Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe Abteilung: Therapie; Hartmut Stickdorn
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- Alwin Seidel
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1 Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe Abteilung: Therapie; Hartmut Stickdorn Konzept zum Referat am für Patienten der Station 15 Salutogenese Das Koherenzgefühl 1 in seiner Bedeutung für körperliche und seelische Gesundheit Das Kohärenzgefühl entwickelt sich im Laufe der Kindheit und Jugend und wird von den gesammelten Erfahrungen und Erlebnissen beeinflusst. Während sich das Kohärenzgefühl in der Adoleszenz noch umfassend verändern kann, ist es mit etwa dreißig Jahren, so Antonovsky, ausgebildet und relativ stabil. Im Erwachsenenalter ist es deshalb nur noch schwer veränderbar, und eine solche Veränderung erfordert eine harte und kontinuierliche (z.b. therapeutische) Arbeit. Kohärenzgefühl (sense of coherence) Das Koherenzgefühl Eine erste Definition Antonovskys beschreibt das Kohärenzgefühl als "eine grundlegende Lebenseinstellung, die ausdrückt, in welchem Ausmaß jemand ein alles durchdringendes, überdauerndes und zugleich dynamisches Gefühl der Zuversicht hat, dass seine innere und äußere Erfahrenswelt vorhersagbar ist und eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass sich die Angelegenheiten so gut entwickeln, wie man vernünftigerweise erwarten kann". Aus dieser Definition wird zugleich auch deutlich, dass diese Grundeinstellung zum Leben fortwährend mit neuen Lebenserfahrungen konfrontiert und von ihnen beeinflusst wird. Das Gefühl einer evidenten Sinnhaftigketi meiner Extistenz und der Welt, mit einem Urvertrauen in das Leben und einem Urbedürfnis an der Welt mitzugestalten und sich zu entwickeln. Aus drei Faktoren, so Antonovsky, setzt sich die Grundhaltung, die Welt zusammenhängend und sinnvoll zu erleben, zusammen: Verstehbarkeit Handhabbarkeit Bedeutsamkeit/Sinnhaftigkeit 1. Gefühl von Verstehbarkeit (sense of comprehensibility) Das Gefühl von Verstehbarkeit beschreibt (als kognitives Verarbeitungsmuster) die Fähigkeit von Menschen bekannte und auch unbekannte Stimuli als geordnete, konsistente, strukturierte Informationen verarbeiten zu können. 2. Gefühl von Handhabbarkeit bzw. Bewältigbarkeit (sense of manageability) Das Gefühl von Handhabbarkeit bzw. Bewältigbarkeit beschreibt (als kognitiv-emotionales Verarbeitungsmuster) die Überzeugung eines Menschen, dass er geeignete Ressourcen zur Verfügung hat, um den Anforderungen zu begegnen - wozu auch der Glaube an die Hilfe anderer Menschen oder einer höheren Macht zählt. 1 Kohärenz bedeutet Zusammenhang, Stimmigkeit
2 3. Gefühl von Sinnhaftigkeit bzw. Bedeutsamkeit (sense of meaningfulness) Das Gefühl von Sinnhaftigkeit bzw. Bedeutsamkeit beschreibt das Ausmaß, in dem man das Leben als emotional sinnvoll empfindet: Dass wenigstens einige der vom Leben gestellten Probleme und Anforderungen es wert sind, das man Energie in sie investiert, dass man sich für sie einsetzt und sich ihnen verpflichtet; dass sie eher willkommene Herausforderungen sind, als Lasten, die man gerne los wäre. Antonovsky sieht diese motivationale Komponente als den wichtigsten Aspekt des Kohärenzgefühls an, denn ohne das Erleben von Sinnhaftigkeit neigt der Mensch dazu, das Leben vor allem als Last zu empfinden und jede weitere sich stellende Aufgabe als Qual. Diese drei Komponenten einbeziehend definiert Antonovsky das Kohärenzgefühl an anderer Stelle als "eine globale Orientierung, die das Ausmaß ausdrückt, in dem jemand ein durchdringendes, überdauerndes und dennoch dynamisches Gefühl des Vertrauens hat, dass erstens die Anforderungen aus der inneren oder äußeren Erfahrenswelt im Verlauf des Lebens strukturiert, vorhersagbar und erklärbar sind und dass zweitens die Ressourcen verfügbar sind, die nötig sind, um den Anforderungen gerecht zu werden. Und drittens, dass diese Anforderungen Herausforderungen sind, die Investitionen und Engagement verdienen". Ein stark ausgeprägtes Kohärenzgefühl führt dazu, dass ein Mensch flexibel auf Anforderungen reagieren kann. Es aktiviert die für diese spezifische Situation angemessenen Ressourcen und wirkt damit als flexibles Steuerungsprinzip, das den Einsatz verschiedener Verarbeitungsmuster (Copingstrategien) in Abhängigkeit von den Anforderungen anregt. Das Kohärenzgefühl entwickelt sich im Laufe der Kindheit und Jugend und wird von den gesammelten Erfahrungen und Erlebnissen beeinflusst. Während sich das Kohärenzgefühl in der Adoleszenz noch umfassend verändern kann, ist es mit etwa dreißig Jahren ausgebildet und relativ stabil. Im Erwachsenenalter ist es deshalb nur noch schwer veränderbar, und eine solche Veränderung erfordert eine harte und kontinuierliche (z.b. therapeutische) Arbeit. Verstehbarkeit Ausmaß, in welchem man interne und externe Stimuli als kognitiv sinnhaft wahrnimmt, als geordnete, strukturierte und vorhersehbare und erklärbare Ereignisse (und nicht als chaotisches, unerklärliches und willkürliches Schicksal) Handhabarkeit Man erkennt, daß einem Ressourcen zur Verfügung stehen, mit deren Hilfe man Probleme bewältigen kann. Ressourcen können aus einem Selbst oder von anderen kommen. Keine Opferrolle, kein Fatalismus. Bedeutsamkeit Die vom Leben gestellten Probleme und Anforderungen sind es wert, gemeistert zu werden, oder zumindest ein Teil davon. Unglückliche Erfahrungen als Herausforderungen. Motivation!!! Stressoren und Stressreaktionen Stressoren sind im Verständnis von Antonovsky "eine von innen oder außen kommende Anforderung an den Organismus, die sein Gleichgewicht stört und die zur Wiederherstellung des Gleichgewichts eine nichtautomatische und nicht unmittelbar verfügbare, energieverbrauchende Handlung erfordert". Zunächst einmal führen Stressoren - unterscheiden lassen sich physikalische, biochemische und psychosoziale Stressoren - zu einer psychophysiologischen Aktivierung, da das Individuum nicht weiß, wie es reagieren soll. Dabei kann die Wirkung physikalischer und biochemischer Stressoren (z.b. Einwirkung durch Waffengewalt, Hungersnot, Gifte oder Krankheitserreger) so stark sein, dass sie sich direkt auf den Gesundheitszustand auswirken. Da in den Industrienationen die Gefährdung durch physikalische und biochemische Stressoren abgenommen hat, rückt die Bedeutung der psychosozialen Stressoren in den Vordergrund. Verfügt die betreffende Person über ein hohes Maß an Kohärenzgefühl (sense of coherence, SOC), so kann sie einen Reiz, den eine andere Person mit schwachem SOC als spannungserzeugend erfahren
3 würde, unter Umständen als neutral bewerten ("primäre Bewertung I"). Aber auch dann, wenn eine Person mit hohem Kohärenzgefühl einen Reiz als Stressor bewertet, kann sie noch unterscheiden ob der Reiz bedrohlich, günstig oder irrelevant ist ("primäre Bewertung II"). Wird der Stressor als günstig oder irrelevant bewertet, wird zwar die Anspannung wahrgenommen, gleichzeitig nimmt die Person aber an, dass die Anspannung ohne das Aktivieren von Ressourcen wieder aufhört. Der Stressor, der die Anspannung auslöste, wird zum Nicht-Stressor umdefiniert. Auch dann, so das Konzept der Salutogenese, wenn ein spannungserzeugender Stressor, der als potentiell bedrohlich definiert wird, wird sich eine Person mit hohem Kohärenzgefühl nicht wirklich bedroht fühlen. Es schützt sie ihr grundlegendes Vertrauen, dass sich die Situation schon bewältigen lassen wird. Auch geht Antonovsky davon aus, dass Menschen mit einem hohen SOC auf bedrohliche Situationen eher mit situationsangemessenen und zielgerichteten Gefühlen reagieren (z.b. mit Ärger über einen bestimmten Sachverhalt), wohingegen Personen mit einem niedrigen SOC eher mit diffusen, schwer zu regulierenden Emotionen (z.b. mit blinder Wut) reagieren und handlungsunfähiger werden, weil ihnen das Vertrauen in die Bewältigbarkeit des Problems fehlt ("primäre Bewertung III"). Generalisierte Widerstandsressourcen Als generalisierte Widerstandsressourcen bezeichnet Antonovsky sowohl individuelle (z.b. körperliche Faktoren, Intelligenz, Bewältigungsstrategien) als auch soziale und kulturelle Faktoren (z.b. soziale Unterstützung, finanzielle Möglichkeiten, kulturelle Stabilität), die als Ressourcen die Widerstandsfähigkeit einer Person erhöhen. Solche Widerstandsressourcen haben zweierlei Funktionen. Zum einen prägen sie kontinuierlich die Lebenserfahrungen und ermöglichen es, bedeutsame und kohärente Lebenserfahrungen zu machen, die wiederum das Kohärenzgefühl formen. Und zum anderen wirken sie als Potential, das aktiviert werden kann, wenn es für die Bewältigung eines Spannungszustandes erforderlich ist. Der Einfluss des Kohärenzgefühls auf die Gesundheit Da ein zu großes Maß an anhaltendem oder wiederholtem Erleben von Stress zusammen mit körperlichen Schwächen eine Gefährdung des Gesundheitszustandes mit sich bringt, geht es im Konzept der Salutogenese vor allem darum, zu verhindern, dass Spannung sich in eine Belastung verwandelt. Dabei können nach Antonovsky unterschiedliche Wirkungsweisen des Kohärenzgefühls angenommen werden: 1. Das Kohärenzgefühl beeinflusst verschiedene Systeme des Organismus (z.b. Zentralnervensystem, Immunsystem, Hormonsystem) direkt, indem es bei den kognitiven Prozessen mitwirkt, die über die Bewertung einer Situation als gefährlich, ungefährlich oder willkommen entscheidet.3) 2. Das Kohärenzgefühl mobilisiert vorhandene Ressourcen, die zu einer Spannungsreduktion führen und damit indirekt auf die physiologischen Systeme der Stressverarbeitung wirken. Während eine kurzfristige physiologische Stressreaktion (Anspannung) von Antonovsky als nicht gesundheitsschädigend eingeschätzt wird, wenn sie durch eine anschließende Erholungsphase ausgeglichen wird, entsteht eine Schädigung dann, wenn die selbstregulierenden Prozesse des Systems gestört sind. 3. Menschen mit einem hohen Kohärenzgefühl sind eher in der Lage, sich gezielt für gesundheitsfördernde Verhaltensweisen (z.b. gesunde Ernährung, rechtzeitig einen Arzt aufsuchen) zu entscheiden und gesundheitsgefährdende Verhaltensweisen zu vermeiden.
4 Überträgt man diese Aspekte auf das eigene Leben, können zu den einzelnen Kategorien lebenspraktische Dinge in Betracht gezogen werden: 1. Übersichtlichkeit Kann ich die Dinge um mich herum überblicken. Beispiele: Weiß ich welche Pflichten und Aufgaben ich habe? Weiß ich wie spät es gerade ist, wo ich mich gerade befinde...? Welche Ziele verfogle ich... Welche Schwerpunkte setzte ich... Was ist mir eigentlich wichtig, was ist unwichtig... Welches sind eigentlich meine Aufgaben... Welches sind meine Lebensideale... Welche Wertmaßstäbe setzte ich... In welcher Art und Weise integriere ich mich in die Gesellschaft/mein soziales Umfeld Sinnhaftigkeit Kann ich die Dinge um mich herum in eine Beziehung zueinander setzen? Verstehe ich, warum etwas so ist? (hier ist nicht nur der Verstand gemeint, auch ein intuitives gefühlsmäßiges Verstehen ist absolut ausreichend) Beispiele: Warum gehe ich meiner Arbeit/Aufgabe nach? Warum ist dieses gut, jenes schlecht für mich? Warum habe ich diese oder jene Angewohnheiten/Meinungen/Prinzipien? Wofür sind Krankheiten gut oder schlecht? Was passiert, mit mir/mit anderen, wenn ich liebe/hasse/verstehe/ablehne/verurteile/unterstütze usw.? Warum passiert (mir) dieses oder jenes Verhältnis zwischen Anforderung und Leistbarkeit Stehen Anforderung und Leistbarkeit in einem zu starken Mißverhältnis zueinander, daß die Anforderung zu hoch ist, entsteht eine innere (u. U. unbewußte) Angst und ein Überforderungsgefühl. Die Folge ist Unzufriedenheit, Rückzug und Verlust des Kongruenzgefühls mit der Welt. Ist die Anforderung zu Gering im Verhältnis zur Leistbarkeit, werden Teile der Persönlichkeit nicht entwickelt, die Folge können sein entweder Passivität, Gleichgültigkeit, Interesselosigkeit und Lustlosigkeit, oder überschießende Kräfte wie Aggressivität, Machtspiele usw. 4. Welches Verhältnis haben Hilfe und Alleine-schaffen (Eigenverantwortung) zueinander. Der Mensch hat eine tiefes Bedürfnis nach Autonomie und Selbstentwicklung. Wann hilft Hilfe, oder wann ist Hilfe Hilfe zur Hilflosigkeit? Setzte ich meine Aufgaben so, daß Selbst-schaffen und Hilfe von anderen Personen im richtigen Verhältnis zueinander stehen. Wenn Hilfe gegeben wird, sollte dies immer mit dem Ziel als Hilfe zur Selbständkigkeit geschehen. Faustregel: Maximal 1/3 Hilfe, 2/3 alleine schaffen (das Alleine-Schaffen sollte mindestens doppelt so viel wie die Hilfe betragen). Das Erfolgserlebnis (und somit das Glückserlebnis) ist immer das Alleine geschafft. Zu viel Hilfe führt in die Abhängigkeit und ist Hilfe zur Hilflosigkeit. 5. Verhältnis zwischen Anforderungen von außen (Pflichten) und Freiräumen (Kür) Zu viel Anforderungen von Außen (Pflichten) engen den Menschen ein, und erzeugen negativen Stress. Es entsteht Abwehr, Unlust und Ausweichverhalten.
5 Zu wenig Anforderungen von Außen (Pflichten) erzeugt eine Entwicklungsverzögerung, Phlegma und Faulheit; es entsteht keine Lebenstüchtigkeit.
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