen zu müssen: Welche Beratungsleistungen werden immer standardisierter? Welche können effizienter angeboten werden? Wie kann die Kommunikation mit dem Mandanten verbraucherfreundlich gestaltet werden? Und jede Kanzlei muss für ihr Geschäftsmodell künftig entscheiden, ob sie ein eigenes Management mit Partnerbeteiligung einrichtet, ob Investoren von außen ein sinnvolles Mittel der Finanzierung sind oder ob man Kooperationen mit anderen Berufen suchen möchte. Auf der anderen Seite steht der Verbraucher, für den die neue Flexibilisierung ein Vorteil sein soll. Das Beispiel von Co-op, die zum Festpreis ein Scheidungsverfahren anbieten, könnte für die Briten gerade recht kommen, da die staatliche Prozesskostenhilfe durch den Legal Aid Act zurückgefahren wurde und Scheidungsprozesse unkalkulierbare Verläufe nehmen können. Aber auch Verbraucherverbände drängen auf den Markt und könnten kostengünstigere Leistungen anbieten. Die Verbände könnten für sich eine Lücke zwischen Versicherung und Beratung schließen; für den Verbraucher könnten solche Angebote Aufwand und Kosten sparen. Magazin Dr. Justus von Daniels, Berlin Der Autor ist Assessor und freier Journalist in Berlin. Leserreaktionen an anwaltverein.de. Deutschland: Abwarten oder gestalten? Steht der deutsche Markt jetzt unter Zugzwang? Ein paar international tätige Kanzleien werden wohl die neuen Geschäftsmodelle in London beobachten. Unternehmen werden bemerken, dass Rechtsabteilungen nicht nur Kosten verursachen, sondern auch zum Gewinn beitragen können. Und Kanzleien werden bei anwaltlichen Standardleistungen unter Druck geraten, für die sie traditionell der einzige Ansprechpartner waren. Vertragsgestaltungen, Gründungen von Gesellschaften oder Rechtsauskünfte werden zukünftig auch andere Anbieter übernehmen. Wenn der Rechtsanwalt nicht nur Getriebener dieser Entwicklungen sein will, sondern selbst handeln möchte, werden neue Kooperationsformen unvermeidbar sein. Nun haben sich auch die Engländer den Alternative Business Structures erst behutsam angenähert und ihnen mit kleineren Liberalisierungen vorher den Weg bereitet. Das britische Beispiel wird eine Art Versuchslabor sein: Es wird sich dort zeigen, ob es zu Verbesserungen der Rechtsdienstleistung kommt, ohne dass die Qualität sinkt. Die Deutschen werden es wahrscheinlich wie immer machen genau beobachten, was aus der anglo-amerikanischen Welt kommt und es dann in abgeschwächter Form auf den deutschen Rechtsdienstleistungsmarkt übertragen. Die Frage ist, wie lange man nur zuschaut. AnwBl 6 /

66 MN Anwaltsblattgespräch Rechtsdienstleistungsmarkt 2030 Kanzleien werden sich neu erfinden müssen Wer die Bedürfnisse der Mandanten ignoriert, wird vom Anwaltsmarkt verschwinden Kai Gramke, Prognos AG, Basel, Schweiz Das Kostenbewusstsein der gewerblichen Mandanten steigt weiter. Man wird die spezifische Kompetenz eines spezialisierten Anwalts nutzen und auch weiterhin gut bezahlen, aber nicht mehr den Kanzleiapparat. Die Rechtsschutzversicherer machen es heute schon vor: Ihre Versicherten betreuen sie so professionell, dass diese immer zufriedener werden selbst wenn sie nicht den besten Rechtsrat erhalten sollten. Und auch in der Unternehmenswelt steuern immer häufiger Nicht-Juristen, was Anwälte leisten müssen und was das Kosten darf. Ein gefährlicher Wandel für Anwaltskanzleien? Die Prognos AG hat im Auftrag des Deutschen Anwaltvereins den Rechtsdienstleistungsmarkt 2030 untersucht (siehe das Executive Summary der Zukunftsstudie in diesem Heft ab Seite 384). Das wichtigste Ergebnis: Kanzleimanagement und -marketing werden über den wirtschaftlichen Erfolg von Kanzleien entscheiden. Das Anwaltsblatt fragte den Leiter der Zukunftsstudie Kai Gramke von der Prognos AG aus Basel, was auf die Anwaltschaft zu kommen wird. Werfen Sie einen Blick auf das Jahr 2030: Wie sieht die Kanzleiwelt dann aus? Wir erwarten zunehmende Spezialisierungen und weitere Kanzleiformen. Die Kanzleien bieten ihren Klienten die ganzheitliche Problemlösungskompetenz mit starker Beratungs- und Dienstleistungskompetenz, oft außerhalb der Kanzlei als mobile Dienstleister. Außerdem wird die anwaltliche Tätigkeit in einem ganz anderen regulatorischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmen stattfinden. Allerdings geht es uns nicht nur um den Blick auf das Jahr 2030, sondern auch um den Weg bis zum Jahr Ein Großteil der genannten Änderungen wird schleichend passieren. Es wird nur wenige wirklich einschneidende Veränderungen im Sinne eines Paradigmenwechsels geben. Was wird den Anwaltsmarkt am meisten geändert haben? Hinsichtlich der Stärke sicherlich der demografische Wandel, aber dieser Einfluss ist eben schleichend und somit nicht direkt feststellbar. Nur wenn man von 2030 aus rückwirkend das Jahr 2013 betrachtet, wird einem die Dimension des Wandels bewusst werden. Hinsichtlich der Sichtbarkeit ist an erster Stelle die Entwicklung der Rechtsschutzversicherer zu nennen, aber auch Veränderungen des regulatorischen Umfelds und insbesondere der Einfluss des technologischen Wandels, der neue Geschäftsmodelle ermöglicht, die Kanzleiabläufe verändert und neue Kooperationsformen schafft. Was werden private Mandanten erwarten, was gewerbliche Mandanten fordern? Das Kostenbewusstsein der gewerblichen Mandanten steigt weiter. Man wird die spezifische Kompetenz eines spezialisierten Anwalts nutzen und auch weiterhin gut bezahlen, aber nicht mehr den Kanzleiapparat. Die privaten Mandanten erwarten mehr als die rein rechtliche Hilfestellung. Statt des Streitführers ist der Problemlöser gefragt, der beispielsweise im Schadensfall den ganzen Ablauf von der Polizei zur Werkstatt, über die Versicherung bis zur juristischen Aufarbeitung des Falls begleitet. Wer diese Bedürfnisse der Mandanten ignoriert, wird vom Markt verschwinden. Wie können Kanzleien darauf reagieren? In erster Linie wird zukünftig mehr Initiative verlangt. Im Rahmen der Studie hat eine Kollegin von Ihnen das mit dem Bild der laufenden und sitzenden An- 440 AnwBl 6 / 2013

67 MN Anwaltsblattgespräch 2030 Die privaten Mandanten erwarten mehr als die rein rechtliche Hilfestellung. Statt des Streitführers ist der Problemlöser gefragt, der beispielsweise im Schadensfall den ganzen Ablauf von der Polizei zur Werkstatt, über die Versicherung bis zur juristischen Aufarbeitung des Falls begleitet. Kai Gramke, Basel Kai Gramke ist Mitglied der Geschäftsleitung der Prognos AG in Basel. Er hat die Zukunftsstudie des DAV zum Rechtsberatungsmarkt 2030 geleitet. Leserreaktionen an anwaltverein.de. wälte gut beschrieben. Letztere sitzen in ihrem Büro und warten auf die Klienten, erstere bringen sich in Netzwerke ein, verweisen auf ihre Kompetenzen und Spezialisierungen, denken deutlich unternehmerischer und leisten gute inhaltliche Arbeit mit einem Höchstmaß an Transparenz und Flexibilität. Was ist wichtiger: Kanzleimanagement oder Kanzleimarketing? Beide Themen sind zentral, aber das Kanzleimarketing ist auf der Zeitschiene nachgelagert und damit eine logische Konsequenz des Kanzleimanagements. Gegenwärtig sind es vor allem die größeren und umsatzstärkeren Kanzleien, die sich diesen Themen wirklich mit der nötigen Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit widmen. Die Kanzleien werden sich neu erfinden müssen und gerade die kleineren Kanzleien und Einzelanwälte müssen sich strategische unternehmerische Fragen stellen: Wo liegt mein inhaltlicher Schwerpunkt? Wie will ich wahrgenommen werden? Wer sind meine potenziellen Kunden? Wie organisiere ich bestmöglich und kosteneffizient meine Arbeit? Anschließend stellt sich die Frage, wie man das Angebotsspektrum und die Qualität der geleisteten Arbeit gut kommuniziert, um nicht einem anonymen Bewertungstool im Internet ausgeliefert zu werden. Das Know-how des Anwalts, der Anwältin steckt heute noch im Kopf. Und im Jahr 2030? Im Netz und damit meine ich nicht nur das Internet. Es ist absehbar, dass der Trend zur immer stärkeren Vernetzung von Personen, Informationen und Dienstleistungen an Dynamik gewinnen wird und auch an der Anwaltschaft nicht spurlos vorbei gehen wird. Das sollte man nicht auf die gegenwärtigen Themen wie E-Justice reduzieren und man sollte sich auch nicht auf gegenwärtige rechtliche Grenzen der Vernetzung berufen. Das Netz ist aber auch ein Risiko, denn noch mehr als heute wird das Wissensmonopol der Anwälte schrumpfen. Diese zunehmende Transparenz und Verfügbarkeit des Rechtswissens führt dazu, dass der Mehrwert der Anwaltsleistung stärker in der hochspezialisierten Beratung sowie in den schon angesprochenen kanzleispezifischen Alleinstellungsmerkmalen wie einer umfänglichen, begleitenden Tätigkeit liegt. Somit wird zukünftig das Wie wichtiger werden als das Was. Auf welche Zukunftsfrage sollten Anwaltskanzleien auf jeden Fall eine Antwort haben? Zentral wird die Rolle des Recruitings sein. Sie werden mit Mitarbeitern konfrontiert sein, die alle möglichen Lebensentwürfe verfolgen, nur nicht die klassische Stundenwoche. Zwar können Sie auch in 15 Jahren noch behaupten, dass sie überspitzt gesagt nur junge, männliche Vollzeitkräfte wollen, aber dann sicherlich nicht mit einer florierenden Kanzlei. Der absehbare Arbeitskräftemangel wird auch vor den Juristen nicht halt machen und stärkt in jedem Fall die Verhandlungsposition der Arbeitnehmer. Magazin AnwBl 6 /

68 MN Anwaltsblattgespräch DAV-Zukunftsstudie 1987: Was ist wahr geworden? Der Trend zur Spezialisierung wurde gesehen und der Anwalt ist Dienstleister des Mandanten geworden Schon 1986 hatte der Deutsche Anwaltverein eine Zukunftsstudie bei der Prognos AG bestellt. Als die Studie im März 1987 im Anwaltsblatt erschien, gab es noch die Standesrichtlinien der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK). Verboten waren nicht nur Werbung, sondern auch überörtliche Sozietäten und Zweigstellen. In diesem Klima waren die Ergebnisse radikal: Der Anwalt solle zum Dienstleister des Mandanten werden und sich fachlich spezialisieren und das dem Mandanten auch kundtun dürfen. Damals im Vorstand des Deutschen Anwaltvereins mit dabei waren Rechtsanwalt und Notar Wolfgang Schwackenberg (von 1990 bis 2011 Herausgeber des Anwaltsblatts) und Rechtsanwalt Felix Busse (von 1999 bis 2011 Herausgeber des Anwaltsblatts und zuvor von 1994 bis 1998 Präsident des Deutschen Anwaltvereins). Das Anwaltsblatt stellte jedem vier Fragen. Interview mit Rechtsanwalt und Notar Wolfgang Schwackenberg, Oldenburg 26 Jahre danach: Wie wichtig war die Studie? Die Studie eröffnete eine völlig neue Sichtweise. Sie untersuchte die anwaltliche Leistung allein aus der Sicht der Mandanten aus der Sicht der Marktnachfrage. Ohne die Studie wäre die Kommunikation anwaltlicher Leistungen, zum Beispiel von Spezialisierungen in Form von Fachanwaltschaften nicht in der Weise denkbar gewesen, wie sie heute erfolgreiche Realität ist. Auch gebührenrechtliche Veränderungen wie zum Beispiel die Einführung einer Erstberatungsgebühr und die deutlich verbesserten rechtlichen Rahmenbedingungen für Gebührenvereinbarungen wären nicht so schnell auf den Weg gebracht worden. Der Weg weg von berufsrechtlichen Einschränkungen wie der Lokalistion oder Singularzulassung wäre schwerer gewesen. Was hat die Studie klar vorausgesehen? Die Studie hat vorausgesehen, dass die Auswahl des Anwalts sich zunehmend an der anwaltlichen Qualität und weniger an persönlichen Empfehlungen orientiert. Mehr Transparenz des Leistungsangebotes wurde als notwendig erkannt, ebenso die größere Bedeutung der Beraterrolle des Anwaltes. Die Vernetzung von Anwälten, die Bedeutung überörtlicher Präsenz und damit einer nicht regional begrenzten Vertretungsmöglichkieit stellten weitere wichtige Erkenntnisse dar. Und was hat die Studie nicht vorausgesehen? Die Entwicklung der Technik sowie die von sozialen Medien, konkret die Bedeutung von Internet, Facebook und sonstigen Diensten. Auch Veränderungen wie zum Beispiel der Fall der Mauer, die Öffnung zum osteuropäischen Raum, kurzum die Europäisierung und Internationalisierung. Nicht vorausgesehen wurde die Entwicklung zu einem gespaltenen Anwaltsmarkt, gespalten in Kanzleien für gewerbliche Mandanten einerseits und Privatmandaten andererseits. Der Gesprächspartner Rechtsanwalt und Notar Wolfgang Schwackenberg war von 1990 bis 2011 Herausgeber des Anwaltsblatts. Er ist berufen worden, als er Vizepräsident und Schatzmeister des Deutschen Anwaltvereins war. Ist der Wandel Bedrohung oder Chance? Ein Wandel kann immer beides sein. Er bietet eine Chance für den, der ihn als Herausforderung annimmt. Zweifelsfrei hat die Spezialisierung zur Qualitätssteigerung anwaltlicher Dienstleistung geführt. Das Image der Anwaltschaft konnte hierdurch noch weiter verbessert werden. Die verbesserten Kommunikationsmöglichkeiten erhöhen Marktchancen. Die gebührenrechtlichen Veränderungen, ebenfalls gefordert durch die Studie, ermöglichen eine bessere wirtschaftliche Führung der Kanzlei. Anwaltliche Dienstleistung war, ist und wird immer eine beratende, streitschlichtende und unterstützende Tätigkeit auf einem sich stets wandelnden Markt sein. Sie muss sich daher auch in Zukunft dem Wandel stellen. Es ist deshalb wichtig, rechtzeitig die Entwicklungen dieses Marktes zu erkennen. 442 AnwBl 6 / 2013

69 MN Anwaltsblattgespräch 1987 Interview mit Rechtsanwalt Felix Busse, Troisdorf Im Rückblick: Das größte Verdienst der Studie von 1987? Für mich war das Wichtigste die Konfrontation mit der deutlich kritischen Außensicht potentieller Mandanten und gesellschaftlicher Organisationen von der (damaligen) Anwaltschaft. Große Teile der Anwaltschaft und ihre Verbände haben bis in die 1980er Jahre insbesondere angesichts der Anwaltszahlen und deren wirtschaftlichen Auswirkungen überwiegend Selbstmitleid gepflegt. Sie haben zu wenig erkannt, dass die starken Veränderungen in unserer Gesellschaft ein anderes Anwaltsbild, ein anderes Berufsverständnis und ein Abwerfen mancher Fesseln, die sich die Anwaltschaft zum Beispiel mit den Standesrichtlinien selbst auferlegt hatte, erforderten. Nun erfuhren sie sozial-empirisch belegt, dass ihre traditionelle Ausrichtung auf Prozesse und die in den Vordergrund gestellte Rolle als Organ der Rechtspflege beim rechtsuchenden Publikum Zugangsängste auslöste, dass der Anwalt als Drohgebärde, als ultima ratio bei Streitfällen, nicht als Streitschlichter und schon gar nicht als Helfer in allen Lebenslagen, für den die Interessen des Mandanten im Vordergrund stehen, empfunden wurde, dass dieses Bild auch auf der durch das Werbeverbot geförderten Intransparenz des Leistungsangebots und der persönlichen Qualifikation und der fehlenden Mandantennähe beruhte und dass das Publikum Spezialisierung und deren Offenlegung erwartete. Magazin Was hat der DAV aus der Studie für die Anwaltschaft gelernt? Dass die Anwaltschaft sich in erster Linie nicht als Organ der Rechtspflege, sondern als Dienstleister für den Mandanten begreifen muss, dass Wahrung des Rechts nicht als Rücksichtnahmegebot gegenüber staatlichen Stellen missverstanden werden darf. Die primäre Ausrichtung an Mandanteninteressen heißt auch mehr Kundennähe, ein Leistungsangebot der Rechtsberatung vor oder außerhalb von Streitigkeiten, Spezialisierung und Offenlegung der persönlichen und fachlichen Kompetenzen sowie eine kundenfreundliche Gestaltung der Vergütung. Der Gesprächspartner Rechtsanwalt Felix Busse war von 1999 bis 2011 Herausgeber des Anwaltsblatts. Zuvor war er von 1994 bis 1998 Präsident des Deutschen Anwaltvereins. Und für sich selbst und den gesamten Verband? Für den DAV folgte daraus der Kampf um eine freiheitlichere Gestaltung des anwaltlichen Berufsrechts, die diese Öffnung hin zum rechtsuchenden Publikum ermöglicht, insbesondere Wegfall des Werbeverbots, Wegfall der Lokalisation, Einführung von Fachanwaltschaften und dafür erforderliche Aus- und Fortbildungsangebote, Öffnung des Gebührenrechts für die Erstberatung und den außergerichtlichen Bereich. Ist der Wandel Bedrohung oder Chance? Der seinerzeit unter anderem von der Prognos AG angestoßene Wandel des anwaltlichen Berufsbildes ist keine Bedrohung, wenn hierüber die Grundwerte der Unabhängigkeit, der Verschwiegenheit und des Verbots der Vertretung widerstreitender Interessen nicht vergessen werden. Der Wandel ist vielmehr eine Chance, vielleicht sogar die einzige Chance, der Anwaltschaft den Markt zu erweitern und zu bewahren, den sie braucht und der allein ihre besondere Rolle in unserem Rechtsstaat legitimiert. AnwBl 6 /

70 MN Kommentar Ein Anwaltsmarkt in Europa Nationales Recht und Sprachbarrieren werden in zwanzig Jahren keine Hürden mehr sein? Rechtsanwältin Dr. Claudia Seibel, Frankfurt am Main Sieht man sich die schon heute lange Liste der Rechtsbereiche an, für welche eine Harmonisierung des Rechts auf EU-Ebene geplant ist, kann es durchaus sein, dass sich im Jahre 2030 in vielen Bereichen auch und gerade der privaten Rechtsberatung, gar nicht mehr die Notwendigkeit profunder nationaler Rechtskenntnisse ergibt. Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen. Wer auch immer für das Bonmot verantwortlich ist: Natürlich ist der Blick in das Jahr 2030 von vielen Unsicherheiten geprägt. Doch leben wir längst in einem vereinten und zusammenwachsenden Europa. Die wirtschaftlichen und privaten Beziehungen über die Grenzen hinweg haben über die vergangenen Jahrzehnte beständig zugenommen. Es bedarf keiner hellseherischen Kräfte: Europa wird vorraussichtlich noch enger zusammenwachsen. Tatsächlich und auch rechtlich. Im Konzerninsolvenzrecht wie im Familienrecht. Dass von der fortschreitenden Internationalisierung wirtschaftlicher und privater Beziehungen die Rechtsdienstleistungen, sowohl für Unternehmen als auch im privaten Bereich in Deutschland profitieren werden, ist eine wohl eher selbstverständliche Schlussfolgerung. Weniger sicher ist: Wird 2030 noch das ursprünglich deutsche Recht prägend sein? Im internationalen Geschäft wird es bereits seit langem nur selten als Vertragsgrundlage gewählt. Und lingua franca ist weltweit die englische Sprache. Nicht ohne Grund war und ist der DAV die treibende Kraft der Initiative Law Made in Germany. Wird es 2030 noch in erheblichem Maße auf deutsche Rechtskenntnisse ankommen? Wird die deutsche Sprache noch eine Sprachbarriere für die Tätigkeit ausländischer Kollegen in Deutschland sein? Die Zukunftsstudie des DAV (siehe dazu die Executive Summary der Prognos AG in diesem Heft ab Seite 384) weist auf die immer weitergehende Harmonisierung des Rechts in der Europäischen Union hin. Sieht man sich die schon heute lange Liste der Rechtsbereiche an, für welche eine Harmonisierung des Rechts auf EU-Ebene geplant ist, kann es durchaus sein, dass sich im Jahre 2030 in vielen Bereichen auch und gerade der privaten Rechtsberatung, gar nicht mehr die Notwendigkeit profunder nationaler Rechtskenntnisse ergibt. Was wird das für die deutsche Anwaltschaft bedeuten? Wird das Deutsche keine wesentliche Rolle mehr im Recht spielen? Naturgemäß Fragen, auf die Antworten nur schwer möglich sind. Je aufgeschlossener und sprachgewandter jedoch eine Anwaltschaft (auch im Vergleich zu den Anwaltschaften in anderen Mitgliedstaaten) ist, desto besser wird sie mit dieser (anspruchsvollen) Herausforderung umgehen können. Und vielleicht sogar Märkte außerhalb Deutschlands schaffen können. Auch wenn dies keine unmittelbare Frage der Europäisierung des deutschen Rechtsdienstleistungsmarktes ist, so identifiziert die Studie unter anderem zwei wesentliche Determinanten des deutschen Anwaltsrechts, deren Entwicklung unter dem Einfluss des Unionsrechts zu einer erheblichen Veränderung des Anwaltsmarktes 2030 führen können. Die Zulassung von Fremdkapitalbeteiligungen in deutschen Anwaltskanzleien sowie der weitgehende Fortfall des (ohnehin schon eingeschränkten) Beratungsmonopols für Anwälte. Die Prognos AG nimmt beide Entwicklungen als sicher zu erwarten an, wofür einiges spricht, angesichts der Gegebenheiten in anderen Mitgliedsländern der EU sowie in der Schweiz und Australien. Weniger eindeutig vorherzusehen sind die möglichen Folgen dieses Wandels für die Anwaltschaft. Für Ängste sollte aber kein Raum sein. Noch ist nicht ausgemacht, dass neue Kanzleiformen die klassische Anwaltschaft spürbar verdrängen werden. Und Anbieter in Konkurrenz zu Anwälten gibt es in Deutschland seit langem, seien es Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, Banken oder Versicherungen, Verbraucherzentralen oder Mietervereine. Deutsche Anwältinnen und Anwälte sind Wettbewerb gewohnt. Dr. Claudia Seibel, Frankfurt am Main Die Autorin ist Rechtsanwältin und Mitglied im Vorstand des Deutschen Anwaltvereins. Sie gehörte dem Steering Committee der Zukunftsstudie des DAV an. Leserreaktionen an 444 AnwBl 6 / 2013

71 MN Gastkommentar Zum Gespött Menschliches Gespür und politische Klugheit zu viel verlangt von einem OLG? Annette Ramelsberger, Gerichtsreporterin der Süddeutschen Zeitung Gerade weil sich das Oberlandesgericht seines Könnens so sicher ist und seiner eigenen Bedeutung so gewiss, behandelte es das NSU- Verfahren nur wie einen etwas größeren Mordprozess. Die Verantwortlichen beschwichtigten, sie versuchten den Prozess herunter zu dimmen auf Münchner Normalmaß. Sie betrieben Business as usual. Als die Berliner im Januar zugeben mussten, dass sie ihren neuen Flughafen auch 2013 nicht werden eröffnen können, da lachte die Republik über die Hauptstadt. Und am meisten lachten die Münchner. Spätestens im April aber verging ihnen das Lachen. Denn nun wurde über sie gelacht. In Berlin heißt das Kürzel für öffentlich gezeigtes Unvermögen BER, in München ist das Kürzel dafür auch ganz kurz, dort heißt es OLG. Und es steht mittlerweile für die Kunst, sich juristisch korrekt zum Gespött des Landes zu machen. Das Oberlandesgericht München hat bereits vor Beginn des historischen Prozesses gegen den Nationalsozialistischen Untergrund NSU den medialen GAU verursacht, den größten anzunehmenden Unfall: Statt um die Schuld der Angeklagten ging es mehr darum, ob man während des Prozesses auf die Toilette gehen darf. Mit so einem Desaster war nicht zu rechnen. Der Generalbundesanwalt hat die mutmaßlichen Mitglieder und Helfer des NSU am OLG München angeklagt, weil er wusste: Hier gibt es erfahrene, in allen Regeln der juristischen Kunst beschlagene Richter, ein gut ausgestattetes Gericht, dazu die Polizei, die jedes Sicherheitsproblem nach bayerischer Art löst. Hier war man auf der sicheren Seite. Doch genau das scheint das Problem. Gerade weil sich das Oberlandesgericht seines Könnens so sicher ist und seiner eigenen Bedeutung so gewiss, behandelte es das NSU-Verfahren nur wie einen etwas größeren Mordprozess. Die Verantwortlichen beschwichtigten, sie versuchten den Prozess herunter zu dimmen auf Münchner Normalmaß. Sie betrieben Business as usual. Jeder Ratschlag aus der Politik, jeder Hinweis auf das internationale Interesse wurden abgetan als unnötige Aufgeregtheit. Das Gericht begnügte sich bewusst mit dem viel zu kleinen Gerichtssaal, es suchte nicht einmal nach Ausweichmöglichkeiten. Andere Gerichte schaffen das sei es in Duisburg mit dem Loveparade-Prozess, sei es in Oslo beim Breivik-Prozess. So gibt es nur 50 Plätze für Zuschauer und 50 Plätze für Journalisten. Und die wollte das Gericht nach dem Motto verteilen: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Nach drei Stunden waren die Plätze weg. Viele ausländische Medien konnten so schnell nicht reagieren. So kam es, dass türkische Journalisten keinen Platz im Gerichtssaal hatten obwohl acht der zehn Todesopfer des NSU türkische Wurzeln hatten. Erst das Bundesverfassungsgericht erklärte diese spezielle Form von Münchner Öffentlichkeit für nicht rechtmäßig. Es baute eine goldene Brücke: drei zusätzliche Stühle im Gerichtssaal für die türkischen Medien. Doch das OLG wollte diese Brücke nicht beschreiten. Es verschob den Prozess kurzerhand um drei Wochen und lies das Los entscheiden. Natürlich fiel das, wie es immer fällt: ohne Rücksicht auf Gerechtigkeit oder Sinn. Brigitte und Radio Lotte statt FAZ und Zeit. Heraus kam: der maximale Schaden für das Ansehen des Gerichts. Die Richter sehen sich nun selbst als Opfer: Die schlimmsten Angriffe in der Geschichte der Bundesrepublik habe sein Gericht zu erleiden, klagt OLG-Präsident Karl Huber, dabei sei doch alles korrekt gelaufen. Juristisch mag das korrekt sein aber es ist nicht sachgerecht. Es wühlt die Gesellschaft auf, statt sie zu befrieden. Es stößt die Opfer vor den Kopf, statt sie mit dem Staat zu versöhnen. Es zieht einen Prozess ins Lächerliche, der höchsten Ernst verdient. Auch wenn das für Juristen wie ein Sakrileg klingt: In diesem Prozess ist die Strafprozessordnung nicht das einzige Maß der Dinge. Ebenso wichtig sind menschliches Gespür und politische Klugheit. Und die Erkenntnis: Man kann rechtlich alles richtig machen und dabei doch alles falsch. Magazin Annette Ramelsberger, München Die Autorin ist Gerichtsreporterin der Süddeutschen Zeitung. Leserreaktionen an AnwBl 6 /

72 Anwälte fragen nach Ethik Ist die gefühlte Unanständigkeit ein Verst0ß gegen die Anwaltsethik?

73 MN Anwälte fragen nach Ethik Wenn Du nicht... dann geht s an die Medien... Die Frage nach dem richtigen Handeln stellt sich im Alltag. Lesen, nachdenken, mit Kollegen diskutieren gibt es Grenzen? Auf der Veranstaltung des DAV-Ausschusses Anwaltliche Berufsethik vor einem Jahr auf dem 63. Deutschen Anwaltstag in München wurde folgendes Beispiel der Unanständigkeit vorgestellt und diskutiert: Dem Angestellten eines größeren Unternehmens wird gekündigt. Dieser Angestellte mag dem mittleren Kader angehören, aber auch ein Mitglied des Vorstands sein. Er wehrt sich gegen die Kündigung und nimmt anwaltliche Hilfe in Anspruch. Der Arbeitnehmer ist Wissensträger gewisser delikater Peinlichkeiten des Unternehmens. Sein Anwalt instrumentalisiert dies. Er schreibt dem Arbeitgeber, er vermute und halte sogar für sicher, dass das belastende Wissen seines Mandanten Grund der Kündigung sei. Bliebe die Kündigung aufrecht erhalten, so könne er nicht ausschließen, dass die Presse und sonstige Medien von der Sache Kenntnis bekämen. In einer Abwandlung des Falles schickt der Anwalt sofort den Entwurf einer Klagebegründung an den Arbeitgeber mit der Frage, ob man wolle, dass eine Kopie der Klagebegründung an die für solche Informationen interessierte Zeitung XyZ gehe. Ob dieses Verhalten strafrechtlich relevant ist, interessiert im Augenblick nicht. Ist die gefühlte Unanständigkeit ein Verstoß gegen die Anwaltsethik? In München wurde das bejaht. Gleichzeitig wurden Sozietäten namentlich genannt, die dieses Mittel gezielt einsetzen und das Mittel-Zweck-Verhältnis für völlig unproblematisch halten. Darf man das? Leserreaktionen an anwaltsblatt@anwaltverein.de. Sie werden an den DAV-Ausschuss Anwaltliche Berufsethik weitergeleitet. Magazin DAV-Ausschuss Anwaltliche Berufsethik Der DAV hat einen Ausschuss Anwaltliche Berufsethik. Dieser Ausschuss will eine Diskussion darüber führen und auslösen, ob die anwaltliche Tätigkeit auch ethischen Maßstäben unterliegt, und wenn ja, welchen. Der Vorstand des DAV hat beschlossen, keinen Ethikkodex zu formulieren. Einmal fehlt hierfür die Legitimation. Zum anderen läuft ein solcher Kodex Gefahr, beschlossen und vergessen zu werden. Eine beständige Diskussion um ethische Fragen vermag das Problembewusstsein mehr zu prägen und zu schärfen. Hiervon ausgehend wird das Anwaltsblatt auf einer Seite jeweils ein oder zwei Fallkonstellationen vorstellen, die eine Diskussion um ethische Fragen auslösen könnten. Wir sind gespannt, ob die Kolleginnen und Kollegen dieses Angebot annehmen und werden über die Antworten berichten. Rechtsanwalt Dr. Michael Streck, Vorsitzender des DAV-Ausschusses Anwaltliche Berufsethik Dem DAV-Ausschuss Anwaltliche Berufsethik gehören an die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte Dr. Michael Streck (Vorsitzendner), Dr. Ute Döpfer, Dr. Joachim Frhr. von Falkenhausen, Niko Härting, Markus Hartung, Petra Hei- nicke, Hartmut Kilger, Eghard Teichmann (auch Notar) und Silke Waterschek. AnwBl 6 /

74 MN Aus der Arbeit des DAV Die Zukunftsstudie des DAV: Hintergründe und Fakten Analysen, Forschung, Umfragen, Workshops und Interviews: Der Blick in die Zukunft ist mit harter Arbeit verbunden Aus der Arbeit des DAV 448 DieZukunftsstudiedesDAV: Hintergründe und Fakten Rechtsanwalt Franz Peter Altemeier 449 AG Arbeitsrecht Frühjahrstagung: Arbeitsrecht auf höchstem Niveau Rechtsanwalt Swen Walentowski 450 AG Verkehrsrecht 2. DAV-Verkehrsanwaltstag: Kraft für eine neue Tradition Rechtsanwältin Bettina Bachmann 452 DAV-Stellungnahmen 452 AG Anwältinnen Volles Programm: Praxistipps, Networking und Workshops Rechtsanwältin Dr. Eva-D. Leinemann 453 DAV Büro Brüssel DeutschenAnwälteninEuropaeine Stimme geben Büroumzug Rechtsanwältin Eva Schriever 454 Deutsche Anwaltakademie Nachrichten 454 AG Ausländer- und Asylrecht 10 Jahre ANA : Die Flegeljahre beginnen Rechtsanwalt Rainer M. Hofmann 455 Amnesty International und DAV Menschenrechte: Anwälte helfen verfolgten Anwälten Rechtsanwältin Dr. Mary Lachmann 456 AG Bau- und Immobilienrecht Verjüngungskur der Baurechtstagung großer Erfolg Rechtsanwalt Johannes Jochem 457 DAV Italien DAV Italien feiert 5-jähriges Jubiläum in Mailand Rechtsanwalt und Avvocato Dr. Stephan Grigolli 457 Anwaltsverein Hannover Anwaltsverein 2.0 Neue Wege der Mitgliederwerbung 458 Personalien Konrad Redeker 90 / Paul-Werner Beckmann { / Cord Brügmann Zweifelsohne: Die Zukunftsstudie ist eines der größten Projekte des Deutschen Anwaltvereins der vergangenen Jahre. Die Vorarbeiten reichen bis in das Jahr 2006 zurück. Einer der Auslöser: 2005 veröffentlichte der kanadische Anwaltverein eine Zukunftsstudie unter dem Titel Crystal Clear. Die Analyse einer sich wandelnden Anwaltschaft beeinflusste in der Zukunft die Arbeit der DAV-Geschäftsführung. Die Canadian Bar Association hatte erkannt: Die Auseinandersetzung mit der eigenen Zukunft ist eine mögliche Quelle für Inspiration und Orientierung und vor allem für das frühe Erkennen von Zukunftschancen. Rechtsanwalt Anton Mertl, dem langjährigen Präsidenten des DAV-Landesverbands Bayern, und seiner Hartnäckigkeit in seiner Zeit als DAV-Vorstands- und Präsidiumsmitglied, ist es zu verdanken, dass das Thema Zukunftsforschung auch immer wieder im DAV-Vorstand und im DAV-Präsidium erörtert wurde wurde schließlich die DAV-Geschäftsführung gebeten, die Methodik der Zukunftsforschung, den Nutzen für die DAV-Mitglieder sowie die Realisierbarkeit für ein solches Projekt zu prüfen. DAV sucht Orientierung... Frühzeitig legten die Gespräche mit Forschungsinstituten und -unternehmen nahe, dass der Bedarf an Orientierung über die bloße Marktanalyse und Trendforschung hinausgehen sollte. Die zukünftigen Entwicklungen und Szenarien der Ausgestaltung des (anwaltlichen) Rechtsdienstleistungsmarkts sollten so aufgearbeitet und dargestellt werden, dass die DAV-Mitglieder die notwendige Orientierung zur Aus- und Fortbildung ihres Kanzleimanagements und des wirtschaftlich immer bedeutender werdenden Kanzleimarketings erhalten. Zugleich wurde klar, dass der DAV als freier Berufsverband der Anwältinnen und Anwälte in Deutschland auch Erkenntnisse für die eigene Planung zur effektiven und erfolgreichen Interessenvertretung benötigt. Der Startschuss zur konkreten Umsetzung fiel mit Vorstandsbeschluss vom 22. Februar An der folgenden Ausschreibung beteiligten sich deutschlandweit zahlreiche Agenturen, Institute und Forschungseinrichtungen, von denen sich am Ende die Prognos AG durchsetzen konnte.... und setzt auf die Prognos AG. Keine Unbekannte: Die Prognos AG war bereits Autor der 1987 veröffentlichten Studie (veröffentlicht als Sonderheft des Anwaltsblatts im März 1987, abrufbar im Print-Archiv des Anwaltsblatts unter Schon damals hat der DAV der Prognos AG zu Recht vertraut. Viele der getroffenen Annahmen zu den künftigen Entwicklungen stellten sich in den Folgejahren als zutreffend heraus. Noch Jahre später profitierte die Verbandsarbeit von den Studienergebnissen. Die Untersuchungen für die Studie zum Rechtsdienstleistungsmarkt 2030 begannen im Sommer 2011, nachdem im Vorfeld unterstützt durch ein Steering Committee mit den DAV-Vorstandsmitgliedern Prof. Dr. Wolfgang Ewer, Dr. Friedwald Lübbert und Dr. Claudia Seibel und mit Mitgliedern der Geschäftsführung (unter anderem der DAV-Hauptgeschäftsführer Rechtsanwalt Dr. Cord Brügmann) das Studiendesign entworfen und abgestimmt war. Es folgten Literatur- und erste Basis- und Marktstrukturanalysen, Experteninterviews mit Vertretern aus Wissenschaft, Verwaltung und Anwaltschaft sowie eine groß angelegte Online-Umfrage im Sommer Diese diente dazu, den Anwaltsmarkt und aktuelle Entwicklungen im Kanzleimanagement und -marketing vollständig zu beschreiben. In Trend- und Szenarioworkshops mit Experten aus allen Bereichen der Anwaltschaft aber auch externen Sachverständigen wurde das Bild vervollständigt. Zudem gab es einen Expertenworkshop zu den Erwartungen der gewerblichen Mandanten. Rechtsanwalt Franz Peter Altemeier, DAV, Berlin Das Executive Summary der von der Prognos AG erstellten Zukunftsstudie ist in diesem Heft abgedruckt (AnwBl 2013, 384). Die vollständige Studie kann auf der Website des Deutschen Anwaltvereins ab dem 7. Juni 2013 abgerufen werden. 448 AnwBl 6 / 2013

75 MN Aus der Arbeit des DAV AG Arbeitsrecht Frühjahrstagung: Arbeitsrecht auf höchstem Niveau Jobst-Hubertus Bauer als Vorsitzender verabschiedet Die Frühjahrstagung der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein in München bot den rund 450 Teilnehmern nicht nur ein Fachprogramm auf höchstem Niveau, sondern sie fand auch unter besonderem Vorzeichen statt: Verabschiedet wurde das Gründungsmitglied und der langjährige Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Rechtsanwalt Prof. Dr. Jobst-Hubertus Bauer aus Stuttgart. Zugleich wählte die Mitgliederversammlung einen neuen Geschäftsführenden Ausschuss, der wiederum Rechtsanwalt Dr. Johannes Schipp aus Gütersloh zum neuen Vorsitzenden bestimmte. Der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht ist der Austausch mit der Arbeitsgerichtsbarkeit und dem Bundesarbeitsgericht seit ihrer Gründung 1981 immer besonders wichtig gewesen, betonte Rechtsanwalt Dr. Johannes Schipp in seiner Begrüßung. Die Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht gehöre nicht nur zu den ältesten und größten, sondern auch zu den erfolgreichsten Arbeitsgemeinschaften des DAV, hob der DAV-Präsident Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolfgang Ewer in seinem Grußwort hervor. Dieser Erfolg sei untrennbar mit der Leistung des bisherigen Vorsitzenden Rechtsanwalt Prof. Dr. Jobst-Hubertus Bauer verbunden. Bauer habe auch den erstmals im nächsten Jahr stattfindenden Deutschen Arbeitsrechtstag in Berlin mit initiiert. Das Handelsblatt habe ihn zu Recht als Anwalt mit Leib und Seele bezeichnet, sagte Ewer. Bauer ist Gründungsmitglied der AG und war seit 2007 ihr Vorsitzender. Den Vorsitz gab er mit der Frühjahrstagung zurück. Würdigungsstafette Prof. Dr. Ulrich Preis von der Universität Köln würdigte das reichhaltige Schrifttum Bauers. Der ungekrönte König der Arbeitsrechtsanwälte zeichne sich aber auch durch seine substanziellen Fragen und Einwände gegenüber Gesetzgebern und Recht Der scheidende Vorsitzende Rechtsanwalt Prof. Dr. Jobst-Hubertus Bauer dankte auf dem Festabend nicht nur für die Würdigungen seiner Person, sondern auch allen Anwältinnen und Anwälten der Arbeitsgemeinschaft für die Zusammenarbeit und dem DAV für die Unterstützung der Arbeitsgemeinschaft. 2 Die Richterin am Bundesarbeitsgericht Inken Gallner gehörte zu den Rednern, die die Verdienste Bauers würdigten. 3 Der DAV-Präsident Prof. Dr. Wolfgang Ewer dankte Bauer für sein Engagement. 4 Richterin am Bundesarbeitsgericht Karin Spelge hielt einen Fachvortrag in der Mitgliederversammlung zum Thema Massenentlassungen. 5 Prof. Dr. Ulrich Preis bei seiner Version des Rheinischen Grundgesetzes mit Bezug auf Bauer und den Geschäftsführenden Ausschuss. 6 Rechtsanwältin Dr. Patrizia Chwalisz referierte zum Thema Überstunden im Fokus. 7 Auf der Mitgliederversammlung wurden neu in den Geschäftsführenden Ausschuss der AG Arbeitsrecht gewählt Rechtsanwältin Dr. Doris-Maria Schuster (r.) und Rechtsanwältin Dr. Barbara Reinhard (2.v.r.). Bestätigt wurden (v.l.n.r.): Rechtsanwalt und Notar Reinhard Schütte, Rechtsanwalt Dr. Johannes Schipp, Rechtsanwalt Dr. Thilo Wagner, Rechtsanwältin Dr. Nathalie Oberthür, Rechtsanwalt Dr. Hans-Georg Meier und Rechtsanwalt Prof. Dr. Stefan Lunk. Neuer Vorsitzender wurde Rechtsanwalt Dr. Johannes Schipp. AnwBl 6 /

76 MN Aus der Arbeit des DAV AG Verkehrsrecht 1 2 sprechung aus. Er lege die Finger in kleinere und größere Wunden. Dass Bauer eine feste Größe in der arbeitsrechtlichen Welt sei, betonte auch die nächste Laudatorin. Die Richterin am Bundesarbeitsgericht (und dessen Pressesprecherin) Inken Gallner äußerte aber auch Mitleid und Verständnis. So habe es Bauer als Anwalt immer wieder hinnehmen müssen, dass das Bundesarbeitsgericht aus seiner Sicht falsche Urteile fälle, beispielsweise zum gewerkschaftlichen Unterlassungsanspruch. Sie schätze als Richterin das ungeschminkte und kraftvolle Feedback sehr. Die arbeitsrechtliche Welt sei ohne ihn nicht vorstellbar. Aktuelles Fachprogramm Fachliches wurde auch geboten. So referierte die Rechtsanwältin Dr. Patrizia Chwalisz über Überstunden, Abgeltungsklauseln, Anordnungsbefugnisse sowie Darlegungs- und Beweislast nach aktueller Rechtsprechung. Seine fachliche Expertise konnte Bauer noch einmal bei seinem Überblick über die aktuelle Entwicklung im Arbeitsrecht unter Berücksichtigung der Rechtsprechung und der Gesetzgebung unter Beweis stellen. Als Erfolg erwiesen sich auch die verschiedenen Workshops der Tagung. So konnten die Teilnehmer unter den Themen Wenn aus Vertragspartnern Gegenstreiter werden: Das komplexe Verhältnis von Unternehmen, Führungskräften und D&O-Versicherern im Haftpflichtfall/ Schadensersatzprozess, Facebook u. 1 Rund 450 Kolleginnen und Kollegen nahmen an der Frühjahrstagung teil. 2 Viel Applaus als Dank für sechs Jahre an der Spitze der Arbeitsgemeinschaft für Rechtsanwalt Prof. Dr. Jobst-Hubertus Bauer (3.v.r.) gab es, hier aus dem Kreis des Geschäftsführenden Ausschusses der AG. die Folgen arbeitsrechtliche Probleme bei der Nutzung sozialer Netzwerke oder aber auch Freiwilligenprogramme als Alternative zum einseitigen Personalabbau? wählen. Auf der Mitgliederversammlung am Samstag referierte Richterin am Bundesarbeitsgericht Karin Spelge über Die Anforderungen an die ordnungsgemäße Massenentlassungsanzeige unter Erfüllung der Konsultationspflichten nach 17 KSchG in der aktuellen Rechtsprechung des BAG. Keine bloße Wissensvermittlung Die DAV-Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht bietet auch interessante Möglichkeiten des wechselseitigen Austausches der im Arbeitsrecht tätigen Kolleginnen und Kollegen. Ihre Veranstaltungen leben somit nicht nur von der bloßen Wissensvermittlung, sondern auch von ihrer Lebendigkeit. Bauer erinnerte daran, dass trotz aller Gegensätze, auf der einen Seite Arbeitgeberanwälte und auf der anderen Arbeitnehmeranwälte, durchweg ein konstruktiver und kollegialer Umgang miteinander gepflegt werde. Rechtsanwalt Swen Walentowski, DAV, Berlin 2. DAV-Verkehrsanwaltstag: Kraft für eine neue Tradition 19./20. April 2013 in Hamburg: Udo Lindenberg inklusive Der DAV-Verkehrsanwaltstag hat 2011 die Frühjahrstagung der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht Rechtsprechung des BGH in Verkehrssachen abgelöst. Die zweite Auflage der neuen Veranstaltung fand am 19./20. April 2013 im Hotel Atlantic in Hamburg statt. Die neue Ausrichtung war zum zweiten Mal ein voller Erfolg. Die Fans von Udo Lindenberg hatten sogar die Möglichkeit, bei einem zufälligen Zusammentreffen in der Hotellobby, ein Autogramm ihres Idols zu ergattern. Rechtsanwalt und Notar Jörg Elsner (Vorsitzender der AG Verkehrsrecht) freute sich in seiner Begrüßungsansprache darüber, dass es gelungen ist, mit einem abwechslungsreichen Programm und einem attraktiven Standort eine Teilnehmerzahl von knapp 250 zu erreichen. Neumitglieder durften, wie bereits in den Vorjahren, kostenlos an der Veranstaltung teilnehmen. Problem: Gestellter Unfall Besonders unterhaltsam und dennoch sehr lehrreich war der Vortrag Unfallrekonstruktion gestellter Unfälle des Sachverständigen Dr. Johannes Priester aus Saarbrücken. Nach einer Pressemeldung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) vom Juli 2011 ist jeder zehnte gemeldete Versicherungsschaden wahrscheinlich Betrug. Auch die Kfz- Haftpflicht- und Vollkasko- bzw. Teilkaskoversicherungen sind davon betroffen. Priester zeigte fünf Möglichkeiten auf, einen Unfall zu stellen. Es gebe ausgenutzte Verkehrsunfälle, fiktive Verkehrsunfälle, auch Papierunfälle genannt, fingierte Verkehrsunfälle, gestellte Verkehrsunfälle, bei denen eine Absprache zwischen den Unfallbeteiligten vorliege, und provozierte Verkehrsunfälle, bei denen die Fahrfehler von Unbeteiligten ausgenutzt würden, um ein Unfallereignis zu provozieren. Diese Art der Unfallverursachung falle deswegen auf, weil die Unfallprovozierer in kurzer Zeit eine exorbitant hohe 450 AnwBl 6 / 2013

77 MN Aus der Arbeit des DAV Jürgen Cierniak (Richter am BGH) sprach über die verkehrsrechtliche Rechtsprechung seines 4. Strafsenats. 5 Rechtsanwältin Silvia Schattenkirchner (Leitung Verbraucherschutzrecht, Juristische Zentrale des ADAC) warf einen Blick auf die verbraucherfreundliche Rechtsprechung des EuGH zum Reiseverkehrsrecht. 6 Auf dem Podium: Moderator Alfred Klug (Re Intra GmbH, hier nicht im Bild), Rechtsanwalt Dr. Jörg May (Krefeld), Dr. Benedikt Laudage (VHV Allgemeine Versicherung AG), Rechtsanwalt Nicolas Eilers (Geschäftsführender Ausschuss AG Verkehrsrecht), Dr. Christine Maurer (Re Intra GmbH), Gernot Winzer (IHR Rehabilitationsdienst GmbH) Rechtsanwalt und Notar Jörg Elsner (Vorsitzender der AG Verkehrsrecht) begrüßte auf dem 2. DAV-Verkehrsanwaltstag. 2 Angela Diederichsen (Richterin am BGH, VI. Zivilsenat) wünschte sich von den Anwälten zum Abschluss ihres Berichts über die neue Rechtsprechung ihres Senats zum Haftpflichtrecht, dass bei der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs wegen entgangenen Unterhalts auch die Kriterien berücksichtigt werden, die den Unterhaltsanspruch zeitlich begrenzen (beispielsweise die Volljährigkeit des Kindes oder der fiktive Renteneintritt des Getöteten). 3 Wolfgang Ball (Vorsitzender Richter am BGH, VIII. Zivilsenat) referierte über die aktuelle Rechtsprechung zum Kfz-Leasing. 7 7 Im Gespräch: Teilnehmer, Aussteller Jörg Halm von der Rehacare GmbH und Referenten. 8 Die Teilnehmer diskutierten mit (hier im Bild: Rechtsanwalt Martin Tibbe, Frankfurt am Main). 9 Rechtsanwalt Patrick Rogozenski (Hamburg) brachteseinensohnmit. 10 DAV-Vizepräsident Rechtsanwalt Oskar Riedmeyer (r.) diskutierte mit Teilnehmern. 11 Abendprogramm: Eine Hafenrundfahrt auf der Bergedorf. Unfallquote erreichten. Bei gestellten Unfallereignissen sei die Auswahl des Sachverständigen, da häufig keine umfangreichen Unterlagen zur Spurensicherung vorlägen, von enormer Bedeutung. Der spezialisierte technische Sachverständige sei in der Lage, anhand einzelner Merkmale Aussagen zu treffen, die für die rechtliche Beurteilung des gesamten Falles von erheblicher Bedeutung sein können. Reha-Management Ein Novum war die Podiumsdiskussion, bei der Vertreter der Rehabilitationsdienste, der Versicherungswirtschaft und der Anwaltschaft über das interdisziplinäre Reha-Management diskutierten. Die Teilnehmer schilderten die erfolgreiche Reintegration eines Querschnittsgelähmten, die nur aufgrund der jahrelangen Begleitung und Beratung der am Reha-Management beteiligten Personen Reha-Dienst, Versicherer und Rechtsanwalt möglich gewesen sei. Einig waren sich alle, dass die Rehabilitation und Reintegration nur mit dem Geschädigten gemeinsam erreicht werden könne. Engagierte Veranstaltungsteilnehmer riefen in Erinnerung, dass die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht das Reha-Management schon lange als Mittel der erfolgreichen anwaltlichen Schadensregulierung befürwortet. Sie hat einen Code of Conduct des Reha-Managements verabschiedet, der die von ihr entwickelten Grundsätze zum Personenschadenmanagement enthält. Danach müssen Kontrollmechanismen eingerichtet werden, die sowohl den persönlichkeitsrechtlichen Schutz des Unfallopfers sicherstellen als auch den Ausschluss schadensersatzrechtlicher Nachteile gewährleisten. Rehabilitationsdienste, die nach diesem Regelwerk verfahren, werden von der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht auf Antrag anerkannt und dürfen ihr Signet benutzen. Anerkannt wurden bis jetzt folgende sechs Rehabilitationsdienste: IHR Rehabilitationsdienst GmbH, In- Reha GmbH, Reha aktiv darr GmbH, Reha assist Deutschland GmbH, Rehacare GmbH und Re Intra GmbH. Die Anerkennung der Concept Rehabilitation GmbH steht kurz bevor. Rechtsanwältin Bettina Bachmann, DAV, Berlin Der 3. DAV-Verkehrsanwaltstag findet am 11./12. April 2014 in Stuttgart statt. 11 AnwBl 6 /

78 MN Aus der Arbeit des DAV DAV-Stellungnahmen Musterentwurf zum Landesstrafvollzugsgesetz (18/13) Aus mehreren Bundesländern liegen Entwürfe für ein Strafvollzugsgesetz vor. Die Gesetzesentwürfe zu den Länderstrafvollzugsgesetzen basieren in weiten Teilen auf dem Musterentwurf zum Landesstrafvollzugsgesetz vom 23. August Dieser Musterentwurf (ME) enthält eine inhaltliche Veränderung des Strafvollzugsrechts. So werden ein standardisierten Diagnoseverfahren eingeführt und insbesondere die Sozialtherapie neu ausgerichtet. Der Deutsche Anwaltverein begrüßt mit seiner Stellungnahme grundsätzlich den StVollzG-ME. Er enthält in einigen Punkten Fortschritte zur Verwirklichung eines resozialisierungsfördernden Strafvollzuges. Allerdings sind einige Regelungsvorschläge zu kritisieren. Vorschläge für Deutschen Corporate Governance Kodex (20/13) Der DAV kommentiert durch seinen Ausschuss Handelsrecht die offiziellen Vorschläge zur Änderung des Deutschen Corporate Governance Kodex vom 5. Februar Im Zentrum der DAV-Stellungnahme stehen die Vorschläge zu Vergütung und Versorgung des Vorstands. Grundsätzlich begrüßt der DAV, dass die Regierungskommission dazu übergegangen ist, ihre eigenen Änderungsvorschläge zumindest teilweise zu begründen. Wünschenswert wäre eine durchgängige Begründung aller Vorschläge, die materielle Änderungen des Kodex zum Gegenstand haben. Gemeinsames Europäisches Kaufrecht (28/13) Wie schon in seiner DAV-Stellungnahme Nr. 39/2012 befürwortet der DAV das Vorhaben eines gemeinsamen Europäischen Kaufrechts (GEKR) grundsätzlich. Der DAV glaubt nicht, dass der Anwendungsbereich des GEKR durch die Beschränkung auf Distanzverträge signifikant beschnitten wird. Durch die Einbeziehung gemischter und verbundener Verträge wird der Anwendungsbereich vielmehr erweitert. Der DAV spricht sich prinzipiell für diese Einbeziehung aus, auch wenn er die dafür vorgeschlagene Regelung nicht für durchweg gelungen hält. Die Änderung der Definition von Treu und Glauben ist nach Einschätzung des DAV missglückt und hätte negative Folgen. Die weiteren in der Begründung des Berichtsentwurfs angesprochenen Änderungen befürwortet der DAV. DAV lehnt Entwurf zum Trennbankengesetz ab (29/13) Der Deutsche Anwaltverein erhebt gegen den Gesetzentwurf zur Abschirmung von Risiken und zur Planung der Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Finanzgruppen (Trennbankengesetz) schwerwiegende verfassungsrechtliche Bedenken und strafrechtspolitische Einwände. Aufgrund der zahlreichen Verweisungen in dem Gesetz auf das sich permanent ändernde deutsche und europäische Aufsichtsrecht, der Verwendung ausufernder unbestimmter Rechtsbegriffe sowie seiner außergewöhnlichen Komplexität genügt der Gesetzesentwurf nicht dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot, wonach der Normadressat vorhersehen können muss, welches Verhalten verboten und mit Strafe bedroht ist. Bewegungsfreiheit von Asylsuchenden und Geduldeten (30/13) Der DAV unterstützt die Initiativen im Bundestag und in den Bundesländern, die Bewegungsfreiheit von Asylsuchenden und Geduldeten herzustellen. Asylsuchende und geduldete Ausländer werden während ihres Aufenthalts in der Bundesrepublik (bis über ihren weiteren Aufenthaltsstatus entschieden ist) einem bestimmten Wohnort zugewiesen. Diesen Bereich dürften Asylsuchende und Geduldete nicht ohne behördliche Erlaubnis verlassen. Der DAV ist der Meinung, dass es für Beschränkungen der Bewegungsfreiheit von Asylsuchenden und Geduldeten heute keinen nachvollziehbaren und belegbaren rationalen Zweck mehr gebe, so dass sich auch verfassungsrechtliche Bedenken ergäben. Es sei unzutreffend, dass Asylbewerber und Geduldete aus Gründen der Effektivität des Asylverfahrens jederzeit erreichbar sein müssten. Auch sei nicht empirisch belegt, dass Kriminalität Folge der Bewegungsfreiheit sei. Das sog. Asylshopping sei heute aufgrund der erkennungsdienstlichen Behandlung ausgeschlossen. Alle Stellungnahmen finden Sie im Internet unter AG Anwältinnen Volles Programm: Praxistipps, Networking, Workshops und Kultur 16. Anwältinnenkonferenz: Besuch beim Bundesverwaltungsgericht Vom bis fand in Leipzig die Frühjahrstagung der Arbeitsgemeinschaft Anwältinnen statt. Mehr als 80 Anwältinnen und Anwälte wollten wissen, wie sie ihren Erfolg steuern können so das Motto der Veranstaltung. Die Konferenz begann am Nachmittag mit einer sehr interessanten fachkundigen Stadtführung. Bei 2 Grad Celsius waren wir im Stadtzentrum von Leipzig auf den Spuren von berühmten Frauen und Männern unterwegs. Juristische Bezüge wurden hergestellt, zum Beispiel bei der Besichtigung des Platzes, auf dem 1824 die letzte öffentliche Hinrichtung innerhalb der Stadt Leipzig stattfand. Auch das Lieblingswirtshaus des Jurastudenten Goethe stand auf dem Plan. Am Abend trafen sich alle Teilnehmerinnen im Bundesverwaltungsgericht. Wir wurden begrüßt durch die Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Marion Eckertz- Höfer. Anschließend nahmen sich drei sehr engagierte Richterinnen und Richter die Zeit und führten mit vertrautem Vokabular durch ihr Gebäude. Wir wurden auf die subtile Symbolik der reichen Verzierungen aufmerksam gemacht. Sitzungssaal, Festsaal und die Wohnung des Reichsgerichtspräsidenten wurden für uns zur Besichtigung geöffnet. Der Eröffnungsabend klang in einem Restaurant aus. Begrüßt wurden die Teilnehmerinnen dabei von Genka Lapön, der Gleichstellungs- und Frauenbeauftragten der Stadt Leipzig. Mit dabei: Der Präsident des Deutschen Anwaltvereins, Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolfgang Ewer. Handfest: Steuern- und Gebührenrecht Der offizielle Teil der Tagung begann am Freitagmorgen, nach einer Begrüßung durch die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Anwältinnen, Rechtsanwältin Silvia C. Groppler und Grußworten von Ewer sowie des Vorstandmitglieds des Leipziger Anwaltsvereins, Rechtsanwältin Sylvia Gatz. Den Auftakt der Fachvorträge gestaltete 452 AnwBl 6 / 2013

79 MN Aus der Arbeit des DAV in gewohnt erfrischender Weise Rechtsanwältin Edith Kindermann. Sie referierte zu den bevorstehenden Änderungen im Gebührenrecht. Der Titel der Tagung Steuern Sie Ihren Erfolg! war wörtlich zu nehmen: Wertvolle Steuertipps in eigener Sache zum Umgang mit dem Finanzamt gaben die Rechtsanwältinnen und Steuerberaterinnen Gönül Özdemir und Karoline Helling. Entspannungstricks für Rechtsanwältinnen verriet Dr. Grit Schöley. Sie nahm alle mit auf eine Reise über die auch später noch viel gesprochen wurde. Das war der einzige Programmpunkt, der nicht fotografisch dokumentiert wurde! Nach den anschließenden Workshops kamen alle wieder zusammen. Die Regisseurin und Trainerin Gisela Maria Schmitz hatte die volle Aufmerksamkeit der Kolleginnen. Sie schärfte unseren Blick für den puren Körperausdruck als Kommunikationsmittel zur Steuerung des Erfolges. Social Media-Update Am nächsten Morgen begann der Tag mit Vorträgen von Rechtsanwältin Dr. Adina Kessler-Jensch und Rechtsanwältin Ulrike Silbermann. Sie verhalfen den Zuhörerinnen zu einem Social Media-Update und Grundkenntnissen für den sich immer lauter ankündigenden Elektronischen Rechtsverkehr. Anschließend stand der Gerichtsvollzieher gleich im Doppelpack vor der Tür! Obergerichtsvollzieherin Diana Frana und Obergerichtsvollzieher Thomas Lux gaben ganz praktische Hinweise zur bereits begonnenen Reform der Zwangsvollstreckung. Da nahm jede etwas mit. Den Schlusspunkt des offiziellen Teils der Tagung bildete der Vortrag von Rechtsanwalt Dr. Michael Streck. Er referierte über die optimale Rechtsform für die anwaltliche Zusammenarbeit. Im Anschluss fand die Mitgliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft statt. Das Feedback an die Veranstalter für den Veranstaltungsort und das Tagungsprogramm war äußerst positiv. Leipzig ist also definitiv zur Nachahmung auch dank der großen Unterstützung des Leipziger Anwaltsvereins als Tagungsort zu empfehlen. Rechtsanwältin Dr. Eva-D. Leinemann, Berlin DAV Büro Brüssel Deutschen Anwälten in Europa eine Stimme geben DAV bezieht neue Räume in Brüssel Einweihungsfeier Getrennt marschieren, vereint schlagen. Bereits seit 1995 hat der DAV ein Büro in Brüssel, um neben dem Rat der Europäischen Anwaltschaften (CCBE) die deutsche Anwaltschaft in Europa zu vertreten. Im April wurden neue Büroräume eingeweiht. Seit dem Jahr 2000 hatte der DAV in Brüssel seinen Sitz in eigenen Büroräumen in der Avenue de la Joyeuse Entrée. Das Büro wurde zusammen mit der Vertretung der spanischen Anwälte sowie der Delegation des Barreaux de France unterhalten. Im Jahre 2004 hatte der CCBE ebenfalls das Gebäude bezogen. Nicht erst seit dieser Zeit wird deutlich wie wichtig es ist, die Stimme der europäischen Anwaltschaft als Chor im Verbund des Rates der Europäischen Anwaltschaften, aber auch im Solo, mit dem DAV als Anwalt der Anwälte in Brüssel erklingen zu lassen. 1 1 Die ehemalige Präsidentin des Rates der Europäischen Anwaltschaften (CCBE) Rechtsanwältin Marcella Prunbauer-Glaser zusammen mit dem italienischen Leiter der CCBE-Delegation Rechtsanwalt Claudio Vermiglio (l.), dem amtierenden CCBE- Präsidenten Rechtsanwalt Evangelos Tsouroulis (r.) und Rechtsanwalt Prof. Friedrich Graf von Westphalen (DAV-Vizepräsident, 2.v.r.). Im Hintergrund der ehemalige belgische CCBE-Präsident Rechtsanwalt Georges-Albert Dal (2.v.l.) sowie der ehemalige Vorsitzende des CCBE-Finanzausschusses Rechtsanwalt Louis-Bernard Buchman (3.v.r.). So ist der CCBE naturgemäß erster Ansprechpartner für die Kommission für allumfassende Fragen. Wenn es jedoch darum geht, nationale Besonderheiten zu erfahren und sich frühzeitig auf spezifische Besonderheiten in einzelnen Mitgliedstaaten einzustellen sind die nationalen Anwaltschaften gefragt, die daher auch sehr eng mit dem Europäischen Parlament und dem Rat der EU zusammenarbeiten. Anfang 2013 sind nun CCBE gemeinsam mit der italienischen Anwaltschaft (CNF) und dem DAV in gemeinsame Büroräume im Brüsseler Europaviertel gezogen. DAV-Vizepräsident und Leiter der deutschen CCBE- Delegation Prof. Dr. Friedrich Graf von Westphalen durchschnitt zusammen mit der ehemaligen CCBE-Präsidentin Marcella Prunbauer-Glaser, dem amtierenden CCBE-Präsidenen Evangelos Tsouroulis, sowie CNF-Vizepräsident Carlo Vermiglio symbolisch das Band und eröffnete zusammen mit rund 200 Gästen aus der Anwaltschaft, Vertretern von Rat, Europäischem Parlament, Kommission, Mitglieder der Ständigen Vertretungen sowie der Büros der deutschen Bundesländer feierlich die neuen Büroräume. Rechtsanwältin Eva Schriever, DAV, Brüssel DAV-Vizepräsident Prof. Dr. Friedrich Graf von Westphalen (l.) im Gespräch mit dem Europaabgeordneten Jan-Philipp Albrecht. 3 DAV-Vorstandsmitglied und Mitglied der deutschen CCBE-Delegation Rechtsanwältin Dr. Claudia Seibel (l.) im Gespräch mit Rechtsanwältin Birgit Spießhofer (Vorsitzende des CCBE-Ausschusses Corporate Social Responsibility und Mitglied im Verfassungsrechtsausschuss). AnwBl 6 /

80 MN Aus der Arbeit des DAV Deutsche Anwaltakademie Rechtsprechungssymposium im Handels- und Gesellschaftsrecht Fortbildung ist mehr als Frontalvortrag. Im Rahmen der Tagung Aktuelle Rechtsprechung des II. Zivilsenats des BGH zum Personen- und Kapitalgesellschaftsrecht im Dialog mit Wissenschaft und Praxis am 26. Juni in Frankfurt a. M. wird der Vorsitzende des II. Zivilsenats ausgewählte aktuell entschiedene Fälle aus dem Personengesellschafts-, GmbH- und Aktienrecht vorstellen und im Anschluss mit den weiteren Referenten aus Wissenschaft und Praxis diskutieren. Betriebsratswahl 2014 Zwischen März und Mai 2014 finden bundesweit die nächsten regulären Betriebsratswahlen statt. Die ersten Vorbereitungen haben schon begonnen. Die Deutsche Anwaltakademie behandelt die Wahlen unter anderem im Sommerintensivkurs Arbeitsrecht vom 1. bis 4. Juli in Rottach-Egern. Darüber hinaus vermittelt der Kurs einen umfassenden Überblick über die neusten arbeitsrechtlichen Entwicklungen. Sorge- und Umgangsrecht nach den Reformen Mehr Rechte für leibliche Väter. Die umstrittene Reform des Sorgerechts ist am 19. Mai 2013 in Kraft getreten. Das Seminar am 19. Juli in Dortmund gibt den Teilnehmern einen Überblick über Änderungen. Behandelt werden unter anderem Bundeskinderschutzgesetz, Gesetz zur Reform der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern sowie das Gesetz zur Stärkung der Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters. Neues Seminarverzeichnis Das neue Verzeichnis mit den Seminaren für das zweite Halbjahr 2013 ist erschienen. Bis Mitte Juni bekommen Kunden der Akademie das Verzeichnis automatisch zugeschickt. Es kann kostenlos unter 030 / angefordert werden. Alle Seminare finden Sie natürlich auch im Internet. Weitere Informationen finden Sie im Internet unter AG Ausländer- und Asylrecht 10 Jahre ANA : Die Flegeljahre beginnen Arbeitsgemeinschaft mit eigenen Anwaltsnachrichten erfolgreich Die ANA der Arbeitsgemeinschaft Ausländer- und Asylrecht ist die redaktionell unabhängige Beilage der ZAR. Viele der 29 Arbeitsgemeinschaften geben Fachzeitschriften und Newsletter heraus. Immer wieder für Aufregung gerade außerhalb der Anwaltschaft sorgt seit 10 Jahren die Zeitschrift der Arbeitsgemeinschaft Ausländer- und Asylrecht. Die ANA (für Anwaltsnachrichten Ausländer- und Asylrecht) wird fünf Mal im Jahr als redaktionell unabhängiges Produkt der Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik (ZAR) des Nomos-Verlags beigefügt. Die ANA ist journalistisch gut gemacht und meinungsstark. Das Anwaltsblatt druckt zum Geburtstag das Editorial des verantwortlichen Redakteurs der ANA nach. Rechtsanwalt Rainer M. Hofmann aus Aachen erinnert sich an 10 Jahre ANA : Die ANA ist den Windeln entwachsen. 10 Jahre gibt es sie schon. Meinungsfreudig das Migrationsrecht aus der Sicht der Advokat(inn)en im Interesse der Mandanten zu beleuchten, ist die Aufgabe, die wir uns von Beginn an gestellt haben. Fehlentwicklungen beschreiben wir, über (viel mehr) Positives berichten wir. Niemand muss fürchten, dass die ANA im Teenageralter braver würde: Nicht die Präsidentin eines Landesarbeitsgerichts, die meinte, die Pressefreiheit gälte für die ANA nicht. Auch nicht der Kollege aus einer namhaften Großkanzlei, der auf Bitten von Richtern eines Oberverwaltungsgerichts Druck von oben organisieren wollte, damit wir keine Namen mehr nennen. Nicht der Vorsitzende Richter an einem VGH, der den Bericht über eine juristische Entgleisung eine Entgleisung nennt. Ebensowenig ein früherer Richter am selben VGH, der laut darüber nachdachte in dem von ihm mit herausgegebenen Kommentar, einen vom ANA -Redakteur herausgegebenen und von DAV-Mitgliedern verfassten ausländerrechtlichen Kommentar nicht mehr zu zitieren. Wegen der ANA! Neben Sippenhaft entschied er sich auch für Einzelhaft und sagte die Teilnahme an einem Seminar unserer Arbeitsgemeinschaft ab, weil der Redakteur mit auf dem Podium sitzen würde. Wegen des Bildzeitungstils der ANA. Auch nicht die Gerichtspräsidenten, denen Berichterstattung über Judikate aus ihrem Haus nicht gefiel. Um Bravheit sorgen muss sich auch nicht ein Funktionär des Bundes Deutscher Verwaltungsrichter, dem klare Worte missfielen. Und nicht der Präsident einer Bundesbehörde, der nicht wünscht, dass bei Entgleisungen die Namen seiner Mitarbeiter genannt werden. Natürlich auch nicht die diversen Leiter und Mitarbeiter von Behörden, die die von ihnen geäußerten Unerträglichkeiten nicht mit ihrem Namen verbunden wissen wollen. All diesen Herrschaften und Damenschaften sage ich: Zerbrechen Sie sich nicht unseren Kopf! Vor allem aber: Ersparen Sie uns den obrigkeitlich-frechen Ton, mit dem Sie meinen, Botmäßigkeit einfordern zu dürfen! Lernen Sie Demokratur! Nehmen Sie zur Kenntnis, was Pressefreiheit ist! Die Kolleg(inn)en schätzen die Informationen dieser Zeitschrift. Besonders die klare Sprache. Und auch, dass sie wissen, mit wem sie es zu tun haben, wenn sie die Verfasser der veröffentlichten Entscheidungen kennen. Auch das juristische Feuilleton der ANA gefällt. Ernsthaftigkeit muss nicht langweilig sein! Also auf in die nächste Dekade. Fremden Definitionen von politischer Korrektheit werden wir auch weiterhin nicht entsprechen. Den Leser(innen)en, die häufig Zuspruch äußern nicht nur aus der Anwaltschaft, nur möchten Andere oft nicht genannt werden danke ich für Aufmunterung und Unterstützung. Denjenigen, die meinen, nicht der Verursacher schlechter Nachrichten sondern deren Überbringer sei der wahrhaft Schlimme, sage ich: Überdenken Sie das, und dann lassen Sie uns reden. Rechtsanwalt Rainer M. Hofmann, Aachen 454 AnwBl 6 / 2013

81 MN Aus der Arbeit des DAV Amnesty International und DAV Menschenrechte: Anwälte helfen verfolgten Anwälten In diesem Heft: Lakshan Dias aus Sri Lanka Der Deutsche Anwaltverein unterstützt die Arbeit von Amnesty International. Im Anwaltsblatt werden regelmäßig Fälle von Anwältinnen und Anwälten vorgestellt, die sich auch unter schwierigen Bedingungen für die Einhaltung der Menschenrechte einsetzen auch wenn sie deswegen selbst Gefahr laufen, in ihrer beruflichen Tätigkeit bis hin zu massiven Bedrohungen behindert zu werden. Keine unabhängige Justiz Seit dem 4. Februar 1948 ist Sri Lanka unabhängig. Dies gilt jedoch nicht für die Judikative in Sri Lanka. Seit Mahinda Rajapaksa im Amt ist, ist die Menschenrechtslage in Sri Lanka schwierig. Die Lage hat sich mit der umstrittenen Wiederwahl des Präsidenten Mahinda Rajapaksa in 2010 verschärft. Kritische Berichterstattungen, Meinungen und Äußerungen werden mit Einschüchterungsversuchen, Drohungen, willkürlichen Inhaftierungen und dem Verschwindenlassen geahndet. Dies trifft immer wieder auch kritische Juristen und Juristinnen, die wegen ihres Einsatzes für die Wahrung von Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit eingeschüchtert oder sogar inhaftiert werden. Zuletzt traf dies den Rechtsanwalt Lakshan Dias, der verfolgt und beschattet wird. Seine Familie und Kollegen befürchten, dass er dem Verschwindenlassen und körperlicher Gewalt zum Opfer fallen könnte. Menschenrechtsanwalt Lakshan Dias Lakshan Dias ist in Sri Lanka ein bekannter Menschenrechtsanwalt. Er wird derzeit von Unbekannten verfolgt und beschattet. Im Januar 2013 wurde der oberste Richter des sri-lankischen Obersten Gerichtshofs des Amtes enthoben. Hiergegen und für die Unabhängigkeit der Judikative setzte sich Lakshan Dias ein. Auch andere Juristen, Anwälte und Anwältinnen sowie Richter und Richterinnen, die sich an Protesten für die Unabhängigkeit der Judikative beteiligt hatten, erhielten Drohungen. Richter und Richterinnen waren teilweise sogar Übergriffen ausgesetzt. Seit dem 22. Februar 2013 wird Lakshan Dias beschattet. Männer mit Motorrädern und einem weißen Lieferwagen beobachten die Wohnung von Lakshan Dias. Die Männer haben auch versucht Familienmitglieder, Nachbarn und Nachbarinnen über ihn zu befragen. Am 25. Februar 2013 hat Lakshan Dias formal Anzeige bei der Polizei von Moratuwa im Bezirk Colombo erstattet. Einer der Männer, die sich in der Wohngegend von Lakshan Dias nach ihm erkundigt haben, soll sich einem Nachbarn gegenüber als Polizist ausgegeben haben. Auf Nachfrage bei der Polizei zum vermeintlichen Polizisten, gab der Leiter der Polizeidienststelle in Moratuwa an, dass er einen Beamten mit diesem Namen nicht kennen würde. Ob die Polizei auf die Anzeige von Lakshan Dias tätig geworden ist, ist nicht bekannt. Durch Verfolgung, Beschattung und Befragung wird für Lakshan Dias eine Atmosphäre der Angst und Einschüchterung geschaffen. Weiße Lieferwagen Das Vorgehen gegen Lakshan Dias ist nicht unüblich in Sri Lanka. Es gibt nach wie vor Meldungen über Fälle mutmaßlichen Verschwindenlassens. Betroffen sind regierungskritische Menschen. Die Beschattung und Einschüchterung durch weiße Lieferwagen ist hierbei eine oft gebrauchte Methode. Weiße Lieferwagen werden Menschenrechtsanwalt Lakshan Dias aus Sri Lanka in Sri Lanka mit den einer Entführung ähnelnden Festnahmemethoden der sri-lankischen Behörden in Verbindung gebracht. Bei solchen Festnahmen durch die sri-lankischen Behörden wird oftmals über Folter in Polizeigewahrsam und willkürliche Inhaftierung berichtet. Häufig erfolgen die Inhaftierungen an unbekannten Orten, so dass Angehörige des Inhaftierten über dessen genauen Aufenthaltsort im Ungewissen bleiben. Es bleibt zu hoffen, dass Lakshan Dias wegen seines Einsatzes für die Menschenrechte und eine unabhängige Justiz nicht inhaftiert wird oder einem Verschwindenlassen zum Opfer fällt. Rechtsanwältin Dr. Mary Lachmann, LL.M., Amnesty International Mit der Veröffentlichung der Fälle von Kolleginnen und Kollegen, die sich auch in schwierigen Situationen für die Einhaltung der Menschenrechte einsetzen, will der DAV einen Beitrag zu ihrem Schutz leisten. Wollen Sie sich auch ganz persönlich einsetzen? Nähere Informationen unter Dort finden Sie aktuelle Fälle von bedrohten Anwältinnen und Anwälten und Informationen, wie Sie sich engagieren können. AnwBl 6 /

82 MN Aus der Arbeit des DAV AG Bau- und Immobilienrecht Verjüngungskur der Baurechtstagung großer Erfolg Planen, Bauen, Haften, Streiten: 41. Baurechtstagung in Dresden Die Arbeitsgemeinschaft Bau- und Immobilienrecht im Deutschen Anwaltverein hat nun endgültig die Verjüngungskur der halbjährigen Tagungen umgesetzt. Mit der 41. Baurechtstagung im Taschenbergpalais in Dresden wurde das neue Konzept perfektioniert. Dies gilt sowohl für das Fachprogramm mit einer neuen Einführungsveranstaltung als auch für das Rahmenprogramm mit einer entstaubten Abendveranstaltung. Mittlerweile bewährt hat sich die so genannte Einführungsveranstaltung für junge Baurechtler. Diese hat nun bereits zum vierten Mal stattgefunden und war zum ersten Mal ein umfassender Parforceritt durch sämtliche Haftungsthematiken am Bau. Zur Erinnerung: Ein Extra für junge Baurechtler Die drei vergangenen Einführungsveranstaltungen gingen vor allem um die Bearbeitung des baurechtlichen Mandats hinsichtlich der Vertragsgestaltung sowie Akten- und Kanzleiführung. Herausstechend war auch der umfassende Vortrag zum Versicherungsrecht. Da diese Materie sicher auch vielen gestandenen Baurechtlern nicht unbedingt umfassend geläufig war, zeigten sich dort auch einige erfahrenere Gesichter. Nun ist die Einführungsveranstaltung in einem ganz wesentlichen Kernbereich der alltäglichen Arbeit des Baurechtlers angekommen: Die Haftung für Mängel und das nahezu immer vorliegende Zusammenwirken mehrerer Beteiligter. Diese typische Gemengelage wurde äußerst praxisgerecht und situationsbezogen erläutert. Man kann fast sagen, dass keine Thematik unerwähnt blieb. Auch wenn für vertiefte Ausführungen zu Sachwaltern, Sonderfachmännern, sogenannten handwerklichen Selbstverständlichkeiten, Arbeiten mit Signalwirkung, Organisationsverschulden, Mitwirkungsobliegenheit, Zurverfügungstellung mangelfreier Pläne, Kausalitätsfragen, Gesamtschuldnerschaft, Quote und Kostenbeteiligung des Bauherrn zur Mangelbeseitigung die Zeit nicht ausgereicht hat, so hat der kurzweilige Vortrag von Rechtsanwalt Christian Meier (Weimar) doch für die Vielseitigkeit der rechtlichen Thematiken im Baurecht sensibilisiert. So gestärkt konnte in das weitere Fachprogramm eingetreten werden, dem sicher auch die erfahrenen Baurechtler einen Reiz abgewinnen konnten. Zunächst wurden zwei sehr interessante neue Überlegungen zum Umgang mit typischen Baurechtsfällen erläutert. Für die anschließende Diskussion war die Fragestellung streitbar, inwiefern ein planender Architekt auch für eine Planung zur Sanierung eines sich verkörperten Baumangels herangezogen werden kann oder muss. Hiermit verknüpft ist natürlich auch die Frage, ob ein zur Nacherfüllung in Anspruch genommener Bauunternehmer vom Auftraggeber eine Sanierungsplanung verlangen kann, so dass der Bauherr gegebenenfalls in Annahmeverzug der Nacherfüllung gerät. Konsequenz wäre dann, dass die Fristsetzung zur Nacherfüllung zunächst wirkungslos wäre. Der Vortrag war offenbar bewusst offen gehalten, so dass eine weitergehende Befassung mit diesem Thema in der Diskussion und in der Kaffeepause Wurzeln schlug. BGH-Rechtsprechung aus erster Hand Bei jeder Neustrukturierung bleibt Bewährtes natürlich erhalten. Dementsprechend konnte die ARGE Baurecht zwei Richter des für das Baurecht zuständigen VII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs, Claus Halfmeier und Prof. Dr. Rolf Kniffka als Dozenten gewinnen. Halfmeier erläuterte seine Überlegungen zur Höhe des Schadensersatzes statt der Leistung bei nicht beseitigten Baumängeln, anhand derer eine Überkompensation verhindert werden soll. Man muss sich wohl drauf einstellen, dass dies auch irgendwann so vom Bundesgerichtshof entschieden werden wird. Am nächsten Tag erläuterte der Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof Kniffka die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu überhöhten Einheitspreisen. Dabei schilderte er anschaulich, dass es nicht immer das 800-fache eines üblichen Preises sein müsse, um zur Sittenwidrigkeit eines Preises zu gelangen, da es letztlich auf eine Gesamtschau des Einzelfalls ankomme, wonach die Überhöhung des Einheitspreises nur ein Aspekt sei und der absolute Mehrpreis sowie die Relation zum Gesamtpreis ebenfalls eine Rolle spielt. Große Bandbreite von Themen Ein Vortrag im Dialog zwischen einem Baurechtsanwalt und einer Richterin zu den Möglichkeiten der Beschleunigung des Bauprozesses hat den Teilnehmern nicht nur ins Gewissen geredet, sondern gezeigt, wie sich unnötige Verzögerungen tatsächlich vermeiden lassen. Ein Vortrag zu alternativen Streitbeilegungsmöglichkeiten, insbesondere Schiedsverfahren, Schlichtung und Adjudikation, war interessant, wenn auch nicht unbedingt für die alltägliche Praxis eines jeden anwesenden Baurechtsanwalts. Gleichwohl kann auch ein Blick über den Tellerrand hinaus nicht schaden. Quasi aus erster Hand wurde der aktuelle Zwischenstand zur noch dieses Jahr erwarteten HOAI-Novelle 2013 erläutert. Das ersparte so manchem Architektenrechtler möglicherweise ein eigenes zeitintensives Durcharbeiten des Referentenentwurfs. Auch der abschließende Vortrag zur Honorierung von Planungsänderungen war durchweg anschaulich und bot den Teilnehmern eine Auswahl an Möglichkeiten, wie mit diesen wiederum sehr strittigen aber ungemein praxisrelevanten Sachverhalten umgegangen werden kann. Das Fachprogramm, das merklich die Diskussionsfreude und das Zusammenfinden der Kollegenschaft fördern sollte, wurde durch die stimmige Abendveranstaltung abgerundet. Stehtische, Liveband und eine Bar lockerten die Atmosphäre auf. Denn gerade die Gespräche am Rande der Fachvorträge machen auch den Wert einer guten Tagung aus. Rechtsanwalt Johannes Jochem, Wiesbaden Information zur Arbeitsgemeinschaft Bau- und Immobilienrecht im Internet unter schaften/bau-und-immobilienrecht. 456 AnwBl 6 / 2013

83 MN Aus der Arbeit des DAV DAV Italien Anwaltsverein Hannover DAV Italien feiert 5-jähriges Jubiläum in Mailand Ewer: Lebendiges Bindeglied zwischen Anwälten und avvocati Der Deutsche Anwaltverein Italien (DAV Italien/Associazione degli Avvocati italo-tedeschi in Italia DAV Italia) hat am 12. und 13. April 2013 sein fünfjähriges Bestehen gefeiert und empfing neben Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolfgang Ewer, Präsident des Deutschen Anwaltvereins, zahlreiche Gäste aus dem In- und Ausland in der norditalienischen Metropole Mailand, zugleich Sitz des Vereins. Der Verein wurde im Oktober 2007 als dritter Auslandsverein des DAV in Mailand gegründet und konnte bereits von Anfang an eine wachsende Mitgliederanzahl aufweisen. Rechtsanwalt und Avvocato Dr. Stephan Grigolli (Vorsitzender des DAV Italien) begrüßte gemeinsam mit seinen beiden Vorstandskollegen Avvocato und Rechtsanwältin Paola della Campa und Rechtsanwalt und Avvocato Tankred Thiem das Auditorium und erläuterte in seiner Eröffnungsansprache im Mailänder Palazzo delle Stelline die Gründungsidee des Vereins. Grigolli ging zudem auf die nicht nur für eine rechtsberatende Tätigkeit im zwischenstaatlichen Bereich relevanten wesentlichen Wahrnehmungsunterschiede zwischen Deutschen und Italienern ein. Der Generalkonsul der Bundesrepublik Deutschland in Mailand, Jürgen Bubendey, unterstrich die engen wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zwischen Deutschland und Italien. DAV-Präsident Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolfgang Ewer wies auf die zunehmende Internationalisierung des Rechts hin und begrüßte in diesem Zusammenhang sehr die Initiativen des Vereins, der sich seit seiner Gründung als sehr lebendiges Bindeglied zwischen deutschen und italienischen Anwälten bewährt habe. Der Festredner der Jubiläumsveranstaltung, Dr. Jörg Bremer, politischer Korrespondent für Italien und den Vatikan der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), schilderte in seinem Festvortrag Italiens Justiz, Politik, Gesellschaft: auf dem Weg in die Zukunft? sehr eindrucksvoll und Gratulierte für den DAV: DAV-Präsident Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolfgang Ewer. 2 Am Rednerpult: Der Vorsitzende des DAV Italien Rechtsanwalt und Avvocato Dr. Stephan Grigolli. 3 Die norditalienische Metropole Mailand ist Sitz des DAV Italien (Gruppenbild auf dem Mailänder Dom). mit zahlreichen persönlichen Eindrücken die aktuelle (durchaus spannende) Situation Italiens und wagte einen interessanten Blick in die Zukunft. Der Verein Der DAV Italien ermöglicht einen lebhaften Austausch der im zwischenstaatlichen Bereich tätigen Rechtsanwälte und avvocati, schafft ein enges Netzwerk mit Partnern und Institutionen (zum Beispiel örtlichen Anwaltvereinen in Deutschland, Auslandsvereinen, der Deutsch-Italienischen Handelskammer in Mailand, den deutschen Auslandsvertretungen in Italien), organisiert Arbeitstagungen und Kongresse in beiden Ländern und verschiedene Veranstaltungen in Kooperation mit den Anwaltvereinen in Deutschland zum Thema Italien. Er unterstützt zudem Kollegen und rechtsuchende Bürger, indem er Kontakte vermittelt, er hilft Referendaren und Studenten bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz und leitet Lebensläufe an interessierte Kanzleien weiter. Rechtsanwalt & Avvocato Dr. Stephan Grigolli Weitere Informationen unter Anwaltsverein 2.0 Neue Wege der Mitgliederwerbung Anwaltsverein informiert durch Werbefilm Warum soll ich in den Anwaltsverein eintreten? Welchen Service bietet mir der örtliche Anwaltsverein? Rechnet sich der Mitgliedsbeitrag? Diese Fragen werden seit einigen Wochen auf der Website des Rechtsanwalts- und Notarvereins Hannover in einem Kurzfilm beantwortet. Der Anwaltverein geht so neue Wege der Mitgliederwerbung. Bei Eingabe der Stichworte Anwaltsverein + Hannover zeigt die Internet- Suche Google neben der Homepage des Anwaltsvereins Hannover auch ein Video an. In 3:22 Minuten erfährt der Betrachter, dass der Anwaltsverein neben Anwaltsfächern unter anderem auch einen Kurierdienst für Gerichtspost, einen Parkplatz und Computer im Anwaltszimmer zur Nutzung zur Verfügung stellt. Der Film ist bisher sehr positiv aufgenommen worden, so Projektleiter und Vorstandsmitglied Rechtsanwalt Marc Y. Wandersleben. Ermöglicht und realisiert wurde der Film durch die auf Kurzfilme spezialisierte Firma Hinz CTS GmbH ( Durch das von der Agentur in Vorarbeit konzeptionelle abgestimmtes Storyboard dauerte der Drehtag nur rund vier Stunden. Der Sprachtext wurde abgestimmt und von einem professionellen Sprecher eingesprochen. Der zeitliche Aufwand für die beteiligten Vorstandskollegen war somit sehr überschaubar und hat den anwaltlichen Alltag um eine Erfahrung mehr bereichert. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Der Anwaltsverein kommt über das Netz in die Kanzlei. Der Werbefilm ist abrufbar unter: AnwBl 6 /

84 MN Aus der Arbeit des DAV Personalien Konrad Redeker 90 Rechtsanwalt Prof. Dr. Konrad Redeker (Bonn) wird am 21. Juni 2013 neunzig Jahre alt. Sein berufliches Wirken und sein Engagement für die deutschen Anwältinnen und Anwälte sind schon mehrfach im Anwaltsblatt gewürdigt worden. Mit Blick auf fast 60 Jahre Anwaltsleben wird deutlich, was neben allen beruflichenerfolgenundverdienstendie Persönlichkeit von Konrad Redeker besonders herausragen lässt: Konrad Redeker war stets bei denen, die Neuerungen und Fortentwicklungen aufgeschlossen gegenüberstanden und die sie vorangetrieben haben. Neuland betrat Konrad Redeker schon als junger Anwalt Er nahm das Angebot von Prof. Dr. Hans Dahs sen. an, eine Sozietät zu gründen. Das war höchst ungewöhnlich, gab es doch bis dahin in Bonn Sozietäten allenfalls zwischen Kollegen, die miteinander verwandt waren. Dass ein gestandener Anwalt sich entschloss, einen fremden jungen Anwalt zu seinem Sozius zu machen, stieß unter den örtlichen Kollegen auf große Skepsis. Beide Protagonisten haben sich von diesen Vorbehalten nicht beeindrucken lassen. Die Geschichte hat gezeigt, wie Recht sie damit hatten: In kaum zu überschätzender Weise hat Konrad Redeker zum Erfolg der Sozietät beigetragen und ist dabei in Berufspraxis und Wissenschaft einer der führenden deutschen Verwaltungsrechtler der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts geworden. Konrad Redeker trug von Anfang an den Titel eines Fachanwalts für Verwaltungsrecht. Schon 1955 aber wurde die Vergabe weiterer Fachanwaltstitel unterbunden. Konrad Redeker war nicht bereit, dies auf Dauer hinzunehmen, und so erwirkte er in einem Verfahren, das er für einen seiner Sozien führte, schließlich ein Urteil, mit dem das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber aufgab, neue gesetzliche Regelungen zu schaffen. Der Rest, nämlich die fulminante Entwicklung der Fachanwaltsbezeichnungen und ihre immense Bedeutung für die heutige Stellung der Anwältinnen und Anwälte im Beratungsmarkt, ist (Anwalts-) Geschichte! Neue Wege ging die von Konrad Redeker geführte Sozietät Ende der 1980er Jahre auch, als sie zu den ersten gehörte, die sich in Form einer überörtlichen Sozietät mit einer auswärtigen Anwaltsgemeinschaft zusammenschloss. Konrad Redeker war es auch, der früh erkannte, dass in größer werdenden Anwaltssozietäten nicht mehr alle Sozien alles entscheiden können und dass nicht für alle Entscheidungen Einstimmigkeit notwendig sein darf. Er führte einen Management-Ausschusses in der Sozietät ein, als in deutschen Anwaltsbüros das Wort Managing Partner noch ein Fremdwort war. Das alles ist heute eine Selbstverständlichkeit. Neben allen diesen Aktivitäten und Initiativen war es Konrad Redeker über die Jahrzehnte hinweg ein Anliegen, die Vergangenheit der deutschen Juristen, insbesondere der Anwaltschaft, und ihre Rolle im Justizsystem der nationalsozialistischen Zeit aufzuarbeiten. Den entscheidenden Anstoß zu dieser überfälligen Befassung der deutschen Juristen mit ihrer jüngsten Geschichte gab Konrad Redeker im Jahre 1964 mit einem Aufsatz zum Thema Bewältigung der Vergangenheit als Aufgabe der Justiz in NJW 1964, 1097 ff.. Auch die Deutschen Juristentage 1968 in Nürnberg und 1970 in Mainz befassten sich unter der Leitung von Konrad Redeker mit diesem Thema. Besonders wichtig war es Konrad Redeker, das persönliche Schicksal jüdischer Kolleginnen und Kollegen aufzuklären und die Erinnerung an diese Schicksale zu bewahren. Deshalb hat Konrad Redeker die Gedenkstätte zur Erinnerung an das Schicksal jüdischer Kolleginnen und Kollegen mit initiiert, die sich im Innenhof des DAV-Hauses in der Littenstraße in Berlin befindet. Nicht zuletzt dieses Engagement belegt die vorbildliche und noble Haltung, die das berufliche Leben von Konrad Redeker geprägt hat und die ihn für fünf Jahrzehnte zu einem der führenden Anwälte der Bundesrepublik Deutschland und zu einem persönlich hochgeschätzten Kollegen hat werden lassen. Für dieses verdiente und erfüllte Anwaltsleben gebühren Konrad Redeker, der seit 2003 Ehrenmitglied des Deutsche Anwaltvereins ist, Achtung, Dank und alle guten Wünsche für die Zukunft. Rechtsanwalt Dr. Friedwald Lübbert, Vizepräsident des DAV, Bonn Leben und Wirken von Konrad Redeker haben im Anwaltsblatt ausführlich gewürdigt Schardey (AnwBl 1993, 387), Brangsch (AnwBl 1998, 326), Johlen (AnwBl 2003, 400) und Busse (Editorial im Februar-Heft des Anwaltsblatts 2004). Paul-Werner Beckmann { Rechtsanwalt und Notar Paul-Werner Beckmann (Herford) ist am 1. Mai 2013 im Alter von 68 Jahren verstorben. Der Anwaltsnotar war ein DAV-Urgestein im besten Sinne. Von 1986 bis 1997 Vorsitzender des Anwaltsvereins Herford, gehörte er von 1991 bis 2009 dem Vorstand des Deutschen Anwaltvereins an. Er war über viele Jahre Vorsitzender des Reno-Ausschusses und des Ausschusses Anwaltsnotariat, Mitglied des Ausschusses Arbeitsrecht und des Geschäftsführenden Ausschusses der von ihm mitgegründeten Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht. Der von ihm 1999 initiierten Arbeitsgemeinschaft Sportrecht saß er zehn Jahre lang vor. Paul-Werner Beckmann war ein unermüdlicher Streiter für die Sache der Anwaltschaft, sein Berufsethos war seine Triebfeder. Den Anwaltsberuf sah er wie er 2009 beim Ausscheiden aus dem DAV-Vorstand im Anwaltsblatt schrieb nicht als Job, sondern als unverzichtbare Aufgabe, um das Leben der Bürgerinnen und Bürger etwas erträglicher, insbesondere gerechter zu machen. Besonders am Herzen lag ihm der anwaltliche Nachwuchs, für dessen angemessene Entlohnung er sich immer wieder aktiv einsetzte. Mit seinem ehrenamtlichen Engagement ist Paul-Werner Beckmann zu einem Vorbild geworden: Kämpferisch in der Sache, aber nie verbissenkonntesichderdavaufihnverlassen hat der Deutsche Anwaltverein Beckmann das Ehrenzeichen der Deutschen Anwaltschaft verliehen. Wir werden ihn vermissen. Rechtsanwältin und Notarin Edith Kindermann, DAV-Vizepräsidentin und Anwaltsblatt-Herausgeberin, Bremen Dr. Cord Brügmann Rechtsanwalt Dr. Cord Brügmann (Hauptgeschäftsführer des Deutschen Anwaltvereins) hat den Vorsitz der europäischen Organisation der Hauptgeschäftsführer von Anwaltsorganisationen übernommen. Bereits im September 2012 war er auf der jährlichen Konferenz der Chief Executives of European Bar Associations (CEEBA) gewählt worden. Er hat den Vorsitz vom Hauptgeschäftsführer der Law Society of England and Wales, Desmond Hudson, übernommen. Die CEEBA besteht seit 1960 und hat zurzeit 18 Mitglieder. Sie bietet den Hauptgeschäftsführern ihrer Mitgliedsorganisationen ein Forum für Diskussion und Erfahrungsaustausch. Im September 2013 richtet der DAV die jährliche Konferenz der CEEBA in Berlin aus. Eine Besonderheit ist, dass diese mit dem jährlichen Treffen der internationalen Organisation der Hauptgeschäftsführer von Anwaltsorganisationen, dem International Institute of Law Association Chief Executives (IILACE) verbunden wird. 458 AnwBl 6 / 2013

85 MN Haftpflichtfragen 460 Versicherungslösungen bei Auslandsberührung: Vorausdenken ist gefragt Rechtsanwalt Dr. Stefan Riechert, Allianz Versicherungs-AG, München In der Berufshaftpflichtversicherung von Anwälten sind Ausschlüsse für Mandate mit Auslandsbezug gesetzlich zulässig. Der Autor erläutert, worauf Kanzleien achten sollten und stellt Lösungen für Sonderfälle vor. Rechtsprechung 464 Fallgewichtung für Fachanwaltstitel: Zulässig in überprüfbaren Grenzen BGH, Urt. v AnwZ (Brfg) 54/11 Die größte Hürde auf dem Weg zum Fachanwalt: Die notwendigen Fälle als Nachweis praktischer Erfahrung. Verfassungsrechtlich bedenklich ist vor allem die (Minder-)Gewichtung. Der BGH setzt den Kammern jetzt strenge, überprüfbare Vorgaben und löst so das Problem der unbestimmten Norm in der FAO. Rechtsprechung 466 Fachanwalt: Kein Widerruf bei Verstoß gegen Nachweispflicht BGH, Urt. v AnwZ (Brfg) 16/12 Der Fachanwalt muss seiner Rechtsanwaltskammer unaufgefodert nachweisen, dass er seine Pflichtfortbildung abgeleistet hat. Und wenn er gegen diese Pflicht verstößt? Dann kann die Kammer nur rügen, nicht aber den Fachanwaltstitel widerrufen, solange sich der Anwalt denn fortgebildet hat. Landgericht Saarbrücken 467 Rentenversicherungspflicht: Befreiung nur für konkrete Tätigkeit BSG, Urt. v B 12 R 3/11 R Das BSG hat mit einem Grundsatzurteil entschieden, dass jeder angestellte Anwalt bei einem Wechsel des Beschäftigungsverhältnisses einen neuen Befreiungsantrag stellen muss. Das Urteil und seine Konsequenzen besprechen Horn/ Jung in diesem Heft (AnwBl 2013, 420).

86 MN Haftpflichtfragen Haftpflichtfragen Versicherungslösungen bei Auslandsberührung: Vorausdenken ist gefragt Der Anwalt sollte die Grenzen des Versicherungsschutzes kennen Rechtsanwalt Dr. Stefan Riechert, Allianz Versicherungs-AG, München Jeder Rechtsanwalt in Deutschland ist verpflichtet, für Berufsfehler eine Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen. In der Berufshaftpflichtversicherung sind Ausschlüsse für Mandate mit Auslandsbezug gesetzlich zulässig. Im Folgenden werden die Tätigkeiten des Rechtsanwalts mit Auslandsbezug aus deckungsrechtlicher Sicht dargestellt und Lösungen für Sonderfälle diskutiert. A. Standarddeckung und Auslandsschutz In der Pflichtversicherung können bestimmte Tätigkeiten des Anwalts mit Auslandsbezug vom Deckungsschutz ausgenommen werden ( 51 Abs. 3 Ziffer. Nr. 2, 3 und 4 BRAO). Die Ausschlüsse finden sich in den verschiedenen Allgemeinen und Besonderen Versicherungsbedingungen sowie in den Risikobeschreibungen für Rechtsanwälte wieder (stellvertretend für alle, siehe die Allianz-Bedingungen für Rechtsanwälte, Teil 2 A Ziff. 2.1 AVB-RSW, HV 60). Bei der Beurteilung sind zwei unterschiedliche Interessen zu beachten. Vorrangig der Schutz des rechtsuchenden Publikums (BT- Drs. 12/4993, S. 31) und das Interesse des Rechtsanwalts für seine berufliche Tagesarbeit Deckungsschutz zu haben, auf der anderen Seite das Interesse des Versicherers über die Versichertengemeinschaft ein ausgewogenes und kalkulierbares Risiko zu erhalten (zu Haftungsfragen, Jungk, Globalisierung und Haftung: Risiken beim grenzüberschreitenden Mandat, AnwBl 2012, 1000 ff). Bei Risikoausschlussklauseln führt das Interesse des Versicherungsnehmers in der Regel dahin, dass der Versicherungsschutz nicht weiter verkürzt werden darf als der erkennbare Zweck der Klausel dies gebietet (BGH v , IV ZR 89/98, Rd. 10). Die Ausschlüsse sind enumerativ aufgeführt. Im Umkehrschluss besteht daher eine weitgehende Deckung bei einem Auslandsbezug. Nach den Standarddeckungen ist der Rechtsanwalt versichert, wenn es sich um europäisches Recht handelt, nicht aber bei außereuropäischem Recht. Konkret besteht Deckung, wenn der Anwalt im europäischen Recht berät oder sich damit beschäftigt oder er vor einem europäischen Gericht tätig wird oder auch wenn er vor einem europäischen Gericht in Anspruch genommen wird. Die einzige Ausnahme bildet die Tätigkeit über eine Auslandsniederlassung. Diese Tätigkeit ist grundsätzlich weder im europäischen noch im außereuropäischen Ausland versichert. Insgesamt gilt dies für die Pflichtversicherung, das heißt für eine Versicherungssumme von Euro (bei einer Rechtsanwalts-GmbH 2,5 Mio Euro). Oberhalb der Pflichtversicherungssummen können andere Bedingungen gelten. Der Regelfall ist aber, dass Einheitlichkeit besteht, zumindest dann, wenn ein einzelner Versicherer die gesamte Deckung vorhält (zum Beispiel ist dies in Teil 2 A Ziff. 4 AVB-RSW geregelt: Bei Überschreiten der Pflichtversicherungssumme gelten die allgemeinen Regelungen entsprechend, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist). Zu beachten ist die Regelung zur Inanspruchnahme des Rechtsanwalts vor außereuropäischen Gerichten (Teil 2 A Ziff. 4.1 AVB-RSW). Dieser Sachverhalt ist in den gesetzlich zulässigen Ausschlüssen in 51 BRAO nicht erwähnt. Danach kann in der Pflichtversicherung die Inanspruchnahme des Rechtsanwalts vor außereuropäischen Gerichten nicht ausgeschlossen werden. Grundsätzlich wäre auch bei höheren Versicherungssummen die Inanspruchnahme mitversichert, aber hier gibt es eine Ausnahme. Die Leistungspflicht des Versicherers ist auf die Pflichtversicherungssumme von Euro bei einer GmbH auf 2,5 Mio Euro beschränkt, wenn nichts anderes bestimmt ist. B. Die Ausschlüsse im Einzelnen I. Tätigkeiten über in anderen Staaten eingerichtete oder unterhaltene Kanzleien oder Büros ( 51 Abs. 3 Ziff. 2 BRAO) 1. Ausländische Büros Wichtig ist, dass nicht jede Betreuung eines Mandats im Ausland gleich die Deckung ausschließt. Der Ausschluss besteht, wenn die Tätigkeit über in anderen Staaten eingerichtete oder unterhaltene Kanzleien oder Büros ausgeübt wird. Entscheidend ist hier die Abgrenzung zur bloßen Tätigkeit. Versicherungsschutz besteht, wenn ein Anwalt in das Ausland reist, zum Beispiel nach Zürich, den Mandanten gleich ob Deutscher oder Ausländer am dortigen Unternehmenssitz aufsucht und ihn dann berät. Anders aber, wenn er für seine Aufenthalte in Zürich ein eigenes Büro mit Kanzleischild eröffnet, auch wenn der Hauptsitz weiterhin in Deutschland bleibt. Wann tatsächlich ein selbständige Niederlassung/Büro/Kanzlei im Ausland vorliegt, ist nicht von vornherein klärbar. Auf der einen Seite ist die bloße einmalige Anmietung von Besprechungsräumen noch keine eingerichtete Kanzlei. Auf der anderen Seite ist das Interesse des ausländischen Staats zu berücksichtigen, zum Beispiel ein dort belegenes Risiko durch einen lokal zugelassenen Versicherer absichern zu lassen und Mandanten vor missbräuchlicher Rechtsberatung zu schützen. Hierbei ist eher eine sehr enge Auslegung zu ziehen und im Zweifel eine lokale Lösung zu suchen, da es sich nicht nur um ein deckungsrechtliches Problem handelt, sondern um ein aufsichtsrechtliches. Eine Kanzlei, die plant eine Niederlassung im Ausland einzurichten, sollte sich unbedingt abstimmen, auch wenn es sich nur um eine Adresse handelt. 2. Non-admitted Problematik Der Grund dafür, dass der Gesetzgeber die Deckung für ausländische Niederlassungen nicht in die Pflichtversicherung aufgenommen hat, liegt darin, dass er Sachverhalte mit Auslandsbezug nur eingeschränkt regeln kann. Nach dem Territorialitätsprinzip sind staatliche Hoheitsakte im Ausland verboten, sofern sie nicht durch den anderen Staat zugelassen oder völkerrechtlich gerechtfertigt sind (zum Beispiel Entscheidung des BVerfG v. 22. März 1983, 2 BvR 475/78). Einer 460 AnwBl 6 / 2013 Haftpflichtfragen

87 MN Haftpflichtfragen ausländischen Zweigniederlassung einer deutschen Kanzlei vorzuschreiben, sie müsse eine Versicherung nach 51 BRAO aufrechterhalten, ist schlichtweg nicht möglich. Es wäre ein illegitimer Hoheitsakt des deutschen Gesetzgebers gegenüber dem ausländischen Staat. Hieraus ergibt sich die so gennante non-admitted Problematik (wörtlich heißt nonadmitted, dass der Versicherer lokal nicht zugelassen ist). Das Territorialitätsprinzip bedeutet auch, dass jeder Staat das Versicherungswesen selbständig regeln und die Tätigkeit unter Erlaubnisvorbehalt stellen kann, in Deutschland gem. 5 Abs. 1 VAG (im Ganzen hierzu, Langheid/Grote, Droht die Rote Karte?, VW 2008, 630 ff). Versicherungsunternehmen mit Sitz in der EU/EWR dürfen EU/EWR-weit nach Durchlaufen des Notifikationsverfahrens Versicherungen anbieten. Das Versicherungsunternehmen braucht daher nicht in jedem EU/EWR-Staat eine örtlich zugelassene Niederlassung zu haben, um seine Dienstleistungen anbieten zu dürfen. Bei bestimmten Versicherungen und insbesondere Pflichtversicherungen wie bei Rechtsanwälten in der Europäischen Union üblich (Staaten der EU außer Griechenland, Lettland, Malta; Stand ; zu finden unter Germany Trade & Invest, muss der Versicherer jedoch sicherstellen und bestätigen, dass die Versicherung der ausländischen Rechtsanwälte in der Zweigniederlassung den dortigen gesetzlichen Vorgaben entspricht, Art. 7 Abs. 4 Rom I-VO. Es kommt dabei auf den Sitz der örtlichen Rechtsanwaltskanzlei an. Etwas anderes gilt außerhalb der EU/EWR. Hier besteht die non-admitted Problematik. Jedes Land regelt hier, wann und unter welchen Bedingungen ein Versicherungsunternehmen oder auch ein Makler lokal tätig werden darf. Die Staaten schützen die lokale Versicherungsindustrie und ihre Verbraucher. Auch möchten sie nicht auf Steuereinnahmen verzichten. In ca. 140 Ländern bestehen deshalb besondere und unterschiedliche Regelungen. 3. Möglichkeiten der Versicherung von Auslandsniederlassungen a) Freedom of Services -Policen (FOS-Policen) Zumindest in der Europäischen Union besteht grundsätzlich die Möglichkeit, Zweigniederlassungen der deutschen Kanzlei im deutschen Vertrag durch eine FOS-Police zu versichern Freedom of Services -Police. Aufgrund der Dienstleistungsfreiheit kann der deutsche Versicherer Versicherungsleistungen innerhalb der Grenzen der Europäischen Union anbieten. Die Lösung ist auf den ersten Blick einfach, berücksichtigt aber nicht die Besonderheiten bei wirtschaftsberatenden Berufen. Anwälte unterliegen in der Europäischen Union oftmals der Pflichtversicherung oder einer Anzeigepflicht mit Bestätigung einer Versicherung. Diese Pflichtversicherung kann aufgrund der örtlichen Besonderheiten über den deutschen Vertrag nicht geboten werden. Die für die Zulassung als Anwalt notwendige Versicherungsbestätigung kann nicht über den deutschen Vertrag für die ausländische Niederlassung abgegeben werden. Aufgrund der Lösung über den Vertrag in Deutschland findet zudem die Schadenbearbeitung auch in Deutschland statt. Bei einem Schadenfall im Ausland kann die Bearbeitung ohne den örtlichen Versicherer ineffizient sein und erheblich höhere Kosten verursachen. b) Difference in Conditions/Difference in Limits (DIC/DIL) beziehungsweise Master-Cover-Lösungen Zumeist lösen die Auslandsniederlassungen ihre Versicherungsfragen vor Ort. Die örtliche Niederlassung deckt ihren Versicherungsbedarf lokal. Die Schadenbearbeitung erfolgt vor Ort, die Tochter hat den passenden Versicherungsschutz nach lokalen Usancen ( good local standard ) und die Kanzlei in Deutschland muss sich nicht um Versicherungsfragen im Ausland kümmern. Häufig besteht jedoch der Wunsch, den gleichen Versicherungsschutz sowohl nach Höhe als auch nach Umfang wie in Deutschland zu erhalten. (im Ganzen dazu, Bialowons und Kerst, Rahmenbedingungen bei der Gestaltung von internationalen Haftpflicht-Versicherungsprogrammen, r+s, 2011, 317 ff). Möchte die Kanzlei die lokale Deckung ihrer Zweigniederlassung im Ausland an die deutsche Deckung anpassen, wird über den deutschen Vertrag zusätzlicher Versicherungsschutz durch eine so genannte DIC/DIL-Klausel in einem Master Cover zur Verfügung gestellt. Die deutsche Deckung, der Master-Cover, wird mit der lokalen Deckung vor Ort verbunden. Entscheidend sind dabei zwei Klauseln: die DIC-Klausel (difference in conditions, Konditionen-/ oder Bedingungsdifferenzklausel) und die DIL-Klausel (difference in limits, Summendifferenz- oder Summenanpassungsklausel). Beide Klauseln werden grundsätzlich in den deutschen Master-Cover aufgenommen und nicht in die lokale Versicherungspolice der Zweigniederlassung. Die lokale Deckung hat zum Beispiel aufgrund der dortigen üblichen Deckungen oder der fehlenden Kapazitäten der lokalen Versicherungsindustrie nur eine geringe Versicherungssumme, der Vertrag in Deutschland hat eine höhere Versicherungssumme. Um die Lücke zwischen der örtlichen und der deutschen Versicherungssumme zu schließen, wird eine Anschlussversicherungssumme oberhalb der örtlichen Versicherungssumme zur Verfügung gestellt. Wichtig ist dabei, dass die Versicherungssumme aus der Master-Police erst im Anschluss an die örtliche Versicherung zur Verfügung steht. Schäden innerhalb der örtlichen Versicherungssumme berühren die Versicherungssumme aus dem Master-Cover nicht. In der deutschen Deckung besteht in der Regel ein weitergehender Versicherungsschutz als in der örtlichen Deckung. Die Niederlassung ist nach dem dortigen good local standard versichert. Good local standard bedeutet, dass derjenige Versicherungsschutz besteht, der üblicherweise durch einen dortigen Versicherer als Standarddeckung gewährt wird. Es kann zum Beispiel die lokale Pflichtversicherung sein. Den gleichwertigen Schutz mit der deutschen Deckung stellt die DIC-Klausel her. Wenn der Versicherungsumfang der deutschen Versicherung weiter geht als der der örtlichen Versicherung, gilt der Versicherungsumfang der deutschen Deckung. Fehlt zum Beispiel in der örtlichen Versicherung die Deckung für anwaltlich notwendige Übersetzungstätigkeiten, wird über den Master-Cover der deutschen Police auch die Deckung für Übersetzungstätigkeiten der Anwälte in der Zweigniederlassung gewährt. Beide Klauseln werden als DIC/DIL-Klauseln im deutschen Vertrag verankert. Der deutsche Vertrag wird zu einem Master-Cover. Voraussetzung ist aber immer, dass ein örtlicher Versicherungsschutz überhaupt besteht und dann im Schadenfall nicht ausreichend ist. Andernfalls müsste in der deutschen Versicherung jeweils der örtliche Versiche- Rechtsprechung Haftpflichtfragen AnwBl 6 /

88 MN Haftpflichtfragen rungsschutz abgebildet werden. Dies wäre schlichtweg nicht möglich aufgrund der non-admitted Problematik oder praktisch nicht umsetzbar, da jegliche lokalen Besonderheiten im deutschen Vertragswerk geregelt und aktuell angepasst werden müssten. Allein die unterschiedlichen Versicherungsfälle in Deutschland Verstoßprinzip, im Ausland möglicherweise claims-made sind kaum in einer Police abbildbar. Der weitere Vorteil der örtlichen Grundsicherung liegt auch darin, dass der deutsche Vertrag nicht mit Zahlungen aus lokal versicherten Schadenfällen der Zweigniederlassung belastet wird und der Schadenservice vor Ort geleistet wird. Wenn dann tatsächlich der Versicherer für die Zweigniederlassung aus der Master-Police Schadensersatz leistet, rechnet man die Leistung in der Master-Police an. Es besteht ein einheitliches Vertragswerk mit einer Versicherungssumme, die insgesamt für alle Schäden aller Niederlassungen zur Verfügung steht. c) Fakultative Rückversicherung Fronting Unter Umständen besteht der Wunsch der ausländischen Zweigniederlassung über den örtlichen Versicherer eine örtliche Police zu erhalten, um mit einer laufenden eigenen Deckung zum Beispiel an internationalen Ausschreibungen teilnehmen zu können. Die örtliche Deckung kann aber daran scheitern, dass der Versicherungsschutz aufgrund der Höhe der Versicherungssumme nicht lokal möglich ist. Hier kann ein so genanntes Fronting eine Lösung darstellen. Fronting bedeutet nichts anderes als das ausländische Risiko in Deutschland rückzuversichern. Der örtliche Versicherer versichert das Risiko der anwaltlichen Tätigkeit in der Zweigniederlassung vollständig. Zwischen dem örtlichen Versicherer und dem deutschen Versicherer wird vereinbart, dass der deutsche Versicherer die Schäden ab einer bestimmten Höhe als Rückversicherer übernimmt. Ganz überwiegend gilt ein einheitliches Bedingungswerk. Eine Fronting-Lösung wird aber nur zwischen Versicherern der gleichen Gruppe möglich sein, da andernfalls die enge Abstimmung bei Leistung, einheitlichem Bedingungswerk und Prämiengestaltung zu aufwendig ist. Darüber hinaus muss selbstverständlich auch die Rückversicherung im non-admitted Land durch das Versicherungsunternehmen erlaubt sein. d) Haftungsübernahmeerklärung zwischen Kanzlei und Niederlassung Die non-admitted Problematik bei ausländischen Niederlassungen hat zu einer weiteren Variante geführt. Wenn es dem Versicherer nicht möglich ist, zum Beispiel über ein Master-Cover die Auslandsniederlassung zu versichern, wird über die Versicherung einer so genannten Haftungsübernahmeerklärung die Auslandsniederlassung geschützt. Versicherungsschutz besteht für den Hauptsitz der Kanzlei in Deutschland über den Hauptvertrag. Die Auslandsniederlassung hat ihren Sitz in einem non-admitted Land. Das im non-admitted Land belegene Risiko darf der deutsche Versicherer nicht absichern. Die Kanzlei und ihre Auslandsniederlassung schließen nun eine Haftungsübernahmeerklärung ab. Die Kanzlei am Hauptsitz in Deutschland stellt ihre Zweigniederlassung im non-admitted Land von Drittansprüchen frei, die aufgrund von Verstößen bei Ausübung der beruflichen Tätigkeit der Niederlassung geltend gemacht werden. Die Haftungsübernahme wirkt sich unmittelbar auf die Bilanz der Hauptkanzlei in Deutschland aus. Übernimmt aufgrund interner Vereinbarung die in Deutschland versicherte Kanzlei die Haftung der Auslandsniederlassung gegenüber einem Dritten, so wandelt sich dieser Haftpflichtanspruch gegen die Niederlassung zu einem eigenen Bilanzinteresse der in Deutschland ansässigen Kanzlei um. Der Versicherer versichert nun das Bilanzinteresse der Kanzlei beziehungsweise den Schutz vor einem Verlust im deutschen Versicherungsvertrag. Da dieses Risiko wirtschaftlich in Deutschland liegt und der Versicherer in diesem Fall in dem Land, in dem die Auslandsniederlassung ihren Sitz hat, gerade kein wirtschaftliches Interesse abdeckt, sollte die nonadmitted Problematik bei dieser Konstellation nicht bestehen. So weit, so gut, so unbekannt. Zu dieser Art der Versicherung sind bisher noch keine tragfähigen behördlichen Aussagen bekannt, da auch jede lokale Aufsicht nach ihrem Rechtsverständnis den Sachverhalt beurteilen muss. Unter Umständen gelangt die Behörde zu dem Schluss, dass die Versicherung der Haftungsübernahmeerklärung den aufsichtsrechtlichen Erlaubnisvorbehalt unterläuft. Eine weitere Variante in diesem Bereich bildet die Financial Interest Clause (FINC) die Deckung des finanziellen Interesses. Sie findet sich vornehmlich in der Managerhaftpflichtversicherung (D&O-Police). Versichert wird insgesamt ein Bilanzschutzinteresse des Mutterkonzerns/Hauptkanzlei. Versichert ist nicht die Kanzleiniederlassung vor Drittansprüchen aufgrund von Verstößen bei beruflicher Tätigkeit. Versichert sind vielmehr alle Vermögenswerte der Gruppe/der gesamten Kanzleigemeinschaft. Es kommt nicht mehr auf die im non-admitted Land belegene Niederlassung an, sondern auf den Hauptsitz. Ob die Grundzüge der FINC das Aufsichtsrecht umgehen, wird diskutiert (gegen die Zulässigkeit: Langheid/Grote, Droht die Rote Karte?, VW 2008, 635 und Bialowons und Kerst, Rahmenbedingungen bei der Gestaltung von internationalen Haftpflicht-Versicherungsprogrammen, r+s, 2011, 323 f; für die Zulässigkeit: Bähr/Püttgen, Financial Interest Cover, VW 2008, 1081). Die Verfahren bei Auslandsniederlassungen im Bereich non-admitted sind insgesamt nicht eindeutig, da kein harmonisiertes Versicherungsaufsichtsrecht für Unternehmen und Makler besteht. Für jedes Land muss man gesondert eine Lösung finden. Eine enge Absprache mit dem Versicherer ist erforderlich. Auch sollten die Kanzleien und insbesondere die Makler die Probleme nicht unterschätzen, da sie selbst ebenfalls Adressaten des Aufsichtsrechts sind. II. Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Beratung und Beschäftigung mit außereuropäischem Recht ( 51 Abs. 3 Ziff. 3 BRAO) 1. Außereuropäisches Recht Versichert ist hier im Umkehrschluss die Beratung und Beschäftigung mit europäischem Recht (Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss, BGH v , IV ZR 226/01). Nicht zu verwechseln ist europäisches Recht mit dem Recht der EU-Mitgliedsstaaten. Seit ist ein Rechtsanwalt gesetzlich verpflichtet eine Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen (vor dem bestand nur eine berufsrechtliche Verpflichtung, 43 BRAO ivm 48 RichtlRA). Es handelte sich um keine Umsetzung einer europäischen Vorgabe. Damit ist der Begriff Europäisches Recht kein politischer, sondern ein geografischer Be- 462 AnwBl 6 / 2013 Haftpflichtfragen

89 MN Haftpflichtfragen griff. Insbesondere ist deshalb das Recht der Schweiz mitumfasst. Bei Staaten, die sich über den europäischen Kontinent erstrecken, wie zum Beispiel die Türkei oder europäischen Staaten mit Überseeterritorien wie Frankreich, ist von einer Einheitlichkeit der Rechtsordnung auszugehen. Es wäre seltsam den Versicherungsschutz von der konkreten Örtlichkeit, zum Beispiel links- oder rechtsseitiges Ufer in Istanbul, abhängig zu machen. Zu beachten ist, dass der Auslandsbezug schnell übersehen wird. Die Berührung mit außereuropäischem Recht, insbesondere US-amerikanischem Recht, ist leicht möglich. Teilweise genügt es nach den dortigen Bundesgesetzen, dass minimum contacts bestehen. Um die Verbraucher in den USA zu schützen und sie in den USA nach amerikanischen Verbrauchergesetzen klagen können, ist es ausreichend, dass zum Beispiel in Deutschland produzierte Waren über verschiedene Handelswege direkt oder auch indirekt in die USA gelangen (zu Zivilrechtsfällen mit Auslandsbezug, siehe Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, Verlag Dr. Otto Schmidt). Dies kann zu einer Produkthaftungsklage in den USA führen mit einem Haftungsrisiko des Rechtsanwalts, der das Produktionsunternehmen berät. Wenn der Anwalt im Übrigen noch selbst in den USA mitverklagt wird die Inanspruchnahme des Anwalts vor einem außereuropäischen Gericht besteht aber zumindest in Höhe der Mindestversicherungssumme Deckungsschutz. Neben dem jeweiligen Landesrecht gibt es internationales Recht. Es gilt nicht nur in Europa, da es nicht an die Nationalstaaten gekoppelt ist, sondern über die Staatengrenzen hinweg. Genauer ist das Völkerrecht das Recht der Staaten untereinander, das Europarecht das supranationale Recht, das in der EU gilt, oder auch das internationale Handelsrecht, das zwischen Gesellschaften die Rechtsbeziehungen regelt. Dieses Recht, das auch in Europa gilt, ist grundsätzlich mitversichert (Diller, AVB-RSW, A 2.1 Rn. 26). 2. Die Beratung/Beschäftigung Weiter besteht der Ausschluss nur dann, wenn der Rechtsanwalt im außereuropäischen Recht beraten hat oder sich damit beschäftigt hat. Bei den Steuerberatern hingegen besteht der Ausschluss schon dann, wenn der Steuerberater außereuropäisches Recht verletzt oder nicht beachtet hat (stellvertretend für alle, siehe die Allianz-Bedingungen für Steuerberater, Teil 3 A Ziff. 4.1 lit. b) AVB-RSW). Der Ausschluss ist damit weitergehend als bei Rechtsanwälten. Der Grund hierfür liegt in der Historie. Die Ausschlüsse der Rechtsanwälte folgen 51 BRAO und die Ausschlüsse der Steuerberater 53a DVStB. Bei Steuerberatern ist es sogar zulässig, auch die Haftung für Ersatzansprüche bestimmter europäischer Länder in Teilen auszuschließen. In einer interprofessionellen Sozietät aus Anwälten, Steuerberatern und auch Wirtschaftsprüfern haften die Berufsträger jedoch analog 128 HGB für Fehler ihrer Kollegen, auch wenn sie selbst die Tätigkeit nicht ausüben hätten dürfen (Riechert, Das Haftungsregime der Sozietät und neue Versicherungskonzepte, AnwBl 2011, ). Eine Deckung für gesellschaftsrechtliche Haftung vermeidet Überraschungen. III. Tätigkeiten des Rechtsanwalts vor außereuropäischen Gerichten ( 51 Abs. 3 Ziff. 4 BRAO) Der letzte Ausschluss beschäftigt sich mit den Tätigkeiten des Rechtsanwalts vor außereuropäischen Gerichten. Der Rechtsanwalt ist gemäß den Pflichtversicherungsbedingungen für Prozesse versichert, die er vor europäischen Gerichten führt. Er muss sich jedoch selbstverständlich darüber informieren, ob seine Tätigkeit vor einem ausländischen Gericht gleich ob europäisch oder außereuropäisch nicht unter einem staatlichen Erlaubnisvorbehalt steht. Zumindest die Mitgliedsstaaten der EU, des EWR und auch die Schweiz haben jeweils in ihren nationalen Aufsichtsgesetzen Regelungen für ausländische Rechtsanwälte geschaffen, wenn sie dienstleistend tätig sind oder sich dauerhaft niederlassen wollen. Zum Beispiel ist der Anwalt in Österreich oder auch in der Schweiz eingeschränkt postulationsfähig. Bei Anwaltszwang darf er nur im Einvernehmen mit einem im dortigen Anwaltsregister eingetragenen Anwalt handeln (Österreich: 5 Abs.1 EIRAG; Schweiz: Art. 23 BGFA). Dies gilt im Übrigen im umgekehrten Fall auch in Deutschland ( 28 Abs. 1 EuRAG; für eine dauerhafte Niederlassung in Deutschland muss der ausländische Anwalt eine der deutschen Berufshaftpflichtversicherung gleichwertige Deckung seines Herkunftsstaats nachweisen, 7 Abs. 1 EuRAG). Gericht meint in diesem Zusammenhang jedes staatliche Gericht. Die Frage, ob ein europäisches oder außereuropäisches Gericht vorliegt, wird hier zum Teil enger gezogen als beim Ausschluss der Beschäftigung mit außereuropäischem Recht. Grundsätzlich geht es bei den gesetzlich möglichen Ausschlüssen darum, den Anwalt in seiner alltäglichen und typischen Tätigkeit Deckung zu gewähren. Sonderfälle können individuell abgesichert werden. Sonderfälle liegen zumindest dann vor, wenn der Anwalt außerhalb des geografischen Europas tätig ist (Bräuer, Die Reichweite des Versicherungsschutzes in räumlicher Hinsicht, AnwBl 2011, 689; Diller, AVB-RSW, A 2.1 Rn. 36). Sicherlich ist es hilfreich, dies vorab klären zu lassen. Wichtig ist noch, dass es nicht darauf ankommt, welches Recht zur Anwendung kommt. Wenn der Anwalt als Sachverständiger für deutsches Recht vor einem US-amerikanischen Gericht auftritt, besteht ohne gesonderte Vereinbarung kein Versicherungsschutz. C. Praxishinweis: Vorsicht walten lassen Als Fazit lässt sich ziehen: Wenn ein Anwalt unsicher ist, ob sein Mandat mit Auslandsbezug noch von seinem Versicherungsschutz umfasst ist, sollte er sich frühzeitig erkundigen. In der Regel sind hier Lösungen möglich. Zu beachten ist aber, dass die Lösung compliant sein muss. Besonders achtsam ist mit Auslandsniederlassungen umzugehen, selbst wenn es eine gängige Praxis dazu geben sollte und sie bisher ohne Schwierigkeiten umsetzbar schien. Dr. Stefan Riechert, München Der Autor ist Rechtsanwalt bei der Allianz Versicherungs-AG tätig. Der Beitrag gibt seine persönliche Auffassung wieder. Leserreaktionen an anwaltsblatt@anwaltverein.de. Rechtsprechung Haftpflichtfragen AnwBl 6 /

90 MN Rechtsprechung Anwaltsrecht Fallgewichtung für Fachanwaltstitel: Zulässig in überprüfbaren Grenzen BRAO 43c; FAO 5 Abs. 1, 4 ( 5 Satz 1, 3 a. F.); GG Art. 12 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 a) Die Gewichtungsregelung des 5 Abs. 4 FAO ist keine Ausnahmebestimmung; jeder eingereichte Fall ist darauf zu prüfen, ob eine Minder- oder Höhergewichtung angezeigt ist. b) 5 Abs. 1 FAO geht von dem Grundsatz aus, dass der Erwerb besonderer praktischer Erfahrungen schon mit dem Nachweis der vorgegebenen Fallzahlen aus den betreffenden Bereichen des jeweiligen Fachgebiets belegt ist; soll hiervon abgewichen werden, müssen tragfähige Anhaltspunkte vorliegen, welche die zuverlässige Beurteilung zulassen, dass der zu beurteilende Fall außerhalb der Bandbreite eines durchschnittlichen Falles liegt. c) Eine auch erhebliche Mindergewichtung ist vorzunehmen, wenn Wiederholungsfälle eng miteinander verknüpft sind, etwa weil ihnen im Wesentlichen derselbe Lebenssachverhalt zugrunde liegt oder sie Teil eines Verfahrensverbundes sind (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 20. April 2009 AnwZ (B) 48/08, FamRZ 2009, 1320 Rn. 21, 30 f.). d) Die Entscheidung der Rechtsanwaltskammer über die Verleihung einer Fachanwaltsbezeichnung ( 43c Abs. 1 BRAO) ist auch in Bezug auf die Höher- oder Mindergewichtung rechtlich gebunden und unterliegt einschließlich der ihr vorausgehenden Würdigung des Fachausschusses ( 43c Abs. 2 BRAO) in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht grundsätzlich uneingeschränkt der richterlichen Nachprüfung (im Anschluss an Senatsbeschlüsse vom 18. November 1996 AnwZ (B) 29/96, NJW 1997, 1307; vom 23. September 2002 AnwZ (B) 40/01, NJW 2003, 741). e) Die Gewichtungsregelung des 5 Abs. 4 FAO steht mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen in Einklang. BGH, Urt. v AnwZ (Brfg) 54/11 Aus den Gründen: [20] 2. Anders als der Anwaltsgerichtshof meint, ist im Anschluss an die Ermittlung der berücksichtigungsfähigen Fälle zu prüfen, welches Gewicht den einzelnen Fällen zukommt. Denn gemäß 5 Satz 3 FAO a. F. (heute 5 Abs. 4 FAO) können Bedeutung, Umfang und Schwierigkeit einzelner Fälle zu einer höheren oder niedrigeren Gewichtung führen (vgl. auch Senatsbeschluss vom 6. März 2006 AnwZ (B) 36/05, aao Rn. 17). Diese Vorschrift verstößt bei richtiger Auslegung nicht gegen Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG. Dass die Beklagte viele Fälle mit weniger als 1 gewichtet und dabei zudem eine sehr ausdifferenzierte Abstufung vorgenommen hat, beruht nicht auf einem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsdefizit dieser Norm, sondern darauf, dass die Beklagte von einem unzutreffenden Regelungsverständnis ausgegangen ist. [...] [30] (1) Zunächst ist klarzustellen, dass die Gewichtungsregelung des 5 Satz 3 FAO a. F. ( 5 Abs. 4 FAO) entgegen der Ansicht des Klägers nicht als Ausnahmebestimmung ausgestaltet ist. Soweit dort von einer Gewichtung einzelner Fälle die Rede ist, besagt dies nicht, dass nur bei bestimmten Fällen und nicht bei jedem eingereichten Fall zu prüfen ist, ob eine Minder- oder Höhergewichtung angezeigt ist. Vielmehr wird damit allein der Bezugspunkt für die Fallgewichtung beschrieben. Die jeweilige Gewichtung darf sich nicht an abstrakten Falleigenschaften ausrichten, sondern muss konkret am einzelnen Fall ansetzen. Der Senat hat dementsprechend schon mehrfach entschieden, dass die Vorschrift des 5 Satz 3 FAO a. F. ( 5 Abs. 4 FAO) keine Handhabe bietet, eine bestimmte anwaltliche Tätigkeit losgelöst vom einzelnen Fall höher oder niedriger zu gewichten (Senatsbeschlüsse vom 8. November 2004 AnwZ (B) 84/03, NJW 2005, 214, 215; vom 6. März 2006 AnwZ (B) 36/05, aao Rn. 28; vom 12. Juli 2010 AnwZ (B) 85/09, aao Rn. 5). [31] Der Kläger, der dies anders sieht, verkennt den Regelungsgehalt des 5 FAO. Für die Verleihung einer Fachanwaltsbezeichnung genügt der Nachweis der Bearbeitung der in 5 FAO bestimmten Anzahl von Fällen aus dem betreffenden Fachgebiet allein nicht. Da sich diese Fallzahlen wie gerade die Wertung des 5 Satz 3 FAO a. F. ( 5 Abs. 4 FAO) zeigt auf Mandate von durchschnittlichem Zuschnitt beziehen, muss der Bewerber vielmehr zusätzlich, etwa durch einen hinreichend aussagekräftigen Fallbeschrieb, belegen, dass den bearbeiteten Fällen insgesamt betrachtet mindestens das gleiche Gesamtgewicht wie der vorgegebenen Anzahl durchschnittlicher Mandate zukommt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 18. November 1996 AnwZ (B) 29/96, aao; vom 29. September 1997 AnwZ (B) 33/97, aao). An die Prüfung, wie viele Fälle aus dem betreffenden Fachgebiet der Anwalt vorgelegt hat, schließt sich daher zwingend die nach 5 Satz 3 FAO a. F. ( 5 Abs. 4 FAO) gebotene einzelfallbezogene Bewertung der jeweiligen Fälle an (vgl. Senatsbeschlüsse vom 18. Juni 2001 AnwZ (B) 41/00, aao; vom 20. April 2009 AnwZ (B) 48/08, aao Rn. 19 f.; Feuerich/ Weyland/Vossebürger, BRAO, 8. Aufl., 5 FAO Rn. 23). Nur so lässt sich das in 5 FAO vorausgesetzte Gesamtgewicht der bearbeiteten Fälle ordnungsgemäß ermitteln. Ein anderes Verständnis des Regelungsgehalts des 5 FAO würde den oben beschriebenen Zielsetzungen des Satzungsgebers zuwiderlaufen. [32] (2) Weiter lassen sich dem Regelungszweck des 5 FAO, seiner Konzeption und seiner Entstehungsgeschichte anders als der Anwaltsgerichtshof und ihm folgend der Kläger meinen grundlegende Maßstäbe für die Art und Weise der im Rahmen der Einzelfallprüfung vorzunehmenden Gewichtung und damit für eine Ausfüllung der unbestimmten Rechtsbegriffe Bedeutung, Umfang und Schwierigkeit entnehmen. [33] (a) 5 Satz 1 FAO a. F. ( 5 Abs. 1 FAO) geht von dem Grundsatz aus, dass der Erwerb besonderer praktischer Erfahrungen mit dem formalisierten Nachweis der vorgegebenen Fallzahlen aus den betreffenden Bereichen des jeweiligen Fachgebiets belegt ist. Die Regelung geht dabei von Fällen aus, die gemessen an ihrer Bedeutung, ihrem Umfang und ihrem Schwierigkeitsgrad von durchschnittlichem Gewicht sind (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Juli 2010 AnwZ (B) 85/09, aao [zu 5 FAO]; vgl. ferner Senatsbeschlüsse vom 18. November 1996 AnwZ (B) 29/96, aao; vom 29. September 1997 AnwZ (B) 33/97, aao [jeweils zu 9 RAFachBezG]). [34] (aa) Der durchschnittliche Fall ist dabei naturgemäß keine punktgenaue Größe, sondern umfasst eine gewisse Bandbreite. Dies belegt schon die Regelung des 5 FAO selbst, indem sie die Bearbeitung verschiedener Arten von (durchschnittlichen) Fällen einbezieht, so etwa im vorliegend zu beurteilenden Erbrecht 20 rechtsförmliche Verfahren (davon höchstens zehn aus dem Gebiet der Freiwilligen Gerichtsbarkeit) und 60 nicht rechtsförmliche Fälle. Dementsprechend reicht das Spektrum durchschnittlicher Fälle von Mandaten, die sich an der Grenze zur Überdurchschnittlichkeit bewegen, bis hin zu Fällen, die an der Schnitt- 464 AnwBl 6 / 2013 Anwaltsrecht

91 MN Rechtsprechung stelle zur Unterdurchschnittlichkeit anzusiedeln sind. Zu der erstgenannten Fallgestaltung zählen etwa die Verfahren, die in eine höhere Instanz gelangen; hier liegt entweder ein noch durchschnittlicher oder ein schon überdurchschnittlicher Fall vor (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Juli 2010 AnwZ (B) 85/09, aao Rn. 5 ff.). In die letztgenannte Kategorie sind etwa Fälle einzuordnen, bei denen sich eine Rechtsfrage stellt, die bereits wiederholt in anderen Fällen aufgeworfen worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 6. März 2006 AnwZ (B) 36/05, aao Rn. 2 ff. einerseits und Senatsbeschluss vom 20. April 2009 AnwZ (B) 48/08, aao Rn. 21 andererseits). [35] Die beschriebene Spannbreite durchschnittlicher Fälle hat zur Folge, dass für eine Höher- oder Mindergewichtung der vom Bewerber vorgelegten Mandate tragfähige Anhaltspunkte vorliegen müssen, die eine zuverlässige Beurteilung dahin zulassen, dass sich der zu beurteilende Fall in seinem Gewicht in der einen oder anderen Richtung vom Durchschnitt abhebt. Lässt sich trotz aussagekräftiger Fallbeschreibung (und gegebenenfalls eingeholter Arbeitsproben) nicht abschließend beurteilen, ob sich die bearbeitete Rechtssache vom Durchschnittsfall unterscheidet, ist sie als durchschnittliche Angelegenheit einzuordnen und mit dem Faktor 1 zu bewerten. Diese Beurteilung hat sich nicht an den Erwartungen eines erfahrenen Fachanwalts, sondern daran auszurichten, was bei einer Allgemeinpraxis als durchschnittlicher Fall aus dem betreffenden Fachgebiet zu gelten hat (vgl. 2 Abs. 2 FAO; vgl. Senatsbeschluss vom 18. November 1996 AnwZ (B) 29/96, aao). [36] (bb) Bei der Beurteilung der Frage, ob und in welchem Maße sich ein Fall vom Durchschnitt abhebt, ist eine (nachvollziehbare) Gesamtbewertung anhand aller drei in 5 Satz 3 FAO a. F. ( 5 Abs. 4 FAO) genannter Kriterien vorzunehmen. Dabei kann der objektiven Bedeutung der Sache allerdings auch Indizwirkung für den Umfang und die Schwierigkeit des Falles zukommen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Februar BvL 1/89, juris Rn. 38 zur Streitwertregelung des 48 Abs. 2 WEG a. F.). Zur Anwendung der in 5 Satz 3 FAO a. F. ( 5 Abs. 4 FAO) aufgeführten Kriterien hat die Rechtsprechung eine umfangreiche Kasuistik entwickelt (vgl. zur Ausfüllung unbestimmter Rechtsbegriffe durch eine gefestigte Rechtsprechung BVerfGE 86, 288, 311; 117, 71, 112). Im Hinblick auf die fehlerhafte Begründung des angefochtenen Versagungsbescheids sind hierbei folgende vom Senat aufgestellten Leitlinien hervorzuheben: [37] Da alle drei in 5 Satz 3 FAO a. F. ( 5 Abs. 4 FAO) genannten Gesichtspunkte für die Fallgewichtung eine Rolle spielen, kann eine Mindergewichtung nicht allein darauf gestützt werden, dass die sich aus dem Fachgebiet stellende Rechtsfrage eher einfach gelagert ist. Der Senat hat dementsprechend eine Herabstufung des Fallgewichts in einer Erbrechtssache nicht schon deswegen vorgenommen, weil sich die erbrechtliche Problematik auf die Erhebung der Dürftigkeitseinrede nach 1990 BGB beschränkte (Senatsbeschluss vom 20. April 2009 AnwZ (B) 48/08, aao Rn. 19 ff.). [38] Weiter ist zu berücksichtigen, dass sich dann, wenn sich dem Bewerber in unterschiedlichen Fällen dieselben fachrechtlichen Fragen gestellt haben, eine Mindergewichtung der Wiederholungsfälle (nicht des ersten Falles) zwar in Betracht kommt (Senatsbeschluss vom 20. April 2009 AnwZ (B) 48/08, aao Rn. 18, 21), aber nicht zwingend ist. Es kann nämlich nicht allgemein davon ausgegangen werden, dass in solchen Wiederholungsfällen weniger praktische Erfahrungen erlangt werden. Vielmehr besteht eine Wechselwirkung zwischen der praktischen Erfahrung und der Wiederholbarkeit der Fälle; je mehr praktische Erfahrung der Bewerber hat, umso wahrscheinlicher ist es, dass er wiederholt dieselben Rechtsfragen zu beurteilen hat (Senatsbeschluss vom 6. März 2006 AnwZ (B) 36/05, aao Rn. 28). Eine auch erhebliche Mindergewichtung ist aber dann gerechtfertigt und geboten, wenn Wiederholungsfälle eng miteinander verknüpft sind, etwa weil ihnen im Wesentlichen derselbe Lebenssachverhalt zugrunde liegt oder weil sie Teil eines Verfahrensverbundes sind (vgl. Senatsbeschluss vom 20. April 2009 AnwZ (B) 48/08, aao Rn. 21, 30 f.). [39] Zu beachten ist schließlich auch der schon erwähnte Umstand, dass Bezugspunkte für die Gewichtung nicht der Umfang und die Schwierigkeiten der im maßgeblichen Beurteilungszeitraum entfalteten anwaltlichen Tätigkeit ist, sondern die Bedeutung, der Umfang und die Schwierigkeit des jeweiligen Falles insgesamt (Senatsbeschluss vom 6. März 2006 AnwZ (B) 36/05, aao Rn. 17). [40] (cc) Dass der durchschnittliche Fall eine gewisse Bandbreite auf der Fallskala einnimmt, bedeutet aber nicht, dass der Rechtsanwaltskammer wie etwa bei Prüfungsentscheidungen ein Beurteilungsspielraum dahin eingeräumt wird, welches Gewicht sie dem jeweiligen Fall zumisst. Die Entscheidung der Rechtsanwaltskammer über die Verleihung einer Fachanwaltsbezeichnung ( 43c Abs. 1 BRAO) ist in vollem Umfang rechtlich gebunden und unterliegt daher auch hinsichtlich der ihr vorausgehenden Würdigung und Verfahrensweise des Fachausschusses ( 43c Abs. 2 BRAO) in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht grundsätzlich uneingeschränkt der richterlichen Nachprüfung (Senatsbeschlüsse vom 18. November 1996 AnwZ (B) 29/96, aao [zum RAFach-BezG]; vom 23. September 2002 AnwZ (B) 40/01, aao [zur FAO]). Die vom Fachausschuss vorzunehmende Tatsachenaufklärung sowie die ihm bei der Beurteilung der praktischen Erfahrungen des Bewerbers obliegende rechtliche Wertung betreffen keine Fragen, die sich ihrer Natur nach einer vollständigen gerichtlichen Kontrolle entziehen (Senatsbeschluss vom 18. November 1996 AnwZ (B) 29/96, aao [zum RAFachBezG]; vgl. auch Senatsbeschluss vom 23. September 2002 AnwZ (B) 40/01, aao [zur FAO]). Daher haben die Gerichte regelmäßig eigenständig zu prüfen, ob die der angefochtenen Entscheidung der Rechtsanwaltskammer zugrunde liegenden Fallbewertungen zutreffend sind. Dem Fachausschuss kommt damit bei der Gewichtung der Fälle kein der richterlichen Nachprüfung entzogener Beurteilungsspielraum zu (Feuerich/ Weyland/Vossebürger, aao Rn. 21; a.a. wohl AGH Thüringen, BRAK-Mitt. 2005, 134, 135). Der Bewerber ist also davor geschützt, dass auch eine beliebige Bewertung der Fälle vor Gericht Bestand hat. [...] [47] 3. Bei Beachtung der oben beschriebenen Grundsätze sind von den 93 als erbrechtliche Fälle anzuerkennenden Mandaten des Klägers 91 Fälle jeweils zumindest mit dem Fak- Anzeige Rechtsprechung Anwaltsrecht AnwBl 6 /

92 MN Rechtsprechung tor 1 zu bewerten. Nur das in der Teilliste FGG-Fälle mit Nr. 4 bezeichnete Verfahren, das als nicht rechtsförmlicher Fall anzuerkennen ist, und der in der Teilliste ZPO-Fälle mit Nr. 18 bezeichnete Fall weisen ein vom Durchschnitt abweichendes Gewicht auf. Da somit die erforderlichen Fallzahlen nachgewiesen sind, bedarf es vorliegend keiner Entscheidung, ob wie der Kläger geltend macht manche Fälle mit einem höheren Gewicht als 1 zu bewerten wären. [48] a) Die Beklagte hat sich bei ihrer Gewichtung am höheren Erwartungshorizont eines praktizierenden Fachanwalts und nicht daran orientiert, was bei einer Allgemeinpraxis als durchschnittlicher Erbrechtsfall zu gelten hat. Sie hat demzufolge in allen Fällen, in denen sie eine Mindergewichtung vorgenommen hat, einen viel zu strengen Maßstab bei der den Ausgangspunkt der Gewichtung bildenden Beurteilung der Anforderungen an einen durchschnittlichen Erbrechtsfall angelegt. Der fehlerhafte Ansatz der Beklagten wird besonders deutlich in den Fällen, in denen sie selbst schwierigere Erbrechtsfälle (vgl. etwa Fälle Nr. 27, 37, 39, 41 der Teilliste Beratungen ) oder sich von einfachen Fallgestaltungen deutlich abhebende Fälle (vgl. etwa Fälle Nr. 7, 16, 21, 23, 38 der Teilliste Beratungen ) mit einem niedrigeren Gewicht als 1,0 angesetzt hat, sowie in den Fällen, in denen sie das Vorliegen eines durchschnittlichen Falls mit der Begründung verneint hat, der Kläger habe keine Besonderheiten hinsichtlich Schwierigkeit, Umfang oder Bedeutung der Angelegenheit vorgetragen (vgl. etwa Fälle Nr. 3, 4, 33 der Teilliste Beratungen ). Wenn keine besonderen Abweichungen festzustellen sind, handelt es sich naturgemäß um einen durchschnittlichen und nicht wie die Beklagte angenommen hat um einen unterdurchschnittlichen Fall. [49] Weiter geht die Beklagte in ihrer Auffassung fehl, dass eine Mindergewichtung (vgl. etwa die von ihr mindergewichteten Fälle Nr. 1, 2, 6, 8 bis 11, 13, 15, 19, 25, 28, 34, 37, 40, 44, 45 aus der Teilliste Beratungen ) stets vorzunehmen sei, wenn eine einfach gelagerte und damit ohne großen zeitlichen Aufwand zu beantwortende Rechtsfrage zu beurteilen gewesen sei (vgl. Senatsbeschluss vom 20. April 2009 AnwZ (B) 48/08, aao Rn. 19 ff.). Weiter hat sie außer Acht gelassen, dass es nicht gerechtfertigt ist, einem Beratungsfall generell mit einem geringeren Gewicht anzusetzen als einen rechtsförmlichen Fall (vgl. etwa Fälle Nr. 34 und Nr. 36 der Teilliste Beratungen ). [50] Schließlich hat sie übersehen, dass nach der Senatsrechtsprechung für die Gewichtung nicht der Umfang und die Schwierigkeit der im Referenzzeitraum entfalteten anwaltlichen Tätigkeit, sondern des Falls insgesamt maßgebend ist (vgl. Fall 1 der Teilliste ZPO-Fälle ). Anmerkung der Redaktion: Für junge Anwältinnen und Anwälte wird der Erwerb eines Fachanwaltstitels immer schwieriger. Der Erfolg der Fachanwaltschaften hat dazu geführt, dass es für den Nachwuchs wenn er nicht in Sozietäten mit Fällen versorgt wird problematisch ist, die erforderlichen Fälle innerhalb von drei Jahren zu sammeln. Hinzu kommt: Die Vorprüfungsausschüsse gewichten vielfach auch noch die Fälle, meistens zu Lasten der Antragssteller. In diesem Falle hatte die Rechtsanwaltskammer den Fachanwaltstitel vorenthalten und eine Skala von 0,2, 0,3, 0,5, 0,6, 0,7, 0,8 und 0,9 angewendet. Die Absurdität dieses Vorgehens hatte in der Vorinstanz der AGH Celle kritisiert: Die Regelung zur Fallgewichtung in 5 Abs. 4 FAO sei als zu unbestimmt verfassungswidrig. Der AGH Celle hatte die Norm, weil als Satzung kein formelles Recht, verworfen (AGH Celle, AnwBl 2011, 225). Der Anwaltssenat des BGH folgte jetzt weder der Rechtsanwaltskammer noch dem AGH Celle. Er versucht sich an einer Auslegung von 5 Abs. 4 FAO ( Bedeutung, Umfang und Schwierigkeit einzelner Fälle können zu einer höheren oder niedrigeren Gewichtung führen. ) und fasst dazu seine bisherige Rechtsprechung zur Fallgewichtung zusammen. Und siehe da: Jetzt soll die Norm nicht mehr unbestimmt und verfassungswidrig sein. Klar ist nur: So konkurrentenfeindlich wie von der Anwaltskammer kann die Vorschrift nicht angewendet werden. Richtig überzeugend ist das Urteil am Ende nicht. Die Aspiranten auf den Fachanwaltstitel wissen auch nach dem Urteil nicht, wie viel ein Fall zählen wird. Denn der BGH gibt den Rechtsanwaltskammern den Auftrag, für jeden Fall eine Gewichtung zu prüfen. Damit räumt der BGH den Kammern ein faktisches Prüfungsrecht ein. Bislang hatte der BGH eisern daran festgehalten, dass nur Kenntnisse und Erfahrungen nachgewiesenwerdenmüssen.deshalbbeeiltsichderbghdannauch,die volle gerichtliche Überprüfbarkeit der Kammerbeurteilung zu betonen. Für die weitere Kammerpraxis entscheidend ist folgende Erkenntnis, die es leider nicht in den amtlichen (und sehr ausführlichen) Leitsatz geschafft hat: Der Anwaltssenat stellt klar, dass für die Bewertung als Fall mit 1,0 der Erwartungshorizont einer Allgemeinpraxis und nicht der eines praktizierenden Fachanwalts als Orientierungsmaßstab diene. Das könnte verhindern, dass (Fach-)Anwälte in den Kammern die Chance erhalten, das berufliche Fortkommen ihrer unmittelbaren Mitbewerber zu behindern. Der Volltext ist im Internet abrufbar unter (AnwBl Online 2013, 165). Fachanwaltsfortbildung: Kein Widerruf bei Verstoß gegen Nachweispflicht BRAO 43cAbs.4Satz2;FAO 15,25 Die Erlaubnis zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung kann nicht widerrufen werden, weil der Fachanwalt gegen die Pflicht aus der Fachanwaltsordnung verstoßen hat, die Erfüllung der Fortbildungsverpflichtung der Rechtsanwaltskammer unaufgefordert nachzuweisen. (Leitsatz der Redaktion) BGH, Urt. v AnwZ (Brfg) 16/12 Aus den Gründen: [12] c) Nach allgemeinem Verwaltungsprozessrecht ist der gesamte Streitstoff bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zu verwerten. Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung ( 112 c Abs. 1 Satz 1 BRAO, 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Anwaltsgerichtshof hat aus den vorgelegten Bescheinigungen die Überzeugung gewonnen, dass der Kläger Fortbildungsveranstaltungen im Umfang von fünf Zeitstunden im Jahre 2009 und im Umfang von zehn Zeitstunden im Jahre 2010 besucht hat. Die inhaltliche Richtigkeit der Bescheinigungen und daraus folgend die Richtigkeit der entsprechenden tatsächlichen Feststellungen des Urteils zieht die Beklagte nicht in Zweifel. [13] 2. Der Verstoß gegen die aus 15 Abs. 3 FAO folgende Pflicht, die Erfüllung der Fortbildungsverpflichtung der Rechtsanwaltskammer unaufgefordert nachzuweisen, rechtfertigt für sich genommen nicht einen Widerruf nach 43 c Abs. 4 Satz 2 BRAO. [14] a) Ihrem Wortlaut nach stellt die Vorschrift des 43c Abs. 4 Satz 2 BRAO auf die unterlassene Fortbildung ab, nicht auf den unterbliebenen Nachweis. Nur hinsichtlich der 466 AnwBl 6 / 2013 Anwaltsrecht

93 MN Rechtsprechung Fortbildungspflichten verweist 43 c Abs. 4 Satz 2 BRAO auf die Berufsordnung (Fachanwaltsordnung). Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die in 15 Abs. 3 FAO gesondert geregelte Nachweispflicht nicht Teil der Fortbildungspflicht. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus 15 Abs. 1 Satz 2 FAO. Diese Bestimmung regelt die Anforderungen an Fortbildungsveranstaltungen, die nicht in Präsenzform durchgeführt werden. Voraussetzung dafür, dass sie als Fortbildung im Sinne von 15 FAO anerkannt werden können, ist unter anderem, dass der Nachweis der durchgängigen Teilnahme erbracht wird. Bei diesem Nachweis handelt es sich nicht um den vom Anwalt zu erbringenden Nachweis der Erfüllung der Fortbildungsverpflichtung nach 15 Abs. 3 FAO, sondern um eine Anforderung an die Fortbildungsveranstaltung als solche. Entspricht eine Fortbildungsveranstaltung den in 15 Abs. 1 Satz 2 FAO beschriebenen Anforderungen, entbindet dies den Anwalt, der an ihr teilgenommen hat, nicht von seiner Pflicht nach 15 Abs. 3 FAO. Auch bei Fortbildungen in der Form des 15 Abs. 1 Satz 2 FAO ist also zwischen der Fortbildung als solcher und ihrem Nachweis zu unterscheiden; gleiches gilt für alle anderen Fortbildungen, die nach 15 Abs. 1 Satz 1 FAO möglich sind. [15] Ergänzend gilt allerdings die Vorschrift des 59 b BRAO über die Satzungskompetenz der Satzungsversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer (vgl. 191a BRAO). Nach 59 b Abs. 2 Nr. 2 lit. b BRAO kann die Berufsordnung (Fachanwaltsordnung) jedoch (nur) die Voraussetzungen für die Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung sowie das Verfahrung der Erteilung, der Rücknahme und des Widerrufs der Erlaubnis regeln, nicht jedoch zusätzliche Widerrufsgründe. Ebenso wie die Erteilung von Erlaubnissen zum Führen von Fachanwaltsbezeichnungen (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 14. Mai 1990 AnwZ (B) 4/90, BGHZ 111, 229, 234 ff.) bedarf auch der Widerruf einer gesetzlichen Grundlage. Diese findet sich in 43 c Abs. 4 Satz 2 BRAO, nicht jedoch in der Fachanwaltsordnung außerhalb der durch 43 c Abs. 4 Satz 2 und 59 b BRAO gesetzten Grenzen. [16] b) Entgegen der Ansicht der Berufung bleibt ein Verstoß gegen die Beibringungspflicht des 15 Abs. 3 FAO nicht folgenlos, wenn auch an ihn allein ein Widerruf der Erlaubnis zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung nicht geknüpft werden kann. Die Vorschrift des 15 Abs. 3 FAO bürdet dem Rechtsanwalt die Feststellungslast hinsichtlich der Erfüllung der Fortbildungspflicht auf. Die Voraussetzungen eines Widerrufs sind erfüllt, wenn sich nicht zur Überzeugung des Gerichts (oder der Kammer) feststellen lässt, dass der Rechtsanwalt die vorgeschriebenen Fortbildungen absolviert hat. Weist der Rechtsanwalt die Erfüllung der Fortbildungspflicht erst im Klageverfahren nach, hat die Kammer zwar den Widerrufsbescheid zurückzunehmen; die Kosten des in der Hauptsache erledigten Rechtsstreits hätte jedoch der Rechtsanwalt zu tragen. So hätte auch im vorliegenden Fall verfahren werden können. Der Verstoß gegen die Nachweispflicht kann schließlich auch mit einer Rüge ( 74 BRAO), gegebenenfalls auch mit einer anwaltsgerichtlichen Maßnahme ( 113 f. BRAO) geahndet werden. Anmerkung der Redaktion: Der Fachanwalt kann seinen Titel verlieren, wenn er sich nicht fortbildet. 10 Zeitstunden Pflichtfortbildung sind im Jahr fällig. 15 Abs. 3 FAO legt dem Fachanwalt die Berufspflicht auf, die Erfüllung der Fortbildungspflicht unaufgefordert der Rechtsanwaltskammer nachzuweisen. Doch was passiert, wenn die Nachweise nicht eingereicht werden? In diesem Fall hatte die Rechtsanwaltskammer (wie sich aus dem Urteil des AGH Celle vom , AGH 20/11 ergibt, abrufbar bei Juris) den Fachanwalt immer wieder zum Nachweis aufgefordert. Dieser verwies auf seine Fortbildung, teilte aber mit, dass ihm ein Nachweis fehle. Die Kammer widerrief den Fachanwaltstitel. Vor dem AGH legte der Fachanwalt dann die Nachweise vor. Spontan denkt man an eine Erledigung. Warum soll ein Fachanwalt, der sich fortbildet, nicht Fachanwalt bleiben dürfen? Die Kosten des AGH-Verfahrens hätte der säumige Anwalt natürlich tragen müssen. So hat die Rechtsanwaltskammer aber nicht gedacht: Sie hielt am Widerruf fest. Der AGH Celle machte nicht mit und auch der Anwaltssenat des BGH findet klare Worte. Es fehle schon an einer Ermächtigungsgrundlage in der BRAO für einen Widerruf bei einem Verstoß gegen die Nachweispflicht. Der Widerruf setze allein voraus, dass tatsächlich die Pflichtfortbildung unterblieben sei. Ob die Pflichtfortbildung abgeleistet worden sei, müsse im Streitfall vor dem AGH geprüft werden (heißt es in dem hier nicht abgedruckten ersten Teil der Entscheidung in Rn. 10). Der Verstoß gegen die Nachweispflicht könnte mit einer Rüge geahndet werden. Wer die Entscheidung aufmerksam liest, wird ahnen, was als nächstes kommt: Das Verfahren zum Nachweis der Pflichtfortbildung kann die Satzungsversammlung in der FAO näher regeln ( 59b Abs. 2 Nr. 2 lit. b) BRAO). 15 Abs. 3 FAO wird mancher Kammer nicht mehr reichen, so dass sich vermutlich die Satzungsversammlung bald mit dem Thema beschäftigen wird. Wer das Urteil aber mit Blick auf die Berufsfreiheit des Grundgesetzes liest, wird einräumen: Andere Baustellen in der FAO sind wichtiger. Das Modell von zehn Zeitstunden Pflichtfortbildung ist reformbedürftiger (siehe zu neuen Formen der Fortbildung Bubrowski, AnwBl 2012, 902). Der Volltext ist im Internet abrufbar unter (AnwBl Online 2013, 173). Rentenversicherungspflicht I: Befreiung nur für konkrete Tätigkeit SGB IV 7, SGB VI 6 Abs. 1 S.1 Nr. 1, 6 Abs. 5 S. 1, 231 Die Rechtswirkung einer Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht nach 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI und 231 SGB VI ist bei einheitlicher und wortgetreuer Auslegung des Begriffes Beschäftigung in 7 SGB IV auf das jeweilige Beschäftigungsverhältnis im Sinne von 6 Abs. 5 S. 1 SGB VI beschränkt. (Leitsatz der Redaktion) BSG, Urt. v B 12 R 3/11 R Mitgeteilt von Rechtsanwalt Jan Horn, Berlin. Anmerkung der Redaktion: Bei diesem Urteil handelt es sich um das erste von insgesamt drei am zum Befreiungsrecht ergangenen Urteilen des BSG. Sie sind für alle freien Berufe wichtig, die eine Pflichtversicherung in Versorgungswerken kennen. Betroffen sind alle Berufsträger in einem Anstellungsverhältnis. Anzeige Rechtsprechung Anwaltsrecht AnwBl 6 /

94 MN Rechtsprechung In dem hier im Heft aufgenommenen Fall war ein Arzt im Praktikum von der Rentenversicherungspflicht befreit worden später begann er bei einem pharmazeutischen Unternehmen zu arbeiten. Ein ähnlich gelagerter und am gleichen Tag vom BSG entschiedener Fall (Az. B 12 R 5/10 R) betraf eine approbierte Tierärztin, die zunächst von der Rentenversicherungspflicht befreit wurde. Sie war anschließend als Pharmaberaterin bei einem Unternehmen tätig, blieb aber Mitglied der Tierärztekammer Rheinland-Pfalz. In beiden Fällen ging es um die Frage, ob eine Tätigkeit als Pharmaberaterin oder -berater berufsfremd sei und ob für jedes neue Arbeitsverhältnis eine neue Befreiung von der Rentenversicherungspflicht beantragt werden müsse. Letzteres hat das BSG in beiden Fällen bejaht. Die Urteile haben weitreichende Folgen für alle angestellten Anwälte: Sie müssen jetzt stets bei einem Wechsel der Tätigkeit einen neuen Befreiungsantrag stellen. Das dritte Urteil zu einer zeitlich befristeten Befreiung veröffentlicht das Anwaltsblatt in diesem Heft auch (AnwBl 2013, 468). Alle drei Urteile werden in diesem Heft umfangreich von Horn und Jung besprochen (AnwBl 2013, 420), die die praktischen Konsequenzen für Kanzleien als Arbeitgeber und angestellte Anwälte für die Zukunft darstellen sowie Hinweise zu Altfällen geben. Der Volltext ist im Internet abrufbar unter (AnwBl Online 2013, 176) ebenso wie das parallele zweite Urteil des BSG vom (Az. B 12 R 5/10 R) mit gleichem Leitsatz (AnwBl Online 2013, 193). Rentenversicherungspflicht II: Problem befristete berufsfremde Tätigkeit SGB VI 6 Abs. 1 S.1 Nr. 1 u. 2, 6 Abs. 5 S. 2 6 Abs. 5 S. 2 SGB VI ist kein eigenständiger Befreiungstatbestand für zeitlich befristete berufsfremde Tätigkeit, sondern setzt aufgrund des Wortlauts der Vorschrift ( erstreckt sich ) stets eine berufsgruppenspezifische Befreiung nach 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI voraus. (Leitsatz der Redaktion) BSG, Urt. v B 12 R 8/10 R Mitgeteilt von Rechtsanwalt Jan Horn, Berlin. Anmerkung der Redaktion: Das dritte der am erlassenen Urteile des BSG (siehe zu den anderen beiden Urteilen in diesem Heft, AnwBl 2013, 467) behandelt das Befreiungsrecht bei befristeten berufsfremden Tätigkeiten. In diesem Fall ging es um einen Steuerberater, der zunächst zugunsten seiner Bayerischen Versorgungskammer von der Rentenversicherungspflicht befreit worden war. Mit Eintritt in den juristischen Vorbereitungsdienst legte er seine Zulassung als Steuerberater nieder. Die Mitgliedschaft im berufsständischen Versorgungswerk wollte er freiwillig fortsetzen. Parallel war er nämlich bei seinem früheren Arbeitgeber geringfügig beschäftigt und optierte für die Versicherungspflicht. Das BSG kam zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen einer Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht mit Niederlegung der Steuerberaterzulassung entfallen seien. 6 Abs. 5 S. 2. SGB VI stelle keinen eigenen Befreiungstatbestand dar. Dieses Urteil betrifft vor allem Anwälte, die als Berufsanfänger oder Selbständige zusätzlich eine zeitlich befristete berufsfremde Tätigkeit ausüben (zum Beispiel als Assistent eines Bundestagsabgeordneten). Auch dieses Urteil besprechen Horn und Jung in diesem Heft (AnwBl 2013, 420). Der Volltext ist im Internet abrufbar unter (AnwBl Online 2013, 181). Anwaltshaftung Trotz PKH-Antrag: Frist zur Berufungsbegründung verlängern ZPO 520 Abs. 2 Satz 1, 234 Abs. 3 a) Will der Berufungskläger die Berufung erst nach der Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch begründen, hat er durch einen rechtzeitigen Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist dafür zu sorgen, dass eine Wiedereinsetzung nicht notwendig wird. b) Die Jahresfrist des 234 Abs. 3 ZPO hat als Höchstfrist für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand absoluten Charakter. Sie verfolgt den Zweck, eine unangemessene Verzögerung von Prozessen zu verhindern und den Eintritt der Rechtskraft zu gewährleisten BGH, Beschl. v VI ZB 68/12 Aus den Gründen: [1] I. Die Klägerin macht Ansprüche auf Geldentschädigung wegen Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts gegen den Beklagten geltend. [2] Das Urteil des Amtsgerichts ist der Klägerin am 30. September 2010 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 1. November 2010, beim Landgericht eingegangen am 2. November 2010, hat sie Prozesskostenhilfe für ein beabsichtigtes Berufungsverfahren beantragt. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 16. Februar 2011, der Klägerin zugestellt am 19. Februar 2011, die Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt, weil die Bedürftigkeit nicht nachgewiesen und die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht Erfolg versprechend seien. Die mit Schreiben vom 7. März 2011 dagegen erhobene Anhörungsrüge und Gegenvorstellung hat das Landgericht durch Beschluss vom 20. Februar 2012, der Klägerin zugegangen am 28. Februar 2012, zurückgewiesen. Am 13. März 2012 hat die Klägerin durch anwaltlichen Schriftsatz Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts vom 24. September 2010 eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Zur Begründung hat sie geltend gemacht, dass sie ohne ihr Verschulden gehindert gewesen sei, die Berufungsfrist einzuhalten, denn sie habe aufgrund eines erfolgreichen Prozesskostenhilfegesuches beim Bundesgerichtshof im Sommer 2009 (BGH, Beschlüsse vom 22. Juli 2009 und vom 12. August 2009 XII ZB 68/09) sowie ihrer seither unveränderten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse damit rechnen können, nach wie vor bedürftig im Sinne der 114 ff. ZPO zu sein. Da das Landgericht bei seiner Entscheidung in vielerlei Hinsicht das Recht auf rechtliches Gehör verletzt habe, sei zu erwarten gewesen, dass es sich auf die Anhörungsrüge hin im Wege der Selbstkorrektur hinsichtlich der Frage der Bedürftigkeit der Ansicht des Bundesgerichtshofs anschließen oder andernfalls zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zulassen würde, trotz der Zurückweisung des Antrags auf Prozesskostenhilfe auch wegen der fehlenden Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung. [3] Durch Beschluss vom 16. April 2012 hat das Landgericht die Klägerin darauf hingewiesen, dass die Kammer beabsichtige, die Berufung kostenpflichtig als unzulässig zu verwerfen, und dass sie das Wiedereinsetzungsgesuch in Bezug auf die Versäumung der Berufungsfrist für unbegründet erachte. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 9. Oktober 468 AnwBl 6 / 2013 Anwaltshaftung

95 MN Rechtsprechung 2012 hat das Landgericht den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist zurückgewiesen und die Berufung verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin. [4] II. Die gemäß 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, da die Voraussetzungen des 574 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind. [5] 1. Obwohl der angegriffene Beschluss keine Sachverhaltsdarstellung enthält, kann von dessen Aufhebung und der Zurückverweisung der Sache an das Landgericht abgesehen werden. Durch die Bezugnahme auf den Hinweisbeschluss des Landgerichts vom 16. April 2012 sind tatsächliche Angaben zur Überprüfung des Beschlusses noch hinreichend gegeben. [6] Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. zuletzt Senat, Beschluss vom 6. November 2012 VI ZB 33/12, juris Rn. 4; BGH, Beschlüsse vom 31. März 2011 V ZB 160/10, Grundeigentum 2011, 686 Rn. 3; vom 16. September 2010 V ZB 95/10, juris Rn. 3; vom 11. Mai 2006 V ZB 70/05, FamRZ 2006, 1030; vom 7. April 2005 IX ZB 63/03, NJW-RR 2005, 916) müssen Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, den für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt wiedergeben (vgl. für Urteile: Senatsurteil vom 30. September 2003 VI ZR 438/02, BGHZ 156, 216, 217 ff. mwn), wobei auch das mit dem Rechtsmittel verfolgte Rechtsschutzziel deutlich werden muss (vgl. BGH, Beschluss vom 31. März 2011 V ZB 160/10 aao mwn). Diese Anforderungen gelten auch für einen Beschluss, durch den die Berufung verworfen wird (vgl. Senat, Beschluss vom 16. November 2012 VI ZB 33/12, aao). Nach 577 Abs. 2 Satz 4, 559 ZPO hat das Rechtsbeschwerdegericht grundsätzlich von dem Sachverhalt auszugehen, den das Beschwerdegericht festgestellt hat. Fehlen tatsächliche Feststellungen, ist es zu einer rechtlichen Überprüfung nicht in der Lage. Ausführungen des Beschwerdegerichts, die eine solche Überprüfung nicht ermöglichen, sind keine Gründe im zivilprozessualen Sinne. [7] 2. Das Landgericht hat die Berufung der Klägerin mit Recht als unzulässig verworfen und die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist versagt. [8] a) Die Berufung ist schon deshalb unzulässig, weil sie nicht innerhalb der gemäß 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO am 30. November 2010 endenden Frist begründet worden ist. Ein Prozesskostenhilfeantrag beeinflusst den Lauf der Begründungsfrist nicht. Will der Berufungskläger die Berufung erst nach der Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch begründen, hat er durch einen rechtzeitigen Antrag auf Fristverlängerung dafür zu sorgen, dass eine Wiedereinsetzung nicht notwendig wird. Eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist ist während laufender Frist nicht beantragt worden. [9] b) Eine Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist kommt nicht mehr in Betracht, weil zum Zeitpunkt des Antrags auf Wiedereinsetzung am 13. März 2012 bereits vom Ende der versäumten Berufungsfrist am 2. November 2010 bzw. der versäumten Berufungsbegründungsfrist am 30. November 2010 an gerechnet mehr als ein Jahr verstrichen war ( 234 Abs. 3 ZPO). Eines rechtlichen Hinweises an die Klägerin auf die Ausschlussfrist des 234 Abs. 3 ZPO bedurfte es nicht. Der Klägerin war, wie aus ihrem Schreiben an das Landgericht vom 23. November 2011 hervorgeht, die Ausschlussfrist mit den daran gebundenen rechtlichen Folgen bekannt. Entgegen der dort von ihr vertretenen Auffassung greift die Frist des 234 Abs. 3 ZPO im Streitfall ein. [10] Die Jahresfrist des 234 Abs. 3 ZPO hat als Höchstfrist für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand absoluten Charakter und verfolgt den Zweck, eine unangemessene Verzögerung von Prozessen zu verhindern und den Eintritt der Rechtskraft zu gewährleisten. Die Vorschrift ist allerdings dann nicht anwendbar, wenn die Ursache der Fristüberschreitung nicht in der Sphäre der Partei liegt, sondern allein dem Gericht zuzurechnen ist (vgl. Senat, Beschluss vom 12. Juni 1973 VI ZR 121/73 ZMR 1978, 152; BGH, Beschlüsse vom 20. Februar 2008 XII ZB 179/07, NJW-RR 2008, 878 Rn. 15 und vom 7. Juli 2004 XII ZB 12/03, FamRZ 2004, 1478, 1479; Hk-ZPO/Saenger, 5. Aufl., 234 Rn. 8 f.). So liegt der Streitfall nicht. [11] Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist zwar eine Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsfrist nicht schuldhaft versäumt, wenn der Rechtsmittelkläger innerhalb der Frist Prozesskostenhilfe beantragt hat und auf deren Bewilligung vertrauen durfte (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 31. August 2005 XII ZB 116/05, FamRZ 2005, 1901 f. und vom 19. Mai 2004 XII ZA 11/03, FamRZ 2004, 1548). Es ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dann zu bewilligen, wenn er dies innerhalb der mit Kenntnis der Entscheidung über sein Prozesskostenhilfegesuch beginnenden Wiedereinsetzungsfrist beantragt und innerhalb der Frist auch die versäumte Prozesshandlung nachholt (BGH, Beschlüsse vom 22. Juni 2005 XII ZB 34/04, NJW-RR 2005, 1586, 1587 und vom 31. Januar 2007 XII ZB 207/06, FamRZ 2007, 801, 802). Dies hat die Klägerin nicht getan. Die Frist für die Einreichung des Wiedereinsetzungsgesuches hat mit der Zustellung des die Prozesskostenhilfe verweigernden Beschlusses am 19. Februar 2011 zuzüglich einiger Tage Überlegungszeit zu laufen begonnen. Für die Klägerin bestand kein begründeter Anlass zu der Annahme, dass das Berufungsgericht auf die mit ihrer Anhörungsrüge verbundenen Ausführungen hin die Erfolgsaussicht ihres Rechtsmittels bejahen und Prozesskostenhilfe bewilligen würde. Sie hat mithin die Wiedereinsetzungsfrist in die von ihr versäumten Fristen schuldhaft versäumt. [12] c) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde wird die Klägerin durch den angefochtenen Beschluss auch nicht in ihrem Grundrecht auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Der Rechtssache kommt nicht die von der Rechtsbeschwerde angenommene grundsätzliche Bedeutung zu, weil der Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden habe, ob eine Anhörungsrüge die Fristen des 234 Abs. 1 ZPO offen halten oder auch bei Erfolglosigkeit wieder in Gang setzen könne. Die Klägerin vermag insoweit bereits nicht aufzuzeigen, dass die von ihr dargelegten Rechtsfragen in Rechtsprechung und Rechtslehre umstritten sind und die Rechtssache damit eine Rechtsfrage im konkre- Anzeige Rechtsprechung Anwaltshaftung AnwBl 6 /

96 MN Rechtsprechung ten Fall als entscheidungserheblich, klärungsbedürftig und klärungsfähig aufwirft, wodurch das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 27. März 2003 V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 291). Der fehlende Einfluss einer Anhörungsrüge auf den Fristenlauf, insbesondere auch auf die Wiedereinsetzungsfrist gemäß 234 Abs. 1 ZPO, ist entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde geklärt (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juni 2009 IV ZB 2/09, r+s 2010, 40, 41 f. mwn). [13] Ein Zulassungsgrund ist insgesamt nicht dargetan. Anwaltsvergütung Sicherung der Vergütung: Keine Drohung mit Mandatsniederlegung zur Unzeit BGB 123 Abs. 1, 311 Abs. 2, 675 Abs. 1 Veranlasst der Rechtsanwalt den persönlich nicht haftenden Gesellschafter seiner Mandantin erstmals unmittelbar vor einem anberaumten Gerichtstermin mit dem Hinweis, anderenfalls das Mandat niederzulegen, zum Abschluss einer Haftungsübernahme, kann hierin eine widerrechtliche Drohung liegen. BGH, Urt. v IX ZR 138/11 Der Volltext ist im Internet abrufbar unter (AnwBl Online 2013, 186). würden, die in keinem Zusammenhang mit der Haupttätigkeit stünden. Der BGH beantwortet nun die Frage, wie es sich in Fällenverhält,indenenderGegnersichnochnichteingelassenhat und somit noch nicht abzusehen ist, ob Einwände zur Haftung erhoben werden. Auch hier stärkt der BGH die Mietwagenunternehmen: Solange keine objektiven Umstände vorlägen, aus denen ohne weiteres die Unzulässigkeit der Einziehung durch das Mietwagenunternehmen ersichtlich sei, sei auch die Abtretung wirksam. Beim Unfallersatztarif hält der VI. Zivilsenat an seiner Rechtsprechung fest: Finanziere der Geschädigte die Anmietung nicht durch Einsatz einer EC- oder Kreditkarte vor, sei ein gegenüber dem Normaltarif erhöhter Mietpreis denkbar. Ob ihm eine solche Vorfinanzierung zumutbar gewesen sei, müsse unter dem Aspekt des Mitverschuldens geklärt werden, wobei allerdings nicht der Geschädigte primär darlegungs- und beweispflichtig sei und damit auch nicht von sich aus zu seiner Vermögenslage vortragen müsse. Der Volltext ist im Internet abrufbar unter (AnwBl Online 2013, 189). Fotonachweis Seiten M195, M198, M200, M230, M234, 408, 409, 419, 425, 427, 441, 442, 443, 444, 445, 458, 463: privat; Seiten 400, 405, 435, 449, 450, 451: Andreas Burkhardt/Berlin; Seite 453: Alexander Louvet; Seite 455: Amnesty International; Seite 457 (oben): DAV Italien; Seite 457 (unten): Anwaltsverein Hannover; Seite 459: LG Saarbrücken Rechtsdienstleistungsgesetz Mietwagenkosten: Abtretung vor Einlassung des Gegners zulässig BGB 249 Abs. 2 Satz 1, 398; RDG 5 Abs. 1; ZPO 287 Abs. 1 a) Liegen keine Umstände vor, aus denen ohne weiteres ersichtlich ist, dass es sich um einen Unfall handelt, bei dem die Einziehung einer abgetretenen Schadensersatzforderung durch ein Mietwagenunternehmen nicht erlaubt ist, ist die Abtretung nicht deshalb wegen eines Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz unwirksam, weil noch nicht feststeht, wie sich der Unfallgegner bzw. dessen Haftpflichtversicherer einlässt. b) Zu allgemeinen unfallspezifischen Kostenfaktoren, die den Ersatz eines höheren Mietpreises rechtfertigen können (hier: Eilund Notsituation, Vorfinanzierung, Winterreifen), sowie zum Abzug für Eigenersparnis. BGH, Urt. v VI ZR 245/11 Anmerkung der Redaktion: Der VI. Zivilsenat des BGH hatte bereits in seinem Urteil vom (Az. VI ZR 143/11, AnwBl 2012, 374 und Volltext AnwBl Online 2012, 144) entschieden, dass die Einziehung einer an ein Mietwagenunternehmen abgetretenen Schadensersatzforderung des Geschädigten auf Erstattung von Mietwagenkosten gemäß 5 Abs. 1 Satz 1 RDG grundsätzlich erlaubt sei. Allerdings gelte dies nicht, wenn die Haftung dem Grunde nach oder die Haftungsquote streitig seien oder Schäden geltend gemacht Impressum Herausgeber: Deutscher Anwaltverein e.v., Littenstr. 11, Berlin (Mitte), Tel. 0 30/ , Fax: 030 / , anwaltsblatt@anwaltverein.de. Redaktion: Dr. Nicolas Lührig (Leitung, v. i. S. d. P.), Udo Henke und Manfred Aranowski, Rechtsanwälte, Anschrift des Herausgebers. Produktion und Koordination: Sarah Böhme, Steffi Köhn, Sandra Petzschner Verlag: Deutscher Anwaltverlag und Institut der Anwaltschaft GmbH, Wachsbleiche 7, Bonn, Tel / , Fax: 02 28/ ; kontakt@anwaltverlag.de, Konto: Sparkasse Bonn Kto.-Nr , BLZ Anzeigen: adsales&services,ingrida.oestreich(v.i.s.d.p.),pikartenkamp 14, Hamburg, Tel. 0 40/ , Fax: 040 / , anzeigen@anwaltsblatt-media.de. Technische Herstellung: L.N. Schaffrath GmbH & Co. KG, Marktweg 42 50, Geldern, Tel.: 02831/ , Fax: 02381/ , harhoff@schaffrath.de. Erscheinungsweise: Monatlich zum Monatsanfang, bei einem Doppelheft für August/September. Bezugspreis: Jährlich 140, E (inkl. MwSt.) zzgl. Versandkosten, Einzelpreis 14,50 E (inkl. MwSt.). Für Mitglieder des Deutschen Anwaltvereins ist der Bezugspreis im Mitgliedsbeitrag enthalten. Bestellungen: Über jede Buchhandlung und beim Verlag; Abbestellungen müssen einen Monat vor Ablauf des Kalenderjahres beim Verlag vorliegen. Zuschriften: Für die Redaktion bestimmte Zuschriften sind nur an die Adresse des Herausgebers zu richten. Honorare werden nur bei ausdrücklicher Vereinbarung gezahlt. Copyright: Alle Urheber-, Nutzungs- und Verlagsrechte sind vorbehalten. Das gilt auch für Bearbeitungen von gerichtlichen Entscheidungen und Leitsätzen. Der Rechtsschutz gilt auch gegenüber Datenbanken oder ähnlichen Einrichtungen. Sie bedürfen zur Auswertung ausdrücklich der Einwilligung des Herausgebers. ISSN w 470 AnwBl 6 / 2013 Rechtsdienstleistungsgesetz

97 MN Bücher & Internet E-Books ein Marktüberblick für Anwälte: Sinnvolles Angebot? Der Handkommentar auf dem Schreibtisch hat noch nicht ausgedient. Doch die E-Books sind auch im juristischen Bereich auf dem Vormarsch zumindest die Verlage werben für sie inzwischen. Doch noch ist vieles eher unübersichtlich. Immer noch gibt es viele unterschiedliche Formate für E-Books, die wiederum nicht von allen mobilien Geräten gelesen werden können. Doch zeichnet sich ab, dass sich ein Standard entwickelt, der die Nutzung von E-Books auf Rechnern und Tablets auch für Anwälte zu einem sinnvollen (Zusatz-)Angebot macht. Die Vorteile liegen auf der Hand. E-Books verändern das Gewicht des Trägergerätes genau um null Prozent und nehmen keinen zusätzlichen Raum ein. E-Book-Formate und Lesesoftware Zum Leidwesen der Kunden arbeiten Verlage, Hersteller von E-Book-Readern und Onlineshops immer noch mit verschiedenen Formaten oder verändern diese so, dass sie nur mit dem eigenen Gerät gelesen werden können. Apple beispielsweise nutzt das verbreitete Format epub in seinem Store, arbeitet aber mit einer speziellen Verschlüsselung und Signatur, sodass die Titel nur auf Apple-Geräten genutzt werden können. epub (= electronic publication ) ist ein offener Standard für E-Books, der von vielen E-Book-Readern unterstützt wird. Ebenfalls gängig ist das Format.mobi ; eine Entwicklung der Firma Mobipocket SA, die heute zu Amazon gehört. Die E-Books für das Amazon-Gerät Kindle werden deshalb auch in diesem Format angeboten. Das amazon-eigene Format AZW kann wiederum nur vom Kindle gelesen werden. Des Weiteren erscheinen zahlreiche E-Books im bekannten pdf -Format. Hier fehlt allerdings Flexibilität in der Darstellung. Das Dateiformat epub könnte aber die Kraft haben, sich zum Standard auch im Rechtsbereich für Anwendungen in der Kanzlei zu entwickeln. Da es das Digital Rights Management (DRM) unterstützt, ist es auch für Verlage interessant. DRM ist eine Verschlüsselung, die dem Kopierschutz dient. Sie soll Verlagsprodukte urheberrechtlich sichern. Man kann E-Books natürlich auch am Rechner oder im Tablet, ganz ohne separates Gerät, lesen. Es gibt hier frei verfügbare Software (als Download oder App). Ein erster Einstieg ist ohne großen Aufwand mit einem zusätzlichen Tool im Browser möglich. Für Firefox- Nutzer heißt dieses frei verfügbare add on epubreader. Hiermit lassen sich epub -Dateien ohne DRM problemlos öffnen und lesen. Programme, wie Cool Reader oder Moon+ Reader sind in der Lage, neben DRM-freien epub -Dateien zahlreiche weitere Formate zu lesen. Weiteren Komfort bietet auch das Setzen von Lesezeichen, die letzte Leseposition wird gemerkt, so dass sich das Buch an der derselben Stelle wieder öffnet, verschiedene Hintergründe sind wählbar, Schriftart, Textgröße und Zeilenabstand sind einstellbar. Das variable Layout gilt jedoch nicht für die pdf -Formate. Für DRMgeschützte E-Books bietet sich zum Beispiel die ebenfalls freie Software Adobe Digital Editions an. Recht im E-Book Auch das Angebot an juristischen Titeln steigt stetig. Der Onlineshop des Buchhauses Thalia bietet im Bereich E-Books/Recht gut Treffer. Die Fachverlage haben meist bereits eine beachtliche Titelsammlung im Angebot. Beck bietet seine E-Books im epub oder pdf -Format an. Hier findet sich auch eine übersichtliche Einführung in Fragen rund ums E-Book: toc=4071 Ähnlich verfährt der Haufe- Verlag. Der Deutsche Anwaltverlag publiziert ausschließlich im epub -Format und bietet unter FAQ EPUB anschauliche Informationen zu den technischen Voraussetzungen. Otto Schmidt kooperiert im Bereich E-Book und stellt seine gut 260 Titel über die integrierte Onlineplattform des De Gruyter Verlages ein. Viele Bücher erscheinen hier sowohl als Print als auch als E-Book. Janine Ditscheid, Köln Weiterführende Links: Ein Überblick über die wichtigsten ebook-formate /Review-E-Book-Reader Ein Blog und eine Informationsseite rund um die Themen ebooks, ebook Reader und Tablets. 9 Eine gute Orientierungshilfe bieten die Besprechungen und Vergleiche von Andreas Itzchak (izzy) Rehberg. Kurzhinweise Das1x1desneuen Mediationsgesetzes Jörn Steike/Sabine Feller 1. Aufl. Deutscher Anwaltverlag, Bonn 2012, 160 S., als E-Book und Printausgabe ,00 Euro Praxiskommentar UWG Eike Ullmann 3.Aufl.JurisGmbH,Saarbrücken 2013, S., geb.; mit Online-Zugang und E-Book ,00 Euro RVG Rechtsanwaltsvergütungsgesetz Bestelmeyer/Feller/Frankenberg/ Hellstab/Jungbauer/Rehberg/ Schons/Vogt, 5. Aufl. Luchterhand Verlag, Köln 2012, S., geb.; mit j-book (Online- Fassung), ,00 Euro Praxishandbuch Anwaltsmarketing Ilona Cosack/Angela Hamatschek 1. Aufl. NWB Verlag, Herne 2013, 296 S., geb.; auch als E-Book ,00 Euro Apps und Recht Ulrich Baumgartner/Konstantin Ewald 1.Aufl.C.H.BeckVerlag, München 2013, XIV, 142 S., brosch.; als E-Book und Printausgabe ,80 Euro Die Kostenfestsetzung Kurt von Eicken/Heinrich Hellstab/Friedrich Lappe/Wolfgang madert/josef Dörndorfer 21. Aufl. Luchterhand Verlag, Köln 2013, 524 S., geb.; mit j-book (Online-Fassung), ,00 Euro M 224 AnwBl 6 / 2013 Mantel

98 MN Bücher & Internet Rechtsdienstleistung Tomorrow s Lawyers Richard Susskind Oxford University Press, Oxford 2013, 180 S., kart.; (in Englisch) 9,99 Wer nach diesem Schwerpunkt-Heft zur Zukunft des Rechtsdienstleitungsmarktes 2030 noch nicht genug hat, dem sei Richard Susskind kurzer Band dringend empfohlen. Das Buch enthält alle wichtigen Erkenntnisse des Autors, der mit dem 2008 erschienenen Werk The End of Lawyers? weltweit zum Festredner auf Anwaltstagen geworden ist. Hat er damals noch provoziert und seine Thesen über den Niedergang der Anwaltschaft ausführlich begründen müssen, bietet er den Anwälten jetzt eine Hoffnung: Wenn Sie radikal an sich arbeiten, auf den technologischen Wandel reagieren und innovativ sind, können sie ihre Berechtigung in der Gesellschaft und im Wirtschaftsleben behalten. Man muss nicht mit allem einverstanden, was Susskind predigt. Und in Deutschland gibt es anders als in Großbritannien nicht mehr viele überkommene Traditionen (wie die Perücke auf dem Kopf eines männlichen oder weiblichen Barristers), aber die Botschaft ist eindeutig: Keine Berufsgruppe und das gilt eben auch für Anwälte hat noch Anspruch auf Privilegien. Wer nicht produktiver und kostenoptimierter Teil des Ganzen ist, wird vom Markt gefegt. Und ohne Frage gilt: Die Engländer sind seit vielen Jahrzehnten Treiber des legal business. Was auf der Insel gedacht wird, kommt wenn auch mit zeitlichen Verzögerungen in vielen Märkten an. Es ist kein Zufall, dass viele große deutsche Kanzleien heute in der Kanzleibezeichnung Londoner Anwaltsnamen tragen. Die Lektüre der nur 16 knappen Kapitel lohnt: Es ist ein leicht lesbarer, anregender Blick ins Labor des Kanzleimanagements von morgen. Rechtsanwalt Dr. Nicolas Lührig, Berlin Anwaltsrecht Social Media für Rechtsanwälte Christian Oberwetter 1. Aufl., Luchterhand Verlag, Köln 2012, 180 S., geb ,00 Euro Der schmale Band liefert konkrete Handlungsempfehlungen im Umgang mit Netzwerken wie Facebook und Co. im Berufsalltag von Anwälten. Themen sind unter anderem die Informationsgewinnung durch Facebook und Co., Kommunikation, Datenschutz, Marketing und Public Relation bis hin zum Social-Media-Recht. Ebenfalls beleuchtet werden die Möglichkeiten des eigenen Kanzleiauftritts im Web, Praxisbeispiele veranschaulichen die Materie. Irgendwie tröstlich: Der erste Einstieg in die Netzwelt funktioniert immer noch über Print. Für Einsteiger.

99 MN Bücher & Internet Zivilrecht Bürgerliches Gesetzbuch Allgemeiner Teil Thomas Heidel/Rainer Hüßtege/ Heinz-Peter Mansel/Ulrich Noack (Hrsg.) 2. Aufl.; Nomos Verlag, Baden-Baden 2012, S., geb; Band 1 von ,00 Euro, Vorzugspreis für DAV-Mitglieder 158,00 Euro Band 1 Allgemeiner Teil: Herausgeber des ersten Bandes sind Thomas Heidel, Rainer Hüßtege, Heinz-Peter Mansel und Ulrich Noack, also ein Anwalt, ein Richter und zwei Universitätsprofessoren. Die erste Hälfte (1.481 Seiten) widmet sich der Kommentierung der 1 bis 240 BGB. Bemerkenswert sind die vielfältigen Hinweise auf die prozessuale Situation (Beweislast), auf richterliche Hinweispflichten und Haftungsrisiken für den Anwalt. Im zweiten Teil (1.316 Seiten) wird kommentiert das im EGBGB enthaltene Internationale Privatrecht. Dort sind hervorzuheben die eingehenden Darstellungen des internationalen Gesellschaftsrechts (juristische Personen und Gesellschaften) als Anhang zu 12 EGBGB, des UN-Kinderschutz-Übereinkommens (Anhang 1 zu Art. 24 EGBGB) und des Haager Übereinkommens über den Schutz von Minderjährigen mit dem dazugehörigen Gesetz (Anhänge II und III zu Art. 24 EGBGB). Kommentiert sind ebenfalls die auf europäische Rechtsetzung zurückgehenden Informationspflichten bei Fernabsatzverträgen und Verträgen im elektronischen Geschäftsverkehr, das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz und schließlich das Transplantationsgesetz. Das Stichwortverzeichnis ist, wie in allen Bänden, ausreichend, nicht ausufernd. Rechtsanwalt Prof. Dr. Hans-Jürgen Rabe, Berlin Das Gesamtwerk zum BGB in 6 Bänden (mit Band 2 in zwei Teilbänden) hat der Autor im Mai-Heft des Anwaltsblatts vorgestellt (AnwBl 2013, M 184). Zivilrecht BGB Kommentar Hanns Prütting/Gerhard Wegen/Gerd Weinreich 8. Aufl., Luchterhand Verlag, Köln 2013, S., geb.; auch j-book (Online-Fassung) ,00 Euro Seit 2006 erscheint der Prütting/Wegen/ Weinreich jedes Jahr. Die im April ausgelieferte 8. Auflage unterstreicht den Anspruch: Anwälte, Richter und Professoren legen einen klar gegliederten, übersichtlichen und doch detaillierten einbändigen BGB-Kommentar vor. Stark an der Praxis ausgerichtet bietet er eine sorgfältige Einführung in die BGB- Vorschriften, die auch bei weniger bekannten Themen einen lesbaren Einstieg ermöglicht. Ein besonderer Vorzug: Eine Online-Fassung des Kommentars kann nach vorheriger Freischaltung über das Internet genutzt werden.

100 MN Bücher & Internet Zukunft Trends und Megatrends Stadt und Urbanitiät 2020, Lebenswelten, gehen diesen Fragen nach. II. Rechtsmarkt Der Anwaltsberuf verändert sich seit Jahren und dies nicht nur, weil die Anwaltsdichte und damit auch der Wettbewerb um Mandate stetig zugenommen haben. Begriffe wie Spezialisierung und Internationalisierung, Qualitätssicherung, unternehmerisches Denken und Kanzleimanagement unterstreichen den Wandel. Der diesjährige Deutsche Anwaltstag widmet sich unter dem Titel Anwaltsmarkt 2030 möglichen Zukunftsszenarien. Einige gesamtgesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen werden auch die anwaltliche Rechtsdienstleistung beeinflussen. Im IT-Recht hinkt zum Beispiel der Gesetzgeber bereits heute hinter den technischen Veränderungen her. I. Megatrends 1. & Konrad Adenauer Stiftung Mitte letzten Jahres veröffentlichte die Stiftung eine Studie zur Frage der wirtschaftspolitischen Entwicklung. Sie geht von fünf wirtschaftspolitischen Megatrends bis 2020 aus, wie Konsolidierungen, Bevölkerungswachstum und entsprechender Ressourcenverknappung sowie der zunehmenden Digitalisierung. Der Volltext ist unter der Rubrik Publikationen Analysen und Argumente zu finden /area/energie/name/pdf_pdf_eb_at_ kearney_-_megatrends_energiewirtschaft_ f555_ c03.pdf A.T. Kearney 2020: Megatrends in der Energiewirtschaft Neben dem branchenspezifischen Thema des Energiemixes mit erneuerbaren Energien gewinnen auch im Energiesektor der demografische Wandel sowie die steigende Bedeutung dezentraler Technologien an Bedeutung für die zukünftige Planung. zunehmende Individualisierung der Kaufwünsche des Endverbrauchers (customized products) und die Mobilitätsanforderungen, die immer vielschichtiger werden Trendforscher Zahlreiche Themen werden auf der Webseite des Autoren und Trendforschers Sven Gabor Janszky im Bereich Trendstudie bearbeitet. Nicht zuletzt auch die Frage nach Megatrends an sich ein Begriff der erst in den 1980er Jahren aufkam Netzwerk Zukunftsforschung Die Mitglieder des Netzwerkes gehören häufig zu wissenschaftlichen Instituten, die sich mit unterschiedlichsten Aspekten der Zukunftsforschung beschäftigen. Die Seite bietet über die Links unter anderem den Zugang zur open access Onlinezeitschrift Zukunftsforschung : 7. anwaltsblatt-karriere.anwaltverein.de/ gastkommentare.html Anwaltsblatt Karriere Hier gibt es mehrere Beiträge, die sich mit Entwicklungen auf dem Rechtsdienstleitungsmarkt beschäftigen. Es geht beispielsweise um die Ausrichtung auf Europa sowie um Strategie, auf die Wandlungen des Rechtsdienstleistungsmarktes mit Spezialisierung zu reagieren und vielem mehr Legal Tribune Online LTO Zum Beispiel unter dem Schlagwort virtuelle Kanzlei finden sich drei Artikel, die sich mit ungewöhnlichen Büromodellen beschäftigen. Es geht unter anderem um die Online Bar Association ( und die Kanzlei Steelcase Wie die Raumorganisation zukünftig in größeren (nicht virtuellen) Büros aussehen könnte, um die Arbeitsabläufe bestmöglich zu unterstützen und dabei kulturelle Gepflogenheiten zu berücksichtigen, untersucht die Studie Culture Code des Möbelherstellers Steelcase: 360/magazin/documents/ maga zin_culturecode.pdf 3. ADL_Zukunft_der_Mobilitaet_2020_Langfassung.pdf Arthur D. Little Zukunft der Mobilität 2020 Die umfassende Mobilitätsstudie macht drei wesentliche Faktoren aus: die sogenannte Neo-Ökologie, wo Nachhaltigkeit und Umweltfragen das Kaufverhalten stärker beeinflussen; die 6. zukunftsforschung/index Die Zeit Wie wird die Welt aussehen, in der wir in 20 Jahren arbeiten? Welchen Einfluss haben die Entwicklungen und Trends auf den zukünftigen Arbeitsalltag und das Berufsbild? Verschiedene Artikel zu Themen, wie Generation Y, die zukünftige Arbeitswelt, Energie von morgen, Für das Anwaltsblatt im Internet: Janine Ditscheid, Dipl.-Bibliothekarin, Köln Leserzuschriften an anwaltsblatt@ anwaltverein.de M 230 AnwBl 6 / 2013 Mantel

101 MN Schlussplädoyer Stellt sich den Fragen des Anwaltsblatts: Rechtsanwalt Paul H. Assies aus Köln ist Vorsitzender des Geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Bank- und Kapitalmarktrecht des Deutschen Anwaltvereins. Er ist seit 1992 Rechtsanwalt, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht und Managing Partner der Sozietät CBH Cornelius Bartenbach Haesemann & Partner. Sein Schwerpunkt liegt auf dem Gebiet des Bank- und Kapitalmarktrechts. Er ist Mitglied im Deutschen Anwaltverein, weil dieser das wohl bedeutendste Forum für einen fachlichen und persönlichen Austausch unter Anwaltskollegen bietet. Warum sind Sie Anwalt geworden? Weil der Anwaltsberuf in meinen Augen für den Juristen die persönlich interessanteste Herausforderung darstellt. Schon einmal überlegt, die Zulassung zurück zu geben? Nein. Hierzu bestand für mich bis heute keine Veranlassung. Ihr größter Erfolg als Anwalt? Der Auf- und Ausbau eines erfolgreichen und hoch spezialisierten Geschäftsbereichs mit vielen zufriedenen Dauermandanten, zu denen durchgängig auch ein sehr angenehmer persönlicher Kontakt besteht. Ihr Stundensatz? Ist angemessen, nicht überzogen. Ihr Traummandat? Jede neue besondere Herausforderung. Was sollen Ihnen Ihre Kollegen einmal nicht nachsagen? Nicht Wort gehalten zu haben. Welches Lob wünschen Sie sich von einem Mandanten? Sie verstehen unser Geschäft. Mitglieder Service DAV-Haus Littenstr. 11, Berlin Deutscher Anwaltverein Tel.:030/ ,Fax: Redaktion Anwaltsblatt Tel.:030/ ,Fax: Deutsche Anwaltakademie Tel.:030/ ,Fax: Deutsche Anwaltadresse Tel.:030/ ,Fax:-177 DAV-Fortbildungsbescheinigung Tel.:030/ ,Fax: Arbeitsgemeinschaften im DAV Infos unter Tel.: 0 30/ , Fax: DAV Büro Brüssel Tel.: + 32 (2) , Fax: - 13 bruessel@eu.anwaltverein.de, Deutscher Anwaltverlag Wachsbleiche 7, Bonn Tel.:0228/ ,Fax:-23 kontakt@anwaltverlag.de, Europa im Überblick Der wöchentliche elektronische Newsletter EiÜ berichtet über die wichtigen europäischen Entwicklungen aus Sicht der deutschen Anwaltschaft und verschafft den DAV-Positionen Gehör bei den Brüsseler Entscheidungsträgern. Um die EiÜ beziehen zu können, können Sie sich unter anmelden. M 234 AnwBl 6 / 2013 Mantel

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