Ich widme dieses Buch meiner Familie, die glückliche und traurige Zeiten mit mir zusammen durchgestanden hat und ohne deren Unterstützung ich mich
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- Beate Waldfogel
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1 2 Ich widme dieses Buch meiner Familie, die glückliche und traurige Zeiten mit mir zusammen durchgestanden hat und ohne deren Unterstützung ich mich niemals zu der Frau entwickelt hätte, die ich heute bin. Danke, dass ihr immer zu mir haltet und an mich glaubt!
2 Katharina Ziegler Loch im Leben 11 Chancen, nach einem schweren Verlust wieder Tritt im Leben zu fassen 3
3 Katharina Ziegler Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved. Verlag: Windsor Verlag, Hamburg ISBN: Umschlaggestaltung: Julia Evseeva Titelbild: Pellinni - Fotolia.com Layout: Julia Evseeva Fotos: S. 6, Marco Gallmeier Fotolia.com KONZZEPT-Logo: Brigitte Diddens Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung. 4
4 Inhaltsverzeichnis Prolog... 7 I. Loch im Leben II. 11 Chancen, nach einem schweren Verlust wieder Tritt im Leben zu fassen Weine, wenn dir danach zumute ist Leb deinen Gefühlsreichtum Schaffe dir einen Ort der Trauer Schaffe dir einen Ort der Erinnerung Geh achtsam mit dir um Achte auf deine Gesundheit Tu einmal am Tag etwas, was dir gut tut Sprich jeden Tag mit mindestens einer Person Konzentrier dich auf die Menschen, die es gut mit dir meinen Finde in dir einen Ort der Geborgenheit Frag dich an jedem Abend, was das Geschenk des Tages war III. Ja zum Leben Epilog
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6 Prolog Du fragst dich vielleicht, wie ich dazu komme, ein Buch über Trauer zu schreiben. Ist Trauer doch ein Thema, mit dem sich wenige freiwillig beschäftigen. Lieber soll es aus einem glücklichen und störungsfrei verlaufenden Alltag ausgeklammert werden. Und so bekomme ich häufig die Frage gestellt, ob es nicht mein eigenes Leben dumpf und traurig mache, wenn ich mich andauernd mit Trauernden auseinander setze. Es ist nicht so. Es ist deshalb nicht so, weil ich in 25 Jahren Arbeit mit Menschen in Trauersituationen gemerkt habe, dass diese Arbeit mich erfüllt und bereichert, dass nicht nur ich selber etwas einbringe, sondern dass auch von den Menschen etwas zurück fließt zu mir an Gefühlsreichtum, Vertrauen, Bereitschaft sich zu öffnen und sich verletzlich zu zeigen. Was ich einbringe, ist meine Erfahrung aus meiner Zeit als Pastorin, aus den Jahren als Trauerrednerin und Trauerbegleiterin. Sie ist ein Schatz, eine Quelle, aus der ich schöpfe. Ein Strom, der mich speist. Ich habe keine Scheu, mich mit dem Thema Trauer zu beschäftigen, das für viele Menschen ein Tabuthema geworden ist. Schade, denn es ist menschlich wie es menschlicher nicht sein kann. Unser Leben ist ein Leben zwischen Geburt und Tod. Wenn wir geboren werden, dann bekommen wir den Tod mit in die Wiege gelegt. Daran ändern wir nichts, wenn wir den Tod verdrängen, so tun, als ob er nicht da sei, als ob er immer nur andere, aber niemals uns selber treffen und betreffen würde. 7
7 All die Menschen, mit denen ich das Glück habe, im Rahmen meiner Arbeit in Berührung zu kommen, verändern auch mich. Einerseits spüre ich, dass ich fest im Leben stehe, dass ich ein Standing entwickelt habe, das nicht nur mir selbst Sicherheit gibt, sondern offensichtlich auch den Menschen, mit denen oder für die ich arbeite. Die Leute merken: Da ist eine, die weiß, was sie sagt, die versteht etwas von ihrem Fach, die kann aushalten, was ich zu sagen habe. Die hält auch meine Tränen aus. Haltung im Sinne von innerer Aufrichtung und sicherem Stand ist eine gute Voraussetzung dafür, von den traurigen Kapriolen, die das Leben zuweilen schlägt, nicht sofort umgepustet zu werden. Haltung aber auch in Bezug auf den Menschen, den ich in der jeweiligen Situation vor mir habe. Wer auch immer mir begegnet: Ich sehe den rundum wertvollen, liebenswerten, verletzlichen, in seinen Grundfesten erschütterten Menschen und ich reiche ihm die Hand, damit ich ihn ein Stück auf seinem schweren Weg begleiten kann. Solche Weg-Erfahrungen berühren mich stets auf s Neue. Um optimal helfen zu können, bin ich mit meinen Antennen ganz bei meinem Gegenüber. Und finde mich in meinem eigenen Gefühlsreichtum gefordert, angesprochen und bestätigt. Du magst einwenden, schön und gut, hört sich nicht schlecht an. Aber Trauer zu erleben im Mitleben und Begleiten steht unter dem Vorbehalt, dass die Trauer eben nur mit erlebt wird und nicht selbst erlebt. Dieser Einwand ist zu einem guten Teil berechtigt. Zwar können Menschen lernen, Trauernde zu begleiten, sie können in die Themen und Fragen hinein wachsen, die sich in dem Zusammenhang auftun, aber wirklich mitfühlen und wissen, wie es sich anfühlt, wenn ein geliebter Mensch nicht mehr da ist, das können nur diejenigen, die selbst erlebt haben, wie ein schmerzvoller Verlust tiefe Löcher ins Leben reißt, wie mühsam es sein kann, aus diesen Löchern wieder heraus zu krabbeln. Ein Mensch, der Fortschritte und Rückschläge im Trauerprozess kennt. Die Hoffnung auf Besserung des Zustandes ebenso wie das Zerplatzen dieser Hoffnung. 8
8 Vielleicht merkst du an meinen Worten schon. Ich kenne das Gefühl auch von innen. Ich habe selbst eine Zerreißprobe des Lebens hinter mir, als eine unserer Töchter als Säugling starb. Es war ein inneres Ringen. Ein Vor und Zurück. Schließlich aber hat die Auseinandersetzung mit diesem Tod dazu geführt, dass ich wieder am Leben anbeißen konnte. Auch wenn du es heute nicht glaubst. Es kann dir nach einem schweren Verlust gelingen, trotzdem ein lebensbejahender, ein hoffnungsfroher, ein optimistischer Mensch zu werden und zu bleiben. Oder vielleicht nicht trotzdem, sondern gerade deswegen. So ein Mensch hat dieses Buch geschrieben. Mit der Erfahrung von Trauer in all ihren Facetten. Und wohl wissend, dass sich im Trauerprozess viele Dinge ähneln und doch jeder Verlust neu und schmerzhaft ist und einmalig. Wie wir als Menschen und die Beziehungen, in denen wir stehen. 9
9 I. Loch im Leben Du hältst dieses Buch in der Hand. Es gibt einen Grund dafür. Mit einer hohen Wahrscheinlichkeit ist gerade ein Mensch gestorben, der dir sehr viel bedeutet hat. Jemand, dessen Verlust ein riesiges Loch in dein Leben gerissen hat. Es kann dein Ehepartner gewesen sein, dein Mann, deine Frau. Ein Kind kann dir genommen worden sein. Eine Mutter, ein Vater, ein Opa, eine Oma, eine Freundin, ein Freund. Wer auch immer es ist, wen auch immer du vermisst, es tut weh. Der Verlust eines Menschen, den wir geliebt haben, tut zuweilen so sehr weh, dass es sich so anfühlt, als würde dein Herz vor Schmerz brüllen. Dein Inneres ist aufgeschrammt und wund. Weißt du noch, wie weh es tat, wenn du als Kind mit dem Fahrrad hingefallen bist, deine Knie über den Schotter rutschten und böse Schürfwunden hinterließen? So kann sich auch dein Inneres anfühlen. Auf breiter Front verletzt. Es braucht jemanden, der die Wunde versorgt, der die kleinen Teilchen vom Asphalt behutsam heraus holt. Jemanden, der etwas von seiner Arbeit versteht. Der desinfiziert. Der verbindet. Jemanden, der regelmäßig nach der Wunde guckt. Den Verband öffnet. Und neu macht. Tag für Tag. Bis die Wunde abgeheilt ist. Bis der Körper selber in der Lage ist, die schützende Schicht aus Haut, aus heiler, gesunder Haut neu zu bilden. Es kann sein, dass die Stelle empfindlich bleibt. Manches Mal ein Leben lang. Aber du hast gelernt, schon als Kind mit aufgeschrammten Knien, dass es ein Danach gibt, dass es möglich ist weiter zu leben, auch wenn in dem einen Moment alles, dein ganzes Sein, auf den Schmerz konzentriert ist und es nichts Anderes gibt als das. 10
10 Die Trauer ist so ein Schmerz. Da ist jemand aus deinem Leben gerissen worden, der dort hinein gehört. Egal, ob du die Möglichkeit hattest, dich auf den Tod vorzubereiten, weil er sich zum Beispiel durch eine Krankheit ankündigte, oder ob der Tod dich plötzlich getroffen hat. Die Aufgabe, den Abschied zu gestalten, bleibt. Trauer ist das Gefühl, das entsteht, wenn dir ein Abschied weh tut. Sie ist eine natürliche Reaktion auf einen Verlust. Trauer ist keine Krankheit. Jeder Mensch kennt Trauer und erlebt Trauer. Als wir Kinder waren, gestatteten wir uns, unsere Trauer auszuleben. Herzzerreißenden Weinen, wenn Mama uns zum Kindergarten gebracht hatte und losgehen wollte. Die Angst vor dem drohenden Verlust und der Abschiedsschmerz haben sich auf natürlichem Wege die Bahn gebrochen. Durch Tränen, die aus den Augen schossen, durch Schluchzen, Weinen, Schreien. Durch die Untröstlichkeit, wenn es sich nicht ändern ließ, dass Mama wegging. Trauer ist keine Krankheit Noch einmal. Trauer ist etwas ganz Normales. Ein Gefühl, das zu uns Menschen dazu gehört wie Lachen, Freude, Wut und Angst. Wir sind alle mit einem großen Spektrum von Gefühlen geboren worden. Als wir sehr klein waren, surften wir nur auf der Welle dieser Gefühle. Mit unseren wachen Säuglingsantennen haben wir unsere Umwelt wahrgenommen und sensibel auf alles reagiert, was unser harmonisches Gleichgewicht herstellte oder aus dem Lot zu bringen drohte. Im Laufe des Lebens verlernen viele von uns, ihren Gefühlen zu vertrauen und ihnen zu folgen, weil in unserer Gesellschaft und ihren Strukturen andere Fähigkeiten abgefordert werden als ausgerechnet der Gefühlsreichtum. Da musst du funktionieren können und Leistung bringen. Da muss es dir gelingen, stundenlang auf einem Stuhl zu sitzen und einer Arbeit nachzugehen, die deine Gefühle nur am Rande anspricht oder bei der sie dir mehr im Weg sind als nützen. Weil deine Gefühle nicht gebraucht werden, drängst du sie zur Seite. Wenn du einen Chef hast, der dir sagt, auf der Arbeit werde nicht 11
11 gelacht, dann lachst du nicht oder lässt dich zumindest nicht dabei erwischen. Wenn deine Kolleginnen dich als Schwächling einstufen, weil du dich vor einer Aufgabe fürchtest, dann schluckst du deine Angst hinunter und zeigst sie nur im privaten Rahmen. Oder vielleicht nicht einmal das. So verlernst du nach und nach, auf der Gefühlsharfe zu spielen. Deine Gefühle verkümmern wie Muskeln, die du nicht benutzt. Sie sind da, aber du weißt nicht mit ihnen umzugehen. Und wenn sie auf einmal stark gefordert sind, dann fangen sie an zu protestieren. Trauer bringt dich mit deinen Gefühlen in Kontakt Aktuell bist du traurig. Oder du begleitest jemanden, der sehr traurig ist. Du bist mit Gefühlen in Kontakt, die lange brach lagen. Wie gut! Auch wenn du Schmerzen hast, wenn du nur eines möchtest, dass der geliebte Mensch wieder da ist und alles wieder so wird wie vorher. Auch wenn du den Abschied nicht haben möchtest, ihn nicht aushalten willst, nicht gewillt bist, dich damit auseinander zu setzen. Deine Trauer zeigt dir, dass du lebst. Du bist ein lebendiger Mensch mit allem, was zum Menschsein dazu gehört. Du bist dafür geboren, die ganze Palette des Menschlichen, die dir zur Verfügung steht, ausschöpfen zu dürfen. Wer für sich in Anspruch nimmt, glücklich sein zu wollen, der muss auch damit leben, dass ihn Trauriges trifft. Ich kenne niemanden, wirklich niemanden, der ein nur glückliches Leben hatte. Frag in deinem Freundeskreis herum, lass dich auf Gespräche ein, die in die Tiefe gehen. Erzähle, was du selbst an schweren Zeiten erlebt hast und gerade erlebst, und du wirst sehen, dass die anderen ebenfalls davon erzählen. Die Verbindung unter euch wird tiefer werden, reicher und ehrlicher, als sie es je war. Trotzdem, das Loch im Leben bleibt. Niemand kann deinen schweren Verlust rückgängig machen. Niemand kann stellvertretend deine Schmerzen fühlen, niemand kann dir abnehmen, dass du damit fertig werden musst. Dass es dich vor Schluchzen 12
12 schüttelt, dass die Einsamkeit mit den Händen zu greifen ist. Im Moment gibt es nichts in deinem Leben, das so vordringlich in Angriff genommen werden muss wie die Tatsache, dass deine Trauer alles durchdringt, den Tag und die Nacht, das Zähneputzen ebenso wie das Gespräch mit deiner Nachbarin. Trauer kann mächtig sein. Kein bloßes Gefühl mehr, sondern eine alles durchdringende Kraft, die den letzten Winkel deines Seins erreicht und dir nicht die kleinste Schlupfmöglichkeit lässt. Entrinnen kannst du ihr nicht. Diese Erkenntnis kann dich unruhig machen. Kein Zustand ist passend, kein Ort der richtige. Du kannst nicht fliehen, so sehr du das vielleicht möchtest. Die Trauer ist stets präsent. Es kann auch sein, dass sie dich nicht unruhig macht, sondern lähmt, diese alles durchdringende Trauer. Du möchtest am liebsten keinen Schritt mehr gehen, willst dich im Bett verkriechen, die Decke über den Kopf ziehen und weißt doch, auch dort findest du nichts als deinen übergroßen Schmerz. In der Dunkelheit kämpfst du mit Dämonen. Ein zäher, ermüdender Kampf, in dem zunächst immer die Trauer als Gewinnerin hervor geht. Aber was soll ich denn tun? Wie kann ich dem Loch im Leben begegnen, wenn es doch nur diese alles umfassende Trauer hervor ruft, der ich nicht entkommen kann, so sehr ich es auch will? Erste Hilfe in Sachen Trauer Ich möchte dich zu folgendem ermutigen: 1. Konzentriere dich in der ersten Zeit nach dem Verlust des geliebten Menschen in erster Linie darauf, selbst überleben zu wollen. Das ist die Hauptaufgabe, der du gegenüber stehst. 2. Gestatte deiner Trauer, für eine gewisse Zeit die beherrschende Kraft in deinem Leben zu sein. Sie wird es dir danken, wenn du ihr Raum gewährst. 13
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