2. die megarisch-stoische Logik
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- Jürgen Albrecht
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1 2. die megarisch-stoische Logik 2.1 das Schicksal der stoischen Logik Von den herausragenden megarisch-stoischen Logikern ist ein einziger Stoiker, nämlich Chrysippos, während 2 oder 3 Megariker sind: Diodoros, Philon und vielleicht Eubulides. Die besten Quellen für die megarisch-stoische Logik sind: 1) Diogenes Laertius: Leben und Meinungen berühmter Philosophen 2) Sextus Empiricus: vor allem Adversus mathematicos Die häufige Übereinstimmung zwischen diesen beiden Quellen ist Evidenz für deren Zuverlässigkeit. Die Reinterpretation und die Rehabilitierung der megarisch-stoischen Logik gehen auf das Ende des 19. Jahrhunderts und den Beginn des 20. Jahrhunderts zurück. Sie vollzogen sich in 2 Etappen: A) durch den Artikel Sur la logique des stoïciens von V. Brochard von 1892 (in Archiv für Geschichte der Philosophie) B) durch den Artikel Zur Geschichte der Aussagenlogik von J. Lukasiewicz von 1934 (polnisch, und 1935 in Erkenntnis auf deutsch). 1
2 2.2 Die Megariker Der Logikhistoriker Bochenski charakterisiert den Unterschied zwischen der Logik des Aristoteles und der megarischen Logik wie folgt: Ø Die Probleme, die sich einem Schüler Platons wie Aristoteles stellen, welcher das Sein untersucht, sind von folgendem Typ: Kommt A B zu? was dazu führt eine Logik zu konstruieren, welche sich auf die Beziehungen zwischen den Begriffen bezieht (eine sog. Begriffs- bzw. Termlogik). Ø Diejenigen Fragen, welche die Megariker beschäftigen, nehmen die folgende Form an: Wie lässt sich diese oder jene Behauptung widerlegen? was dazu führt, einen Aussagesatz als ganzen zu betrachten und eine Logik der Aussagen (eine Aussagenlogik bzw. Junktorenlogik) zu konstruieren. Eubulides : Auf Eubulides gehen mehrere Paradoxien zurück, wovon das Lügnerparadox das berühmteste ist. (Ein Mensch sagt, dass er lüge. Ist das, was er sagt, wahr oder falsch?) Philon (der Schüler von Diodoros): Philon und sein Lehrer Diodoros stritten sich über die Natur der Implikation. Die Art, wie Philon die Wahrheitsbedingungen des Bedingungssatzes charakterisiert, zeigt klar, dass er das gefunden hat, was man heutzutage die Logik der wahrheitsfunktionalen Junktoren nennt; und dass seine Konzeption der Implikation vollkommen mit derjenigen unseres modernen Aussagenkalküls (cf. Wahrheitstabelle) übereinstimmt. Es ist nützlich daran zu erinnern: Der Begriff der Implikation der modernen formalen Logik ist weiter und damit schwächer als der Begriff der logischen Folgerung (cf. die sog. Paradoxien der Implikation). Es ist ein grosses Verdienst von Philon verstanden zu haben, dass es reicht, eine Aussagenlogik auf einem schwächeren Begriff als demjenigen der logischen Folgerung aufzubauen. Diodoros Chronos (A) Er lehnt Philons Konzeption der Implikation ab, weil ihr zufolge dieselbe konditionale Aussage je nach Zeitpunkt mal wahr, mal falsch wäre. Um diese paradoxen Konsequenzen zu vermeiden, schlägt Diodoros eine komplexere und engere Def. der Implikation vor: Eine konditionale Aussage ist wahr, wenn sie nicht mit dem Wahren beginnen konnte oder kann, um mit dem Falschen zu enden. 2 Innovationen in dieser neuen Def.: > die Berufung auf einen modalen Begriff > das Vorkommen einer zeitlichen Nuance 2
3 (B) die Theorie der modalen Begriffe von Diodoros Die Def.en der modalen Begriffe: notwendig: was wahr ist und nicht falsch sein wird unmöglich: was falsch ist und nicht wahr sein wird möglich: was wahr ist oder wahr sein wird nicht notwendig (kontingent): was falsch ist oder falsch sein wird (C) die 3. Theorie des Diodoros: das Meisterargument Dieses Meisterargument entwickelt sich in 3 Etappen: Etappe (1): Man schreibt 2 Formeln /Sätze hin und zwar als einfache Annahmen, welche Schwierigkeiten bereiten: 1. Alles, was vergangen ist, ist notwendigerweise wahr. 2. Auf das Mögliche folgt nicht das Unmögliche. 3. Ist möglich, was wahr ist oder wahr sein wird. Etappe (2): man zeigt, dass die 3 Sätze unvereinbar sind derart, dass wenn man 2 beliebige davon als wahr annimmt, man die 3. als falsch zurückweisen muss. Etappe (3): Diodoros hat sich auf die Glaubwürdigkeit der ersten 2 Formeln gestützt, um aufgrund der genannten Unvereinbarkeit auf die Falschheit der 3. Formel zu schliessen. Und von da schloss er auf die Wahrheit von deren Negation. These: Es ist nicht möglich, was weder wahr ist noch wahr sein wird. 3
4 2.3 die Stoiker Während die Aristoteliker (nicht unbedingt Aristoteles selbst!) die Logik für ein Instrument für die Philosophie hielten, propädeutischer Art und damit ausserhalb der Philosophie liegend, integrierten die Stoiker die Logik als einen von 3 Teilen in die Philosophie. (cf. Logik wie die Knochen und Muskeln eines Lebewesens) die Zeichen Die 3 Seiten bzw. Aspekte eines Zeichens: a) das Zeichen als konkretes Zeichen [signifiant] b) das, was durch das signifiant bezeichnet wird [der Referent des Zeichens] c) das signifié, die Bedeutung des Zeichens (lekton) Chrysippos beharrte besonders darauf: Der eigentliche Gegenstand der Dialektik ist, vermittelt durch Aussagesätze, die Aussage als unkörperliches Wahres oder Falsches. Die 2 Klassen von Lekta: i) die mangelhaften (unvollständigen) Lekta: ausgedrückt durch vereinzelte Wörter wie Eigennamen oder Verben usw. ii) die vollständigen Lekta: ausgedrückt durch (vollständige) Sätze wie Aussage-, Frage-, Ausrufe-, Gebetssätze usw die Aussagen Es gibt einfache und zusammengesetzte Aussagen. Eine einfache Aussage entspricht einem Satzbuchstaben (d.h. ist eine elementare oder die Negation einer elementaren Aussage). Liste von zusammengesetzten Aussagen nach Diogenes Laertius: - die hypothetische bzw. konditionale Aussage - die konjunktive Aussage - die disjunktive Aussage - die konsekutive bzw. schliessende Aussage - die kausale Aussage - die komparative, entweder zunehmende oder abnehmende Aussage Liste der Junktoren der Stoiker: - die Konjunktion - die Disjunktion (entspricht bei den Stoikern der Kontravalenz bzw. dem entweder... oder...) - die Paradisjunktion (entspricht der Disjunktion der modernen Logik, bzw. dem inklusiven oder) - die Unvereinbarkeit - die Implikation Die stoische Schule kannte ausser der Konzeption der Implikation von Philon und derjenigen von Diodoros noch 2 weitere Konzeptionen: Ø die sog. inklusive Implikation 4
5 Ø die sog. konnexe Implikation (sehr wahrscheinlich die Implikation von Chrysippos) Gemäss der Konzeption der konnexen Implikation gilt: Einen Bedingungsaussage (Implikation) ist wahr, wenn die Negation ihres Konsequens mit ihrem Antezedens unvereinbar ist. NB. Es scheint, als ob die Unvereinbarkeit in einer solchen Implikation in einem modalen Sinne verstanden wurde. Die Konzeption der strikten Implikation von C.I, Lewis, symbolisiert durch p q : p q bedeutet, dass man nicht zugleich p und nicht-q haben kann (oder dass notwendigerweise wenn p dann q) Bestimmte Kombinationen von Aussagen bilden Schlussfolgerungen bzw. Argumente die Schlussfolgerungen Eine Schlussfolgerung ist ein System von Aussagen, wovon die einen, Prämissen genannt, die Funktion haben, eine andere zu beweisen, welche die Konklusion ist. Die Stoiker machten hier eine Unterscheidung (und markierten diese sprachlich), welche bei Aristoteles implizit geblieben war und welche für eine formale Logik wesentlich ist; es ist die Unterscheidung zwischen - den Schlussfolgerungen (logoi): die Schlussfolgerungen in konkreten Begriffen - die Modi (tropoi): die formalen Schemata der Schlussfolgerung (Achtung!...) Eine Schlussfolgerung ist gültig, wenn die Implikation, deren Antezedens die Konjunktion der Prämissen und deren Konsequens die Konklusion der Schlussfolgerung ist, gültig bzw., in moderner logischer Terminologie, tautologisch ist. Eine Schlussfolgerung ist wahr (in moderner logischer Terminologie korrekt), wenn sie ein gültige Schlussfolgerung ist, die nur wahre Aussagen enthält. Eine Schlussfolgerung ist beweisend, wenn sie eine wahre Schlussfolgerung ist, welche ausgehend von bekannten Dingen etwas Neues, bisher Unbekanntes herleitet bzw. aufzeigt; d.h. welche vom Evidenten zum Nicht-evidenten übergeht. Ein Syllogismus ist eine Schlussfolgerung, welche entweder in einer von 5 grundlegenden Formen von Schlussfolgerungen ausgedrückt wird, oder welche sich gemäss bestimmter wohl definierter Regeln auf eine dieser Formen zurückführen lässt. Die 5 grundlegenden Syllogismen werden ihrerseits als nicht bewiesene Syllogismen dargelegt und spielen die Rolle von höchsten Aussagen in einem axiomatischen System (d.h. von Axiomen), sobald sie in Aussagen von implikativer Form umgewandelt wurden. Denken wir daran, dass die Variablen, welche hier durch Ordinalzahlen symbolisiert werden, für Aussagen stehen (und nicht wie bei Aristoteles für Begriffe): 1. Wenn der erste der zweite, nun der erste, deshalb der zweite. 5
6 2. Wenn der erste der zweite, nun nicht der zweite, deshalb nicht der erste. 3. Nicht zugleich der erste und der zweite, nun der erste, deshalb nicht der zweite. 4. Entweder der erste oder zweite, nun der erste, deshalb nicht der zweite. 5. Entweder der erste oder zweite, nun nicht der zweite, deshalb der erste. Diese nicht bewiesenen grundlegenden 5 Syllogismen können in unserer heutigen logischen Sprache wie folgt ausgedrückt werden: p q p q (p q) pwq pwq p q p p q q p q q p Die Implikationen, welche diese Schlussregeln rechtfertigen, würden wir wie folgt schreiben: 1. ((p q) p) q 2. ((p q) q) p 3. ( (p q) p) q 4. ((pwq) p) q 5. ((pwq) q) p Das 1. Thema ist eine Regel der Reduktion auf das Unmögliche. Das 3. Thema besagt: Wenn sich aus 2 Aussagen eine dritte (3.) ergibt, und wenn eine der 2 ersten Aussagen ihrerseits wieder aus einem Paar von Prämissen geschlossen werden kann, dann darf man zu Recht die 3. Aussage aus diesem zweiten Paar und derjenigen Prämisse schliessen, welche aus dem ersten Paar übrig bleibt. Kleiner Vergleich der megarisch-stoischen Logik mit jener von Aristoteles: (i) (ii) (iii) Sie ist verschieden von jener von Aristoteles und entspricht ihrer Philosophie viel besser. Sie ist grundlegender als jene von Aristoteles. Sie hat in ihrem eigenen, spezifischen Bereich die logische Analyse weiter getrieben: - explizite Unterscheidung von formaler Wahrheit und materialer Wahrheit - explizite Unterscheidung von Schlussfolgerung und Modus (die Tropen) - Herstellung der Beziehung zwischen einem Modus und der entsprechenden tautologischen Implikation, welche den ersteren rechtfertigt - explizite Darlegung der Regeln, denen zufolge eine formalisierte Schlussfolgerung funktioniert (eine Art von Beweisregeln) 6
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