Konzeptionelle Neuorientierung in der ambulanten Pflege nach dem PSG II
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- Sigrid Bayer
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1 PSG I, II, III: Wie geht es der Pflege? Veranstaltung des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.v. Berlin, 4. Juli 2017 Konzeptionelle Neuorientierung in der ambulanten Pflege nach dem PSG II Dr. Klaus Wingenfeld Institut für Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld
2 Neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff Neuer Pflegebegriff
3 Ausweitung der Möglichkeiten ambulanter Pflegedienste Neufassung des 36 SGB XI körperbezogene Pflegemaßnahmen und pflegerische Betreuungsmaßnahmen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung pflegerische Maßnahmen in den Bereichen Mobilität, kognitive und kommunikative Fähigkeiten, Verhaltensweisen und psychische Problemlagen, Selbstversorgung, Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheitsoder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen sowie Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte.
4 1. Mobilität 2. Kognitive und kommunikative Fähigkeiten 3. Verhaltensweisen und psychische Problemlagen 4. Selbstversorgung (Alltagsverrichtungen) 5. Umgang mit krankheits-/therapiebedingten Anforderungen 6. Gestaltung des Alltagslebens und soziale Kontakte
5 Worin besteht die Funktion ambulanter Pflege? Körperpflege und Nahrungsaufnahme sicherstellen, Hilfe bei der Mobilität in der Wohnumgebung, Sicherstellung der Behandlungspflege? oder Begleitung im wechselhaften Verlauf der gesundheitlichen Entwicklung mit dem Ziel, die Versorgungs- /Lebenssituation stabil zu halten und das Weiterleben nach eigenen Präferenzen zu ermöglichen
6 Verläufe (1) Beginnende Pflegebedürftigkeit Steigender Hilfebedarf Ständige Anpassung nötig Gesundheitliche Entwicklung im Zeitverlauf Aufrechterhaltung der Wohn- und Lebenssituation
7 Verläufe (2) Veränderung im sozialen Umfeld Gesundheitliche Krise Gesundheitliche Stabilisierung Gesundheitliche Entwicklung im Zeitverlauf Veränderung des Bedarfs Mobilitätsverlust Ständige Anpassung ambulanter Pflege erforderlich
8 Flexibilisierung entsprechend wechselnder Schwerpunkte des Bedarfs Ist ambulante Pflege bei chronisch Kranken immer eine auf Dauer angelegte Hilfe? (nur wenn sie auf Kompensation und nicht auf Problemlösungen ausgelegt ist) Übergangsphasen im Verlauf der Pflegebedürftigkeit Beispiele: - Herstellung einer stabilen Versorgungssituation - Hilfen bei herausforderndem Verhalten - Pflegekompetenz der Angehörigen
9 Drei Leistungstypen Kurzfristige Hilfen in akuten Krisensituationen Dauerhafte Hilfen, i.d.r. auf Kompensation angelegt Zeitlich begrenzte Aufgaben, ausgelegt auf einige Monate
10 Bedarf decken ist vielleicht zu einseitig: Probleme lösen!
11 Beispiel 1 Alleinlebende Frau, knapp 80 Jahre alt, geistig und körperlich rüstig, ehemals Krankenschwester, ein wenig eigenwillig. Beginnende Harninkontinenz Schamgefühle, Meidung von sozialen Kontakten und anderen außerhäuslichen Aktivitäten, Reduzierung der Trinkmenge zur Vermeidung nächtlicher Probleme Folge: Müdigkeit, Schwindel, Stürze (bedingt durch Dehydration) Mehrfach verletzungsbedingte Krankenhausaufenthalte und einsetzender Selbständigkeitsverlust (Pflegegrad 2) Übersiedlung in ein Pflegeheim? Einschaltung eines ambulanten Dienstes
12 Beispiel 1 (Forts.) Der ambulante Dienst... hilft bei der Körperpflege fordert auf, mehr zu trinken. Oder: Der ambulante Dienst hilft zwar auch bei der Körperpflege, berät und begleitet aber in erster Linie, um eine Verhaltensänderung zu erreichen: Mehr Toleranz gegenüber eigenen Unzulänglichkeiten, Motivation und Anleitung zur Nutzung von Inkontinenzartikeln, mehr trinken, die Wohnung verlassen
13 Beispiel 2 Alleinlebender Mann, Frührentner, schwere chronische Organerkrankung; Situation nach einem Krankenhausaufenthalt Am Freitag hat man mir gesagt: Sie müssen am Montag raus. Gespräch mit Sozialarbeiter im Krankenhaus: ohne Ergebnis. Ich fühle mich sehr uninformiert. Vor allem über die Krankheit und die Medikamente. Schwere Nebenwirkungen von insgesamt 13 Medikamenten (vermutet); hadert mit der Medikamenteneinname Keine Unterstützung bei der Beschaffung von Hilfsmitteln (Toilettensitz, Einstiegshilfe Dusche). Vermieter springt ein Vermieter hilft beim Umgang mit Behörden; Fahrdienste zum Arzt, Einkaufen etc. aus: L. Prinzen (2008): Bewältigungsarbeit chronisch erkrankter Menschen beim Übergang vom Krankenhaus in die häusliche Weiterversorgung. IPW-Veröffentlichungen, Nr. 139
14 Beispiel für neue Maßnahmenpakete: Unterstützung bei herausforderndem Verhalten >>> Was tun die Mitarbeiter?
15
16 Einschätzung: Verhaltensweisen, verhaltenswirksame Faktoren im Lebensalltag und Bedarf der pflegenden Angehörigen an Kompetenzförderung und Entlastung >>> Gespräche >>> Mitwirkung bei der Körperpflege >>> Beobachtung der Kommunikation und Versorgung
17 Beratungsgespräch: Mitteilung der Einschätzungsergebnisse Gemeinsame Feststellung der Probleme, die angegangen werden sollen Erste Vorschläge zu Veränderungen / Abstimmung >>> Tagesstrukturierung/Beschäftigung >>> Anpassung der Kommunikation >>> Anpassung der Körperpflege Vereinbarung praktischer Schritte
18 Beispiel: Tagesstrukturierung und Beschäftigung Möglichkeiten der Integration von bedürfnisgerechten Aktivitäten in den Alltag: >>> Angehörige? >>> Andere Menschen aus dem Umfeld? >>> niedrigschwellige Betreuungsleistungen? Integration fester Bezugspunkte in den Tagesablauf ( )
19 Beratungsgespräch: Welche Maßnahmen wurden eingeleitet? Wo gab es Erfolge, wo Probleme? An welchen Stellen fühlen sich die Angehörigen nicht in der Lage, etwas umzusetzen? Beobachtung: Hat sich Kommunikation verändert? Rückmeldung an die Angehörigen
20 Qualifikationsanforderungen Körperliche Hilfen Kommunikationsintensive Hilfen (emotionale Entlastung, Motivationsförderung, Deutungshilfen ) Beratung / Anleitung / Training / Coaching Anleitung beruflicher Helfer Koordinierende Tätigkeiten Beobachtung / Einschätzung
21 Initiative des Bundesgesundheitsministeriums: Erarbeitung von Grundlagen für eine neue (erweiterte) Beschreibung der Pflege, orientiert am neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff
22 Fazit Neue Aufgaben zu beschreiben ist schwierig, aber möglich Ambulante Pflege stärker als Problemlösung verstehen Wichtig: Flexibilität bei der Auswahl von Maßnahmen Pflegerische Betreuungsmaßnahmen sind in weiten Teilen eine anspruchsvolle Fachkraftaufgabe (Wünschenswert: diesen Begriff mittelfristig ersetzen) Stärkung der Ergebnisorientierung Herausforderungen: Qualifikation und Qualität
23 Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
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