AUSGANGSSITUATION ZIELSETZUNGEN

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1 Abschlussbericht Zur ehrenamtlichen Begleitung und Betreuung neu angekommener unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge bis zur abschließenden Klärung eines Anspruchs auf eine Inobhutnahme nach 42 KJHG AUSGANGSSITUATION Aufgrund des in den vergangenen Monaten praktizierten Umgangs der Hamburger Ausländerbehörde bezüglich der Altersangaben von neuangekommenen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen schien es zu befürchten, das ein nicht geringer Anteil der neu angekommenen Jugendlichen dem Verfahren nicht aus eigenen Stücken folgen, und folglich nicht seinen Anspruch auf Jugendhilfe wahrnehmen kann. Denn gestalten sich schon für Erwachsene das Verfahren und die Behördengänge als schwer durchschaubar und verständlich, so ist es für Jugendliche noch schwieriger. Die Situation für Jugendliche stellt sich Ende Januar 2002 wie folgt dar: Unterbringung der Jugendlichen auf der Bibby-Altona Keinerlei Begleitung zu Behördengängen Keinen Rechtsbeistand oder rechtliche Beratung ZIELSETZUNGEN Das Verfahren für neu angekommene Minderjährige soll gesichtet werden, da Unklarheit über die einzelnen Behördengänge herrscht. Aufgrund dieses Missstandes wurdel seit Februar 2002 versucht neu angekommene Jugendliche durch Mithilfe Ehrenamtlicher zu möglichst all ihren anstehen Behördengängen zu begleiten. Damit einher gehend sollte eine möglichst muttersprachliche Erläuterung der Situation und der anstehenden Behördengänge, um die Jugendlichen auf das auf sie zukommende Verfahren vorzubereiten. Erfahrungen mit den Behörden bzw. über den Umgang der Behörden mit den Jugendlichen, sowie Verfahrensänderungen etc. sollen dokumentiert werden. DAS VERFAHREN Das Verfahren bis zur abschließenden Klärung eines Anspruchs auf Inobhutnahme nach 42 KJHG (Kinder und Jugendhilfegesetz) gestaltete sich zu Beginn Februar wie folgt: 1. Als erstes müssen sich die Jugendlichen auf der AB (Ausländerbehörde) melden und Angaben zur Person machen. In der Regel glaubt man den Jugendlichen das von ihnen angegebene Alter nicht und setzt ein fiktives Geburtsdatum fest nach dem sie mindestens 16 Jahre alt sind. Die Jugendlichen bekommen schriftlich einen neuen 1

2 Termin mitgeteilt, an dem eine MitarbeiterIn des JA (Jugendamts) mit Hilfe eines Dolmetschers ein Gespräch mit den Jugendlichen führen wird. 2. Die Jugendlichen sollen in der Zwischenzeit auf der Bibby-Altona untergebracht werden. Dazu müssen sich auf den Schiffen anmelden und bekommen über die interne Platzbörse einen Schlafplatz zugewiesen. 3. Bei dem erneuten Termin in der Ausländerbehörde führen die Jugendlichen zunächst ein Gespräch mit dem Jugendamtsmitarbeiter. Im Anschluss daran erfolgt die ED- Behandlung (Erkennungsdienstliche Behandlung). Die Jugendlichen bekommen (sofern nicht eine Duldung beantragt wurde) ihre Büma (Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender) sowie den Untersuchungsschein für die Altersfeststellung im UKE (Universitätskrankenhaus Eppendorf) ausgehändigt. Das LKA (Landeskriminalamt) wird benachrichtigt. Erscheint den LKA-Beamten der Jugendliche erheblich älter als selbst angegeben wird er festgenommen und zum Polizeipräsidium Alsterdorf gebracht. Dort erfolgt eine erneute ED-Behandlung. Die Jugendlichen werden erst spät abends entlassen. 4. Möchte der Jugendliche die Möglichkeit nutzen, eine Altersfeststellung im Institut der Rechtsmedizin im UKE machen zu lassen, muss er sich einen Termin und einen Kostenübernahmeschein für die ärztliche Untersuchung bei den Sozialen Diensten auf den Schiffen holen. Der Kostenübernahmeschein muss dann vom Sozialamt auf den Schiffen gestempelt werden. Gleichzeitig wird ihnen dabei auch der Leistungsbescheid für das Taschengeld ausgestellt 5. Die Altersfeststellung erfolgt im Institut für Rechtsmedizin des UKE. Bei der Untersuchung erfolgt zum einen eine Beurteilung der Behaarung und Geschlechtsmerkmale sowie eine Untersuchung des Zahnstatus. Relevant ist hierbei die Entwicklung der Weisheitszähne. Nach dieser kurzen Untersuchung schätzt der Arzt das Alter des Jugendlichen ein. 6. Anschließend muss der Jugendliche erneut zur Ausländerbehörde und dort den Untersuchungsschein abgeben. Wurde der Jugendliche älter als 16 eingeschätzt, erfolgt in der Regel die Umverteilung in eine andere Stadt und man händigt ihm eine Fahrkarte aus. Wurde der Jugendliche vom Arzt als unter 16 eingestuft kann er in Hamburg bleiben und bekommt von der Ausländerbehörde einen Brief für das JA-Mitte ausgehändigt. 7. Der Jugendliche muss mit seinen Unterlagen zum JA-Mitte gehen und wird dort zu persönlichen Daten befragt. Im Anschluss daran, wird das Mädchen oder der Junge in eine Jugendeinrichtung gemäß 42 KJHG untergebracht. ÄNDERUNGEN IM VERFAHREN In der Zeit bis Ende Juli 02 wurde das Verfahren mehrfach geändert. Die Änderungen sollen hier kurz aufgeführt werden, ein zusammenhängender Vergleich der geänderten Verfahrensweisen ist dem Anhang zu entnehmen. 1. Seit dem werden von Seiten des Jugendamtes keine Beratungsgespräche mehr in der Ausländerbehörde durchgeführt. Als Begründung wurde bekanntgegeben, dass die Beratungsgespräche aufgrund einer 2

3 Koalitionsvereinbarung unter Rot/Grün stattgefunden haben und diese unter dem neuen Senat nun keine Gültigkeit mehr habe. 2. Seit dem wurde die Kostenübernahme für Altersfeststellung im UKE geändert. Das Sozialamt übernimmt die Kosten nur noch bei durch den Arzt bescheinigter Minderjährigkeit. Der Jugendliche muss zunächst für die Kosten der Untersuchung in Höhe von 56 Euro selber aufkommen. Noch in der ersten Juliwoche war vorgesehen, dass der Jugendliche das Geld bar beim untersuchenden Arzt abgibt. Völlig unklar gestaltete sich in diesem Augenblick wohin sich der Jugendliche wenden muss, um nach bescheinigter Minderjährigkeit das Geld zurück zu erlangen. 3. Da sich der Leiter der Rechtsmedizin Prof. Dr. Püschel nicht bereit erklärte, von den Jugendlichen eine Barzahlung entgegen zu nehmen, wurde folgende Umsetzung der Änderung bekanntgegeben: Seit dem muss der Jugendliche die 56 Euro bei einer Bank bar auf das Konto des Sozialamtes einzahlen. Bei Vorlage des Einzahlungsbelegs auf dem Sozialamt wird dem Jugendlichen dann ein "Gutschein" für eine Altersfeststellung ausgehändigt. 4. Am wurden folgende Änderungen bekannt. Jugendliche die durch die Ausländerbehörde fiktiv auf 16 Jahre gesetzt wurden müssen anstatt der 56 Euro nun 75 Euro zahlen. Jugendliche die von Seiten der Ausländerbehörde auf fiktiv 18 Jahre gesetzt wurden müssen von nun an 150 Euro zahlen. Am teilte ein Sachbearbeiter des Sozialamtes mit, dass sich die Kosten von 75 Euro auf 80 Euro erhöhen. Worin sich diese Erhöhung begründet und warum es keinen einheitlichen "Preis" für die Altersfeststellung gibt, konnte oder wollte von Seiten der MitarbeiterInnen des Sozialamtes nicht beantwortet werden. Die Rückzahlung des Geldes erfolgt nur noch dann, wenn das eigene angegebene Alter des Jugendlichen durch den Arzt bestätigt wird und nicht wie zuvor bei bescheinigter Minderjährigkeit. ZAHLEN Laut Angaben der Ausländerbehörde meldeten sich im Zeitraum Februar bis Ende April 166 Minderjährige in der Ausländerbehörde. 78 von ihnen waren zwischen 16 und 18 Jahren alt, die verbleibenden 88 unter 16 Jahren alt. Lediglich 20 von diesen 88 Jugendlichen wurden ihre eigenen Altersangaben geglaubt. Die verbleibenden 68 Jugendlichen bekamen von den Sachbearbeitern ein fiktives Geburtsdatum (54 von ihnen setzte man fiktiv auf 16 Jahre und 14 auf 18 Jahre). Von den 78 Jugendlichen die angaben zwischen Jahren alt zu sein, wurden 22 fiktiv auf 18 Jahre gesetzt (vgl. Antwort des Senats auf die Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten A. Möller, Drucksache 17/880). 3

4 Nach eigenen Angaben Unbegleitete unter 16 Jahren Altersangabe übernommen Fiktivsetzung auf 16 Jahre Fiktivsetzung auf 18 Jahre Nach eigenen Angaben Unbegleitete zwischen 16 und 18 Jahren Hiervon Fiktivsetzung auf 18 Jahre Februar März April Summe (vgl. Antwort des Senats auf die Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten A. Möller, Drucksache 17/880). Aus diesen Zahlen ergibt sich eine Summe von 90 Jugendlichen die sich einer ärztlichen Altersfeststellung im UKE hätten unterziehen lassen können. Davon sind letztendlich 51 Jugendliche zum Arzt gegangen. Eingeholte Unter 16 Jahren Zwischen 16 und Über 18 Jahre ärztliche Gutachten möglich 18 Jahren Februar März April (vgl. Antwort des Senats auf die Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten A. Möller, Drucksache 17/880). BEGLEITUNGEN UND BEOBACHTUNGEN In der Zeit von Februar 2002 bis Anfang Juli 2002 wurden durch ehrenamtliche Helfer rund 45 Jugendliche bei ihren Behördengängen begleitet. Der Umfang der Begleitung eines Jugendlichen richtete sich unter anderem danach, an welchem Schritt seiner zu erledigenden Behördengängen sich der Kontakt zu dem Jugendlichen ergab. So wurden einige Jugendliche von ihrer Erstmeldung in der AB bis hin zu ihrer Altersfeststellung begleitet, andere wiederum wurden beispielsweise "nur" zur Altersfeststellung begleitet. Das Angebot an die Jugendlichen, sie zu ihren anstehenden Behördengängen zu begleiten und ihnen Unterstützung zu bieten, wurde von den Jugendlichen in aller Regel positiv angenommen. Grundlegend lassen sich folgende Beobachtungen festhalten: Jugendamts Beratung Die Beratungsgespräche durch das Jugendamt in der Ausländerbehörde wurden als Modell im November 2000 umgesetzt. Eine MitarbeiterIn des Jugendamts kam mit einer DolmetscherIn in die Ausländerbehörde, um den Jugendlichen dort über 4

5 die Prozedur des Ältermachens zu beraten und ihn auf die strafrechtlichen Folgen falscher Altersangaben hinzuweisen. Die Praxis zeigt, dass trotz fester Termine für das Gespräch mit dem Mitarbeiter des Jugendamts die Jugendlichen auf dieses Gespräch oft stundenlang warten müssen, ohne dass ihnen von irgendeiner Seite erklärt wird, warum es so lange dauert. So kam es bereits vor, dass ein Gespräch für 8:00 angesetzt wurde und man dem Jugendlichen um 13:30 mitteilte, dass man für seine Sprache keinen Dolmetscher habe finden können, und daher das Gespräch nicht stattfinden könne. Ohne Beratung wurde der Jugendliche älter gemacht und anschließend festgenommen. Die Jugendlichen sind verunsichert, es wird bei ihrer Erstmeldung auf der AB von Seiten der SachbearbeiterInnen nicht versucht, ihnen zu erklären, was für ein Termin vor ihnen liegt. Die Jugendlichen verstehen den Sinn dieser Beratung und der zu unterschreibenden Formulare nicht. Es ist für sie nicht zu unterscheiden, von Seiten welcher Behörde und mit welcher Intention man dieses Gespräch mit ihnen führt. Die Beratung durch das Jugendamt in den Räumen der Ausländerbehörde stellt keine Hilfe für die Jugendlichen dar. Sie bedeuten lediglich einen zusätzlichen Termin und zusätzliche Wartezeit. Polizeipräsidium Alsterdorf Das LKA wird immer gerufen, wenn ein Jugendlicher älter gemacht wird. Bis zum wurde das LKA im Anschluss an das Jugendamtsgespräch gerufen. Seit der Abschaffung dieser Gespräche wird das LKA am Tag der Erstmeldung informiert. Durch Seiten der LKA-Beamten erfolgt eine erneute Inaugenscheinnahme des Jugendlichen. Die Beamten begutachten den Jugendlichen erneut. Nicht selten kommt es dabei vor, das die BeamtIn den Jugendlichen auffordert den Mund zu öffnen, um dessen Weisheitszähne zählen zu können. Sind die Beamten der Auffassung, dass das selbst angegebene Alter des Jugendlichen erheblich von ihrer Einschätzung abweicht, wird der Jugendliche festgenommen und zum Polizeipräsidium gebracht. Besonders die Mitnahme zum Polizeipräsidium Alsterdorf nach dem Termin mit dem Jugendamt, bzw. nach der Erstmeldung in der AB löst bei den Jugendlichen Angst, Wut und Unverständnis aus. Häufiger kommt es vor, dass die Jugendlichen nach der Entlassung, die erst spät abends zwischen 22:00 und 00:00 stattfindet, des nachts den Weg zu ihrer Wohnunterkunft nicht finden. Daher auch teilweise die Bitte von einigen ehrenamtlichen Betreuern an die PolizistInnen, sich vor der Entlassung des Jugendlichen mit ihnen telefonisch in Verbindung zu setzen, damit der Jugendlichen eventuell am Polizeipräsidium abgeholt werden kann. Die Praxis zeigt jedoch, dass dies von der Polizei häufig nicht getan wird und der Jugendliche einfach entlassen wird, ohne eine andere Kontaktperson telefonisch zu informieren. Nur selten bemühen sich die BeamtInnen, mit dem Jugendlichen in einer ihm verständlichen Sprache zu sprechen. Die Jugendlichen, die teilweise seit acht Uhr morgens in der Ausländerbehörde gesessen haben, bekommen auf dem Präsidium nur dann etwas zu essen und trinken, wenn sie auch selber danach fragen. Da die Jugendlichen dies nicht wissen, oder aber viel zu verschüchtert sind um danach zu fragen, müssen sie bis zu ihrer nächtlichen Entlassung ohne Essen und Trinken auskommen. Sozialamt Bibby - Altona Bezüglich der Taschengeldauszahlung sind die Jugendlichen der Willkür des Sachbearbeiters auf dem Sozialamt ausgeliefert. Den Jugendlichen wird dort ihr 5

6 Taschengeld ausgezahlt, für beispielsweise drei Tage. Dass ihnen jedoch mehr zusteht und es daher notwendig ist nach drei Tagen erneut zum Sozialamt zu gehen, wurde den von uns begleiteten Jugendlichen von den zuständigen Sachbearbeitern nicht erklärt. Altersfeststellung im UKE Bezüglich der derzeit angewandten Methoden zur Altersfeststellung macht Frau Prof. Dr. med. Ute Lockemann, Oberärztin am Institut für Rechtsmedizin folgende widersprüchlichen Angaben:,,Die Körperliche Untersuchung ist subjektiv und relativ ungenau. Es erfolgt eine Einteilung der sexuellen Reifestadien gem. Tanner (I-V). Zuverlässiges Kriterium ist das Vorhandensein von Weisheitszähnen, bei komplettem Vorgewachsensein bis in die Kauebene kann von einem Alter >18 Jahre ausgegangen werden. Ist zumindestens ein Weisheitszahn sichtbar, so ist der Proband >18 Jahre. Sind keine Weisheitszähne sichtbar, so ist eine Entscheidung über das Überschreiten von 14 Jahren je nach körperlicher Entwicklung mehr oder weniger sicher möglich. Aussagen können (je nach Weisheitszahnlage) getroffen werden für die Altersbereiche <16, >16, >18, deutlich über 21.[...] Zahnärztliche Untersuchung ohne Röntgen (Inspektion) Anhand der Entwicklung des Gebisses [...] ist eine relativ genaue Eingrenzung des Lebensalters möglich (je nach Weisheitszahnsituation und Befund +/- 3Jahre) für alle Altersstufen bis ca. 18 Jahre. Eine Aussage über die Überschreitung de 21. Lebensjahres ist nicht möglich. Die Hamburger Ärztekammer teilt in einem Antwortschreiben auf einen Offenen Brief, in dem sie um Stellungnahme bezüglich der Altersfeststellungen gebeten wird am folgendes mit: 1.) Aufgrund der Körpergröße und des Bartwuchses gibt es sicher nicht die Möglichkeit festzustellen, ob ein junger Mensch unter oder über 16 Jahre alt ist. Individuelle und ethnische Unterschiede sind so groß, dass eine sichere Altersbestimmung so nicht möglich ist. Auch sei 2.)...eine Altersfeststellung mit hinreichender Sicherheit [...] auch aufgrund der Zahnentwicklung nicht möglich. Die Jugendlichen erhalten von offizieller Seite keine Begleitung zum UKE. Mit einer handgemalten Karte sollen sie alleine den Weg zum Universitäts Krankenhaus finden. Häufiger kam es vor, das Jugendliche nicht den Weg zur Rechtsmedizin fanden. Nach unseren Beobachtungen zeigt sich, dass sich die ärztliche Untersuchung in ihren Grundzügen immer gleicht: Prüfung der Weisheitszähne sowie der Körperbehaarung und der Geschlechtsmerkmale. Jedoch weicht sie in einigen Untersuchungsanteilen je nach untersuchendem Arzt voneinander ab. So werden nicht immer Körpergröße und Gewicht und auch nicht immer Puls und Blutdruck gemessen. Die Jugendlichen sind während der ärztlichen Untersuchung häufig sehr verunsichert und verängstigt, ihnen wird auch nicht erklärt, warum sie diese Prozedur über sich ergehen lassen müssen". Besonders beschämend ist die Untersuchung, wenn neben dem untersuchenden Arzt noch weitere Personen bzw. Personengruppen wie beispielsweise PraktikantInnen oder Ärzte auf Gastbesuch im UKE anwesend sind. Dann beginnt das 6

7 "Heitere Geburtstagsraten" unter den anwesenden Personen und jeder darf seine eigene Alterseinschätzung abgeben. Den Jugendlichen wird während der gesamten Untersuchung meist nicht versucht zu erklären, was als nächstes gemacht wird, bzw. warum der Arzt beispielsweise die Zähne untersucht etc.. Auch erfolgt am Ende keine Erklärung dazu, worauf sich die Alterseinschätzung des Arztes begründet. Die Alterseinschätzung erfolgt auf ein Lebensalter von unter 16 Jahren, zwischen 16 und 18 Jahren sowie über 18 Jahre. Der Jugendliche erhält keine Kopie der Notizen des Arztes. Kostenübernahme Es ist für die Jugendlichen nicht möglich, das Geld, seien es 80 oder sogar 150 Euro, für die Altersfeststellung aufzubringen. Zudem hat sich das Verfahren durch die neuen Kostenregelungen derart verkompliziert, dass es ohne muttersprachliche Erklärungen kaum bewältigt werden kann. Die Jugendlichen erhalten nach bisherigen Beobachtungen an keiner Stelle eine Erklärung, wie man Geld auf ein Konto einzahlt, wo die nächste Bank ist und dass die Bareinzahlung zusätzliche Kosten bedeutet. Prinzipiell ist es möglich, um die Gebühren der Bareinzahlung zu sparen, das Geld zu überweisen anstatt es bar auf das Konto des Sozialamtes einzuzahlen. Allerdings bekommen die Jugendlichen dann erst den Gutschein zur ärztlichen Untersuchung ausgehändigt, wenn das Geld auf dem Konto eingegangen ist. Dies bedeutet für die Jugendlichen in der Regel noch einmal drei Tage Warten, bevor sie die Möglichkeit nutzen können, zur Altersfeststellung zu gehen. Das Sozialamt konnte oder wollte keine Auskunft darüber geben, warum die Kosten erhöht bzw. zweigeteilt wurden in 80 und 150 Euro wurden. Auch konnten noch keine Informationen darüber in Erfahrung gebracht werden, wie und wo die Kostenrückerstattung erfolgen soll, wenn das Alter des Jugendlichen bestätigt wird. Zudem sind uns derzeit keine schriftlichen Unterlagen, Dienstanweisungen etc. bekannt auf denen sich dieses neue Verfahren begründet. Durch die Kosten wird es den Jugendlichen so gut wie unmöglich gemacht, den Arzt zur Altersfeststellung aufzusuchen. Das Altersfeststellungsverfahren wird damit faktisch wieder der Ausländerbehörde übergeben. NOTWENDIGKEIT DER BEGLEITUNG Die Beobachtungen der ehrenamtlichen Helfer zeigen deutlich, dass es notwendig ist, neu angekommene unbegleitete Minderjährige auf ihrem Weg durch die Behörden zu begleiten. Die Jugendlichen erfahren zu keiner Zeit eine muttersprachliche oder ihnen verständliche Erläuterung dessen, was gerade mit ihnen passiert. Vielen Jugendlichen ist unklar, warum man ihnen ihr Alter nicht glaubt und wissen nicht, wie sie die Möglichkeit einer Altersfeststellung wahrnehmen können. Es zeigte sich, dass es in einigen Fällen ausschließlich durch intensive Bemühungen der ehrenamtlichen Helfer möglich war, den betroffenen Jugendlichen zu ihrem Recht zu verhelfen. Bei mehreren Jugendlichen die in Hamburg älter gemacht und 7

8 in das Umverteilungssystem aufgenommen wurden, konnte erst durch die Kontaktaufnahme mit dem in der Umverteilerstadt ansässigen Jugendamt sowie den Sozialarbeitern in der ZAST bewirkt werden, dass diese Jugendlichen wieder nach Hamburg zurückverteilt wurden oder aber als Minderjährige vor Ort nach 42KJHG in Obhut genommen wurden. Die Zahlen zeigen weiter, dass ein nicht geringer Teil der Jugendlichen nicht zum Arzt (vgl. Zahlen). Häufig trafen die Helfer auf Jugendliche, die den Weg zum UKE nicht alleine gefunden hatten, die gar nicht wußten, dass sie die Möglichkeit haben sich von einem Arzt untersuchen zu lassen, oder die nicht wussten, dass man sich zuvor um die Kostenübernahme kümmern muss. Häufig waren die Papiere der Jugendlichen dann schon abgelaufen, ohne das sie beim Arzt waren. Auch hier zeigt sich, wie notwendig die Begleitung und Beratung der Jugendlichen ist, um ihnen ihr volles Maß an Rechten zukommen zu lassen. PERSPEKTIVEN UND WEITERARBEIT Fällt die Altersfeststellung für den Jugendlichen negativ aus, das heißt, sein als unter 16 Jahren angegebenes Alter wird von dem untersuchenden Arzt nicht bescheinigt, muss der Jugendliche, sofern er einen Asylantrag gestellt, hat zunächst seiner Umverteilung folgen. Die Erfahrungen des letzten halben Jahres zeigen jedoch, dass es Interventionsmöglichkeiten gibt. Wird ein Jugendlicher umverteilt, sollte man unverzüglich die Sozialarbeiter vor Ort darüber informieren, dass ein Minderjähriger zu ihnen verteilt wird. Daneben ist es sinnvoll das zuständige Jugendamt darüber zu informieren, dass ein Minderjähriger zu ihnen geschickt wird, der hier in Hamburg älter gemacht wurde. Der Jugendliche muss auch zu Beginn seiner Anhörung erneut darauf hinweisen, dass er unter 16 Jahren alt ist, man ihm aber hier in Hamburg sein Alter nicht geglaubt hat. Mit der Information der zuständigen Stellen über die Umverteilung eines Minderjährigen muss die Aufforderung einhergehen, den Jugendlichen zurückzuverteilen, oder aber ihn vor Ort gemäß 42 KJHG in Obhut zu nehmen und sich schriftlich in Hamburg zu beschweren. Dies bedeutet, dass die Kontakte zu den ortsansässigen Sozialarbeitern sowie Jugendämtern intensiviert werden müssen. Der Bundesfachverband Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge (UMF) fordert in einem Beschluss der Fachtagung vom in Hofgeismar folgende Mindeststandards zur Altersfestlegung in Zweifelsfällen: 8

9 Zunächst müssen alle Jugendlichen unter achtzehn Jahren Zugang zu einem qualifizierten Clearingverfahren haben. Dafür müssen in allen Bundesländern (soweit noch nicht geschehen) Clearingstellen geschaffen werden. Um ein qualifiziertes Clearingverfahren durchführen zu können, ist ein Zeitraum von drei bis sechs Monaten realistisch. Sollten bei einer der beteiligten Behörden Zweifel an den Altersangaben eines Jugendlichen auftreten und kann der Jugendliche sein Alter nicht durch geeignete Heimatdokumente belegen, darf das Alter nicht durch Inaugenscheinnahme im Schnellverfahren verändert werden. Statt dessen kann diese Stelle gegebenenfalls unter genauer Begründung der Zweifel ein Altersfeststellungsvefahren beim zuständigen Vormundschafts- bzw. Familiengericht einleiten. Hierbei müssen rechtsstaatliche Grundsätze gelten. Dies bedeutet, dass Minderjährigen in Zweifelsfällen der größtmögliche Schutz gewährt werden muss. Für das Verfahren müssen klare Regelungen bestehen, der Rechtsweg muss den Minderjährigen offen stehen. Während des Verfahrens muss den Jugendlichen ein geeigneter Verfahrenspfleger zur Seite gestellt werden, der ihre Rechte wahrnimmt. Sie selbst müssen mit Hilfe eines muttersprachlichen Dolmetschers am Verfahren teilnehmen können. Zur Entscheidungsfindung sollte sich das Gericht verschiedener Experten aus unterschiedlichen Fachbereichen bedienen (z.b. Pädagogen aus der Clearingstelle, Kinderärzte, Landsleute). Während der Dauer des Verfahrens ist vom angegebenen Alter des Jugendlichen auszugehen. Als absolut unzulässig sind gesetzwidrige Röntgenuntersuchungen zur Altersfeststellung abzulehnen. (Off Limits, ,,,Wie aus Jugendlichen Kriminelle gemacht werden ) Für Nachfragen: Conni Gunßer, Flüchtlingsrat Hamburg, Anke Wagener, Bundesfachverband UMF, ( ) 9

10 Liste der verwendeten Abkürzungen AB "Bibby-Altona" Büma "Die Schiffe" ED - Behandlung JA KJHG LKA UKE Zast Ausländerbehörde Der Name der Zentralen Aufnahmestelle in Hamburg Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender Die Zentrale Aufnahmestelle in Hamburg, es handelt sich dabei um Wohnschiffe Erkennungsdienstliche Behandlung Jugendamt Kinder und Jugend Hilfe Gesetz Landeskriminalamt Universitätskrankenhaus Eppendorf Zentrale Aufnahmestelle 10