Nutzung von Lieferantenpotenzialen
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- Claus Stieber
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1 Nutzung von Lieferantenpotenzialen 171 Nutzung von Lieferantenpotenzialen Stephan M. Wagner 1. Umfassendes und systematisches Lieferantenmanagement Seit den 90er Jahren vernetzen Industrie- und Dienstleistungsunternehmen in verstärktem Maße ihr Beschaffungsmanagement mit den vorgelagerten Stufen in der Supply Chain, also den Lieferanten. Letztendlich geht es um die bestmögliche Ausschöpfung unterschiedlicher Arten von Lieferantenpotenzialen. Chancen der Kostenreduzierungen liegen nicht mehr allein im Verhandlungsgeschick des Einkäufers, sondern auch in der frühzeitigen Beeinflussung der Materialkosten im Produktentwicklungsprozess, der gemeinsamen Verbesserung von Logistikprozessen an der Schnittstelle zum Lieferanten oder in gemeinsamen Kostenreduzierungsprojekten mit Lieferanten. Ähnliches gilt für Qualitätsverbesserungen von zugelieferten Produkten und Materialien und die Erhöhung der Flexibilität in der Entwicklung und Herstellung von Produkten. Enorm an Bedeutung gewonnen hat der Beitrag von Lieferanten zur Innovationsfähigkeit des Unternehmens. Erfolgreichen Unternehmen gelingt es, Technologien auf den Beschaffungsmärkten frühzeitig zu erkennen und diese in die eigenen Produkte zu integrieren. Umsetzung Planung Management der Lieferantenbasis Lieferantenentwicklung Lieferantenintegration Kontrolle Abbildung 1: Komponenten eines umfassenden und systematischen Lieferantenmanagements
2 172 Stephan M. Wagner Mit dem Ziel einer besseren Gestaltung, Lenkung und Entwicklung der Lieferantenbasis des Unternehmens und einzelner Lieferantenbeziehungen haben viele Unternehmen an der Umsetzung eines umfassenden und systematischen Lieferantenmanagements gearbeitet. Empirische Untersuchungen haben gezeigt, dass führende Unternehmen im Lieferantenmanagement einen Managementprozess sehen, der Planungs-, Umsetzungs- und Kontrollschritte umfasst (siehe Abbildung 1). Mit diesen Schritten versuchen Unternehmen, die Hauptaktivitäten des Lieferantenmanagements so zu gestalten, dass sie Lieferantenpotenziale bestmöglich ausnutzen. Ziel des Managements der Lieferantenbasis ist der Aufbau und die Sicherung eines Stamms qualifizierter Lieferanten, die langfristig den eigenen Anforderungen gerecht werden. Hierzu gehört die Segmentierung und Optimierung der Lieferantenbasis genauso wie die Lieferantenauswahl und -auditierung. Immer wieder stellen Unternehmen bei der Erarbeitung einer Lieferantenstrategie oder bei einer Lieferantenbewertung fest, dass ihre Lieferanten den Anforderungen nicht aus eigener Kraft gerecht werden können oder Probleme in der Zulieferung verursachen. Durch Maßnahmen der reaktiven oder präventiven Lieferantenentwicklung soll deshalb die Wettbewerbsfähigkeit des Lieferanten und damit des eigenen Unternehmens erhalten bzw. gesteigert werden. Unternehmen streben zunehmend nach einer engen Zusammenarbeit mit Lieferanten und integrieren diese in die eigenen Geschäftsprozesse. Bei der Lieferantenintegration werden die Ressourcen des Abnehmers mit den Ressourcen und Fähigkeiten seiner Lieferanten kombiniert und gemeinsam in den Geschäftsprozessen umgesetzt. Darunter fallen Maßnahmen zur Integration des Lieferanten in die Wissensphase (Neuproduktentwicklung) und in die Industrialisierungsphase (Prozessentwicklung und Produktion). 2. Herausforderungen und Trends Würden Unternehmen ein solch stringentes und idealtypisches Lieferantenmanagement betreiben, wären sie gut positioniert, um Lieferantenpotenziale bestmöglich ausnutzen zu können. Doch die Realität sieht anders aus. Es folgen einige Anmerkungen mit dem Ziel, ausgewählte Herausforderungen und Trends zu beleuchten. 2.1 Cross-funktionale Zusammenarbeit Lieferantenmanagement kann nicht von der Beschaffung im Alleingang auf- und umgesetzt werden. Wenngleich der Einkaufsleiter zwar die Optimierung des Lieferantenmanagements vorantreiben sollte, ist hier die viel zitierte cross-funktionale Zusammenarbeit gefragt. In
3 Nutzung von Lieferantenpotenzialen 173 der Praxis stellt die Zusammenarbeit der Beschaffung mit anderen Funktionen im Unternehmen - wie Forschung & Entwicklung, Engineering oder Vertrieb - allerdings oftmals eine der größten Herausforderungen dar. Die besten, von Stabsstellen in der Beschaffung ausgearbeiteten, Prozesse und Tools nützen nichts, wenn sie später im operativen Umgang mit den Lieferanten nicht angewandt werden. 2.2 Lieferantenstrategien Formale strategische Planung führt zu besseren finanziellen Ergebnissen und sichert den langfristigen Erfolg des Unternehmens. Dies gilt auch für die Planung im Lieferantenmanagement. Es ist verwunderlich, dass bei der Ausarbeitung von Strategien, also der Planung langfristiger Leitplanken für die Entwicklung der Lieferantenbasis und Lieferantenbeziehungen, bei Unternehmen immer noch vieles im Argen liegt. Ohne Planungen und Strategien besteht keine Möglichkeit, die Umsetzung der Maßnahmen des Lieferantenmanagements nachzuhalten. Plan-/Ziel-Abweichungen können nicht festgehalten werden. Ferner stellen Lieferantenstrategien eine systematische, unternehmensweite Vorgehensweise sicher und ermöglichen eine langfristige Orientierung der Maßnahmen. Die Segmentierung (Strukturierung bzw. Untergliederung) der Lieferantenbasis nach den Anforderungen der Branche und des Unternehmens sowie die Aufstellung von Beschaffungsportfolios stellen eine Mindestanforderung und den Ausgangspunkt für die Ableitung von Lieferantenstrategien dar. 2.3 Lieferanteninnovation Die Fähigkeit von Unternehmen zur Hervorbringung und Vermarktung von Innovationen auf der einen Seite sowie zur Reduzierung der marktbezogenen und technologischen Unsicherheiten dieser Innovationen auf der anderen Seite gilt seit jeher als wesentlicher Faktor für den langfristigen wirtschaftlichen Erfolg. Die Kompetenz eines Unternehmens zur Innovation beruht mehr denn je auf der Fähigkeit, neue Produkte und Dienstleistungen effizient und effektiv in einem zielgerichteten und mehrstufigen Prozess im Verbund mit anderen Unternehmen zu entwickeln und am Markt zu platzieren. Innovation vollzieht sich nicht nur im Unternehmen selber, sondern sollte als interaktiver Prozess zwischen Unternehmen gesehen werden. Neben den Kunden können Lieferanten hier eine wichtige Rolle spielen. Die Ausschöpfung des Innovationspotenzials von Lieferanten geht jedoch weit über die bisher häufiger betriebene Auslagerung von Entwicklungsaufgaben oder Integration von Lieferanten in den Produktentwicklungsprozess hinaus. Hier ist die Fähigkeit zur Identifika-
4 174 Stephan M. Wagner tion zukünftiger Technologien auf den Beschaffungsmärkten gefragt. Diese Technologien mögen heute noch gar nicht kommerziell nutzbar sein. Aber nur wenn Innovationslieferanten frühzeitig an das eigene Unternehmen gebunden werden, kann der Abnehmer die Kommerzialisierung zu seinen Gunsten lenken. Technologien/Ideen 1 Innovations- Lieferanten "Start-ups, Spin-offs" Lösungen 2 Innovations-Lieferanten + Produktivitäts-Lieferanten Produkte 3 Produktivitäts-Lieferanten "Etablierte Unternehmen" Abbildung 2: Produktivitäts- und Innovations-Lieferanten Von traditionellen, etablierten Unternehmen beziehen Abnehmer Produkte und Materialien und erwarten Produktivitätsverbesserungen im Zeitverlauf (siehe Abbildung 2). Am anderen Ende stehen oftmals junge Unternehmen, wie Start-ups, Spin-offs oder innovative Business Units größerer Unternehmen, die neue Ideen generieren und über Freiräume für die Entwicklung neuer Technologien verfügen. Die Anzahl dieser Lieferanten ist im Verhältnis zu den Produktivitätslieferanten allerdings gering. Innovationsolieferanten besitzen teilweise nicht das Know-how und die Ressourcen, um neue Technologien kommerziell nutzbar zu machen. Abnehmer, die über die Kompetenz zur Identifikation, Unterstützung und Bindung solcher Lieferanten verfügen, können daher oft nur langfristig dieses Innovationspotenzial ausschöpfen. 3. Fazit Die Leistung der Lieferanten ist kritisch für den Erfolg eines Unternehmens. Vor dem Hintergrund einer weiterhin sinkenden Fertigungstiefe steigt die Bedeutung eines systematischen Lieferantenmanagements. Um einen möglichen Wettbewerbsvorsprung zu sichern, sollten sich Unternehmen intensiv mit ihren Lieferanten auseinandersetzen und die Beziehung zu ihnen aktiv gestalten. Insbesondere bei der Ausschöpfung des Innovationspotenzials ihrer Lieferanten stehen viele Unternehmen erst am Anfang.
5 Nutzung von Lieferantenpotenzialen 175 Der Autor Univ.-Prof. Dr. Stephan M. Wagner Inhaber des Lehrstuhls für Logistikmanagement Leiter des Kühne-Zentrums für Logistikmanagement WHU Otto Beisheim School of Management, Vallendar Burgplatz Vallendar
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