Wirtschaftsstruktur und -chancen - Finnland

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1 Wirtschaftsstruktur und -chancen - Finnland Inhalt Finnland im globalen und regionalen Kontext Sektorale Struktur Regionale Struktur Außenhandel Gute Noten in internationalen Standortstudien / Biowirtschaft und Elektroindustrie im Strukturwandel / Von Marc Lehnfeld (November 2016) Helsinki (GTAI) - Finnland ist zwar mit 5,5 Mio. Einwohnern ein kleiner Markt, punktet aber mit hervorragenden Standorteigenschaften wie gut ausgebildeten Fachkräften, zuverlässigen öffentlichen Institutionen und Forschungskompetenz. Die Exporte und Investitionen erholen sich nur langsam von den Folgen der Wirtschaftskrise Finnlands Strukturwandel von der Forst- zur Biowirtschaft und die Neuausrichtung der Elektroindustrie um Nokia machen das nordische Land auch für deutsche Unternehmen interessant. Finnland im globalen und regionalen Kontext Zahlreiche internationale Standortstudien loben den Wirtschaftsstandort Finnland. So belegt das nordische Land Platz zehn unter den wettbewerbsfähigsten Staaten der -Welt (Global Competitiveness Index ), Rang zwei unter den innovationsfreundlichsten Cleantech-Ländern (Global Cleantech Innovation Index 2014) und Platz drei unter den innovativsten EU-Ländern (Europäischer Innovationsanzeiger 2016). Weltweit bekannt ist Finnland auch für die guten Ergebnisse bei der PISA-Bildungsstudie der OECD, die zuletzt 2012 durchgeführt wurde. In dieser Studie belegt Finnland bei der Kompetenz im Lesen und bei den Kompetenzen in naturwissenschaftlichen Fächern unter den europäischen Ländern den ersten Rang. Mit der vierthöchsten Forschungsintensität weltweit zeichnet sich Finnland durch seine Innovationsstärke aus. Staat und Wirtschaft, allen voran Nokia, investieren 3,17% des BIP (2014) in Forschung und Entwicklung. Als forschungs- und technologiebasierte Volkswirtschaft liegt das Arbeitskostenniveau mit 33 Euro pro Stunde im nominalen Vergleich 32% über dem EU-Durchschnitt und 0,8 Euro über dem deutschen Niveau. Allerdings schneidet Finnland bei der nominalen Arbeitsproduktivität deutlich schlechter ab. Sie lag 2015 zwar rund 6,3% über dem durchschnittlichen EU-Niveau, erreichte aber bei weitem nicht die Produktivitätsvorsprünge anderer forschungsintensiver Standorte in Europa. Zum Vergleich: In Deutschland liegt die Arbeitsproduktivität um 26,7% höher als im EU-Durchschnitt, in den Niederlanden sind es 26,7%, in Dänemark 25,9% und in Schweden 14,4%. Die aktuelle Regierung des Ministerpräsidenten Juha Sipilä zielt daher mit Arbeitsmarktreformen auf eine Verbesserung der Produktivität ab. Eng verbunden mit dem hohen Arbeitskostenniveau sind auch die finnischen Preise, die nach Eurostat-Angaben rund 20% über dem durchschnittlichen Niveau der EU liegen. Ein Grund dafür ist der schwache Wettbewerb in den Branchen, die von wenigen Anbietern dominiert werden. 1

2 Regional ist Finnland im Ostseeraum eng vernetzt. Knapp 47% des Warenaußenhandels wickelt das nordische Land mit den Ostseeanrainern ab, davon über 15% mit Deutschland - Finnlands wichtigstem Handelspartner. Auch bei den Direktinvestitionen stammen etwa 62% der ausländischen Bestände in Finnland aus den Ostseeländern, während finnische Unternehmen dort rund 44% ihrer Auslandsdirektinvestitionen halten. Eckdaten im Überblick (2015) Finnland Deutschland Bevölkerung (Mio.) 5,5 81,6 Bruttoinlandsprodukt (BIP; Mrd. Euro) 209, ,6 Anteil der verarbeitenden Industrie am BIP (%) 14,6 22,8 Anteil der Dienstleistungen am BIP (%) 60,9 68,9 Quelle: Finnisches Statistikamt (Statistics Finland), Eurostat, Destatis Sektorale Struktur Durch Nokias Verkauf der Mobilfunksparte an Microsoft und die Schließung von Produktions- und Forschungsstandorten schmolz der Anteil der Elektronik- und Elektroindustrie an der nationalen Wirtschaftsleistung von 4,4% in 2010 auf 2,8% in Obwohl Nokia nach der Akquisition von Alcatel Lucent wieder Finnlands größtes Unternehmen ist und sich zu einem bedeutenden Telekommunikationsausrüster formiert hat, konnte Finnland die Wertschöpfungs- und Beschäftigungsverluste bisher nicht kompensieren. Neue Impulse gehen von der Start-up-Szene des Landes aus, in der unter anderem zahlreiche ehemalige Nokia- Ingenieure neue Firmen gründen. Mit Rovio ("Angry Birds") und Supercell ("Clash of Clans") haben es vor allem Gaming-Unternehmen auf die internationale Weltbühne geschafft. Mit der Start-up-Veranstaltung "Slush" findet Europas größtes Gründerevent ebenfalls in Finnland statt. Auch Finnlands Forstwirtschaft befindet sich im Wandel. Die drei großen Papierhersteller Stora Enso, UPM- Kymmene und Metsä schlossen wegen der sinkenden Nachfrage und teuren Standorte zahlreiche Papierfabriken im Land und erfinden sich neu. Im Gegensatz zum Papier sorgt der weltweit zunehmende Online-Handel für eine steigende Nachfrage nach Karton und Verpackungsmaterialien. In Finnland entstehen neue Zellstofffabriken, die auch mit Abfallstoffen neue Produkte erfinden. So verkauft zum Beispiel UPM aus Tallöl raffinierten Biodiesel und entwickelte ein Gel für die Laborzüchtung von Zellen. Stora Enso erweiterte seinen Produktkatalog um tragende Holzbauelemente. 2

3 Bedeutung der Wirtschaftssektoren (Anteile in %) Sektoren Anteil am BIP Anteil am BIP Anteil an den Beschäftig Anteil an den Beschäftig ten 2010 ten 2015 Verarbeitende Industrie 17,1 14,6 14,7 13,6.Metallindustrie *) 5,3 5,1 5,6 5,5.Elektro, Elektronik 4,4 2,8 2,1 1,6.Holz, Papier 2,3 2,1 2,0 1,7.Chemie 2,2 2,3 1,4 1,3 Forstwirtschaft 1,5 1,6 0,9 0,9 Bau 5,6 5,4 7,6 7,6 Dienstleistungen 58,9 60,9 71,6 73,2.Immobilienwesen 9,8 10,9 1,0 1,0.Handel 8,2 8,0 11,8 11,9.Verkehr und Lagerwesen.Informations- und Kommunikationstechnologie 4,5 4,2 6,2 5,9 4,4 5,0 3,8 4,0 *) umfasst auch die Herstellung von Kfz und Kfz-Teilen, Maschinen und deren Instandhaltung und Wartung Quelle: Finnisches Statistikamt (Statistics Finland) Regionale Struktur Finnlands Wirtschaft ist stark auf die Hauptstadtregion um Helsinki einschließlich der Städte Espoo, Vantaa und Kauniainen konzentriert. Hier lebt über ein Fünftel der Bevölkerung. In der Region Uusimaa, die den gesamten Großraum Helsinki umfasst, wurden 2013 etwa 38% der nationalen Wirtschaftsleistung erbracht und rund 41% der Bruttoanlageinvestitionen getätigt. Durch die Urbanisierung wird die Bevölkerung in der Hauptstadtregion laut Hochrechnungen des Statistikamts von 2015 bis 2030 um 15,4% auf knapp 1,3 Mio. Einwohner wachsen. Aber auch jenseits der Hauptstadtregion werden die großen Städte der Prognose zufolge wachsen. Das Statistikamt erwartet, dass bis 2030 in Tampere Einwohner (+11,7%), in Oulu (+15,5%) und in Turku (+8,7%) Personen leben werden. Der Hochbau profitiert von der entsprechend steigenden Nachfrage im Wohn- und Wirtschaftsbau. Trotz der Dominanz der Hauptstadtregion lassen sich regionale Branchenschwerpunkte ausmachen. So wird in der Region Varsinais-Suomi durch den Schiffbau und die kleine Pkw-Produktion etwa ein Fünftel der Wertschöpfung im Fahrzeugbau des Landes erwirtschaftet. In Nordfinnland (Lappi und Pohjois-Pohjanmaa) werden knapp 60% der landesweiten Wirtschaftsleistung im Bergbau erzeugt. Ein Fünftel der finnischen Holzwirtschaft konzentriert sich auf die mittelostfinnischen Regionen Etelä-Savo und Päijät-Häme. In Ostfinnland wiederum besteht eine große Abhängigkeit vom Handel mit Russland, insbesondere durch russische Touristen der Mittelschicht, die Erholungsurlaube und Einkaufsfahrten unternehmen. 3

4 Die 313 finnischen Gemeinden (kunta) und 18 Regionen (maakunta, exklusvie der Aland-Inseln) sind im Verband Kuntaliito organisiert ( ). Für die regionale Entwicklung und die Nutzung des europäischen Strukturfonds ist das Ministerium für Arbeit und Wirtschaft ( zuständig. Entwicklungsstand und -perspektiven der Regionen Bundesstaaten Regional Potential Index *) (gesamt / Wirtschaft) BIP pro Kopf 2013 (in Euro) Anteil am BIP 2013 (in %) Landesdurchschnitt 424* / n.a.* ,0 100,0 Uusimaa (Helsinki) 738 / ,8 38,2 Aland-Inseln (Mariehamn) 595 / ,2 0,7 Pohjanmaa (Vaasa) 460 / ,8 3,4 Etelä-Karjala (Lappeenranta) 275 / ,1 2,3 Pirkanmaa (Tampere) 465 / ,0 8,6 Satakunta (Pori) 285 / ,6 3,8 Varsinais-Suomi (Turku) 448 / ,3 7,8 Lappi (Rovaniemi) 198 / ,0 3,0 Keski-Pohjanmaa (Kokkola) Kymenlaakso (Kouvola) Pohjois-Pohjanmaa (Oulu) Kanta-Häme (Hämeenlinna) 255 / ,9 1,1 200 / ,8 2,9 303 / ,7 6,3 310 / ,2 2,7 Pohjois-Savo (Kuopio) 255 / ,5 3,7 Etelä-Pohjanmaa (Seinäjoki) 208 / ,4 2,9 Päijät-Häme (Lahti) 270 / ,5 3,0 Keski-Suomi (Jyväskylä) Pohjois-Karjala (Joensuu) 283 / ,5 4,0 220 / ,1 2,4 Etelä-Savo (Mikkeli) 205 / ,9 2,1 Kainuu (Kajaani) 135 / ,1 1,0 *) nordischer Durchschnitt, aus "State of the Nordic Region 2016" von Nordregio und Norden mit Regional Potential Index zum demographischen, Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspotenzial der Regionen 4

5 Quellen: Finnisches Statistikamt (Statistics Finland), Nordregio/ Norden Außenhandel Die internationale Finanz- und Wirtschaftskrise (2009) hat Finnlands Außenhandel deutlich verändert. Während sich die Importe 2015 preisbereinigt nur noch 2,5% unterhalb des Vorkrisenniveaus von 2008 bewegten, lag das Exportvolumen noch um 13,1% zurück. Übertraf Finnlands Außenhandelsquote 2008 mit 86,5% noch den EU- Durchschnitt um 8,8 Prozentpunkte, reduzierte sich diese bis 2015 auf 73,7% und lag damit 10,6 Prozentpunkte unter dem EU-Niveau. Die Exportquote ist mit 36,6% mittlerweile die sechstniedrigste in der EU. Allerdings ist der seit 2011 negative Außenbeitrag in 2015 auf knapp unter 1 Mrd. Euro gesunken. Einfuhr der zehn wichtigsten Lieferländer (in Mio. Euro, Veränderung im Vergleich zum Vorjahreszeitraum in %) Veränderung 2015/14 Insgesamt , ,6-5,7.Deutschland 7.554, ,4 4,8.Schweden 7.467, ,1-3,4.Russland 9.117, ,6-30,6.Niederlande 4.231, ,3-2,3.Dänemark 1.580, ,0-8,5.Frankreich 1.862, ,6 14,8.China 2.298, ,2 5,6.Belgien 1.688, ,8 6,8.Vereinigtes Königreich 1.645, ,8-3,2.Estland 1.335, ,6 0,3 Quelle: Eurostat Deutschland ist nicht nur Finnlands wichtigster Handelspartner, sondern auch in vielen Kategorien das wichtigste Lieferland. Insgesamt stiegen die finnischen Importe aus Deutschland in 2015 im Vergleich zum Vorjahr nominal um 4,8%. Im Gegensatz waren die finnischen Einfuhren aus den zweit- und drittgrößten Herkunftsländern Schweden und Russland um 3,4% beziehungsweise 30,6% rückläufig. Der starke Einfuhrrückgang aus Russland ist vor allem dem stark gefallenen Erdölpreis geschuldet, der die Ölimporte von dort um 36,8% reduzierte. Knapp 60% der Erdölimporte stammten 2015 vom östlichen Nachbarn. Die Entwicklung beim Erdgas ist sogar noch etwas extremer, aber wegen der geringeren Bedeutung für die Gesamtimporte weniger sichtbar. Besonders stark ist der deutsche Lieferanteil bei der SITC-Position 7 (Maschinen und Transportmittel) mit knapp 26%. Starke Konkurrenz besteht mit den Lieferungen aus Schweden, die den deutschen Anteil bei Büromaschinen und Telekommunikationsgeräten übertreffen. 5

6 Einfuhr der zehn wichtigsten Warengruppen (in Mio. Euro, Veränderung im Vergleich zum Vorjahreszeitraum in %) *) SITC Warengruppe Veränderung 2015/14 Insgesamt, darunter aus , ,6-5,7.Deutschland 7.554, ,4 4,8.33 Erdöl, darunter aus 6.995, ,4-39,1..Deutschland 46,8 33,4-15,4.78 Straßenfahrzeuge, darunter aus 3.232, ,4 12,0..Deutschland 1.105, ,7 15,7.77 Elektrische Maschinen, darunter aus 2.810, ,2 1,4..Deutschland 614,4 757,5-3,1.74 Spezialmaschinen, darunter aus 2.132, ,2 3,8..Deutschland 607,8 707,4 4,1.79 Schienen-, Wasser- Luftfahrzeuge, darunter aus 1.802, ,4 25,9..Deutschland 331,3 583,7 8,0.54 Arzneimittel, darunter aus 1.672, ,6 7,6..Deutschland 334,7 325,3 7,9.76 Nachrichtentechnik/Radio/TV, darunter aus 2.487, ,7 11,8..Deutschland 135,4 122,8-3,9.28 Metallurgische Erze und Metallabfälle, darunter aus 3.046, ,3-2,5..Deutschland 62,2 36,6-15,1.69 Andere Metallwaren, darunter aus 1.286, ,0 5,5..Deutschland 304,3 306,4 13,7.75 Büromaschinen/EDV, darunter aus 1.362, ,6 3,5..Deutschland 236,6 234,4 18,5 *) gemessen am SITC-2-Steller Quelle: Eurostat Eine tiefergehende Analyse bietet der GTAI-Artikel zum deutsch-finnischen Außenhandel unter (Ma.Le.) 6

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