Elektromagnetische Felder. Dirk Geschwentner Technikdialog Erdkabel und Freileitungen 17. April 2012, Hannover

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1 Elektromagnetische Felder Dirk Geschwentner Technikdialog Erdkabel und Freileitungen 17. April 2012, Hannover

Inhalt / Gliederung Was sind niederfrequente elektrische / magnetische Felder Nachgewiesene gesundheitliche Wirkungen Grenzwerte, gesetzliche Regelungen Felder von Freileitungen und von unterirdisch

2 Inhalt / Gliederung Was sind niederfrequente elektrische / magnetische Felder Nachgewiesene gesundheitliche Wirkungen Grenzwerte, gesetzliche Regelungen Felder von Freileitungen und von unterirdisch verlegten Kabeln Wissenschaftliche Unsicherheiten, Vermutete Wirkungen Empfehlungen des BfS Zusammenfassung Technik-Dialog "Freileitungen und Erdkabel", Hannover, 17./18. April 2012, D. Geschwentner 2

3 Elektrische und magnetische Felder Ladungen Elektrische Felder E E Bewegte Ladungen (Strom I) Magnetische Felder H oder B H Elektron I Leiter E in Volt pro Meter (V m -1 ) Wechselstromfrequenz: 50 Hz H in Ampere pro Meter (A m -1 ) B in Tesla, meist Mikrotesla (µt) B = 0 r H Technik-Dialog "Freileitungen und Erdkabel", Hannover, 17./18. April 2012, D. Geschwentner 3

4 E Exposition gegenüber elektrischen und magnetischen Feldern Mensch Elektrisches im zeitlich veränderlichen Magnetfeld der Flussdichte B Feld Magnetisches Feld Induktionsstrom Im Körper werden interne elektrische Feldstärken E int und Stromdichten J int hervorrufen. Zeit B B E int und J int sind Basiswerte Zeit Hohe Expositionen können akute Wirkungen hervorrufen. Technik-Dialog "Freileitungen und Erdkabel", Hannover, 17./18. April 2012, D. Geschwentner 4

5 Nachgewiesene Wirkungen niederfrequenter elektrischer und magnetischer Felder Auslösen vorübergehender Lichterscheinungen (Phosphene) an der Retina. Stimulation zentraler und peripherer Nerven, Auslösen von Nervenimpulsen und Muskelkontraktionen. zunächst Beeinträchtigungen (von einfacher Wahrnehmung bis hin zu Schmerzempfinden) bei höheren Expositionen: unmittelbare gesundheitliche Gefahren Wirkungen treten erst bei Überschreiten von frequenzabhängigen Schwellenwerten der körperinternen Größen auf! Oberflächliche Ladungseffekte (wahrnehmbar bis belästigend) durch elektrische Felder. Indirekte Wirkungen, z.b. durch Elektrisierung großer metallischer Objekte Technik-Dialog "Freileitungen und Erdkabel", Hannover, 17./18. April 2012, D. Geschwentner 5

6 Grenzwerte Grenzwerte gewährleisten, dass die von äußeren elektrischen und magnetischen Feldern im Körper hervorgerufenen Größen auf ein unschädliches Maß begrenzt werden. Grundlage sind die nachgewiesenen direkten Wirkungen. Grenzwerte der 26. Bundes-Immissionsschutzverordnung für 50 Hz Elektrische Feldstärke E (Kilovolt pro Meter) magnetische Flussdichte (Mikrotesla) 5 kv/m 100 µt Grenzwerte gelten für Freileitungen und Erdkabel mit mehr als 1000 V. Technik-Dialog "Freileitungen und Erdkabel", Hannover, 17./18. April 2012, D. Geschwentner 6

7 Feldstärkeverteilungen: Hochspannungsfreileitung Elektrische Feldstärke Magnetische Flussdichte f = 50 Hz Spannungsebene: 380 kv, Messhöhe: 1 m über dem Boden - Magnetische Feldstärke schwankt zeitlich entsprechend aktuellem Stromfluss - Elektrische Feldstärke zeitlich weitgehend konstant Technik-Dialog "Freileitungen und Erdkabel", Hannover, 17./18. April 2012, D. Geschwentner 7

8 Feldstärkeverteilungen: Haushaltsgeräte Repräsentative Werte magnetischer Flussdichten (50 Hz) von Haushaltsgeräten in unterschiedlichen Abständen gemessen in Mikrotesla (µt), übliche Gebrauchsabstände farblich hervorgehoben Gerät 3 cm 30 cm 1 m Haarfön ,01-7 0,01-0,3 Bohrmaschine ,5 0,08-0,2 Staubsauger ,13 2 Leuchtstofflampe ,5-2 0,02-0,25 Mikrowellengerät ,25-0,6 Radio (tragbar) < 0,01 Küchenherd ,15-0,5 0,01-0,04 Waschmaschine 0,8-50 0,15-3 0,01-0,15 Bügeleisen ,12-0,3 0,01-0,03 Geschirrspüler 3,5-20 0,6-3 0,07-0,3 Computer 0,5-30 < 0,01 Kühlschrank 0,5-1,7 0,01-0,25 < 0,01 Fernsehgerät 2,5-50 0,04-2 0,01-0,15 Quelle: Berichte der Strahlenschutzkommission (SSK), Heft 7, 1997 "Schutz vor niederfrequenten elektrischen und magnetischen Feldern der Energieversorgung und -anwendung" Technik-Dialog "Freileitungen und Erdkabel", Hannover, 17./18. April 2012, D. Geschwentner 8

Magnetische Felder an Freileitungen und unterirdisch verlegten Kabeln Magnetfeld, 50 Hz Forschungsvorhaben: Bestimmung und Vergleich der von Erdkabeln und Hochspannungsfreileitungen verursachten

9 Magnetische Felder an Freileitungen und unterirdisch verlegten Kabeln Magnetfeld, 50 Hz Forschungsvorhaben: Bestimmung und Vergleich der von Erdkabeln und Hochspannungsfreileitungen verursachten Expositionen gegenüber niederfrequenten elektrischen und magnetischen Feldern, , ECOLOG-Institut, nbnresolving.de/urn:nbn:de: Messhöhe: 1 Meter über Erdboden Maximale Anlagenauslastung Technik-Dialog "Freileitungen und Erdkabel", Hannover, 17./18. April 2012, D. Geschwentner 9

10 Langfristige Wirkungen unterhalb der Grenzwerte? 1.) Leukämie im Kindesalter. Basis: Konsistente Hinweise aus epidemiologischen Studien auf etwa 2-fache Risikoerhöhung für Akute Lymphatische Leukämie ALL bei zeitlich gemittelten Magnetfeld-Expositionen oberhalb von 0,3-0,4 µt. Experimentelle Studien stützen Hinweise nicht; kein biologisch plausibler Wirkmechanismus bekannt. Seltene Erkrankung: ca. 4-5 ALL-Fälle/ Kinder < 15 Jahre (Quelle: Krebs in Deutschland 2007/ 2008, GEKID/RKI 2012). Nur wenige Kinder > 0,2 µt exponiert. Ursächlicher Zusammenhang vorausgesetzt: nur geringer Anteil der Leukämiefälle erklärbar (ca. 1% in Europa). Dennoch wichtiges Argument für IARC- Einstufung niederfrequenter Magnetfelder in Gruppe 2B möglicherweise kanzerogen. BfS setzt sich für Umsetzung einer 2010 erarbeiteten, umfassenden Forschungsagenda zur Ursachenklärung von Leukämien bei Kindern ein. Technik-Dialog "Freileitungen und Erdkabel", Hannover, 17./18. April 2012, D. Geschwentner 10

11 Langfristige Wirkungen unterhalb der Grenzwerte? 2.) Erkrankungen des Nervensystems (neurodegenerative Erkrankungen). mehrere epidemiologische Studien deuten auf erhöhtes Risiko beruflich hoch gegenüber niederfrequenten Feldern exponierter Personen hin (Amyotrophe Lateralsklerose ALS, Alzheimer-Krankheit AD) Schweizer Studie zeigt Risikoerhöhung für Alzheimer-Krankheit in Abhängigkeit von Wohnortnähe zu Höchstspannungsleitungen (Huss et al 2009) grundsätzlich schwerer zu untersuchen als Krebs, da nicht in Registern erfasst und Diagnose ggf. schwieriger (z.b. Alzheimer-Krankheit) Experimentelle Studien stützen Hinweise nicht; kein biologisch plausibler Wirkmechanismus bekannt. Mögliche Zusammenhänge werden weiter wissenschaftlich untersucht. BfS fördert entsprechende Studien, z.b. laufende tierexperimentelle Studie zu ALS und AD (Zwischenbericht Literaturübersicht unter Technik-Dialog "Freileitungen und Erdkabel", Hannover, 17./18. April 2012, D. Geschwentner 11

12 Empfehlungen des BfS Zweistufiges Schutzkonzept 1. Gesetzlich verankerte Grenzwerte sind entsprechend dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik auf der Basis nachgewiesener Wirkungen festzulegen. Grundlage sind nationale / internationale Risikobewertungen (WHO, ICNIRP, SSK). 2. Unterhalb der Grenzwerte sind gesetzlich verankerte Vorsorgemaßnahmen zu ergreifen, um wissenschaftlichen Unsicherheiten Rechnung zu tragen und mögliche Gesundheitsrisiken zu minimieren. Grenzwerte sollen nicht ausgeschöpft werden, sondern Expositionen sollen unter Beachtung von Risiko und Nutzen minimiert werden. Neue Leitungen der elektrischen Energieversorgungsnetze sollen Hintergrundbelastung an Orten, wo sich Menschen einen wesentlichen Teil des Tages aufhalten, nicht wesentlich erhöhen. Technik-Dialog "Freileitungen und Erdkabel", Hannover, 17./18. April 2012, D. Geschwentner 12

13 Weitere Vorsorgemaßnahmen Bestehende Unsicherheiten in der wissenschaftlichen Risikobewertung verringern: Zielgerichtete Forschung initiieren und vorantreiben (z.b. Forschungsagenda zur Ursachenklärung von Leukämien bei Kindern) Kommunikation: Bereitstellung verständlicher, nachvollziehbarer Informationen zu Strahlenschutzaspekten für Öffentlichkeit und Entscheidungsträger wissenschaftliche Risikobewertung (Grundlagen, Ergebnisse) Höhe tatsächlicher Expositionen Individuelle Exposition: Informationen über Möglichkeiten zur Reduzierung von Expositionen durch Quellen z.b. im Haushalt (Geräte, Elektroinstallation) Empfehlung an Gerätehersteller, Strahlenschutzaspekte bereits beim Gerätedesign bzw. im Entwicklungsprozess verstärkt zu berücksichtigen Technik-Dialog "Freileitungen und Erdkabel", Hannover, 17./18. April 2012, D. Geschwentner 13

14 Zusammenfassung Elektrische Felder treten in der Umgebung von Freileitungen, nicht bei unterirdisch verlegten Kabeln auf Magnetfeldexpositionen entstehen durch Transport (Leitungen) und Nutzung (z.b. Haushaltsgeräte) elektrischer Energie Magnetfeldstärken von Freileitungen und Erdkabeln können im Trassenbereich in der gleichen Größenordnung liegen, nehmen bei Erdkabeln aber mit zunehmendem Abstand zur Trasse schneller ab. Immissionsgrenzwerte schützen vor den nachgewiesenen, direkten Wirkungen auf die Gesundheit Unterhalb der Grenzwerte sind Expositionen aus Vorsorgegründen zu minimieren: Neue Leitungen sollten Hintergrundbelastung nicht wesentlich erhöhen; individuelle Maßnahmen sind möglich bei Nutzung von Geräten Transparenz, Information und faire Beteiligung sind beim Netzausbau erforderlich Technik-Dialog "Freileitungen und Erdkabel", Hannover, 17./18. April 2012, D. Geschwentner 14

Weitere Informationen www.bfs.de/elektro/nff www.bfs.de/elektro/netzausbau Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

15 Weitere Informationen Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Technik-Dialog "Freileitungen und Erdkabel", Hannover, 17./18. April 2012, D. Geschwentner 15

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