Schadensanalyse und Sanierung am Beispiel der historischen Bausubstanz des Wiener Museumsquartiers

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1 Schadensanalyse und Sanierung am Beispiel der historischen Bausubstanz des Wiener Museumsquartiers M. Epp 1) und O. Loibnegger 2) 1) RÖFIX AG Baustoffwerk 2) RÖFIX AG Baustoffwerk A-6832 Röthis A-6832 Röthis Kurzfassung Obwohl die umfangreichen Sanierungsarbeiten am Wiener Museumsquartier eine Besonderheit darstellten, und jede Sanierung historischer Bausubstanz neue Aufgabenstellungen bietet, sind die bauphysikalischen Problemstellungen bei einer Gebäudesanierung meist ähnlich: Über Jahrzehnte hinweg beschädigte Gebäude und Gebäudeteile sollen unter bestmöglicher Berücksichtigung des historischen Vorbildes mit Einsatz der heutigen technischen Möglichkeiten instandgesetzt werden. Abb. 1: Hauptansicht Wiener Museumsquartier, Abb. 2: Hauptansicht Wiener Museumsquartier in der Sanierungsphase Sommer 2000 nach Fertigstellung der Außenfassade Frühjahr 2001

2 1. Einführung Das in der Wiener Innenstadt hinter den Museumsbauten am Ring gelegene Museumsquartier, kurz MQ genannt: - ist eine architektonisch besonders wertvolle Aneinanderreihung barocker Gebäude - zählt zu den zehn weltgrößten Kulturarealen. - stellt die Erinnerung an die kaiserlich höfischen Stallungen zu Beginn des 18. Jahrhunderts dar. - kann Beweis dafür sein, dass die Zusammenarbeit zwischen Bauherren, Architekten, Baufirmen und Industrie, in Absprache mit dem Bundesdenkmalamt, ein funktionierender Weg zur professionellen, technisch korrekten Revitalisierung historischer Gebäude ist. 2. Gebäudeanalyse Die Vorbereitungsarbeiten und Planung der Revitalisierung des Museumsquartiers seitens der Bauherrschaft und der Architekten dauerte mehrere Jahrzehnte. Die Bau- und Adaptierungsphase dauerte 38 Monate an. Ein Jahr vor Beginn der Fassaden- und Innenputzarbeiten wurde auch die Fa. RÖFIX wunschgemäß aktiv, und begann spezielle Putzsysteme für die Wandinnen- und Außenflächen zu entwickeln. RÖFIX ist seit 110 Jahren ein österreichischer Betrieb der Stein- und Keramikindustrie, der die Bereiche Fassade, Estrich, Putz und Mörtel sowie Fliesenkleber mit kompletten Systemen abdeckt. Der gesamte Gebäudekomplex war laut Gebäudeanalyse in schlechtem Zustand. Abb. 3: Ehemaliges Stallungsgebäude bei Schadensanalyse der Putzflächen Trockenlegungen waren nicht im gesamten Objektbereich vorgesehen. Im Laufe der Jahre wurden mehrere minderwertige Renovierungs- und Adaptierungs- Arbeiten (Zementplomben, verrostete Metallanker, etc.) durchgeführt.

3 Nach der Erstellung eines historischen und bautechnischen Gesamtschadensbildes durch den beauftragten Gutachter ergab sich, anhand von ca Probenahmen und mehr als 100 Putz- und Mauerwerks-Proben unsererseits, ein sehr ungleiches Schadensbild an Mauerwerk und Putz. Abb. 4: Probenahmen und Schadsalz- sowie Feuchtigkeitsanalysen an Mauerwerks- und Putzproben Vor allem die Schadsalzanalysierung zeigte die Unterschiede in der Beschädigung der Putzflächen und Mauerwerke auf: Sehr hohe Sulfat-Belastungen speziell im Putzbereich deuteten auf weit fortgeschrittene Vergipsung der alten Kalkputze hin. Durchwegs hohe Nitrat-Belastungen mit vielen verschleppten Stellen im Fassaden- Bereich ließen auf die Abgrenzung der kaiserlichen Stallungen und Wohnbereiche, aber auch auf neu eingesetzte nitratbelasteter Alt-Ziegel in der Nachkriegszeit schließen. Nahezu an der gesamten Außenfassade konnten unterschiedliche Chloridbelastungen festgestellt werden. Dies ist vor allem auf das neuzeitliche Problem der Tausalzstreuung zurückzuführen. 3. Materialauswahl Das Ziel eines Renovierputz-Systems ist, auf diesem Untergrund eine funktionierende neue Einheit zu bilden, selbst wenn nicht der gesamte Altputz-Bestand abgeschlagen werden kann. Außerdem mussten bei der Materialwahl noch weitere Vorgaben der Bauherrschaft und des Denkmalschutzes eingehalten werden: - Ein Putzaufbau möglichst frei von Zement, da dieser auch in der Erstbauzeit nicht eingesetzt wurde. - Trotzdem waren langlebige Oberflächen in der exponierten Lage erwünscht. - Ein fixer Kostenrahmen durch ein feststehendes Gesamtbudget (120 Mill. Euro) war vorgegeben. - Zeitdruck durch eng gesetzten Eröffnungstermin. - All dies, kombiniert mit den historischen Verarbeitungsvorstellungen des Denkmalschutzes, war eine hohe Herausforderung für die Sanierungslösung.

4 Nach Abgrenzung der Schadhaftigkeitszonen wurde ein mehrschichtiges Putzsystem mit hydraulischem Kalk als Bindemittel ausgearbeitet, welches aus einem Vorspritzmörtel, zwei Grundputzlagen und einem zweilagigen Feinabrieb mit dampfdiffusionsoffener Farbbeschichtung besteht. Die Grund- und Deckputze wurden mit Rundkorn-Natursand mit abgestimmter Sieblinie bis zu 6 mm Korngröße definiert, welcher dem historischen Vorbild der Putzausführung entspricht. Durch die genaue Abstimmung der einzelnen Putzlagen aufeinander ergab sich ein optimaler Wasser- und Salzhaushalt. Abb. 6: Schadensbild Innenhof-Fassade der Winter-Reithalle Abb. 5: Schichtweiser Kalkputzaufbau der Außenfassade Abb. 7: Musterfläche zur Beurteilung der Funktionstüchtigkeit des Sanierungskonzeptes - Sommer 1999 Neben der historischen Ebenbürtigkeit weist der natürliche hydraulische Kalk weitere bau- und verarbeitungstechnische Vorteile auf: Die relativ offene und weiche Struktur des hydraulischen Kalkes im Vergleich zu Portlandzement lässt die Öffnung der Bindemittelmatrix leichter zu. Dies führt zu geringeren Sprengdrücken, die durch die Salzeinwanderung verursacht werden, und in der Folge zur Verringerung von Abplatzungen. Auch im Falle späterer Sanierungsarbeiten können in der Funktion einer Pufferputzlage durch Abnahme der Putzschicht die vom Mauerwerk ausgewanderten Salze entnommen und entfernt werden. Die größere Frühfestigkeit und damit rascher erreichbare Frostbeständigkeit des hydraulischen Kalkes gegenüber Trass-Kalk-Putzen ist unter anderem für die Verarbeitung in feuchten Klimazonen von großer Bedeutung.

5 4. Verarbeitung Die richtige Verarbeitung dieser historischen Putz-Rezepturen stellt aus heutiger, rationeller und wirtschaftlicher Sicht ohne Zweifel ein Problem dar. Doch gerade hier liegt die Chance der Baustoffhersteller durch konstante, fertig vorgemischte Rezepturen mitzuhelfen. Auch die Wiederbelebung der altbewährten Kalkputztechnik sollte die Industrie als ihre Schulungsaufgabe erkennen. Die oben beschriebenen Produkte sind nach wie vor als händisch zu verarbeitende Putze rezeptiert. Hoher Zeitdruck und enorme Putzflächen fordern allerdings oft rationellere Applikationen. Herkömmliche Putzmaschinen können dafür, aufgrund der zu mageren Material- Konzeption von Kalkputzen, nicht eingesetzt werden. Außerdem ist die Gefahr der Materialentmischung durch Trockenförderung groß. Am beschriebenen Objekt kamen bei einigen Objektteilen für den Auftrag der beiden Grundputzlagen Doppelkolbenpumpen zum Einsatz, mit welchen die Hydraulkalkputze gemischt und gefördert wurden. Das richtige Aufbringen und Nacharbeiten der Kalkprodukte setzte aber trotzdem immer wieder genaue Einschulung der Verarbeiter vor Ort voraus. Das handwerkliche Kalkputzen wird nur mehr selten beherrscht, da es durch die einfachere Verarbeitungsmethoden der neuwertigen Bindemittel in Vergessenheit geraten ist Abb. 8: Handwerkliche Kalkputztechnik: Aufrauen der Putzschicht mit dem Holzbrett Abb. 9: Filzen des Deckputzes mit der Gummi- Reibscheibe - Das geschickte Aufwerfen des Kalkmörtels, um gute Anhaftung zu erlangen - Abziehen und Abschweißen der Putzlagen mit dem rauen Holzbrett, statt des Abglättens mit der modernen Alulatte, um Offenporigkeit und gute Verbindung der Putzlagen zu erreichen - ausreichendes Vor- und Nachnässen der Putzlagen, um optimales Erhärten und möglichst rissfreie Oberflächen zu erhalten.

6 5. Zusammenfassung Diese Sanierungssysteme finden Einsatz an einer Vielfalt historischer Bauten in Mittel-, Süd- und Osteuropa. Vor allem bei Renovierungen im mediterranen Raum kam und kommt das Bindemittel hydraulischer Kalk häufig zum Einsatz, auch die manuellen Kalk-Verarbeitungstechniken sind dort noch weitläufig bekannt. Geringere Arbeitskosten begünstigen zusätzlich diese Techniken. Aber auch in unseren Breiten ist man immer öfter bereit, auf konstante Sanierprodukte der Industrie zurückzugreifen. Es ist jedoch schwierig, konstante Mischungsverhältnisse zu erlangen, wenn die alten Schaufelrezepte von sich abwechselnder Mannschaft gemischt werden. Auch unterschiedliche Feuchtegehalte der auf der Baustelle gelagerten Zuschläge beeinträchtigen die Putzkonstanz auf der Baustelle. Somit sind die Ausführungen am Wiener Museumsquartier ein weiterer Beweis dafür, dass bei fachgerechter Verarbeitung eine gute Zusammenarbeit zwischen Denkmalsamt, Verarbeiter und Baustoffindustrie möglich ist. Abb. 10: Hinterhof der ehemaligen Stallungs- Abb. 11: Ehemaliges Stallungsgebäude mit gebäude in Sanierungsphase Kunsthalle-Neubau nach Fertig- Frühjahr 2000 stellung Sommer 2001