Psychosomatik in der hausärztlichen Versorgung
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- Leopold Fromm
- vor 6 Jahren
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1 Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Direktor: Prof. Dr. Ch. Herrmann-Lingen Psychosomatik in der hausärztlichen Versorgung Wahlfach Psychosomatik Dr. med.
2 Selbstverständnis der Allgemeinmedizin Fachdefinition der DEGAM (Dt. Gesellschaft für Allgemeinmedizin) Der Arbeitsbereich der Allgemeinmedizin beinhaltet: die Grundversorgung aller Patienten mit körperlichen und seelischen Gesundheitsstörungen in der Notfall-, Akut- und Langzeitversorgung sowie wesentliche Bereiche der Prävention und Rehabilitation. AllgemeinärztInnen sind darauf spezialisiert, als erste ärztliche Ansprechpartner bei allen Gesundheitsproblemen zu helfen.
3 Selbstverständnis der Allgemeinmedizin Fachdefinition der DEGAM Die Arbeitsweise der Allgemeinmedizin berücksichtigt somatische, psychosoziale, soziokulturelle und ökologische Aspekte. Bei der Interpretation von Symptomen und Befunden ist es von besonderer Bedeutung, den Patienten, sein Krankheitskonzept, sein Umfeld und seine Geschichte zu würdigen (hermeneutisches Fallverständnis).
4 Selbstverständnis der Allgemeinmedizin Fachdefinition der DEGAM Die Arbeitsgrundlagen der Allgemeinmedizin sind eine auf Dauer angelegte Arzt-Patienten-Beziehung und die erlebte Anamnese, die auf einer breiten Zuständigkeit und Kontinuität in der Versorgung beruhen.
5 Selbstverständnis der Allgemeinmedizin Das Selbstverständnis beinhaltet eine psychosomatische Haltung und Vorgehensweise, gleichzeitig bedeutet die Vielseitigkeit der allgemeinmedizinischen Aufgaben, dass der Hausarzt kein Psychosomatiker im engeren Sinne sein kann.
6 Diagnostik in der Allgemeinmedizin Epidemiologische Studien von White et al. (1961) und 40 Jahre später von Green et al. (2001): Innerhalb eines Monats haben von 1000 Menschen: 750 Beschwerden, davon gehen 250 zu einem Arzt, werden 9 in ein Krankenhaus eingewiesen und 1 in eine Universitätsklinik aufgenommen
7 Diagnostik in der Allgemeinmedizin Kernproblem der hausärztlichen Diagnostik: systemimmanente diagnostische Unsicherheit aufgrund Vielzahl verschiedener Erkrankungen niedriger Prävalenz einzelner Erkrankungen (oftmals) geringerer Krankheitsintensität
8 Diagnostik in der Allgemeinmedizin Die Diagnostik und Behandlung psychischer und psychosomatischer Erkrankungen verläuft in der Hausarztpraxis zwangsläufig unter anderen Bedingungen als im bereits vorselektierten klinischen Bereich
9 Diagnostik in der Allgemeinmedizin Kruse et al. (1998) In Praxen von Kassenärzten leiden 30 40% d. Pat. an psychogenen oder psychosomatischen Syndromen. Diese psychosomatisch Kranken wurden nur zur Hälfte in der ärztlichen Untersuchung als solche identifiziert. Nur wenige Pat. sprach der behandelnde Arzt auf die psychosomatische Seite ihrer Beschwerden an. Zu spezifischen Behandlungen kam es selten.
10 Diagnostik in der Allgemeinmedizin Tress (2004) Die Notwendigkeit einer Psychosomatischen Grundversorgung wird meist unter- und selten überschätzt. Neurosen, psychosomatische Krankheiten und pathologische Reaktionen auf belastende Lebensereignisse sind die häufigsten Leidenszustände in allen industrialisierten Ländern. Allerdings sind Fehldiagnosen und Fehlbehandlungen in diesem Bereich immer noch die Regel
11 Diagnostik in der Allgemeinmedizin Kruse / Schmitz / Wöller / Heckrath / Tress (2004) Warum übersieht der Hausarzt die psychischen Störungen seiner Patienten. Determinanten der hausärztlichen Identifikation psychischer Störungen. Zeitschrift für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie 2004, 54, S
12 Diagnostik in der Allgemeinmedizin Replik: M. M. Kochen (2004): Warum ist der Psychosomatiker so dummdreist? Zeitschrift für Allgemeinmedizin 2004, 80, S. 269 Kritik am Blick auf den Hausarzt und die psychischen Störungen
13 Diagnostik in der Allgemeinmedizin Kruse / Schmitz / Wöller / Heckrath / Tress (2004): Warum übersieht der Hausarzt die psychischen Störungen seiner Patienten. Determinanten der hausärztlichen Identifikation psychischer Störungen. 120 Konsultationen in 16 Düsseldorfer Hausarztpraxen Erfasst wurden somatoforme Störungen, Affektive Störungen Angststörungen Anpassungsstörungen Essstörungen, Alkoholabusus/abhängigkeit körperliche Zustände, bei denen psychische Faktoren eine Rolle spielen.
14 Frühere Studien: 20-40% der Pat. eines Hausarztes leiden unter psychischen Störungen 40-70% dieser Störungen würden von Hausärzten übersehen, auch wenn eine erhebliche Beeinträchtigung vorliege
15 Studie von Kruse et al. (2004): 120 Konsultationen in 16 Düsseldorfer Hausarztpraxen Ziel der Studie: Klärung der Frage, welche Faktoren das Erkennen psychischer Störungen in der hausärztlichen Versorgung beeinflussen
16 Studie von Kruse et al. (2004): Ergebnisse HÄ erkannten 60% der psychischen Störungen mehr als die Hälfte der Pat. sprach ihre vorhandenen psychischen Beschwerden in der Sprechstunde nicht an
17 Studie von Kruse et al. (2004): Ergebnisse Determinanten des Erkennens psychischer Störungen: Schwere der Beeinträchtigung Anzahl der vom Pat. selbst geäußerten psychischen Beschwerden (O: 40%, 1: 70%; > 2: 88%) Arzt-Patient-Interaktion
18 Studie von Kruse et al. (2004): Ergebnisse: Determinanten des Erkennens psychischer Störungen: nicht: Geschlecht d. Arztes u. d. Patienten Alter des Patienten Anzahl der gesprochenen Worte
19 Arzt-Patient-Interaktion Mit 55% dominiert in der Sprechstunde ein Interaktionsmuster, bei dem der Arzt kontrolliert und der Patient sich komplementär unterordnet. Dieses Interaktionsmuster geht mit einem signifikant häufigeren Nicht-Ansprechen psychischer Beschwerden auf Seiten der Patienten und Übersehen psychischer Störungen ihrer Patienten auf Seiten des Arztes einher.
20 Diagnosefindung in der Allgemeinmedizin: Sielk / Abholz (2005): Warum bezeichnen Allgemeinärzte andere Patienten als depressiv als Psychiater es tun? In der Hausarztpraxis lässt sich nur ein kleiner Anteil von Beschwerden und Symptomen tatsächlich einer definitiven, bewiesenen Diagnose zuordnen.
21 Diagnosefindung in der Allgemeinmedizin: 50% einzelne Symptome oder Symptomgruppen (Syndrome) ohne Zuordnung zu einer spezifischen Diagnose 40% Bild einer Erkrankung 10 % spezifische Diagnose
22 Müdigkeit Schlafmangel / Schlafstörung / Schlaf-Apnoe-Syndrom Anämie Infektion Hypothyreose, M. Cushing (Cortisol), M. Addison (NNR- Insuffizienz) Diabetes Anorexie Tumorerkrankung Depression
23 Diagnosefindung in der Allgemeinmedizin: Wittchen et al. (2001): deutsche Hausarztstudie Pat. 5% depressiv nach DSM-IV-Kriterien 11,3% depressiv nach ICD-10-Kriterien obwohl ICD-10 nur eine minimal niedrigere Schwelle hat
24 Diagnosefindung in der Allgemeinmedizin: Eine nur geringe Schwellenerniedrigung in der (standardisierten) Diagnostik führt in der hausärztlichen Praxis zu einer Verdoppelung der identifizierten Fälle. Fazit H.H.Abholz: so scheinen sich viele allgemeinmedizinische Patienten bezüglich ihrer depressiven Symptomatik schwellenwertnah zu befinden.
25 Häufigkeit typischer Depressionssymptome Schlafstörungen gedrückte Stimmung Konzentrationsstörungen Suizidgedanken Müdigkeit Appetitstörung (Hypo-/Hyperphagie) Hoffnungslosigkeit Wahnideen Suizidversuche
26 Larvierte (somatisierte) Depression vegetative und vielfältige funktionelle Beschwerden stehen im Vordergrund sie spielt in der Hausarztpraxis eine besondere Rolle
27 Larvierte (somatisierte) Depression Kopfschmerzen, Schwindel Rückenschmerzen Atembeschwerden Herzbeschwerden (Druck, Stechen, Herzjagen, -stolpern, Gefühl des Zugeschnürtseins Magen-Darm-Beschwerden (Appetitmangel, Übelkeit, Würgegefühl, Sodbrennen, Schmerzen, Obstipation, Diarrhoe, Völlegefühl) Unterleibsbeschwerden (Schmerzen, Reizblase, Zyklusstörungen)
28 symptomatische (somatogene) Depression Neurologisch: Epilepsie, Hirntumor, Schlaganfall, Hirntrauma, M. Parkinson, Demenz, MS Endokrinologisch: Hypo-/Hyperthyreose, M. Addison, M. Cushing Kardiovaskulär: Vitien, KHK, Herzinsuffizienz, Hypertonie, Z.n. Infarkt Malignome Intoxikationen: Alkohol, chronische Hg/CO-Intoxik. Infektionen: Tbc, Borreliose, AIDS Medikamente
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