Teil 111. Chart-Parsing
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- Herta Kohler
- vor 6 Jahren
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1 Teil 111 Chart-Parsing
2 102 Die im ersten Teil des Buches behandelten einfachen Parsingalgorithmen sind, anders als die meisten vor allem im Compilerbau verwendeten Algorithmen (z.b. die LLoder LR-Parsingalgorithmen), insofern für computerlinguistische Aufgabenstellungen geeignet, als sie prinzipiell die Analyse beliebiger kontextfreier Sprachen ermöglichen. Allerdings weisen sie zwei erhebliche Nachteile auf: 1. Sie formulieren relativ starke Restriktionen bzgl. der Klasse der Syntaxen, die sie zu verarbeiten in der Lage sind: keine links-/ rechtsrekursiven Regeln bei Topdown-Parsing; keine Tilgungsregeln bei Bottom-up- und Left-corner-Parsing. 2. Sie sind ineffizient, da unabhängig von der gewählten Kontrollstrategie (depthfirst mit Ba.cktracking / quasi-parallele Breadth-first-Suche) nicht verhindert werden kann, daß in vielen Fällen ein Satzabschnitt mehrfach auf dieselbe Art und Weise analysiert wird. Beispiel (III-1) Syntax : GRl = { S --+ NP VP, NP --+ pro, NP --+ det n, NP --+ NP PP, VP --+ v NP, VP --+ v NP PP, PP --+ p NP } GR2 = GRl U { VP --+ v NP VPINF, VPINF --+ NP v } GM = GRl U { S --+ NP VP AP, AP --+ adv adv } Lexikon: {<er (pro)... >, <mädchen (n)... >, <sah (v)... >, <das (det) (relpro)... >, <heute (adv», <auf(p)... >,... } Sätze : (1) Er sah das Mädchen mit dem Skateboard. (2) Er sah das Mädchen mit dem Skateboard die Straße hinunterjagen. (3) Er sah das Mädchen mit dem Skateboard heute morgen. p VP pro 1\ v ~A det n (al p det n
3 103 pro v ~ 1\ /"!\ det n p det n (b) Für Satz (1) gibt es relativ zur Syntax GRl zwei Lesarten (s.o.): Einmal wird die pp als Komplement des Verbs, im anderen Fall als Attribut der Objekt-NP interpretiert. Die interne Struktur der als direktes Objekt fungierenden NP und der PP ist in beiden Fällen identisch. Trotzdem wird die Analyse dieser Satzabschnitte bei Verwendung der bislang betrachteten Algorithmen zweimal durchgeführtl. Noch deutlicher wird die Ineffizienz dieser Algorithmen, wenn man Satz (2) und Satz (3) und die Syntaxen GR2 und GR3 betrachtet: Die Analyse dieser Sätze kann wie zuvor zur Generierung der Strukturen II-l(a) bzw. II-l(b) führen. Sie terminiert in diesem Fall aber nicht, da bei beiden Sätzen das Satzende nicht erreicht ist. Bei der Analyse von Satz (2) erlaubt erst die neue VP-Regel eine vollständige Verarbeitung des Satzes und bei der Analyse von Satz (3) führt erst die zweite S-Regel zum Erfolg; d.h. die Analyse der Nominalphrasen und der Präpositionalphrase wird (im schlimmsten Fall) viermal ausgeführt. Die Entwicklung und Realisierung effizienter Parsingalgorithmen setzt voraus, daß Verfahren gefunden werden, die es erlauben, Mehrfachanalysen dieser Art zu vermeiden. Ein Ansatz, der sich zur Lösung dieses Problems anbietet, besteht darin, die bei der voranschreitenden Analyse gewonnenen Teilergebnisse zu speichern, so daß auf sie zugegriffen werden kann, wenn für den Satz eine andere Analysemöglichkeit als die zunächst verfolgte geprüft wird. Zur Speicherung der Analyseergebnisse wird häufig eine Chart verwendet: Eine Chart ist ein abstmkter Datentyp, der charakterisiert ist durch die ihn konstituierenden Objekte und die auf diesen Objekten definierten Operationen. Da bei einem abstrakten Datentyp nur die wesentlichen Eigenschaften des zu charakterisierenden Datentyps genannt werden, gibt es in der Regel verschiedene Möglichkeiten, ihn zu realisieren. In den meisten Fällen wird eine Chart als Vektor, Matrix oder azyklischer Gmph repräsentiert. 1 Daß die Verwendung eines einfachen Top-down-Parsers für die Syntax aus dem vorangegangenen Beispiel wegen der linksrekursiven Regel NP -+ NP PP zu Problemen fuhren kann, soll hier vernachlässigt werden.
4 104 Die in der Chart gespeicherten Objekte werden als "Kanten" bezeichnet. Es werden zwei Typen von Kanten unterschieden: aktive und passive Kanten. Eine aktive Kante repräsentiert eine partiell erkannte Konstituente des Satzes; eine passive Kante eine vollständig erkannte Konstituente. Eine Kante muß mindestens die folgenden Informationen enthalten: 1. den kategorialen Typ der repräsentierten Konstituente, 2. die Angabe des Satzabschnitts, über den sie sich erstreckt, und 3. bei aktiven Kanten die Spezifikation des schon erkannten und des noch zu erkennenden Teils der Konstituente. Um zu spezifizieren, welchen Abschnitt eines Satzes eine Konstituente abdeckt, werden die Positionen zwischen den Worten des Satzes numeriert, so daß der durch die Konstituente abgedeckte Satzabschnitt dann innerhalb der Kante durch Verweis auf die entsprechenden Indizes identifiziert werden kann. Ein Satz w = Wl Wn wird repräsentiert durch einen Ausdruck der Form: o Wl 1 W n-1 Wn n Die auf einer Chart definierten Operationen fügen neue Kanten in die Chart ein. Es gibt zwei Typen von Operationen: 1. Operationen, die passive Kanten auf Grundlage des verfügbaren lexikalischen Wissens in die Chart eintragen und 2. Operationen, die abhängig von schon in der Chart enthaltenen Kanten und dem verfügbaren syntaktischen Wissen weitere aktive/passive Kanten erzeugen. Unabhängig von den zur Repräsentation der Chart und Kanten gewählten Datenstrukturen verwenden wir folgende Notationskonventionen: Wenn k eine beliebige Kante ist, dann bezeichnet: (i). 'Start(k)' die Anfangsposition der Kante; (ii). 'Ende(k)' die Endposition der Kante; (iii). 'Kopf(k)' den Typ der durch k repräsentierten Konstituente2 ; (iv). 'geschlossener Abschnitt(k)' den erkannten Teil und (v). 'offener Abschnitt(k)' den noch nicht erkannten Teil der durch k repräsentierten Konstituente. Wenn k eine beliebige in einer Chart C gespeicherte Kante ist, mit Start(k) = i und Ende(k) = j, dann schreiben wir auch: 'k E Chart(i, j)'. 2Wenn Kopf(k) = X, dann wird k auch einfach als eine X-Kante bezeichnet.
5 105 Beispiel (III-2) Wenn wir ausgehend von der Syntax GRl für den Satz (1) eine Chart berechnen, in die wir ausschließlich passive Kanten eintragen, erhalten wir folgende Ergebnisse: (a) Azyklischer Graph s o er 1 sah 2 das 3 maedchen 4 mit 5 dem 6 skateboard 7 Die Repräsentation der Chart als azyklischer Graph ist sehr anschaulich, da sie direkten Aufschluß darüber liefert, aus welchen Konstituenten komplexe Konstituenten aufgebaut sind. (b) Vektor [pro, 0] [NP -+ pro] [v, 1] [det, 2] [n,3] [NP -+ det n, 2] [VP -+ v NP, 1] [p,4] V 6 [det, 5] [n,6] [NP -+ det n, 5] [PP -+ p NP, 4] V7 [NP -+ NP PP, 2] [VP -+ v NP PP, 2] [VP -+ v NP, 1] [S -+ NP VP, 0] Für einen Satz der Länge n besteht der Vektor aus n Feldern. Wenn im Feld Vj des Vektors ein Eintrag der Form <0, i> enthalten ist, mit 0 als einer lexikalischen Kategorie oder syntaktischen Regel und 0 $ i < n, dann erstreckt sich die durch den Eintrag spezifizierte Konstituente vom i+l-ten bis zum j-ten Wort des Satzes. Der Satz ist akzeptiert, wenn es in Vn einen Eintrag der Form <S -+ ß,0> gibt.
6 106 (c) Matrix pro 0 S -.,NP VP NP'-" pro 1 v VP -.. v NP VP -"v NP pp VP... v NP 2 det N~det n NP-+-NP pp 3 n 4 p PP... P NP 5 det N~det n 6 n 7 Ein Eintrag in Feld Mjj bezeichnet eine vom i+1-ten bis zum j-ten Wort des Satzes reichende Konstituente. Der Satz ist akzeptiert, wenn es in Mo,n einen Eintrag der Form S -+ ß gibt. Natürlich sind für Chart und Kanten auch andere Repräsentationsformen möglich: Beispiel (III-3) Betrachtet man das vorangegangene Beispiel, dann könnte die Chart z.b. als eine Menge repräsentiert werden, die folgende passive Kanten enthält: 1 : [S, 3:NP 4:VP, e] 6: [NP, det n, das mädchen] 2 : [S, 3:NP 5:VP, e] 7: [PP, p 9:NP, mit] 3 : [NP, pro, er] 8: [NP, 6:NP 7:PP, e] 4 : [VP, v 6:NP 7:PP, sah] 9 : [NP, det n, dem skateboard] 5 : [VP, v 8:NP, sah] Jeder Eintrag ist indiziert und besteht aus der Angabe des Konstituent.entyps und der dominierten Kategorien. Nicht-lexikalischen Kategorien ist ein Index vorangestellt, der auf einen anderen Eintrag in der Chart verweist; für lexikalische Kategorien werden die ihnen zugeordneten Worte verzeichnet.
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