8. Lineare Optimierung
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- Siegfried Eike Maier
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1 8. Lineare Optimierung 1
2 Einführung (1) Praktische Probleme sind oft Probleme mit Nebenbedingungen, z.b.: Ein Produktionsprozess hängt von Lieferterminen ab Die Menge der verstaubaren Güter ist durch die Größe der Lagerhalle begrenzt oder die Menge der erzeugbaren Güter durch die Menge der Rohstoffe. Verkehrs- und Telekommunikationsnetze sollten den Bedarf an allen Verzweigungen abfertigen können. In der Spieltheorie (Wirtschaft - Sozialwissenschaft - Psychologie) bestimmen Nebenbedingungen das Verhalten. Weitere Literatur: Wikipedia R. Sedgewick: Algorithmen, Pearson Studium 2
3 Einführung (2) Lineare Optimierung oder Lineare Programmierung dient zur Optimierung linearer Zielfunktionen über einer Menge, die durch lineare Gleichungen und Ungleichungen eingeschränkt wird. Lineare Optimierung bzw. Programmierung ist im Sinne von Planung zu verstehen und wurde vor der Computerzeit entwickelt: zuerst 1939 Kantorowitsch (Wirtschaftsnobelpreis 1975) weiterentwickelt von Dantzig (1940) bis zum Simplex-Verfahren zur Lösung der Probleme (1947) erste Anwendungen in der Wirtschaft und beim Militär in den 50er Jahren Das Simplex-Verfahren ist bis heute das meist genutzte Verfahren zur Lösung dieser Probleme 3
4 Einführung (3) Problemstellung: Bestimme das Maximum (Minimum) von einer Zielfunktion mit n Variablen x i 0 c x = c 1 x 1 +c 2 x c n x n unter der Berücksichtigung von m Ungleichungen a 1,1 x a 1,n x n b 1.. a m,1 x a m,n x n b m oder max{c x Ax b,x 0} Das ist die sogenannte Standardform 4
5 Einführung (4) Überführung von anderen Optimierungsproblemen in die Standardform: Minimierungsproblem statt Maximierungsproblem: Multiplikation der Zielfunktionsvektors c mit (-1) Größer-gleich- statt Kleiner-gleich-Bedingung: Multiplikation der entsprechenden Ungleichung mit (-1) Gleichheitsbedingung statt Ungleichheitsbedingung: Ersetzung von a i x = b durch a i x b und a i x b Variablen ohne Nichtnegativitätsbedingung: Ersetzung von x i durch x i x i mit x i,x i 0 5
6 Beispiel (1) Die erste dokumentierte Anwendung: Das diet-problem, missverständlich oft als das Diäten-Problem übersetzt: Für Soldaten soll aus n Nahrungsmitteln (Brot, Fleisch, Obst,...) ein Essen zusammengestellt werden, welches möglichst billig ist und trotzdem einen Mindestgehalt an m Grundsubstanzen (Eiweiß, Fett, Kohlehydrate, Vitamine, Mineralstoffe,...) enthält x j : Menge des j-ten Nahrungsmittels a i,j : Menge der i-ten Grundsubstanz im j-ten Nahrungsmittel b i : Menge der i-ten Grundsubstanz, die das Menü mindestens enthalten muss c j : Preis des j-ten Nahrungsmittels 6
7 Beispiel (2) Zu Minimieren sind die Gesamtkosten unter den Nebenbedingungen n j=1 c j x j n j=1 a i,j x j b i für i = 1,...,m x j 0 für j = 1,...,n Durch die oben beschriebenen Umformungen ergibt sich die Standardform 7
8 Beispiel (3) Bachelorarbeit Michael Rams, Sommer 2012 Die Firma acadon AG vertreibt die Software Microsoft Dynamics NAV angepasst an die Anforderungen der Holzindustrie Aufgabe: Implementation und Integration einer 1-dim Zuschnittsoptimierung Problem (vereinfacht): Säge 10 Balken mit 50 cm Länge (α) Säge 20 Balken mit 20 cm Länge (β) Im Lager sind 5 Balken mit 70 cm Länge (A) Im Lager sind beliebig viele Balken mit 80 cm Länge (B) Minimiere das Ausgangsmaterial 8
9 Beispiel (4) Schritt eins: Bestimme wie viele Balken α und β aus den Balken A und B geschnitten werden können (Schnittmuster) Ausgangsmaterial: A A B B Name des Schnittmusters: x 1 x 2 x 3 x 4 Anzahl produzierter Alphas: Anzahl produzierter Betas: Ungleichungen für die Menge der zu schneidenden Balken: 1x 1 +0x 2 +1x 3 +0x x 1 +3x 2 +1x 3 +4x 4 20 Ungleichung für die begrenzte Menge Holz A: x 1 +x 2 5 9
10 Beispiel (5) Nichtnegativität der Schnittmuster x 1 0, x 2 0, x 3 0, x 4 0, Zu Minimieren: Verwende möglichst wenige Balken Min : z = 1x 1 +1x 2 +1x 3 +1x 4 Praktisch meist noch zu berücksichtigen: Unterschiedliche Kosten des Ausgangsmaterial Kosten der Reststücke oder z.b. Zeitgrenzen für das Zuschneiden 10
11 Geometrische Interpretation Maximiere x 1 + x 2 unter Berücksichtigung der Nebenbedingungen (Sedgewick, Algorithmen) x 1 +x 2 5 x 1 +4x x 1 +x x 1 4x 2 24 x 1,x 2 0 X 2 (0,5) (5,10) (9,9) (12,3) konvexes Lösungsgebiet. Alle Punkte innerhalb des Gebiets erfüllen alle Ungleichungen. (0,0) (8,0) X 11 1
12 Lösungen Wie aus dem Graphen ersichtlich, gibt es eine Lösung, falls die Gerade nur eine Ecke berührt unendlich viele Lösungen, falls die Gerade parallel zu einer der durch die Nebenbedingungen gegebenen Graden verläuft unendlich viele Lösungen, falls das Lösungsgebiet nicht beschränkt ist. keine Lösung, falls die Ungleichungen das Gebiet zum verschwinden bringen, z.b. durch die zusätzliche Gleichung x 1 +x 2 20 Komplexität: Jede neue Nebenbedingung führt eine neue Gerade und damit zwei neue Schnittpunkte ein O(2 m ) bei m Ungleichungen. Es wird vermutet, dass das Problem zu den NP-schweren (NP-harten) Problemen gehört. 12
13 Simplex-Verfahren (1) Schritt 1: Beseitige die Ungleichungen durch das Einführen von Schlupfvariablen y i 0. wird zu n j=1 n j=1 a i,j x j b i a i,j x j +y i = b i Jetzt gibt es die m+n Variablen x i, i = 1...n und y i, i = 1...m Fasse die Variablen zu einem neuen Vektor x mit m+n Komponenten zusammen und erweitere entsprechend die Matrix A. Das Problem lautet jetzt (auch Standardform genannt) cx = max Ax = b x 0 13
14 Simplex-Verfahren (2) Beispiel Maximiere x 1 +x 2 unter Berücksichtigung der Nebenbedingungen (Schlupfvariablen x 3 bis x 6 ) x 1 +x 2 +x 3 = 5 x 1 +4x 2 +x 4 = 45 2x 1 +x 2 +x 5 = 27 3x 1 4x 2 +x 6 = 24 x 1,x 2,x 3,x 4,x 5,x
15 Simplex-Verfahren (3) Matrix A beschreibt m Gleichungen mit m+n Unbekannten das Gleichungssystem ist überbestimmt. Der Rang der Matrix ist m (ohne doppelte Gleichungen). Wir nehmen im Folgenden an, dass die Ermittelung einer zulässigen Anfangslösung leicht ist, und zwar x 1,...,x n = 0 x n+i = b i für i = 1,...,m d.h. alle ursprünglichen Variablen sind 0 und die Schlupfvariablen sind gleich der rechten Seite des Gleichungssystems. Ist dies nicht der Fall, muss in einer ersten Phase des Simplexverfahrens eine zulässige Anfangslösung ermittelt werden. 15
16 Simplex-Verfahren (4) Die in einer Lösung verwendeten Variablen heißen Basisvariablen (in der Anfangslösung die Schlupfvariablen), und die, die für eine Lösung gleich Null gesetzt werden, Nicht-Basisvariablen (in der Anfangslösung die ursprünglichen Variablen). Es kann höchstens m Basisvariablen geben. Das Simplexverfahren tauscht so lange Basisvariablen mit Nicht- Basisvariablen aus, bis die optimale Lösung gefunden wurde. Das Problem wird in verschiedenen Variationen, je nach Details des gewählten Simplex-Verfahrens in einem sogenannten Simplex-Tableau dargestellt. 16
17 Simplex-Verfahren (5) Simplex-Tableau: c 1... c n rechte Zeile BV x 1... x n x n+1... x n+m Seite Quotient 0 Z c 1... c n x n+1 a a 1n b m x n+m a m1... a mn b m 0 BV: Basisvariable Z: Zielfunktion ZF-Koeff.: Beitrag zur Zielfunktion 17
18 Simplex-Verfahren (6) Basisvariablen entsprechen den Zeilen, die genau eine Eins und ansonsten nur Nullen in der Matrix haben. Bei Nicht-Basisvariablen ist mehr als ein Element der entsprechenden Spalte von Null verschieden. Der Klassiker an Beispielen: 3 Maschinen A, B, und C Die Maschinen können 2 Produkte herstellen Maschine A läuft 4, B 12 und C 18 Stunden am Tag Produkt x 1 benötigt 1 Stunde auf A und 3 Stunden auf C Produkt x 2 benötigt 2 Stunden B und 2 Stunden C An Produkt x 1 wird 3 Euro, an Produkt x 2 5 Euro verdient 18
19 Simplex-Verfahren (7) Numerisches Problem: maximiere maxz = 3x 1 +5x 2 unter den Nebenbedingungen oder 1x 1 4 2x x 1 +2x 2 18 x 1,x 2 0 1x 1 +x 3 = 4 2x 2 +x 4 = 12 3x 1 +2x 2 +x 5 = 18 x 1,x 2,x 3,x 4,x
20 Simplex-Verfahren (8) Startwerte des Simplex-Tableaus: rechte Zeile BV x 1 x 2 x 3 x 4 x 5 Seite Quot. 0 Z x x x Das entspricht dem Punkt x T = (0,0,4,12,18). Die Matrix hat die Größe (m+1) (n+m+1). Zeile 0 enthält die negativen Werte der Zielfunktion, Spalte 0 die Namen der Basisvariablen. Die Matrix wird in einem Verfahren ähnlich zur Gauß-Elimination verändert. 20
21 Simplex-Verfahren (9) Bestimmung des Pivotelements Pivotspalte: Bestimme die Spalte der Matrix, bei der der Zuwachs der Zielfunktion am größten ist, also den Wert aus Zeile 0 mit dem betragsmäßig größten negativen Wert. In unserem Beispiel Spalte 1 bzw. die Spalte mit 5 in der 0.-ten Zeile. Quotientenvektor Θ: Teile die Werte der rechten Seite (Spalte n+m) durch die Werte der Pivotspalte i p, falls diese ungleich Null. Zeile BV x 1 x 2 x 3 x 4 x 5 rechts Quot. 0 Z x x /2 3 x /2 21
22 Simplex-Verfahren (10) Pivotzeile: Wähle die Zeile, in der Θ den kleinsten Wert > 0 hat, in unserem Beispiel Zeile 2. Das verhindert, dass die Werte so geändert werden, dass die Werte negativ werden können und somit Punkte außerhalb der Lösungsfläche erreicht werden. Pivotelement: Das Pivotelement ist der Schnittpunkt aus Pivotspalte und Pivotzeile, in unserem Beispiel das Element a 21 = 2. Zeile BV x 1 x 2 x 3 x 4 x 5 rechts Quot. 0 Z x x /2 3 x /2 22
23 Simplex-Verfahren (11) Iterationsschritt Normierung der Pivotzeile: Teile die Elemente einer Pivotzeile durch das Pivotelement. Zeile BV x 1 x 2 x 3 x 4 x 5 rechts Quot. 0 Z x x / x
24 Simplex-Verfahren (12) Änderung der anderen Zeilen: Addiere zu jeder Zeile ein Vielfaches der Pivotzeile, so dass alle anderen Elemente in der Pivotspalte 0 werden. Zeile BV x 1 x 2 x 3 x 4 x 5 rechts Quot. 0 Z / x x / x Damit ist x 2 und nicht mehr x 4 eine Basisvariable! Das entspricht dem Punkt x T = (0,6,4,0,6) Führe das Verfahren so lange durch, bis alle Werte in der Zeile 0 positiv sind, denn das bedeutet, dass bei einer Änderung der Wert der Zielfunktion sinken und nicht mehr steigen würde. 24
25 Simplex-Verfahren (13) Nächster Iterationsschritt Die Pivotspalte ist Zeile 0 (Z-Wert ist -3) Die Pivotzeile ist Zeile 3 (Quotient 6/3=2) Das Pivotelement ist a 0,3 = 3 Teile Zeile 3 durch 3 Führe in Zeile 0 und 1 einen Gauß-Eliminationsschritt durch Zeile BV x 1 x 2 x 3 x 4 x 5 rechts Quot. 0 Z / x /3-1/3 2 2 x / x /3 1/3 2 25
26 Simplex-Verfahren (14) Die Lösung ist der Punkt x T = (2,6,2,0,0), bzw. Produkt 1 wird 2 mal und Produkt 2 wird 6 mal hergestellt. X 2 (0,9) (0,6) (2,6) - Loesung (0,0) (4,0) (6,0) X 1 26
27 Simplex-Verfahren (15) Nicht angesprochen: Das Simplex-Verfahren kann zwischen Lösungen hin und her gehen, falls mehrere Geraden sich in einem Punkt schneiden Es können nicht-ganzzahlige Lösungen in einem Iterationsschritt entstehen, die keinen Sinn machen, es wird kein halbes Auto hergestellt. In diesem Fall muss der Wert auf- und abgerundet werden und es muss mit diesen beiden Fällen weiter gearbeitet werden Verdoppelung der möglichen Lösungen in jeden Iterationsschritt Branch-and-Bound Verfahren zur Reduktion des Lösungsraums. In diesem Fall muss mit Brüchen und darf nicht mit Gleitkommazahlen gerechnet werden! Es gibt viele weitere Lösungsverfahren wie * das Innere-Punkte-Verfahren * die Ellipsoidmethode 27
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