Übung im Privatrecht II Sommersemester Fall 8: Geburtstagsfeierlichkeiten
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- Daniela Schubert
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1 Übung im Privatrecht II Sommersemester 2013 Fall 8: Geburtstagsfeierlichkeiten Als der 16. Geburtstag der T bevorstand, wollte sie diesen selbstverständlich standesgemäß feiern und lud dazu über Facebook ihre Freunde zur besten Fete aller Zeiten ein. (T ist bereits seit drei Jahren, bei Facebook angemeldet.) Leider übersah T in ihrer Vorfreunde auf die Party, dass sie beim Online-Stellen ihrer Geburtstagseinladung das Kennfeld zur Sichtbarkeit der Nachricht für die Allgemeinheit nicht gelöscht hatte. Die Einladung war somit für alle Nutzer des Dienstes sichtbar und lockte ca Geburtstagsgäste in das Wohngebiet der T. Unmittelbarer Nachbar von T s Familie ist hier der Rentner R, der sich seinen Lebenstraum vom eigenen Haus samt Grundstück erfüllt hat. Bedauerlicherweise erweisen sich nur wenige der anwesenden Gäste als wahre Freunde der T. Viele von ihnen sind lediglich auf Krawall aus. Im Zuge der Feierlichkeiten kommt es daher zu massiven Beeinträchtigungen der Bewohner des Wohngebiets. Besonders davon betroffen ist R. Er muss am nächsten Morgen feststellen, dass die Fassade seines Hauses großflächig mit Graffitis verschönert wurde. Die Kosten für deren Beseitigung betragen nach der Einschätzung eines Fachmanns ca ,- EUR. Auch der Garten des R hat bezüglich seines Erscheinungsbildes eine grundlegende Veränderung erfahren. Die ehemalige grüne Wohlfühloase des R gleicht nun eher der städtischen Mülldeponie, wobei insbesondere leere Bierflaschen und Pizzaschachteln das Gesamtbild prägen. Die Kosten für die Beräumung des Gartens betragen nach Einschätzung der Müllabfuhr ca ,- EUR. Schließlich sind auch am vor dem Grundstück geparkten PKW des R massive Beschädigungen festzustellen. Wie ein aufgetauchtes Video belegt, hatte der Partygast P diesen als Bühne genutzt und durch wiederholtes Springen auf dem Dach und der Motorhaube stark beschädigt. Die Kosten für die Reparatur werden von der Vertragswerkstatt des R mit 4.000,- EUR beziffert. R fragt nun ob er: 1. Von P Schadensersatz für die Beschädigung des PKW verlangen kann. 2. Von T Schadensersatz für die sonstigen Schäden verlangen kann, da sich diesbezüglich jeweils keine konkreten Schädiger unter den Partygästen feststellen lassen. 1
2 Lösungsskizze Frage 1: R könnte gegen P eine Anspruch auf Schadensersatz i.h.v ,- EUR für die Beschädigung seines PKW gem. 823 Abs. 1 BGB haben. Rechtsgutsverletzung (+) - es muss ein geschütztes Rechtsgut i.s.v. 823 Abs. 1 BGB beeinträchtigt sein - mit dem Eigentum des R an seinem PKW ist ein (absolut) geschütztes Rechtsgut i.s.d. 823 Abs. 1 betroffen und verletzt Handlung des P (+) - mögliche Handlung des P, an die ein Schadensersatzanspruch anknüpfen kann, ist hier allein das Herumspringen auf dem PKW Kausalität und Zurechenbarkeit der Rechtsgutsverletzung (+) - das Springen auf dem Auto ist kausal für die Rechtsgutsverletzung es nicht weggedacht werden kann, ohne dass diese entfiele - die Rechtsgutsverletzung ist auch objektiv zurechenbar, weil vorhersehbar - es liegt im Bereich der allgemeinen Lebenserfahrung, dass das Springen auf einem PKW zu massiven Schäden an diesem führen kann - der konkrete Schaden war daher weder überraschend noch unvorhersehbar für P Rechtswidrigkeit der Handlung (+) - die Handlung muss gem. 823 Abs. 1 widerrechtlich (=rechtswidrig) sein - grundsätzlich indiziert die tatbestandsmäßige Verletzung eines Rechtsguts i.s.v. 823 Abs. 1 BGB die Rechtswidrigkeit der Handlung 2
3 - die Rechtswidrigkeit entfällt in der Regel nur bei Einschlägigkeit eines Rechtfertigungsgrundes (z.b. Notwehr [ 227 BGB] oder Notstand [ 228, 904 BGB]) - hier keine Rechtfertigungsgründe ersichtlich => es bleibt bei der indizierten Rechtswidrigkeit Verschulden (+) - P müsste die Handlung zu vertreten haben - Maßstab (auch hier) 276 BGB => vertreten muss der Schuldner Vorsatz oder Fahrlässigkeit - hier ist der Schadenseintritt so wahrscheinlich, dass P damit rechnen musste, dass sein Springen zu Schäden führt => er nimmt dies daher zumindest billigend in Kauf => er handelte jedenfalls bedingt vorsätzlich Schaden (+) - besteht hier in der konkreten Beeinträchtigung des Eigentums und der erforderlichen Reparaturkosten Kausalität und objektive Zurechnung des Schadens (+) - Reparaturkosten sind kausale und objektive Folge der Verletzungshandlung des und der daraus resultierenden Rechtsgutsverletzung Art und Umfang des Ersatzanspruchs - Maßstab 249 ff. BGB - nach 249 Abs. 1 BGB kann R Naturalrestitution (Reparatur des PKW) verlangen - gem. 249 Abs. 2 BGB kann er stattdessen auch den erforderlichen Geldbetrag verlangen => hier die 4.000,- EUR R hat gegen P eine Anspruch auf Schadensersatz i.h.v ,- EUR für die Beschädigung seines PKW gem. 823 Abs. 1 BGB. 3
4 In gleicher Weise wäre auch ein Anspruch gem. 823 Abs. 2 BGB gegeben, da das Verhalten des P eine strafbare Sachbeschädigung ( 303 StGB) darstellt. Die Sachbeschädigung ist ein Schutzgesetz i.s.v. 823 Abs. 2 BGB, da es auch dem Schutz des Eigentümers (hier des R) dient. => Dieser hat einen Anspruch nach 823 Abs. 2 BGB. Frage 2: R könnte gegen T einen Anspruch auf Schadensersatz i.h.v ,- EUR für die Müllbeseitigung und weiteren 2.500,- EUR für die Beseitigung des Graffitis wegen der uneingeschränkten Einladung zur Party gem. 823 Abs. 1 BGB haben. Rechtsgutsverletzung (+) - betroffen sind hier das Eigentum des R am Wohnhaus und am Garten - bezüglich des Gartens: - eine Substanzschädigung liegt nicht vor - allerdings ist die individuelle Nutzbarkeit des Eigentums am Garten für R eingeschränkt - mit der Sache frei zu verfahren, ist gem. 903 Satz 1 BGB vom Eigentumsrecht erfasst => Müllablagerung stellt eine Beeinträchtigung des Eigentums des R dar - bezüglich des Wohnhauses: - ebenfalls keine Substanzschädigung - Nutzbarkeit als Wohnhaus auch nicht eingeschränkt - aber zur Befugnis des Eigentümers gehört auch, über das Erscheinungsbild zu disponieren => Graffiti stellt eine Eigentumsbeeinträchtigung dar 4
5 Handlung der T (+) - als Handlung der T kommt hier allein das undifferenzierte Einladen zur Party via Facebook in Betracht Kausalität und Zurechenbarkeit der Rechtsgutsverletzung - die undifferenzierte Einladung der T kann nicht weggedacht werden, ohne, dass das Graffiti und die Müllablagerungen entfielen => die Handlung ist für beide Eigentumsbeeinträchtigungen kausal - zu differenzieren ist bei der objektiven Zurechenbarkeit als Vorhersehbarkeit - bezüglich der Müllablagerungen: - dass es bei Großevents zu Müllablagerungen kommen kann, ist allgemein bekannt und damit vorhersehbar => objektive Zurechenbarkeit insofern zu bejahen - bezüglich des Graffitis: - das Graffiti stellt eine Sachbeschädigung gem. 303 StGB dar - nach der Rechtsprechung muss der Veranstalter von Großveranstaltungen (z.b. Sportevents oder Konzerten) nicht mit Straftaten Dritter rechnen => die Vorhersehbarkeit und damit Zurechenbarkeit wird insofern verneint - T musste hier nicht damit rechnen, dass ein Graffiti am Haus des R aufgesprüht werden könnte - => ein Schadensersatzanspruch nach 823 Abs. 1 BGB wegen des Graffitis scheidet damit aus Weiter zu prüfen ist daher nunmehr nur noch für die Beeinträchtigung des Gartens des R durch die Müllablagerungen. 5
6 Rechtswidrigkeit der Handlung (+) - der Eintritt der zurechenbaren Eigentumsbeeinträchtigung durch die Müllablagerung im Garten des R indiziert die Rechtswidrigkeit der Handlung (des öffentlich sichtbaren Einladens) der T - Rechtfertigungsgründe zugunsten der T sind nicht ersichtlich => Rechtswidrigkeit liegt vor Verschulden (+) - zu vertreten gem. 276 Abs. 1 BGB Vorsatz und Fahrlässigkeit - Vorsatz der T kommt hier nicht in Betracht, da sie nur versehentlich die Einladung für die Öffentlichkeit sichtbar einstellte - Fahrlässigkeit? - gem. 276 Abs. 2 BGB die Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt - T hätte hier die Einladung inhaltlich prüfen müssen => indem sie dies nicht tat, handelte sie fahrlässig Verantwortlichkeit der T (+) - gem. 828 Abs. 3 BGB haftet T als Minderjährige von über sieben Jahren nur auf Schadensersatz, wenn sie die erforderliche Einsichtsfähigkeit besaß, die Folgen ihres Handelns zu erkennen - hier war die T mit fast 16 Jahren alt genug, um mit Facebook zu arbeiten - zudem war T bereits drei Jahre bei Facebook aktiv - => die Einsichtsfähigkeit ist somit gegeben Hinweis: Gegen Fahrlässigkeit spricht nicht, dass T nicht damit rechnen musste, dass eine fehlerhafte Einladung eine derartige Massenwirkung hat, denn dies könnte allenfalls bereits die objektive Zurechenbarkeit entfallen lassen. Bejaht man diese jedoch, wäre es widersprüchlich, dann mit entgegenstehender Argumentation jedoch die Fahrlässigkeit zu verneinen. 6
7 Schaden (+) - Schaden besteht hier in Gestalt der potentiell notwendigen Kosten für die Beseitigung des Mülls Kausalität und objektive Zurechenbarkeit des Schadens (+) - potentielle Kosten für die Beseitigung des Mülls gehen auf die Rechtsgutsverletzung zurück und waren auch objektiv vorhersehbar also zurechenbar Art und Umfang des Schadens - gem. 249 ff. BGB - => T haftet hier auf Ersatz der Kosten für die Beseitigung der Eigentumsbeeinträchtigung, also der Beseitigung des Mülls von seinem Gartengrundstück R hat gegen T einen Anspruch auf Schadensersatz i.h.v ,- EUR für die Müllbeseitigung gem. 823 Abs. 1 BGB wegen der uneingeschränkten Einladung zur Party haben. Ein Anspruch wegen des Graffitis besteht hingegen mangels Zurechenbarkeit nicht. 7
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