Mathematik für Wirtschaftswissenschaftler WS 2009/2010 (Modul WW-BA-01)

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1 Vorlesung von Prof Dr rer nat habil Stefan Siegmund und Dr rer nat habil Norbert Koksch Mathematik für Wirtschaftswissenschaftler WS 2009/2010 (Modul WW-BA-01) Dresden, 30 Juni 2010

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3 Literaturverzeichnis [1] Sydsaeter, K und Hammond P: Mathematik für Wirtschaftswissenschaftler Basiswissen mit Praxisbezug Pearson Studium, München, 3 Auflage 2009 [2] Böker, F: Formelsammlung für Wirtschaftswissenschaftler Pearson Studium, München, 1 Auflage 2009 [3] Luderer, B und Würker, U: Einstieg in die Wirtschaftsmathematik Vieweg+Teubner, Leipzig, 7 Auflage 2009 [4] Luderer, B und Würker, U: Arbeits- und Übungsbuch Wirtschaftsmathematik Vieweg+Teubner, Leipzig, 3 Auflage 2008 [5] Luderer, B: Klausurtraining - Mathematik und Statistik für Wirtschaftswissenschaftler Vieweg+Teubner, Leipzig, 6 Auflage 2008 [6] Luderer, B; Nollau, V und Vetters, K: Mathematische Formeln für Wirtschaftswissenschaftler Vieweg+Teubner, Leipzig, 5 Auflage 2008 [7] Karmann, A: Mathematik für Wirtschaftswissenschaftler Oldenbourg, München Wien, 6 Auflage 2008 [8] Schmidt, K D: Mathematik Grundlagen für Wirtschaftswissenschaftler Springer, Berlin Heidelberg New York, 2 Auflage 2000 [9] Schmidt, K D; Macht, W; Hess, K Th: Arbeitsbuch Mathematik Berlin Heidelberg New York: Springer 2 Auflage 2005 [10] Nollau, V: Mathematik für Wirtschaftswissenschaftler Teubner, Stuttgart - Leipzig, 4 Auflage 2003 [11] Opitz, O: Mathematik Lehrbuch für Ökonomen Oldenbourg, München - Wien, 9 Auflage

4 Literaturverzeichnis 4

5 1 Mengen und Funktionen 11 Grundlagen 111 Logik Eine Aussage p ist ein sinnvolles sprachliches Gebilde, das die Eigenschaft hat, entweder wahr oder falsch zu sein Man nennt wahr bzw falsch den Wahrheitswert der Aussage p Die Wahrheitswerte werden mit w (wahr) bzw f (falsch) bezeichnet Beispiel 11 1) 5 ist eine Primzahl (Aussage, wahr) 2) 3 ist Teiler von 7 (Aussage, falsch) 3) Daniel ist krank (keine Aussage, Daniel ist nicht festgelegt) 4) a 2 + b 2 = c 2 (keine Aussage, was sind a, b, c?) Die letzten beiden Beispiele sind keine Aussagen, aber Aussageformen, die einen Wahrheitswert erhalten durch Belegung der Aussagevariablen Daniel, a, b, c Sind p und q Aussagen, so lassen sich durch sprachliche Verbindung neue Aussagen gewinnen: Neue Aussage Symbol Name nicht p p Negation p und q p q Konjunktion p oder q (im Sinne von oder p q Disjunktion auch ) wenn p so q, aus p folgt q, p p q Implikation ist hinreichend für q, p impliziert q, q ergibt sich aus p p genau dann, wenn q, p gilt dann und nur dann, wenn q, p ist äquivalent zu q p q Äquivalenz Die Wahrheitswerte sind wie folgt definiert: p p w f f w und p q p q p q p q p q w w w w w w w f f w f f f w f w w f f f f f w w 5

6 1 Mengen und Funktionen Elementarausdrücke sind die Konstanten w und f Durch Zusammensetzen lassen sich nach bestimmten Regeln weitere aussagenlogische Ausdrücke bilden 112 Äquivalenz von aussagenlogischen Ausdrücken Zwei Ausdrücke p, q heißen äquivalent bzw werteverlaufsgleich (in Zeichen p = q), wenn für jede Belegung der Variablen sich jeweils die gleichen Wahrheitswerte ergeben Kommutativgesetz : Assoziativgesetz: Distributivgesetz: p q = q p, p q = q p (p q) r = p (q r), (p q) r = p (q r) (p q) r = (p r) (q r), (p q) r = (p r) (q r) Konjunktion und Disjunktion verhalten sich also formal so wie Multiplikation und Addition in den natürlichen Zahlen Ersetzung der Implikation und Äquivalenz: p q = p q, p q = (p q) (q p) de Morgansche Regeln: p q = p q, p q = p q 113 Prädikative Ausdrücke, Quantifikatoren Die in der Mathematik verwendeten Aussagen sind Aussagen über die Eigenschaften der betrachteten Objekte: 3 ist eine Primzahl, 7 ist Teiler von 343 ist Teiler von 343 ist ein einstufiges Prädikat, ist Teiler von ein zweistufiges Prädikat Ist P zb ein einstufiges Prädikat und ist x eine Variable, so ist xp ein (nullstufiger) prädikativer Ausdruck xp wird auch als x: P geschrieben uns als x mit (der Eigenschaft) P gesprochen Beispiel 12 x > 3 oder x ist größer als 3 : Variable x, Prädikat P = ist größer als oder 7 ist Teiler von 5 : Variable (Konstante) 7, Prädikat P = ist Teiler von 5 Die genannten Möglichkeiten zur Bildung neuer Aussageformen aus gegebenen reichen noch nicht aus, um zb die Aussage Die Gleichung x + 3 = 8 besitzt eine Lösung zu bilden Man betrachtet daher noch Quantifikatoren Hier die beiden wichtigsten: 6

7 11 Grundlagen All-Quantor: Existenz-Quantor: oder (für jedes ), oder (es gibt ein ) Bilden wir nun das einstufige Prädikat P = ist Lösung von x+3 = 8, so können wir obiges Problem als xp schreiben (zu lesen: es existiert ein x mit der Eigenschaft P), oder in der mathematische Umgangssprache x (x + 3 = 8) Die Aussage x (x 2 0) mit der Bedeutung Für jedes x gilt x 2 0 ist falsch (zb für x = i), wenn wir uns nicht auf spezielle x beschränken Wahr wäre hingegen x (x R x 2 0), wobei hier schon die Elementschreibweise aus der Mengenlehre verwendet wird Um solche Ausdrücke kürzer schreiben zu können, definieren wir restringierte Quantifikatoren durch x M P(x) := x (x M P(x)), x M P(x) := x (x M P(x)) Häufig muss man Negationen von Quantifikatoren bilden Es gelten folgende Äquivalenzen: xp = xp, xp = xp Manchmal wollen wir auch die Existenz genau eines bzw höchstens eines Individuums beschreiben Dazu nutzen wir =1 bzw 1 Analog ist die Bildung weiterer Quantifikatoren Bemerke: = Mengen Eine exakte Definition ist hier noch nicht möglich, daher die von Georg Cantor: Definition 13 Unter einer Menge verstehen wir jede Zusammenfassung M von bestimmten wohlunterschiedenen Objekten m unserer Anschauung oder unseres Denkens (welche die»elemente«von M genannt werden) zu einem Ganzen 7

8 1 Mengen und Funktionen Eine Menge kann endlich oder unendlich viele Elemente enthalten Mengen mit endlich vielen Elementen lassen sich durch die Angabe aller ihrer Elemente beschreiben, zum Beispiel A = {1,2,3}, B = {2,4,6,8} Die Reihenfolge der Elemente ist bei dieser Schreibweise nicht relevant Normalerweise werden Mengen anhand ihrer Eigenschaften beschrieben, zum Beispiel B = {0,2,4,6,8} = {n n ist eine gerade natürliche Zahl mit n < 10} (11) Mit dem Symbol N bzw R bezeichnet man die Menge der natürlichen Zahlen bzw die der Menge der reellen Zahlen Ist A eine Menge und x ein Element dieser Menge, so drückt man dies mit der Schreibweise x A aus Beispiel 14 Für die Menge B in (11) gilt 4 B Beispiel 15 Für die Menge C := {n es gilt n N und es gibt ein k N mit n = k 2 } := {n N es gibt ein k N mit n = k 2 } (12) gelten 9 C und 36 C Der Ausdruck x A ist eine logische Aussageform, welche durch Festlegung von x und A zu einer logischen Aussage wird Die Negation dieser Aussageform ist, dass x kein Element von A ist Hierfür schreiben wir kurz x / A Beispiel 16 Es gilt 8 C für die Menge C aus (12) 8

9 11 Grundlagen 115 Teilmengen Definition 17 Die Menge A heißt Teilmenge der Menge B, geschrieben A B, wenn jedes Element von A auch Element von B ist, A B : x (x A x B) Gilt neben A B auch A B, dann heißt A echte Teilmenge von B und man schreibt A B Bemerkung 18 1 Man unterscheide zwischen enthalten (als Element) in und enthalten (als Teilmenge) in und verwende besser ist Element von bzw ist Teilmenge von 2 Ist A keine Teilmenge von B so schreibt man A B Beispiel 19 Es seien A = {1,2,3,4,C}, B = {1,2}, C = {,2,5} Dann gelten B A, C A, C A, A C, A, A, C, C Definition 110 Zwei Mengen A und B heißen gleich (oder identisch), wenn sie die gleichen Elemente besitzen A = B, Satz 111 Es gilt A = B genau dann, wenn sowohl A B als auch B A gelten, A = B A B B A 116 Leere Menge Wir betrachten die Menge L = {x x x} (13) aller der Objekte, die nicht gleich zu sich selber sind Angenommen, es gilt m L für irgendein Objekt m Dann muss m m für dieses Objekt gelten, was aber stets falsch ist und daher einen Widerspruch darstellt Die Menge L nach (13) hat folglich keine Elemente, sie ist also leer Sei nun M eine weitere Menge, die keine Elemente hat Es gilt x L = x M, 9

10 1 Mengen und Funktionen da x L stets falsch ist und die Implikation = aus etwas Falschem stets etwas Wahres ergibt Daher gilt L M Andersherum folgt aber auch M L Nach Satz 111 folgt L = M Folglich gibt es genau eine Menge, welche keine Elemente hat Definition 112 Die Menge := {x x x} heißt leere Menge Bemerkung 113 Für jede Menge B gilt B, d h, die leere Menge ist Teilmenge jeder Menge 117 Potenzmengen Definition 114 Ist M eine Menge, so nennt man die Menge aller Teilmengen von M, die Potenzmenge von M P(M) oder 2 M, Beispiel 115 Für M = {1,2,3} gilt P(M) = {, {1}, {2}, {3}, {1,2}, {1,3}, {2,3}, {1,2,3}} Bemerkung 116 In obigem Beispiel bemerken wir, dass M 3 Elemente hat, die Potenzmenge P(M) = 2 M hat 2 3 = 8 Elemente Dies ist ein Hinweis für die Bezeichnung 2 M Bemerkung 117 Typischer Fehler bei der Bestimmung der Potenzmenge P(M) einer Menge M ist, dass die leere Menge und die gesamte Menge M als Teilmengen von M vergessen werden Es gilt stets P(M), M P(M) 10

11 12 Mengenalgebra 12 Mengenalgebra Wir betrachten nun gewissen Grundoperationen beim Arbeiten mit Mengen Definition 118 Die Vereinigung A B von A und B ist die Menge, die aus allen Elementen von A und allen Elementen von B besteht, A B := {x x A x B} A B Beispiel 119 Es seien A = {2,3,4}, B = {1,3}, C = {1,5} Dann gelten A B = {1,2,3,4}, B C = {1,3,5}, A C = {1,2,3,4,5} Definition 120 Der Durchschnitt A B von A und B ist die Menge, die aus allen Elementen besteht, die sowohl zu A als auch zu B gehören: A B := {x x A x B} A B Beispiel 121 Es seien A = {1,2,3,4}, B = {3,4,5}, C = {5} Dann gelten A B = {3,4}, B C = {5}, A C = Definition 122 Die Differenz A\B von A und B ist die Menge, die aus allen Elementen von A besteht, die nicht Element von B sind: A \ B := {x x A x B} A B Beispiel 123 Es seien A = {1,2,3,4}, B = {3,4,5}, C = {5} Dann gelten A \ B = {1,2}, A \ C = A, C \ B = Definition 124 Die symmetrische Differenz A B ist die Menge, aller der Elemente, die entweder zu A oder zu B gehören, A B := {x (x A x B) (x B x A)} = (A \ B) (B \ A) = (A B) \ (A B) A B Beispiel 125 Es seien A = {1,2,3}, B = {3,4,5}, C = {4,5,6} Dann gelten A B = {1,2,4,5}, A C = {1,2,3,4,5,6}, B C = {3,6} Definition 126 Zwei Mengen heißen disjunkt oder durchschnittsfremd, wenn ihr Durchschnitt die leere Menge ist 11

12 1 Mengen und Funktionen 121 Komplement Definition 127 Seien M und A Mengen mit A M Dann heißt C M A := M \ A Komplement von A bezüglich M Es gilt: C M (C M A) = A, C M = M, C M M = Beispiel 128 Es seien M = {1,2,3,4,5}, N = {0,1,2,3,} und B = {0,1,2} Dann gelten C M B = {3,4,5}, C N B = {n N n 3} Bemerkung 129 Wenn M durch den Kontext fest gewählt ist, schreibt man auch anstelle von C M A CA oder A c 122 Regeln für das Rechnen mit Mengen Für Mengen A, B, C, M gelten ua folgende Eigenschaften: A B A A B, A = A, A =, A A = A A = A Kommutativgesetze: A B = B A, A B = B A Assoziativgesetze: Distributivgesetze: A (B C) = (A B) C, A (B C) = (A B) C A (B C) = (A B) (A C), A (B C) = (A B) (A C) A \ (B C) = (A \ B) (A \ C), A \ (B C) = (A \ B) (A \ C) Für A M, B M gelten die De Morgansche Regeln: C M (A B) = C M A C M B, C M (A B) = C M A C M B Der Beweis dieser Eigenschaften erfolgt durch direktes Überprüfen der Teilmengenbeziehungen durch Umformung der Prädikate unter Verwendung der logischen Umformungsregeln, 12

13 12 Mengenalgebra z B: A B = {x: (x A x B)} = {x: (x B x A)} = B A 123 Mengenfamilien Die Vereinigung (bzw der Durchschnitt) von je zwei (und damit endlich vielen) Mengen lässt sich verallgemeinern: Definition 130 Es sei I eine Indexmenge und (A i ) i I eine Familie von Teilmengen von M Dann definieren wir A i := {x M i I : x A i }, A i := {x M i I : x A i } i I Die Menge i I A i heißt der Durchschnitt und die Menge i I A i die Vereinigung der Mengen A i i I Für A i M für i I und dem Komplementen bezüglich M gelten: ( ) c A i = A c i, i I i I ( i I A i ) c = i I A c i Beispiel 131 Es seien N = {0,1,2,}, A n := {k N: k n} = {n, n + 1,} für n N Dann gelten A 0 A 1 A 2 A n und daher n A 0 A 1 A 2 A n = A i =: A i = A n i={0,1,n} i=0 Weiter gelten A n =, n N A n = N n N 13

14 1 Mengen und Funktionen 13 Kartesisches Produkt und Relationen Definition 132 Es seien X und Y Mengen Dann heißt (x,y) mit x X und y Y ein geordnetes Paar aus X und Y (in dieser Reihenfolge) Die Menge aller geordneten Paare X Y := {(x,y) x X y Y } von X und Y heißt kartesisches Produkt von X und Y Beispiel 133 Es seien X = {a,b}, Y = {1,2,3} Dann gilt X Y = {(a,1),(a,2),(a,3),(b, 1),(b, 2),(b, 3)} Man beachte, dass X, Y und X Y hier 2, 3 bzw 2 3 = 6 Elemente besitzen Definition 134 Ähnlich definiert man das kartesische Produkt von endlich vielen Mengen X 1, X 2,, X n durch X 1 X 2 X n = n X i := {(x 1,x 2,,x n ) x i X i für 1 i n} i=1 Stimmen die Mengen X i überein, d h gilt X i = X für i = 1,,n, so schreibt man X n := n X i Beispiel 135 Es seien X = X 1 = X 2 = X 3 = {a,b} Dann gilt i=1 X 3 = {a,b} 3 = {(a,a,a),(a,a,b),(a,b, a),(a,b, b),(b, a, a),(b, a, b),(b, b,a),(b, b,b)} Definition 136 Es seien X, Y Mengen Eine Teilmenge r von X Y heißt Relation zwischen X und Y Bemerkung 137 Relation heißt Beziehung Eine Relation zwischen X und Y gibt also eine Beziehung zwischen Elementen von X und Elementen von Y an Bemerkung 138 Häufig betrachtete Relationen sind Ordnungsrelationen, Äquivalenzrelationen und Abbildungen (Funktionen) 14

15 14 Abbildungen und Funktionen Bemerkung 139 Es gibt viele Möglichkeiten, Relationen zu notieren, zum Beispiel: Nennen aller Paare in der Relation in Mengenschreibweise, Nennen aller Paare in der Relation in tabellarischer Schreibweise, Kennzeichnen aller Paare in der Relation durch Punkte in einem Koordinatensystem 14 Abbildungen und Funktionen 141 Abbildungsbegriff Wir beginnen mit Begriffen zu Relationen, welche insbesondere für Abbildungen und Funktionen wichtig sind Definition 140 Eine Relation r X Y heißt rechtseindeutig, wenn zu jedem x X höchstens ein y Y mit (x,y) r gehört, x X y 1,y 2 Y : (x,y 1 ) r (x,y 2 ) r = y 1 = y 2 Sie heißt linkseindeutig, wenn zu jedem y Y höchstens ein x X mit (x,y) r gehört, x 1,x 2 X y Y : (x 1,y) r (x 2,y) r = x 1 = x 2 Sie heißt linkstotal, wenn für jedes x X ein y Y existiert mit (x,y) r, x X y Y : (x,y) r Sie heißt rechtstotal, wenn für jedes y Y ein x X existiert mit (x,y) r, y Y x X : (x,y) r Beispiel 141 Es seien X = {1,2,3} und Y = {1,2,3} Die Relation mit den Darstellungen r 1 = {(1,1),(1,2),(1,3),(2,2),(2,3),(3,3)} (1, 3) (1, 2) (1, 1) 1 (2, 3) (2, 2) 2 (3, 3) 3 x y

16 1 Mengen und Funktionen ist weder rechts- noch linkseindeutig Sie ist rechtstotal und linkstotal Sie stellt die - Relation auf {1,2,3} dar Beispiel 142 Es seien X = {1,2,3} und Y = {1,2} Die Relation mit den Darstellungen r 2 = {(1,1),(1,2),(2,2)} 2 1 (1, 2) (1, 1) (2, 2) x y ist rechtstotal aber nicht linkstotal Sie ist weder links- noch rechtseindeutig 1 Beispiel 143 Es seien X = {1,2,3} und Y = {1,2} Die Relationen r 3 = {(1,1),(2,2),(3,2)}, r 4 = {(1,1),(2,2)} mit den Darstellungen 2 1 (1, 1) (2, 2) (3, 2) x y (1, 1) (2, 2) x 1 2 y sind beide rechtstotal und rechtseindeutig Die Relation r 3 ist linkstotal, aber nicht linkseindeutig Die Relation r 4 ist hingegen linkseindeutig, aber nicht linkstotal 1 Bemerkung 144 Wenn eine Relation r X Y rechtseindeutig ist und (x,y) r gilt, so stehen x und y nicht nur bezüglich dieser Relation r in Beziehung, sondern zu diesem x gehört nur dieser eine Wert y Dies kann daher interpretiert werden als: Durch die Relation r wird dem Wert x der Wert y zugeordnet Definition 145 Es seien X, Y Mengen Eine rechtseindeutige Relation f X Y heißt Abbildung oder Funktion aus X in Y 16

17 14 Abbildungen und Funktionen Bemerkung 146 Wir haben hier den Begriff Funktion oder Abbildung ohne Rückgriff auf Zuordnung definiert: Zuordnung ist auch nur ein Synonym für Abbildung Bemerkung 147 Mathematisch gesehen sind Abbildung und Funktion Synonyme Andererseits wird Abbildung auch im allgemeinerem Sinne (z B geometrische Abbildungen ) und Funktion im spezielleren Sinne für Abbildungen aus einem Zahlenbereich in einem Zahlenbereich verwendet Beispiel 148 Von den Relationen r 1, r 2, r 3, r 4 aus den Beispielen 141, 142 und 143 sind nur r 3 und r 4 Abbildungen, da nur diese rechtseindeutig sind Bemerkung Bei Abbildungen schreibt man anstelle von (x,y) f kürzer y = f(x) mit der Interpretation, dass durch f dem Argument x X dieses y Y als Funktionswert zugeordnet wird oder x auf y abgebildet wird 2 Unterscheide zwischen der Funktion f und einem Funktionswert f(x) Definition 150 Es sei f eine Abbildung aus X in Y Dann heißen D(f) = {x X y Y : y = f(x)}, W(f) = {y Y x X : y = f(x)} Definitionsbereich bzw Wertebereich von f Die Menge heißt Graph von f graph(f) = {(x,f(x)) x D(f)} = f Bemerkung Zur vollständigen Beschreibung einer Abbildung f aus X in Y müssen X, Y und die Relation f angegeben werden Damit sind D(f) und W(f) schon festgelegt Der Graph graph(f) stimmt als Menge mit der Relation f überein, enthält aber nicht mehr die volle Information über X und Y 2 Man schreibt f : X D(f) Y für eine Abbildung aus X in Y mit dem Definitionsbereich D(f) Definition 152 Zwei Funktionen f aus X in Y und g aus V in W heißen genau dann gleich, wenn X = V, Y = W und f = g gelten Beispiel 153 Für die Funktionen r 3, r 4 aus Beispiel 143 gelten D(r 3 ) = {1,2,3} = X, W(r 3 ) = Y, D(r 4 ) = {1,2} X, W(r 4 ) = Y 17

18 1 Mengen und Funktionen Offenbar sind r 3 und r 4 verschieden Beispiel 154 Die Funktionen f aus X = R in Y = R und g aus U = R 0 in V = R 0 mit sind verschieden f = {(x,y) x R y = x 2 }, g = {(x,y) x R 0 y = x 2 } Die Funktion f ist linkstotal aber weder rechtstotal noch linkseindeutig Die Funktion g ist linkstotal und rechtstotal sowie linkseindeutig und, da sie eine Funktion ist, rechtseindeutig Definition 155 Wenn f eine linkstotale Abbildung aus X in Y ist, so gilt D(f) = X und man nennt f eine Abbildung von X in Y und schreibt f : X Y Wenn f eine rechtstotale Abbildung aus X in Y ist, so gilt W(f) = Y und man nennt f eine Abbildung aus X auf Y oder eine surjektive Abbildung oder Funktion Bemerkung 156 Häufig werden Funktionen nur als linkstotale, rechtseindeutige Relation definiert Die Funktion f : R D(f) R mit f(x) = lnx für x D(f) = R >0 ist im üblichen Sprachgebrauch aber eine Funktion einer reellen Variablen, d h eine Funktion aus R in R, obwohl ihr Definitionsbereich nur die Menge der positiven reellen Zahlen ist Würde man nur linkstotale Funktionen betrachten, müsste man sie eine Funktion einer positiven reellen Variablen nennen Definition 157 Wenn f eine linkseindeutige Funktion aus X in Y ist, so man nennt f eineindeutig oder injektiv Bemerkung 158 Eine linkseindeutige Funktion ist nach Definition von Funktion stets auch rechtseindeutig Dieses zweifache ein in rechts-ein-deutig und links-ein-deutig führt zu ein-ein-deutig 142 Verkettung von Funktionen Definition 159 Es sei f eine Funktion aus X in Y Seien U und V Mengen Dann heißen f(u) = {f(x) x U D(f)}, f 1 (V ) = {x x D(f) f(x) V } Bild von U bzw Urbild von V unter f 18

19 14 Abbildungen und Funktionen Beispiel 160 Es seien X = {1,2,3,4,5,6}, Y = {1,2,3,4,5} und f = {(1,2),(2,4),(3,2),(4,5)} Dann gelten D(f) = {1,2,3,4}, W(f) = {2,4,5}, f({1,2,7}) = {2,4}, f 1 ({2,4,6}) = {1,2,3} Definition 161 Es seien f : X D(f) Y und g: U D(g) V zwei Funktionen Die durch (g f)(x) = g(f(x)) für x D(g f) := f 1 (D(g)) definierte Funktion g f heißt Verkettung, Komposition oder Hintereinanderausführen von g und f Bemerkung Der Definitionsbereich D(g f) besteht somit aus den Elementen von D(f), die durch f in den Definitionsbereich D(g) von g abgebildet werden Wenn W(f) und D(g) disjunkt sind, dann ist der Definitionsbereich D(g f) von g f leer 2 In der Regel sind g f und f g nicht gleich 3 Die Verkettung ist assoziativ: Es gilt h (g f) = (h g) f 4 Die Verkettung von Funktionen darf nicht mit der Multiplikation von Funktionen verwechselt werden Bemerkung 163 g f wird als g verkettet mit f oder g Kringel f gelesen Beispiel 164 Es seien f : R D(f) R, g: R D(g) R mit f(x) = x für x D(f) = R 0 und g(x) = sin x für x D(g) = R Dann gelten (g f)(x) = sin( x) für x D(g f) = f 1 (D(g)) = f 1 (R) = D(f) = R 0, (f g)(x) = sin x für x D(f g) = g 1 (D(f)) = g 1 (R 0 ) = k Z[2kπ,(2k + 1)π] Bemerkung 165 Wenn f : X D(f) Y links- und rechtstotal ist, D(f) = X und W(f) = Y, und wenn g: Y D(g) Z linkstotal ist, D(g) = Y, dann gilt D(g f) = X 19

20 1 Mengen und Funktionen Beispiel 166 f : R R sei gegeben durch f(x) = 2x 1, g : R R sei gegeben durch g(x) = x + 1 Dann gelten (g f)(x) = g(f(x)) = g(2x 1) = (2x 1) + 1 = 2x für x D(g f) = R, (f g)(x) = f(g(x)) = f(x + 1) = 2(x + 1) 1 = 2x + 1 für x D(f g) = R 143 Umkehrabbildung Durch Abbildungen f : X D(f) Y können verschiedenste Vorgänge modelliert werden Eine Interpretation ist, dass aus den Eingangsgrößen aus X durch die Abbildung f Ausgangsgrößen aus Y erzeugt werden Es entsteht dann die Frage, ob man zu einem gewünschtem Ausgang y 0 einen entsprechenden Eingang x 0 mit y 0 = f(x 0 ) bestimmen kann Ein Idee dazu ist, die Wirkung von f umzukehren: Angenommen, es gäbe eine Umkehrabbildung f 1 zu f mit f 1 (f(x 0 )) = x 0, dann ergäbe sich x 0 = f 1 (y 0 ) Wir benötigen dazu, dass f 1 eine Abbildung ist, die mindestens auf W(f) oder besser auf Y definiert ist Definition 167 Die Abbildung id X : X X mit id X (x) = x für x X heißt die Identität (oder auch: identische Abbildung) auf X Sei nun f : X D(f) Y Wir fragen uns, unter welchen Bedingungen an f eine Abbildung g von Y nach X existiert mit g f = id X Eine solche Abbildung macht die Wirkung von f auf X rückgängig Definition 168 Eine Abbildung f 1 : Y D(f 1 ) X mit heißt Umkehrabbildung zu f f 1 f = id X und f f 1 = id Y Betrachten wir f X Y als Relation, so ist die Umkehrelation f 1 Y X trivial definiert durch f 1 := {(y, x) (x,y) f}, also durch einfaches Umkehren der Paare in f Insbesondere kann es nur eine Umkehrabbildung geben Wegen X = D(id X ) = D(f 1 f) D(f) X muss D(f) = X gelten, f muss also linkstotal sein Zu klären ist nur noch, wann die Relation f 1 eine Abbildung, also rechtseindeutig ist: Da f 1 durch Vertauschen der Reihenfolge in den Paaren aus f entsteht, ist f 1 genau dann rechtstotal, linkstotal, rechtseindeutig bzw linkseindeutig, wenn f linkstotal, rechtstotal, linkseindeutig bzw rechtseindeutig ist 20

21 14 Abbildungen und Funktionen Die Abbildung f muss also linkseindeutig, also injektiv sein Als Abbildung ist f auch rechtseindeutig Wegen Y = D(id Y ) = D(f f 1 ) D(f) Y muss f auch rechtstotal, also surjektiv sein Wir definieren daher: Definition 169 Eine Abbildung f aus X in Y heißt bijektiv oder Bijektion, wenn sie linkstotal, surjektiv und injektiv ist, d h, wenn sie links- und rechtstotal, links- und rechtseindeutig ist Bemerkung 170 Die identische Abbildung id X : X X ist eine Bijektion und für jede Abbildung f : X D(f) Y gilt f id X = f = id Y f Satz 171 Wenn f : X Y bijektiv ist, so existiert die Umkehrabbildung f 1 : Y X zu f Ist f : X Y nämlich bijektiv, so ist f links- und rechtstotal, links- und rechtseindeutig und die Relation f 1 ist entsprechend rechts- und linktstotal, rechts- und linkseindeutig, also eine Bijektion von Y auf X Beispiel 172 Es seien X = Y = {1,2,3,4} und f = {(1,1),(2,3),(3,4),(4,2)} Dann ist f eine Bijektion von X auf Y und es gilt f 1 = {(1,1),(3,2),(4,3),(2,4)} = {(1,1),(2,4),(3,2),(4,3)} Beispiel 173 Es sei f : R R die durch f(x) = 2x+1 für x R definierte Funktion Dann ist f linkstotal und rechtseindeutig Für jedes y R gibt es genau ein x R mit f(x) = y: Aus y = 2x + 1 folgt 2x = y 1 und weiter x = 1 2 (y 1) Folglich ist f auch linkseindeutig (injektiv) und rechtstotal (surjektiv) und somit bijektiv Die Umkehrabbildung f 1 : R R ist gegeben durch f 1 (x) = 1 (x 1) für x R 2 21

22 Mengen und Funktionen Beispiel 174 Wieviel von einem Gut kaufen die Konsumenten, wenn ein bestimmter (Markt-) Preis gegeben ist? Die Nachfragemenge x eines Gutes ist abhängig vom Preis p Wir betrachten eine lineare Nachfragefunktion D: [0,4] [0,2] (D wie demand = Nachfrage ) mit D(p) = 2 05 p für p R In Abhängigkeit vom Preis p erhalten wir durch D die Nachfrage x des Gutes Wie hoch ist nun der Preis p, wenn eine bestimmte Nachfrage x vorliegt? Sei x [0,2] beliebig Aus x = 2 05 p folgt 2 (2 x) = p [0,4] Die Abbildung D ist folglich bijektiv mit der Umkehrabbildung D 1 : [0,2] [0,4], D 1 (x) = 4 2x 22

23 Abbildungen und Funktionen

24 1 Mengen und Funktionen Bemerkung 175 Viele Probleme lassen sich auf die Form f(x) = y bringen, wobei die Abbildung f : X D(f) Y und y Y vorgebenen sind und x X gesucht ist Wenn f umkehrbar ist, ergibt sich x = f 1 (y) Im Allgemeinen ist es keineswegs trivial, von einer Abbildung zu zeigen, dass sie bijektiv und daher umkehrbar ist Noch problematischer ist, die Umkehrabbildung tatsächlich formelmäßig zu bestimmen Vielfach versucht man daher mit Mitteln der Analysis die Existenz der Umkehrabbildung und Eigenschaften der Umkehrabbildung herzuleiten Einige Hilfsmittel dazu werden wir in der Vorlesung kennenlernen Das Berechnen geschieht dann meist nur numerisch In anderen Fällen geht es darum, von einer Abbildung f : X D(f) R Maximal- bzw Minimalstellen zu finden und dies eventuell zusätzlich noch unter Nebenbedingungen Im ersten Teil der Vorlesung beschäftigen wir uns vorrangig mit linearen Problemen, bei denen f im gewissen Sinne linear ist Hierfür können Hilfsmittel der linearen Algebra genutzt werden Im zweiten Teil der Vorlesung beschäftigen wir uns auch mit nichtlinearen Problemen Dafür benötigen wir Hilfsmittel der Analysis, konkret der Differentialrechnung 24

25 2 Zahlen 21 Natürliche Zahlen 211 Menge der natürlichen Zahlen Der Ausgangspunkt für den Aufbau der Zahlenbereiche ist die Menge N = {0,1,2,3,} der natürlichen Zahlen 0, 1, 2, 3, 4, 212 Induktionsprinzip Unmittelbar verbunden mit den natürlichen Zahlen ist das Prinzip der vollständigen Induktion Satz 21 (Prinzip der vollständigen Induktion) Für jedes n N n0 = {n 0,n 0 +1,} seien A(n) von n N n0 abhängende mathematische Aussage Wenn A(n 0 ) wahr ist und für jedes n n 0 aus A(n) auch A(n + 1) folgt, dann gilt A(n) für alle n N n0 Beispiel 22 Die Ungleichung n 2 n + 5 gilt für alle natürlichen Zahlen n 3 (Beweis durch vollständige Induktion) 1 Induktionsanfang: Die Ungleichung gilt für n = n 0 = 3, da 3 2 = 9 8 = Induktionsschritt: Die Ungleichung gelte für ein beliebiges n 3, d h, es sei n 2 n + 5 (21) Zu zeigen ist, dass sie dann auch für n + 1 gilt Nun, es gilt unter Verwendung von (21) (n + 1) 2 = n 2 + 2n + 1 n n + 1 (n + 1)

26 2 Zahlen 213 Prinzip der rekursiven Definition Ein Begriff B(n), der für alle natürlichen Zahlen n n 0 definiert werden soll, kann folgendermaßen festgelegt werden: 1 Definiere B(n) für n = n 0 2 Definiere B(n) für n N n0 unter Zuhilfenahme der (hypothetisch) bereits erfolgten Definition von B(n 0 ),, B(n 1) Definition 23 Für n N und x N definieren wir die Potenzen mit natürlichem Exponenten rekursiv durch x 0 := 1, x n := x x n 1 (n N 1 ) Bemerkung 24 Insbesondere wurde 0 0 := 1 definiert, was später z B beim binomischen Lehrsatz, Polynomen und Potenzreihen benutzt wird 22 Kombinatorik 221 Permutationen 2211 Anordnung ohne Wiederholung Aufgabe ist, n verschiedene Objekte auf n Plätze anzuordnen Anordnen heißt insbesondere, die Reihenfolge zu beachten Für den ersten Platz gibt es n Objekte zur Auswahl, für den zweiten Platz sind es noch n 1 Objekte,, für den vorletzten Platz noch zwei Objekte, auf den letzten Platz kommt das verbleibende Objekt Es sind somit Möglichkeiten n (n 1) 2 1 Für n N definieren wir n! (sprich: n-fakultät) rekursiv durch Damit gilt zum Beispiel 0! := 1, n! := n (n 1)! = n (n 1) 2 1 für n N 1 0! = 1, 1! = 1 0! = 1, 2! = 2 1! = 2, 3! = 3 2! = 6, 4! = 4 3! = 24, Definition 25 Sei M eine endliche Menge Eine Anordnung aller Elemente von M unter Beachtung der Reihenfolge und ohne Wiederholung von Elementen heißt Permutation 26

27 22 Kombinatorik Satz 26 Sei n N \ {0} Dann besitzt eine n-elementige Menge genau n! Permutationen Beispiel 27 Es werde die Menge {1,2,3} betrachtet Deren Elemente kann man in folgenden Weisen anordnen: 1 2 3, 1 3 2, 2 1 3, 2 3 1, 3 1 2, Dies sind 6 = 3! Anordnungen Beispiel 28 Ein Firmenvertreter hat sich beim Besuch von 6 Kunden A,B, C, D, E,F zu überlegen, welche der 6! = = 720 möglichen Reihenfolgen er wählt Beispiel 29 Um 20 Studenten in einer Reihe antreten zu lassen, gibt es 20! = Möglichkeiten (Würde man pro Anordnung nur 1 Sekunden benötigen, bräuchte man wegen etwa 70 Milliarden Jahre Das Weltall ist erst etwa 14 Milliarden Jahre alt 2212 Anordnung mit Wiederholung Aufgabe ist, insgesamt n Objekte aus k Klassen zu l 1, l 2,, l k Mitgliedern, l 1 + l l k = n anzuordnen, wobei die Reihenfolge unter den Mitgliedern einer Klasse nicht beachtet werden soll Unter Beachtung aller Reihenfolgen wären es n! Möglichkeiten Nun soll die Reihenfolge der l 1 Mitgliedern der ersten Klasse nicht beachtet werden Dies sind l 1! Möglichkeiten Es verbleiben noch n!/l 1! Möglichkeiten Führt man die Betrachtungen bis zu k-ten Klasse weiter, so erhält man die Zahl der gesuchten Möglichkeiten als n! l 1! l 2! l k! Eine andere Interpretation der Aufgabe ist, k Objekte unter Beachtung der Reihenfolge anzuordnen, wobei das erste Objekt l 1 -mal, das zweite l 2 -mal,, das k-te l k -mal auftreten soll (und mehrmals wiederholte Objekte wegen ihrer Gleichheit auch in der Reihenfolge nicht unterscheiden werden können) Beispiel 210 Es soll die Anzahl aller Zeichenketten aus den Buchstaben a, b und c bestimmt werden, bei denen a viermal, b dreimal und c zweimal vorkommen Hier haben wir l 1 = 4, l 2 = 3, l 3 = 2 und n = = 9 Somit ist die gesuchte Anzahl 9! 4!3!2! = ( ) (3 2 1) (2 1) = = = =

28 2 Zahlen 222 Variationen 2221 Auswahl mit Beachtung der Reihenfolge und ohne Wiederholung Es sind k n Objekte aus n Objekten mit Beachtung der Reihenfolge ohne Wiederholung auszuwählen: Für das erste Objekt haben wir n Möglichkeiten, für das zweite n 1,, für das k-te Objekt noch n k + 1 Dies gesuchte Anzahl ist somit V n k = n (n 1) (n k+1) = n (n 1) (n k + 1)(n k) 2 1 (n k) 2 1 = n! (n k)! Diese Auswahl heißt auch ohne Zurücklegen anstatt ohne Wiederholung Definition 211 Eine Auswahl von k verschiedenen Elementen mit Berücksichtigung der Reihenfolge aus einer endlichen Menge heißt Variation k-ter Ordnung Satz 212 Ist M eine n-elementige Menge, so gibt es Variationen k-ter Ordnung von M V n k = n! (n k)! Beispiel 213 Es seien vier Zahlen aus {1,2,,6} vier Zahlen auszuwählen und in einer Reihe anzuordnen Die Anzahl der möglichen Auswahlen ist V 6 4 = 6! (6 4)! = = = Beispiel 214 Ein zehnköpfiges Leistungsgremium habe einen 1 und 2 Sprecher zu wählen Die Anzahl der möglichen Auswahlen ist V 10 2 = 10! (10 2)! = = 10 9 = Beispiel 215 Ein Firmenvertreter, der 3 seiner 6 Kunden an einem Tag besuchen kann, überlegt sich, in vielen verschieden Reihenfolgen er sie besuchen könnte Die Anzahl der möglichen Auswahlen ist V 6 3 = 6! (6 3)! = = = Beispiel 216 Aus den n = 3 Buchstaben a, b, c können V2 3 = 3!/(3 2)! = 3! = 6 zweibuchstabige Zeichenketten ohne Wiederholung und unter Beachtung der Reihenfolge erzeugt werden, nämlich ab, ac, ba, bc, ca, cb 28

29 22 Kombinatorik 2222 Auswahl mit Beachtung der Reihenfolge und mit Wiederholung Es sind k Objekte aus n Objekten mit Beachtung der Reihenfolge und mit zugelassener Wiederholung auszuwählen: Für jedes der k Objekte haben wir jeweils n Möglichkeiten Dies gesuchte Anzahl ist somit W V n k = nk Diese Auswahl heißt auch mit Zurücklegen anstatt mit Wiederholung Beispiel 217 Aus den n = 2 Ziffern 0 und 1 können so 2 3 = 8 dreiziffrige Zeichenketten mit Wiederholung und unter Beachtung der Reihenfolge erzeugt werden: 000, 001, 010, 011, 100, 101, 110, Kombinationen 2231 Auswahl ohne Beachtung der Reihenfolge und ohne Wiederholung Es sind k n Objekte aus n Objekten ohne Beachtung der Reihenfolge und ohne Wiederholung auszuwählen: Wir haben Vk n Möglichkeiten für die Auswahl von k Objekten aus n unter Beachtung der Reihenfolge Diese k ausgewählten Objekte lassen sich auf jeweils k! Arten anordnen Die gesuchte Anzahl ist damit C n k = V n k /k! = n! k!(n k)! Diese Auswahl heißt auch ohne Zurücklegen anstatt ohne Wiederholung Definition 218 Für k, n N, n k setzen wir ( ) n n! := k k!(n k)! und lesen n über k oder k aus n Definition 219 Sei M eine Menge Die Auswahl von k Elementen von M ohne Beachtung der Reihenfolge und ohne Wiederholung von Elementen heißt Kombination zur k-ten Klasse Satz 220 Seien n, k N, 0 < k n Dann gibt es ( ) n Ck n = k Kombinationen einer n-elementigen Menge zur k-ten Klasse 29

30 2 Zahlen Beispiel 221 Bei 6 aus 49 sind sechs Zahlen aus 49 ohne Wiederholung (d h ohne Zurücklegen) zu ziehen Die Anzahl ist C 49 6 = 49! = = !(49 6)! Hier sehen wir auch einen Trick: Nicht 49! ausrechnen, sondern mit (49 6)! kürzen! Beispiel 222 Aus {1,2,3,4,5,6} sind 4 Zahlen ohne Wiederholung und ohne Beachtung der Reihenfolge auszuwählen Die Anzahl der möglichen Auswahlen ist ( ) 6 C4 6 = 4 und zwar gibt es folgende Auswahlen: = = 15, {1,2,3,4}, {1,2,3,5}, {1,2,3,6}, {1,2,4,5}, {1,2,4,6}, {1,2,5,6}, {1,3,4,5}, {1,3,4,6}, {1,3,5,6}, {1,4,5,6}, {2,3,4,5}, {2,3,4,6}, {2,3,5,6}, {2,4,5,6}, {3,4,5,6} Beispiel 223 Ein zehnköpfiges Leistungsgremium habe zwei gleichberechtigte Sprecher zu wählen Es gibt hierfür Möglichkeiten für diese Wahl C 10 2 = ( ) 10 = = 45 Rechenregeln für 1 k n: ( ) ( ) ( ) ( ) n n n n = = 1, = 0 n 1 n 1 = n, ( ) ( ) n n =, k n k ( ) n + 1 = k ( ) n + k 1 ( ) n k Diese Formeln sind Grundlage für das Pascalsche Dreieck: ( 0 0) 1 ( 1 k) 1 1 ( 2 k) ( 3 k) ( 4 k) ( 5 k) Folgerung 224 Seien n, k N, 0 < k n Dann gibt es ( n k) verschiedene, k-elementige Teilmengen einer n-elementigen Menge 30

31 23 Rationale und Reelle Zahlen 2232 Auswahl ohne Beachtung der Reihenfolge und mit Wiederholung Es sind k n Objekte aus n Objekten ohne Beachtung der Reihenfolge aber mit zugelassener Wiederholung auszuwählen Diese Anzahl ist komplizierter herzuleiten und sei nur der Vollständigkeit halber angegeben: ( ) n + k 1 W Ck n = k 224 Zusammenfassung Permutation Variation Kombination k aus n auswählen anordnen mit Reihenfolge ohne Reihenfolge ohne Wiederh n! = n (n 1) 1 Vk n = n! (n k)! = ( n k mit Wiederh n! l 1! l 2! l k! W V n k = nk ) k! C n k = n! k!(n k)! = ( ) n k W Ck n = ( ) n+k 1 k Rationale und Reelle Zahlen 231 Weitere Zahlenbereiche Der Aufbau weiterer Zahlenbereiche lässt sich in folgendem Schema darstellen: N = {0,1,2,} a,b N Menge der natürlichen Zahlen a + b N (Addition) a b N (Multiplikation) Z = {, 2, 1,0,1,2,} a,b Z Menge der ganzen Zahlen a + b Z, a b Z a b Z (Subtraktion) Q = { p p Z q Z \ {0}} q a,b Q, a b Q, Menge der rationalen Zahlen a + b Q, a b Q, a : b Q für b 0 (Division) R a,b R, a b R Menge aller reellen Zahlen a + b R, a b R (Menge der Dezimalbrüche) a : b R (für b 0) 31

32 2 Zahlen 232 Gemeinsame Eigenschaften der rationalen und reellen Zahlen Im Folgenden sei K {Q, R}, K sei also die Menge der rationalen bzw der reellen Zahlen 2321 Algebraische Eigenschaften Die Addition + und die Multiplikation besitzen folgende Eigenschaften: x,y K: x + y = y + x (Kommutativgesetze) x,y K: x y = y x x,y, z K: x + (y + z) = (x + y) + z (Assoziativgesetze) x,y, z K: x (y z) = (x y) z x,y, z K: x (y + z) = x y + x z (Distributivgesetz) x K: x + 0 = x, 1 x = x (neutrale Elemente 0 bzw 1 x K: =1 x K: x + ( x) = 0 (additiv inverse Zahl) x K \ {0} =1 x 1 K: x 1 x = 1) (multiplikativ inverse Zahl) Definition 225 Eine Menge K mit Operationen + und und Elementen 0 1 und obigen Gesetzen heißt (Zahlen-) Körper Zahlenkörper sind also die Mengen, in denen wir richtig rechnen können, in dem Sinne, dass alle aus der Schule bekannten Rechenregeln gelten Wir werden später die komplexen Zahlen als einen weiteren Körper kennenlernen In einem Körper sind Subtraktion und Division über Addition bzw Multiplikation definiert: x y := x + ( y), x : y := x y 1, die Division aber nur für y 0 Weitere Gesetze wie 0 x = 0 und 1 x = x folgen aus den Körpergesetzen Bemerkung 226 Wenn man unter Beihaltung der bisherigen Eigenschaften von Addition und Multiplikation eine Division durch 0 definieren will, so folgt 0 = 1 und weiter K = {0}, was nicht sehr nützlich wäre 2322 Ordnungseigenschaften In K {Q, R} gibt es eine Ordnungsrelation und eine Relation < definiert durch x < y : x y und x y mit folgenden Eigenschaften: 32

33 23 Rationale und Reelle Zahlen x K: x x x,y K: (x y y x) x = y x,y, z K: (x y y z) x z x,y K: x y y x x,y K: x < y u K(x < u < y) x,y, z K: x < y x + z < y + z x,y, z K: z > 0 (x < y x z < y z) (Reflexivität) (Antisymmetrie) (Transitivität) (totale Ordnung) (Dichtheit) (Verträglichkeit mit Addition) (Verträglichkeit mit Multipl) Damit gilt die Trichotomie-Eigenschaft: Für je zwei Zahlen x, y K gilt genau eine der drei Beziehungen x < y, x = y, x > y Eine Zahl x K heißt positiv, nichtnegativ, nichtpositiv bzw negativ, wenn x > 0, x 0, x 0 bzw x < 0 Definition 227 Ein Körper K mit einer Ordnungsrelation mit obigen Eigenschaften heißt total angeordneter Körper Q und R sind also total angeordnete Körper Der Körper C der komplexen Zahlen wird sich hingegen als nicht anordenbar erweisen 233 Unterschiede der rationalen und reellen Zahlen Bezüglich der algebraischen und Ordnungseigenschaften gibt es keine Unterschiede zwischen den rationalen und den reellen Zahlen Die Erweiterung der rationalen Zahlen zu den reellen Zahlen ist jedoch notwendig, da allein schon Rechtecke mit rationalen Seitenlängen keine rationale Diagonalenlänge haben müssen Beispiel 228 Wir betrachten ein Quadrat mit der Seitenlänge 1 Dann ist nach dem Satz von Pythagoras = 2 die Diagonalenlänge dieses Quadrates Angenommen, 2 wäre rational Dann gibt es ganze Zahlen p und q mit q 0 und 2 = p q Ohne Beschränkung der Allgemeinheit können wir annehmen, dass p und q teilerfremd sind: Anderfalls teilen wir p und q durch ihren größten gemeinsamen Teiler Durch Quadrieren und Multiplikation mit q 2 folgt nun 2q 2 = p 2, (22) Wegen p 2 eine gerade Zahl ist Da das Quadrat ungerader Zahlen ungerade ist, muss p folglich eine gerade Zahl sein, d h es existiert eine ganze Zahl p 0 mit p = 2 p 0 Setzen wir dies in (22) ein und dividieren dann durch 2, so folgt q 2 = 2p 2 0, weswegen auch q gerade sein muss, im Widerspruch zur Teilerfremdheit von p und q Folglich ist die Annahme, 2 wäre rational, falsch Durch die Erweiterung der rationalen Zahlen zu den reellen Zahlen wird erst die Definition von Potenz- und Exponentialfunktion und weiterer Funktionen möglich 33

34 2 Zahlen 24 Rechnen mit Gleichungen und Ungleichungen Ein Grundproblem der Mathematik ist die Ermittelung aller Lösungen von Systemen von Gleichungen und Ungleichungen Am günstigsten ist immer eine äquivalente Umformung von Gleichungen und Ungleichungen 241 Äquivalente Umformungen Äquivalente Umformungen sind Umformungen, welche die Lösungsmenge nicht verändern Nichtäquivalente Umformungen führen zu einer Änderung der Lösungsmenge der Gleichungen oder Ungleichungen: Es können scheinbar Lösungen hinzukommen aber es können auch Lösungen verloren gehen Folgende Regeln zur äquivalenten Umformung (für a, b, x, y, p, q R beliebig) ergeben sich aus den Eigenschaften der reellen Zahlen: x = y x + a = y + a x y x + a y + a x y x + a y + b, falls a b x = y ax = ay, falls a 0 { ax ay, falls a > 0 x y ax ay, falls a < 0 0 < x y 0 < 1 y 1 x Folgende Regeln können zur Lösung von Gleichungen genutzt werden: wenn p 2 4q xy = 0 x = 0 oder y = 0 x 2 = a 2 x = a oder x = a x 2 + px + q = 0 x = p p q oder x = p 2 p 2 4 q, Beispiel 229 Man bestimme die Lösungsmenge L der folgenden Gleichung (x 2) 2 + x = 2 34

35 24 Rechnen mit Gleichungen und Ungleichungen Es gibt mehrere Lösungsweg, einer davon ist der folgende: und damit L = {1,2} (x 2) 2 + x = 2 x 2 4x x = 2 x 2 3x + 2 = 0 x = = 2 oder x = = 1, 242 Rechnen mit Beträgen Das Rechnen mit Beträgen wird vom Anwender oft als unangenehm empfunden, da der Begriff "Betrag" zweigeteilt definiert ist Man kann aber alle Schwierigkeiten ausräumen, wenn man sich stur an die Definition und die Rechenregeln hält Diese seien im folgenden benannt Definition 230 Für eine reelle Zahl a R wird der Betrag von a festgesetzt durch a := a, falls a 0 und a := a, falls a < 0 Beispiel 231 Es gilt 3 = 3, aber auch 3 = 3 = ( 3) Rechenregeln (für a,b, x R beliebig): a = a a a a a b = a b 1 a = 1 (a 0) a a + b a + b (Dreiecksungleichung) a b b a b oder b a b x a b a b x a + b a 2 = a a 2 = a 2 Beispiel 232 Es sei A = {x x 2 < 3} Wegen { x 2 < 3 für x 2 0 x 2 < 3 x + 2 < 3 für x 2 < 0 folgt A = {x 1 < x < 5} { x < 5 für x 2 x > 1 für x < 2 35

36 2 Zahlen Beispiel 233 Ein Unternehmen legt fest, dass der Preis x einer Ware höchstens 20% (von x) gegenüber dem unverbindlichen Richtpreis von 48 e variieren darf Für die Preisspanne gilt also Für x 48 ergibt sich Für x < 48 ergibt sich x x x x, 08x 48, x x 02 x, 12 x 48, x 40 Das heißt, für den Preis x ergibt sich die Spanne 40 x 60 Eine Auflösung komplizierterer Betragsungleichungen geschieht in der Regel durch Fallunterscheidung oder durch Veranschaulichung auf der Zahlengeraden Beispiel 234 Man bestimme die Lösungsmenge L von x x 1 2 Fallunterscheidung: 1 Fall: x < 1 Dann gilt x x 1 2 (x + 1) (x 1) 2 x 1, und daher L 1 = ], 1[ [ 1, [ = 2 Fall: 1 x < 1 Dann gilt x x 1 2 (x + 1) (x 1) 2 2 2, und daher L 2 = [ 1,1[ R = [ 1,1[ 3 Fall: 1 x Dann gilt x x 1 2 (x + 1) + (x 1) 2 x 1, und daher L 3 = [1, [ ],1] = {1} Zusammengefasst: L = L 1 L 2 L 3 = [ 1,1] 25 Weitere Definitionen und Aussagen 251 Summen und Produkte Für vorgegebene Zahlen a k,a k+1,,a n, R setzen wir rekursiv fest: 36

37 25 Weitere Definitionen und Aussagen n a i := 0 für n < k, i=k n a i := 1 für n < k, i=k n i=k n i=k n 1 a i := a n + a i = a k + + a n für n k, i=k n 1 a i = a n a i = a k a n für n k i=k Aus der Dreiecksungleichung folgt mit vollständiger Induktion: n a i i=0 n a i i=0 Beispiel 235 Für n N gilt n n! = i i=1 Satz 236 (Binomischer Lehrsatz) Für a,b R und n N gilt n ( ) n (a + b) n = a k b n k k Folgerungen: 2 n = (1 + 1) n = n k=0 k=0 ( ) n 1 k 1 n k = k n k=0 ( ) n, (1 + x) n = k n k=0 ( ) n x k k Folgerung 237 Sei n N >0 Dann hat die Potenzmenge 2 M einer n-elementigen Menge 2 n Elemente 252 Potenzen und Wurzeln Wir definieren hier die Potenzen mit reellen Exponenten Definition 238 Für x R werden n-ten Potzenz x n rekursiv definiert durch x 0 = 1, x k+1 = x x k Definition 239 Für x R 0 und n N 1 ist die n-te Wurzel n x definiert als die nichtnegative Lösung der Gleichung w der Gleichung w n = x 37

38 2 Zahlen Definition 240 Für x R >0 und r Q 0, r = p q mit p, q N 1, definieren wir die Potenzen mit rationalen Exponenten durch x r := x p q := ( q x ) p und x r := 1 x r Durch einen Grenzübergang kann die Definition von rationalen zu reellen Exponenten ausgedehnt werden Die Definition kann zum Teil auch auf nichtpositive Basen fortgesetzt werden Die Potenzen zu positiven Basen a, b genügen folgenden Potenzgesetzen: a r a s = a r+s, a r /a s = a r s, a r b r = (ab) r, a r /b r = (a/b) r, (a r ) s = a rs Bemerkung 241 Die Potenzgesetze gelten nicht für negative Basen Zum Beispiel gilt x 2 = x für x R und nicht x 2 = x (häufiger Fehler!), zb ( 1) 2 = Logarithmen Definition 242 Es seien a > 0, a 1, b > 0 Wir definieren den Logarithmus von b zur Basis a als die Lösung x der Gleichung a x = b Bemerkung 243 Es gilt also nach Definition a log a b = b (23) Aus den Potenzgesetzen ergeben sich folgende Logarithmengesetze für a, b > 0, 1, x,y > 0, r R: log a b log b a = 1, log a (xy) = log a x + log a y, log a (x r ) = r log a x, log b x = log b a log a x Übliche Basen sind 10, 2 (in der Informatik) und die irrationale Zahl e =

39 3 Matrizen und Determinanten 31 Matrizen 311 Matrizen und Gleichungssysteme Grundlegende Begriffe der linearen Algebra und linearen Optimierung sind die Begriffe Matrix, Vektor, Determinante und lineares Gleichungssystem Beispiel 31 Ein volkswirtschaftlicher Bereich bestehe aus drei produzierenden Sektoren A 1, A 2 und A 3, die durch Lieferströme untereinander verbunden sind und (nichtproduzierende) Endverbraucher E x ij sei die Lieferung, die A j von A i erhält, i,j = 1,2,3 y i sei die Lieferung, die E von A i erhält, i = 1,2,3 Dies kann auch durch die folgende Tabelle dargestellt werden: Lieferung an A 1 an A 2 an A 3 an E von A 1 x 11 x 12 x 13 y 1 von A 2 x 21 x 22 x 23 y 2 von A 3 x 31 x 32 x 33 y 3 Für i = 1,2,3 sei nun x i die Gesamtproduktion (Output) von A i, also x 1 = x 11 + x 12 + x 13 + y 1, x 2 = x 21 + x 22 + x 23 + y 2, (31) x 3 = x 31 + x 32 + x 33 + y 3 Definition 32 Ein rechteckiges Schema reeller Zahlen mit m Zeilen und n Spalten a 11 a 12 a 1n a 21 a 22 a 2n A = a m1 a m2 a mn heißt m n-matrix oder Matrix vom Typ m n Die Menge aller reellen m n-matrizen wird mit R m n bezeichnet 39

40 3 Matrizen und Determinanten Definition 33 Eine m 1-Matrix heißt auch m-dimensionaler (Spalten-)Vektor Eine 1 n-matrix heißt auch n-dimensionaler Zeilenvektor Die n Spaltenvektoren a 11 a 21 a m1,, a 1n a 2n a mn Rm 1 bzw die m Zeilenvektoren ( a11 a 12 a 1n ),, ( am1 a m2 a mn ) R 1 n heißen Spalten bzw Zeilen von A Bemerkung 34 Wir betrachten die Menge R n der reellen n-tupel Offenbar unterscheiden sich ein n-tupel (a 1,,a n ) R n und ein n-dimensionaler Zeilenvektor ( a1 a 2 ) a n R 1 n sowie ein n-dimensionaler Spaltenvektor a 1 a 2 Rn 1 a n Es ist aber sinnvoll, die in der mehrdimensionalen Analysis verwendeten n-tupel mit den in der Algebra verwendeten n-dimensionalen Spaltenvektoren zu identifizieren: a 1 a 2 (a 1,,a n ) = a n n 2 ( ) a 1 a 2 a n, R n n 2 n 1 = R R 1 n Beispiel 35 (Fortsetzung von Beispiel 31) Das rechteckige Schema x 11 x 12 x 13 x 21 x 22 x 23 R 3 3 x 31 x 23 x 33 40

41 31 Matrizen ist eine 3 3-Matrix Die dreizeilige Spalte y 1 y = y 2 R 3 1 = R 3 y 3 ist ein 3-dimensionaler Spaltenvektor oder eine 3 1-Matrix Die dreispaltige Zeile ( x11 x 12 x 13 y 1 ) R 1 4 ist ein 4-dimensionaler Zeilenvektor oder eine 1 4-Matrix Beispiel 36 (Fortsetzung von Beispiel 31) Setzt man die Menge x ij, die A i an A j liefert ins Verhältnis zur Gesamtmenge x j, die A j produziert, so erhält man die Liefermenge von A i an A j, die zur Produktion einer Einheit von A j erforderlich ist, z ij = x ij x j für i,j = 1,2,3 Die Zahlen z ij heißen Produktionskoeffizienten oder Input-Output-Koeffizienten und können in der Praxis oftmals bestimmt oder geschätzt werden Hierbei ist z ii der prozentualen Anteil der Lieferung von A i an sich selbst, der nötig ist, um eine Einheit zu produzieren Die Produktion macht natürlich nur Sinn, wenn z ii < 1 gilt Aus (31) und den Beziehungen x ij = x j z ij erhalten wir die sogenannte Output-Bilanz x 1 = z 11 x 1 + z 12 x 2 + z 13 x 3 + y 1 x 2 = z 21 x 1 + z 22 x 2 + z 23 x 3 + y 2 x 3 = z 31 x 1 + z 32 x 2 + z 33 x 3 + y 3 (O) Durch Umstellen erhält man das lineare Gleichungssystem (1 z 11 )x 1 z 12 x 2 z 13 x 3 = y 1 z 21 x 1 +(1 z 22 )x 2 z 23 x 3 = y 2 (L) z 31 x 1 z 32 x 2 +(1 z 33 )x 3 = y 3, welches ein spezielles Leontief-Modell darstellt 41

42 3 Matrizen und Determinanten Definition 37 Es seien a ij und b j für i = 1,,m, j = 1,,n reelle Zahlen Dann heißt a 11 x 1 + a 12 x a 1n x n = b 1 a 21 x 1 + a 22 x a 2n x n = b 2 (G) a m1 x 1 +a m2 x 2 + +a mn x n = b m ein lineares Gleichungssystem mit m Gleichungen und n Unbekannten Die m n-matrix A und die Spaltenvektoren b R m und x R n mit a 11 a 12 a 1n b 1 x 1 a 21 a 22 a 2n A = (a ij ) i=1,,m;j=1,n =, b = b 2, x = x 2 a m1 a m2 a mn x n heißen Koeffizientenmatrix, rechte Seite oder Vektor der Absolutglieder bzw Vektor der Unbekannten von (G) Jeder Vektor der Unbekannten x, welcher den Gleichungen (G) genügt, heißt Lösung des linearen Gleichungssystems (G) b m Bemerkung 38 Zu untersuchen ist nun: Unter welchen Voraussetzungen an A und b ist (G) lösbar? Welche Struktur besitzt die Lösungsmenge von (G)? Mit welchem Verfahren kann über die Lösbarkeit von (G) entschieden werden und wie kann die Lösungsmenge von (G) bestimmt werden? Definition 39 Es sei a 11 a 12 a 13 A = (a ij ) i=1,,3;j=1,3 = a 21 a 22 a 23 a 31 a 32 a 33 eine 3 3-Matrix Dann heißt a 11 a 12 a 13 a 11 a 12 a 13 det A = det a 21 a 22 a 23 = a 21 a 22 a 23 a 31 a 32 a 33 a 31 a 32 a 33 := a 11 a 22 a 33 + a 12 a 23 a 31 + a 13 a 21 a 32 a 11 a 23 a 32 a 12 a 21 a 33 a 13 a 22 a 31 (dreireihige) Determinante von A 42

43 31 Matrizen Bemerkung 310 Der Wert für det A ergibt sich in einfacher Weise nach der Sarrus-Regel als Differenz der Summe der Produkte parallel zur Hauptdiagonale (ցցց) und der Summe über die Produkte parallel zur Nebendiagonalen (ւււ), wenn man die ersten beiden Spalten nochmals anfügt Beispiel 311 Wir setzen Beispiel 31 fort Durch einfache, jedoch etwas aufwändige Rechnung ergibt sich, dass die Lösung von (L) für den jeweiligen Output x 1, x 2, x 3 der Sektoren A 1, A 2, A 3 bei vorgegebenen Lieferungen y 1, y 2, y 3 an die Endverbraucher sich genau dann ergibt als y 1 z 12 z 13 1 z 11 y 1 z 13 y 2 1 z 22 z 23 z 21 y 2 z 23 y 3 z 32 1 z 33 z 31 y 3 1 z 33 x 1 =, x 1 z 11 z 12 z 13 2 =, 1 z 11 z 12 z 13 z 21 1 z 22 z 23 z 21 1 z 22 z 23 z 31 z 32 1 z 33 z 31 z 32 1 z 33 1 z 11 z 12 y 1 z 21 1 z 22 y 2 z 31 z 32 y 3 1 z 11 z 12 z 13 x 3 =, falls 1 z 11 z 12 z 13 z 21 1 z 22 z 23 z z 21 1 z 22 z z 32 1 z 33 0 z 31 z 32 1 z Spezielle Matrizen Definition 312 Jede Matrix 0 n m R m n, deren Koeffizienten alle Null sind, heißt Nullmatrix, = 0 n m = 0 0 Definition 313 Es sei A eine m n-matrix Die zu A transponierte Matrix A (sprich: A transponiert) ist diejenige n m-matrix, die durch Vertauschen der Zeilen von A mit den Spalten entsteht: a 11 a 12 a 1n a 11 a 21 a m1 a 21 a 22 a 2n A =, a 12 a 22 a m2 A = a m1 a m2 a mn a 1n a 2n a mn 43

44 3 Matrizen und Determinanten Beispiel A = 3 2, A = 0 6 ( ) Definition 315 Eine n n-matrix A heißt (n-reihige) quadratische Matrix Eine quadratische Matrix mit A = A heißt A symmetrische Matrix Beispiel 316 Die Matrix A = ist symmetrisch, da sie quadratisch ist und A = A gilt Definition 317 Die symmetrische Matrix n n-matrix E = E n = (e ij ) i,j=1,,n = mit e ij = heißt n-reihige Einheitsmatrix { 1, i = j 0, i j 44

45 31 Matrizen 313 Addition und Subtraktion von Matrizen Definition 318 Es seien a 11 a 12 a 1n b 11 b 12 b 1n a 21 a 22 a 2n A = und B = b 21 b 22 b 2n a m1 a m2 a mn b m1 b m2 b mn m n-matrizen Dann heißen die m n-matrizen a 11 + b 11 a 12 + b 12 a 1n + b 1n a 21 + b 21 a 22 + b 22 a 2n + b 2n A + B :=, a m1 + b m1 a m2 + b m2 a mn + b mn a 11 b 11 a 12 b 12 a 1n b 1n a 21 b 21 a 22 b 22 a 2n b 2n A B := a m1 b m1 a m2 b m2 a mn b mn die Summe bzw die Differenz von A und B Beispiel 319 ( ) ( ) ( ) =, ( ) ( ) ( ) = Bemerkung 320 Summe und Differenz von Matrizen sind nicht definiert, wenn die Matrizen verschiedenen Typ haben Beispiel 321 Ein Unternehmen stellt vier Produkte E 1, E 2, E 3, E 4 her und liefert sie an drei Verkäufer V 1, V 2, V 3 Die Stückzahlen der Lieferungen in zwei Quartalen eines 1 Halbjahres werden durch zwei 3 4-Matrizen A 1 und A 2 angegeben: A 1 : Lief 1 Qu E 1 E 2 E 3 E 4 V V V A 2 : Lief 2 Qu E 1 E 2 E 3 E 4 V V V Damit gibt A 1 + A 2 die Lieferungen für das Halbjahr und A 2 A 1 gibt den Zuwachs im 2 45

46 3 Matrizen und Determinanten Halbjahr gegenüber dem 1 Quartal an: Lief 1 Halbj E 1 E 2 E 3 E 4 V V V Zuwachs 2 Qu E 1 E 2 E 3 E 4 V V V Satz 322 Sind A, B, C und die Nullmatrix 0 vom gleichen Typ, so gelten folgende Rechenregeln: A + 0 = A (0 - Nullmatrix) A + B = B + A (Kommutativgesetz) (A + B) + C = A + (B + C) (Assoziativgesetz) (A + B) = A + B 314 Multiplikation mit einer reellen Zahl (Skalar) Definition 323 Es seien λ eine reelle Zahl und A = (a ij ) i=1,,m; j=1,,n eine m n- Matrix Dann heißt die Matrix λa := (λa ij ) i=1,,m; j=1,,n λ-faches von A oder Produkt der Zahl λ mit der Matrix A Beispiel 324 (Fortsetzung von Beispiel 321) Kann der Unternehmer den durch A 2 A 1 gegebenen Zuwachs im dritten Quartal verdoppeln, d h gilt A 3 A 2 = 2(A 2 A 1 ), wobei A 3 die Lieferungen im dritten Quartal beinhaltet, so gilt für A 3 A 2 und A 3 = (A 3 A 2 ) + A 2 : A 3 A 2 : Zuwachs 3 Qu E 1 E 2 E 3 E 4 V V V A 3 : Lief 3 Qu E 1 E 2 E 3 E 4 V V V Satz 325 Für die Multiplikation von reellen Zahlen λ, µ mit Matrizen A, B gleichen Typs gelten (λµ)a = λ(µa), (λ + µ)a = λa + µa, λ(a + B) = λa + λb 46

47 31 Matrizen 315 Multiplikation von Matrizen Definition 326 Es seien A eine m p-matrix und B eine p n-matrix Dann heißt a 11 a 12 a 1p b 11 b 12 b 1n a 21 a 22 a 2p A B = b 21 b 22 b 2n a m1 a m2 a mp b p1 b p2 b pn a 11 b a 1p b p1 a 11 b 1n + + a 1p b pn := a m1 b a mp b p1 a m1 b 1n + + a mp b pn das Produkt der Matrizen A und B (oder: Produktmatrix von A und B) Satz 327 Es gilt A B = C mit C = (c ik ) i=1,,m; k=1,,n und p c ik = a il b lk für i = 1,,m und k = 1,,n l=1 Bemerkung 328 Der Koeffizient c ik der Produktmatrix C = A B ist folglich das Skalarprodukt des i-ten Zeilenvektors ( a i1 a i2 a ip ) von A und des k-ten Spaltenvektors ( b1k b 2k b pk ) von B, d h es gilt b 1k b 2k b pk ( ) ai1 a i2 a ip = a i1b 1k + a i2 b 2k + + a ip b pk = c ik Beispiel 329 Es seien A = Beispiel 330 Es seien A = A B = ( ) 0 3, B = 4 2 A B = ( ) 1 1, B = 1 1 ( ) ( ) Dann gilt ( ) ( ) 0 1 Dann gilt 1 0 ( ) 1 1 = B A

48 3 Matrizen und Determinanten Beispiel 331 Materialverflechtungsmatrizen: Aus vier Rohstoffen R 1, R 2, R 3, R 4 werden über drei Zwischenprodukte Z 1, Z 2, Z 3 zwei Endprodukte E 1 und E 2 hergestellt: A : R 1 R 2 R 3 R 4 Z Z Z B : Z 1 Z 2 Z 3 E E Der Betrieb benötigt z B 6 Einheiten des Rohstoffes R 2, um eine Einheit des Zwischenproduktes Z 1 herzustellen; und z B 11 Einheiten des Zwischenproduktes Z 3 um 1 Einheit des Endproduktes E 1 herzustellen Die Koeffizienten c ik, i = 1,,4;k = 1,2, der 4 2-Produktmatrix ( ) ( ) C : = B A = =, C : R 1 R 2 R 3 R 4 E E geben die Einheiten des Rohstoffs R i, i = 1,,4, an, die zur Herstellung einer Einheit des Endproduktes E k, k = 1,2, erforderlich sind So benötigt man z B für 1 Einheit von E 1 6 Einheiten von Z 1 und 11 Einheiten von Z 3, die zu ihrer Produktion wiederum = 117 Einheiten von R 1 erforderlich machen Beispiel 332 Übergangsmatrizen in der Marktforschung: Es seien P 1, P 2, P 3 Produkte mit den Marktanteilen von 06, 03 bzw 01 zu einem Zeitpunkt T 0 Die Zahl a ik mit 0 a ik 1 sei der Anteil der Käufer von Produkt P i zum Zeitpunkt T 1, der zum Zeitpunkt T 0 das Produkt P k gewählt hatten Dann heißt die quadratische Matrix A = (a ik ) i,k=1,2,3 die Matrix der Käuferfluktuation Dabei ist z B a % die prozentuale Markentreue und (a 12 + a 32 ) 100% ist der prozentuale Markenwechsel bzgl P 2 Beschreibt beispielsweise A = jeweils die Matrix der Käuferfluktuation von T 0 zu T 1 und von Zeitpunkt T 1 zum Zeitpunkt T 2, so beschreibt A A =: A 2 die Matrix der Kundenfluktuationen vom Zeitpunkt T 0 zum Zeitpunkt T 2 : A 2 = =

49 31 Matrizen Die Marktanteile der Produkte P 1, P 2, P 3 zum Zeitpunkt T 0 haben sich im Zeitpunkt T 2 folgendermaßen geändert: P 1 : , P 2 : , P 3 : , wie die Rechnung zeigt: = Satz 333 Es seien A eine m p-matrix, B eine p q-matrix, C eine q n-matrix, D eine p q Matrix und E die p- bzw m-reihige Einheitsmatrix Dann gelten (A B) C = A (B C), A (B + D) = A B + A D, (B + D) C = B C + D C, A E = A, E A = A, (A B) = B A 316 Lineare Gleichungssysteme in Matrizen-Darstellung Wir kehren zum linearen Gleichungssystem (G) mit der Koeffizientenmatrix A R m n, der Seite b R m = R m 1 und dem Vektor der Unbekannten x R n = R n 1 zurück Unter Verwendung der Matrizenmultiplikation lautet es nun A x = b (32) Betrachten wir das Leontief-Modell (L) Mit Z = (z ij ) i,j=1,2,3, y = (y 1,y 2,y 3 ), x = (x 1,x 2,x 3 ) und der dreireihigen Einheitsmatrix E lautet es (E Z) x = y Es ist also auch von der Form (32) mit A = E Z und b = y Zu klären wäre also, unter welchen Voraussetzungen an A und b das Gleichungssystem (32) lösbar ist und wie gegebenenfalls die Lösungsmenge bestimmt werden kann Heuristik: Wenn es eine n m-matrix B derart gibt, dass B A = E n mit der n-reihige Einheitsmatrix E n gilt, so folgt also x = B b, d h, wir hätten (G) gelöst x = E n x = B A x = B b, 49

50 3 Matrizen und Determinanten 317 Die inverse Matrix Für eine Zahl a R ist a 1 definiert als diejenige Zahl b R, mit der ab = 1 gilt Ein solches b existiert genau dann, wenn a 0 ist, und dann gilt auch ba = 1 Für eine quadratische m m-matrix A soll nun durch die analoge Gleichung die inverse Matrix A 1 definiert werden A B = E (33) Definition 334 Die m m-matrix A heißt invertierbar, wenn es eine m m-matrix B gibt, so dass (33) gilt Satz 335 Ist A invertierbar, so gibt es genau eine Matrix B mit (33) Definition 336 Ist A invertierbar, so heißt die Matrix B mit (33) die Inverse von A (oder zu A inverse Matrix) und wird mit A 1 bezeichnet Bemerkung Neben (33) gilt dann auch B A = E; insgesamt gilt also A A 1 = A 1 A = E (34) 2 Aus der Analogie zu den Zahlen darf man nicht schließen, dass jede quadratische Matrix A 0 invertierbar sei Beispiel 338 Gegeben sei eine 2-reihige Matrix ( a11 a A = 12 a 21 a 22 ) Die Matrix A ist genau dann invertierbar, wenn und es gilt dann a 11 a 22 a 12 a 21 0, (35) ( A 1 1 a22 a = 12 a 11 a 22 a 12 a 21 a 21 a 11 Dies bestätigt man, indem man die Gültigkeit von (34) verifiziert ) Bemerkung 339 Später werden wir sehen, dass die Bedingung (35) auch notwendig für die Existenz von A 1 bei einer 2 2 Matrix A ist 50

51 32 Determinanten Hiermit ist z B die Matrix A = ( ) nicht invertierbar Satz 340 Für invertierbare m m-matrizen A, B gelten die folgenden Rechenregeln: (A 1 ) 1 = A, (A 1 ) = (A ) 1, (A B) 1 = B 1 A 1 Bei der letzten Formel beachte man wieder die Änderung der ReihenfolgeMittels der Inversen können wir nun gewisse Matrixgleichungen lösen Beispiel 341 Gegeben seien eine invertierbare m m-matrix A und eine m r-matrix B Gesucht ist eine m r-matrix X mit A X = B Lösung Es gilt (man beachte die jeweilige Rechenregel) A X = B A 1 (A X) = A 1 B (A 1 A)X = A 1 B E X = A 1 B X = A 1 B 32 Determinanten 321 Der Begriff der Determinante Definition 342 Die Determinante det A einer n-reihigen (also quadratischen) Matrix A wird rekursiv definiert durch: Für n = 1 gilt det A = a 11 Für n 2 gilt a 11 a 1n det A = := a n1 a nn n ( 1) i+1 a i1 det A i1 Hierbei bezeichnet A i1, i = 1,,n, die (n 1)-reihige Matrix, die aus A durch Streichen der ersten Spalte und der i-ten Zeile entsteht i=1 Bemerkung Für n = 2 erhalten wir die schon bekannte Formel det A = a 11 a 22 a 21 a 12 2 Für n = 3 finden wir ( a22 a det A = a 11 det 23 a 32 a 33 ) ( a12 a a 21 det 13 a 32 a 33 ) ( a12 a + a 31 det 13 a 22 a 23 = a 11 (a 22 a 33 a 23 a 32 ) a 21 (a 12 a 33 a 13 a 32 ) + a 31 (a 12 a 23 a 13 a 22 ), ) also ebenfalls die schon bekannte Formel 51

52 3 Matrizen und Determinanten Beispiel 344 Es gilt det = }{{} 3 det }{{} 0 det a a 21 }{{} Weiter gilt det A 11 = 2 det ( }{{} 0 det a 31 A 11 ) ( det } {{ } A 31 2 }{{} a 41 det }{{} ) ( det 2 3 A } {{ } A 41 = 2 [( 2) 2 3 0] 4 [1 2 ( 1) 0] + 3 [1 3 ( 1) ( 2)] = 13 det A 21 und det A 31 brauchen nicht berechnet zu werden, da sie mit Null multipliziert werden und somit keinen Beitrag liefern Ferner gilt det A 41 = 49 (nachrechnen!) Hiermit erhalten wir schließlich det A = 3 ( 13) 2 ( 49) = 59 Es sei nun A eine beliebige obere Dreiecksmatrix: a 11 a 22 A = ( : beliebige Elemente) 0 a nn Man erhält det A = a 11 det A 11 0 det A ( 1) n+1 0 det A n1 = a 11 det A 11 Hierbei ist z B A 11 = a 22 0 a nn wieder eine obere Dreiecksmatrix Daher ergibt sich hier: Satz 345 Für eine obere Dreiecksmatrix A ergibt sich die Determinante det A als Produkt der Hauptdiagonalelemente, det A = a 11 a 22 a nn Die Determinante einer Dreiecksmatrix lässt sich also besonders einfach berechnen ) 52

53 32 Determinanten 322 Das Rechnen mit Determinanten Definition 346 Sei A eine n n-matrix mit n 2 Mit A ik bezeichnen wir die (n 1)- reihige Matrix, die aus A durch Streichen der i-ten Zeile und der k-ten Spalte (also gerade der Zeile und Spalte, in der a ik steht) entsteht Satz 347 (Entwicklungssatz) Die Determinante det A einer n n-matrix A, n 2, kann durch Entwicklung nach einer beliebigen Spalte oder Zeile berechnet werden Dabei bedeutet Entwicklung nach der k-ten Spalte: n det A = ( 1) i+k a ik det A ik, Entwicklung nach der i-ten Zeile: det A = i=1 n ( 1) i+k a ik det A ik k=1 Bemerkung Die Vorzeichen ( 1) i+k können nach dem Schachbrettmuster ermittelt werden: Dieser Satz eignet sich zur Berechnung einer n-reihigen Determinante, falls n klein ist oder viele Elemente gleich 0 sind Beispiel 349 Die Determinante der Matrix A = berechnet man zweckmäßig durch Entwicklung nach der 3 Zeile und erhält: ( ) 1 4 det A = 0 det A 31 2 det +0 det A = 20 }{{} det A 32 53

54 3 Matrizen und Determinanten Beispiel 350 Es gilt = = = = ( 3) = 27, wobei stets nach der ersten Spalte entwickelt wurde Es gilt aber auch = = = 1 3 ( 1) = ( 3) = 27 Wir betrachten eine n n-matrix A mit den Spalten s 1,,s n, d h, A = (s 1,,s n ) = s 1 s n = s 1,1 s n,1 s 1,n s n,n Satz Vertauscht man zwei (verschiedene) Spalten s i und s k, i k, so wechselt die Determinante das Vorzeichen: det(s 1,, s i,, s k,,s n ) = det(s 1,, s k,, s i,,s n ) 2 Herausziehen eines gemeinsamen Faktors aus einer Spalte: det(s 1,, α s i,,s n ) = α det(s 1,,s i,,s n ) (α R) 3 Addition zweier n-reihiger Determinanten, die sich nur in einer Spalte unterscheiden: det(s 1,, s i,,s n ) + det(s 1,, s i,,s n) = det(s 1,, s i + s i,,s n) 4 Addition eines Vielfachen der k-ten Spalte zur i-ten Spalte, k i, ändert die Determinanten nicht: det(s 1,, s i,, s k,,s n ) = det(s 1,, s i + αs k,, s k,,s n ) (α R) 54

55 32 Determinanten Satz 352 Eine Determinante ändert ihren Wert nicht, wenn man die Matrix transponiert, det A = deta Bemerkung 353 Wegen Satz 352 gelten alle Eigenschaften aus Satz 351 daher auch für Zeilen Satz 354 Für Matrizen n n-matrizen A, B gilt det(a B) = (deta)(detb) Weiter haben wir: Satz 355 (Invertierbarkeitskriterium) Für n-reihige Matrizen A gilt A ist invertierbar det A 0 Wenn det A 0 gilt, so gilt det(a 1 ) = 1 det A Die zweite Aussage des Satzes folgt aus 1 = dete = det(a A 1 ) = (det A)(detA 1 ),wobei das dritte Gleichheitszeichen nach Satz 354 mit B := A 1 gilt Beispiel 356 Für die Matrix ( ) a11 a A = 12 a 21 a 22 gilt det A = a 11 a 22 a 12 a 21 Nach Satz 355 ist A also genau dann invertierbar, wenn gilt, vgl Beispiel 338 a 11 a 22 a 12 a Anwendungen auf lineare Gleichungssysteme im Fall m = n Wir betrachten nun das lineare Gleichungssystem (32) mit m = n, d h, Anzahl der Gleichungen (m) = Anzahl der Unbekannten (n), also ein lineares Gleichungssystem der Form a 11 x a 1n x n = b 1 a n1 x a nn x n = b n, (36) 55

56 3 Matrizen und Determinanten kurz A x = b (37) mit einer Matrix A R n n und einem Spaltenvektor b R n Satz 357 Gegeben sei eine Matrix A R n n Dann sind die folgenden Aussagen äquivalent: (a) Das homogene lineare Gleichungssystem A x = 0 hat nur die triviale Lösung x = 0 (b) Für jedes b R n hat das inhomogene lineare Gleichungssystem A x = b genau eine Lösung x (c) Die Matrix A ist invertierbar (d) Es gilt det A 0 Folgerung 358 Ist A invertierbar, so ist die Lösung x von (37) gegeben durch x = A 1 b (38) Satz 359 Für invertierbare n-reihige Matrizen A gilt ( A 1 = ( 1) i+k det A ) ik det A i,k=1,,n Beispiel 360 Die Lösung (x 1,x 2,x 3 ) R 3 des linearen Gleichungssystems x 1 + 2x 2 x 3 = b 1 x 2 + 2x 3 = b 2 x 1 + 3x 2 + x 3 = b 3 ist für einen beliebigen Vektor (b 1,b 2,b 3 ) R 3 zu bestimmen Lösung Für A =

57 32 Determinanten erhalten wir mit Satz 359 A 1 = = = Nach (38) gilt folglich x 1 x 2 x 3 = b 1 b 2 b 3 = 1 2 b b b b b b b b 3 Abschließend geben wir eine Lösungsdarstellung mittels Determinanten an Satz 361 (Cramer-Regel) Ist A = (a ik ) R n n invertierbar und gilt b R n, dann hat das lineare Gleichungssystem (36) die Lösung x = (x 1,,x n ) mit x i = 1 a 11 a 1i 1 b 1 a 1i+1 a 1n det A det a n1 a ni 1 b n a ni+1 a nn, (39) dh, zur Berechnung von x i wird die i-te Spalte von A durch b ersetzt, i = 1,,n Wegen des hohen Aufwandes bei der Determinantenberechnung hat diese Regel zur praktischen Lösung eines linearen Gleichungssystems nur für n 3 und in einigen Spezialfällen Bedeutung Beispiel 362 Das lineare Gleichungssystem soll nach der Cramer-Regel gelöst werden Lösung Zunächst gilt 2x 1 + x 2 x 3 = 6 x 1 2x 3 = 8 x 1 + 3x 2 + 4x 3 = 17 det A = det = 7 57

58 3 Matrizen und Determinanten Wegen det A 0 ist A invertierbar, also die Cramer-Regel anwendbar Nach (39) gilt x 1 = det = 2, x 2 = det = 1, x 3 = 1 7 det = 3 Das folgende Beispiel demonstriert, dass die Cramer-Regel aber auch für spezielle höherdimensionale Probleme sinnvoll eingesetzt werden kann: Beispiel 363 Betrachte das lineare Gleichungssystem A x = b mit A = Gesucht ist nur die zweite Komponente x 2 der Lösung x, b = Lösung Mit Entwicklung nach der vierten Zeile erhalten wir det A = 1det det = (6 8 27)) = Weiter folgt mit (39) und Entwicklung nach der vierten Zeile det = 2det = 2 (6 8) = und daher x 2 = Zusammenfassung Wir haben gesehen, wie man lineare Gleichungssysteme mit Hilfe von Matrizen schreiben kann Im Falle linearer Gleichungssysteme mit n Gleichungen und n Unbekannten haben wir die Determinanten einerseits als ein Hilfsmittel zur Lösbarkeitsentscheidung kennengelernt aber auch als ein Hilfsmittel zur Berechnung der Lösungen Das Berechnen von Determinanten höherer Ordnung nach den uns bekannten Methoden ist aber sehr aufwändig Für lineare Gleichungssysteme mit m Gleichungen und n Unebekannten, m n, nützen und Determinanten nichts Wir benötigen als bessere Verfahren zur Berechnung von Determinanten und Lösungsverfahren für allgemeine lineare Gleichheitssysteme 58

59 4 Das Austauschverfahren 41 Motivation Wir betrachten ein lineares Gleichungssystem a 11 x 1 + a 12 x a 1n x n = b 1 a 21 x 1 + a 22 x a 2n x n = b 2 (41) a m1 x 1 +a m2 x 2 + +a mn x n = b m aus m Gleichungen mit n Unbekannten Mit a 11 a 12 a 1n b 1 x 1 a 21 a 22 a 2n A =, b = b 2, x = x 2 a m1 a m2 a mn x n lautet es kurz b m A x = b (42) Im Fall m = n könnte man probieren, (42) durch Inversion von A zu lösen, x = A 1 b, falls m = n, det A 0 Mit a = b bringen wir (42) in die äquivalente sogenannte Normalform A x + a = 0 (43) Neben (43) betrachten wir das sogenannte allgemeine lineare Gleichungssystem y = A x + a (44) Interpretiert man x als Eingang und y aus Ausgang, so ist der Eingang x so zu bestimmen, dass der Ausgang y zum Nullvektor wird Mit (44) ist die Abbildung f : R n R m, f(x) = A x + a verbunden Im Falle von a = 0 ist dies eine sogenannte lineare Abbildung, da dann f(λx + µy) = λf(x) + µf(y) für x,y R n, λ,µ R 59

60 4 Das Austauschverfahren gilt Im Allgemeinen ist f nicht mehr linear, ist aber eine affin-lineare Abbildung Interpretiert man (44) zeilenweise, so ist mit (44) ein System von reell-wertigen affin-linearen Funktionen f i : R n R, f i (x) = a i1 x 1 + a i2 x a in x n + a i verbunden, weswegen (44) auch als System linearer Funktionen bezeichnet wird Zur Lösung des linearen Gleichungssystems (43) versucht man nun x so zu bestimmen, dass (44) mit y = 0 gilt Eine Idee dazu wäre, die affin-lineare Abbildung f insgesamt zu invertieren, d h f(x) = y nach x aufzulösen Das wird im Allgemeinen nicht gelingen Eine abgeschwächte Idee wäre, im Gleichungssystem f(x) = y eine Gleichung nach einer Komponente von x aufzulösen, also eine der Funktionen f i bezüglich x i zu invertieren, und dann die erhaltene Beziehung für x i in die anderen Gleichungen einzusetzen Man probiert dann das Verfahren weiter anzuwenden, bis man möglichst nach allen x i aufgelöst hat Beispiel 41 Wir betrachten y 1 = a 11 x 1 +a 12 x 2 + a 1 y 2 = a 21 x 1 +a 22 x 2 + a 2 (45) Wir nehmen a 11 0 an Dann können wir in der ersten Gleichung von (47) nach x 1 auflösen und erhalten x 1 = 1 y 1 a 12 x 2 a 1 a 11 a 11 a 11 Wegen a 21 ( 1 a 11 y 1 a 12 a 11 x 2 a 1 a 11 ) + a 22 x 2 + a 2 = a 21 a 11 y 1 + a 11a 22 a 21 a 12 a 11 x 2 + a 11a 2 a 21 a 1 a 11 ergibt sich durch Einsetzen in (45) x 1 = a 11y 1 +a 12x 2 + a 1 y 2 = a 21y 1 +a 22x 2 + a 2 (46) mit a 11 = 1 a 11, a 12 = a 12 a 11, a 1 = a 1 a 11, a 21 = a 21 a 11, a 22 = a 11a 22 a 21 a 12 a 11, b 2 = a 11a 2 a 21 a 1 a 11 Im Unterschied zu (45) haben wir in (46) die Variablen x 1 und y 1 ausgetauscht Gilt nun a 22 = a 11a 22 a 21 a 12 a 11 0, 60

61 42 Das Austauschverfahren als Algorithmus so können wir auch x 2 gegen y 2 austauschen Analog zu oben erhalten wir mit x 1 = a 11y 1 +a 12y 2 + a 1 x 2 = a 21y 1 +a 22y 2 + a 2 (47) a 11 = a 22 a 11 a 21 a 12 a, 22 a 12 = a 12 a, 22 a 1 = a 21 a 1 a 11 a 2 a, 22 a 21 = a 21 a, 22 a 22 = 1 a, 22 a 2 = a 2 a 22 Mit y 1 = y 2 = 0 lesen wir aus (47) die eindeutige Lösung ab x 1 = a 1, x 2 = a 2 Ziel ist nun, dass im Beispiel beschriebene Verfahren so zu verallgemeinern und zu strukturieren, dass wir damit Gleichungssysteme mit m Gleichungen und n Unbekannten behandeln können Dazu sollte eine Schreibweise gewählt werden, die auf weitgehend auf das Nötigste reduziert aber gut lesbar bleibt Mit a 10 = a 1,a 20 = a 2 könnten wir zum Beispiel (45) durch folgendes Tableau ersetzen: x 1 x 2 1 y 1 a 11 a 12 a 10 y 2 a 12 a 22 a Das Austauschverfahren als Algorithmus 421 Vorbereitung Wir schreiben das lineare Gleichungssystem (41) a 11 x 1 + a 12 x a 1n x n = b 1 a 21 x 1 + a 22 x a 2n x n = b 2 als Tableau mit a m1 x 1 +a m2 x 2 + +a mn x n = b m x 1 x 2 x n 1 y 1 a 11 a 12 a 1n a 10 y 2 a 21 a 22 a 2n a 20 y m a m1 a m2 a mn a m0 a i0 = b i für i = 1,,m 61

62 4 Das Austauschverfahren 422 Theoretische Durchführung des ersten Austauschschrittes Im Tableau (T) x 1 x τ x n 1 y 1 a 11 a 1τ a 1n a 10 y σ a σ1 a στ a σn a σ0 y m a m1 a mτ a mn a m0 wollen wir x τ gegen y σ austauschen und setzen dazu a στ 0 voraus Die Zeile σ heißt Pivotzeile, die Spalte τ heißt Pivotspalte und a στ heißt Pivotelement oder Hauptstützelement Der Zeile σ entspricht die Gleichung y σ = a σ1 x a στ x τ + + a σn x n + a σ0 Lösen wir diese Gleichung nach x τ auf und ersetzen wie im Beispiel 41 in den anderen Gleichungen des Gleichungssystems x τ durch den entsprechenden Ausdruck, so erhalten wir das neue Tableau mit den Austauschregeln (R 1 ) a στ = 1 a στ, (T ) x 1 y σ x n 1 y 1 a 11 a 1τ a 1n a 10 x τ a σ1 a στ a σn a σ0 y m a m1 a mτ a mn a m0 (R 2 ) a σk = a σk a στ für k = 0,,n mit k τ, (R 3 ) a iτ = a iτ a στ für i = 1,,m mit i σ, (R 4 ) a ik = a ika στ a iτ a σk a στ für i = 1,,m, k = 0,,n mit k τ, i σ Wir erhalten: 62

63 42 Das Austauschverfahren als Algorithmus Satz 42 Falls a στ 0 gilt, kann man das Tableau (T) in ein neues Tableau (T ) unter Anwendung der Regeln R 1, R 2, R 3, R 4 so umwandeln, dass die (T) bzw (T ) entsprechenden Gleichungssysteme äquivalent sind: Alle Werte x 1,x 2,,x n,y 1,y 2,,y m, die (T) erfüllen, genügen auch (T ) und umgekehrt Beweis Mit p = a στ lautet die Zeile σ von (T) y σ = a σ1 x 1 + a σ2 x px τ + + a σn x n + a σ0 Wegen p = a στ 0 kann man diese Gleichung nach x τ auflösen und erhält: x τ = a σ1 p x 1 + a σ2 p x p y σ + a σn p x n + a σ0 p (48) Durch Vergleich von (48) mit der Zeile σ von (T ) x τ = a σ1x 1 + a σ2x a στy σ + + α σnx n + a σ0 (49) ergeben sich die Austauschregeln R 1 und R 2 Setzt man (49) in die i-te Zeile (für i σ) y i = a i1 x 1 + a i2 x a ik x k + + a iτ x τ + + a in x n + a i0 von (T) ein, so ergibt sich, wenn man nach x 1,x 2,,x k,,y σ,,x n ordnet, y i = (a i1 +a iτ a σ1)x 1 +(a i2 +a iτ a σ2)x 2 + +a iτ a στy σ + +(a in +a iτ a σn)x n +(a i0 +a iτ a σ0) Vergleicht man dies mit der Zeile i σ von (T ) y i = a i1x 1 + a i2x a iτy σ + + a inx n + a i0, so erhält man für k τ die Austauschregel R 4 und für k = τ unter Beachtung von a στ = 1 p (Austauschregel R 1 ) die Austauschregel R 3 Somit ist gezeigt, dass man aus (T) mit Benutzung von R 1 bis R 4 das äquivalente Tableau (T ) erhält 423 Praktische Durchführung des ersten Austauschschrittes Ziel unseres Verfahrens ist auch, die Zahl der Rechenschritte zu minimieren Aus Regel R 4 erhalten wir durch Kürzen (R 4) a ik = a ik a iτa σk a στ für i = 1,,m, k = 0,,n mit k τ, i σ, was jeweils eine Multiplikation weniger als in R 4 ist Wenden wir nun noch Regel R 2 an, so ergibt sich 63

64 4 Das Austauschverfahren (R 4) a ik = a ik + a iτ a σk für i = 1,,m, k = 0,,n mit k τ, i σ Da die Zahlen a σk somit zur Berechnung des neuen Tableaus mehrfach verwendet werden, sollten wir sie an passender Stelle notieren: Wir ergänzen (T) nach Regel R 2 durch die Kellerzeile K der Zahlen a σk = a σk a στ für k = 0,,n mit k τ, wobei wir in die Pivotspalte ein eintragen: T x 1 x k x τ x n 1 y 1 a 11 a 1k a 1τ a 1n a 10 y σ a σ1 a σk p a σn a σ0 y i a i1 a ik a iτ a in a i0 y m a m1 a mk a mτ a mn a m0 K a σ1 a σk a σn a σ0 Das neue Tableau (T ) erhalten wir nun durch folgende Austauschschritte: (A 1 ) Ersetze das Pivotelement a στ entsprechend R 1 durch 1 a στ (A 2 ) Ersetze anderen Elemente a σk in der Pivotzeile durch die Elemente in der Kellerzeile (A 3 ) Ersetze anderen Elemente a iτ in der Pivotspalte entsprechend R 3 durch a iτ a στ (A 4 ) Ersetze schließlich alle übrigen Elemente a ik durch ihre Summe mit dem Produkt aus dem entsprechenden Element der alten Pivotspalte a iτ und dem entsprechenden Element a σk aus der Kellerzeile, also durch a ik + a iτ a σk Beispiel 43 Wir betrachten 64

65 42 Das Austauschverfahren als Algorithmus y 1 = 3x 1 + 2x 2 x 3 + x 4 1 y 2 = 2x 1 + x 2 3x 3 + x 4 y 3 = x 1 x 2 x 4 y 4 = x 1 + 2x 2 + 2x 3 + 1, d h das rechtsstehende Tableau S 1 x 1 x 2 x 3 x 4 1 y y y y K Wir wählen σ = 3 und τ = 4 und damit das Pivotelement a στ = 1 0 Weiter tragen wir die Kellerzeile der Zahlen a σk a στ ein S 1 x 1 x 2 x 3 x 4 1 y y y y K Wir wenden nun die Austauschschritte A 1, A 2, A 3 und A 4 an und erhalten S 2 x 1 x 2 x 3 y 3 1 y y x y K 424 Fortsetzung des Austauschverfahrens Das Verfahren kann immer fortgesetzt werden, wenn es im entstandenem Tableau noch ein x τ in der Kopfzeile und ein y σ aus der linken Spalte gibt mit a στ 0 In dem Fall ist der Austausch von x τ gegen y σ durch Anwendung der entsprechenden Schritte durch Anwendung der Schritte A 1, A 2, A 3 und A 4 möglich Beispiel 44 Wir setzen Beispiel 43 fort Wir wollen x 3 gegen y 1 austauschen, σ = 1, τ = 3, was wegen möglich ist a στ =

66 4 Das Austauschverfahren Wir ergänzen das Tableau durch die Kellerzeile und erhalten: S 2 x 1 x 2 x 3 y 3 1 y y x y K Wir wenden nun die Austauschschritte A 1, A 2, A 3 und A 4 an: S 3 x 1 x 2 y 1 y 3 1 x y x y K Hier wollen wir nun x 2 gegen y 2 austauschen und tragen die entsprechenden Kellerzeile ein S 3 x 1 x 2 y 1 y 3 1 x y x y K Es verbleibt, x 1 gegen y 4 auszutauschen, wozu die entsprechende Kellerzeile eingetragen wird S 4 x 1 y 2 y 1 y 3 1 x x x y K Wir wenden die Austauschschritte A 1, A 2, A 3 und A 4 an: S 4 x 1 y 2 y 1 y 3 1 x x x y Dieses entspricht nach Anordnung entsprechend wachsender Indizes K Wir wenden die Austauschschritte A 1, A 2, A 3 und A 4 an und erhalten das gesuchte Tableau mit vollständigem Austausch: S 5 y 4 y 2 y 1 y 3 1 x x x x x 1 = 2 3 y y y y x 2 = y 1 + y 2 + y 4 2 x 3 = 2 3 y y y y x 4 = 5 3 y y y y 4 + 3, 66

67 42 Das Austauschverfahren als Algorithmus woraus wir mit y = (y 1,y 2,y 3,y 4 ) = 0 nun die Lösung x = (1, 2,1,3) des Gleichungssystems leicht ablesen Wie wir dem entstandenem System entnehmen, haben wir eigentlich mehr berechnet als nur die Lösung des Gleichungssystems Die Frage wäre, was wir mehr berechnet haben und ob wir die Rechnung nicht noch weiter reduzieren können Beispiel 45 Wir betrachten y 1 = 2x 1 + x 2 + x 3 2 y 2 = x 1 x y 3 = x 1 + 5x 2 + 2x 3 y 4 = 2x 2 + x 4 bzw nebenstehendes Tableau Wir wollen y 4 gegen x 4 austauschen und ergänzen um die entsprechende Kellerzeile: S 1 x 1 x 2 x 3 x 4 1 y y y y K Wir wollen x 1 gegen y 2 austauschen und ergänzen um die entsprechende Kellerzeile: S 2 x 1 x 2 x 3 y 4 1 y y y x K S 1 x 1 x 2 x 3 x 4 1 y y y y Wir wenden die Austauschschritte A 1, A 2, A 3 und A 4 an: S 2 x 1 x 2 x 3 y 4 1 y y y x K Wir wenden die Austauschschritte A 1, A 2, A 3 und A 4 an: S 3 y 2 x 2 x 3 y 4 1 y x y x K 67

68 4 Das Austauschverfahren Wir wollen y 1 gegen x 3 austauschen und ergänzen um die entsprechende Kellerzeile: S 3 y 2 x 2 x 3 y 4 1 y x y x K Wir wenden die Austauschschritte A 1, A 2, A 3 und A 4 an: S 4 y 2 x 2 y 1 y 4 1 x x y x Für einen vollständigen Austausch müsste noch y 2 gegen das in der Kopfzeile verbliebene x 2 ausgetauscht werden Da das zugehörige Pivotelement 0 ist, geht dies jedoch nicht Wir erhalten x 1 = y 2 + x 2 2 x 3 = y 1 2y 2 3x x 4 = y 4 2x 2 y 3 = 2y 1 3y Auch hieran erkennt man, dass y 3 gegen kein x k mehr austauschbar ist, denn y 3 kommt nur in der letzten Gleichung vor und diese enthält kein x k Wir erkennen auch, dass x = (x 1,x 2,x 3,x 4 ) nie so gewählt werden kann, dass das Gleichungssystem mit y = (y 1,y 2,y 3,y 4 ) = 0 gelöst wird Entstehende Fragen sind: Wäre ein vollständiger Austausch vielleicht möglich gewesen, wenn wir in einer anderen Ordnung getauscht hätten? Was besagt, dass der Austausch nicht vollständig durchgeführt werden konnte? K 43 Anwendungen des Austauschverfahrens (AV) 431 Inversion von Matrizen Sei A = (a ij ) i,j=1,,n eine n-reihige Matrix Wir betrachten die Gleichung und damit das Tableau y = Ax x 1 x 2 x n 1 y 1 a 11 a 12 a 1n 0 y 2 a 21 a 22 a 2n 0 y n a n1 a n2 a nn 0 68

69 43 Anwendungen des Austauschverfahrens (AV) Wir nehmen nun an, dass ein vollständiger Austausch der x 1,, x n gegen die y 1,, y n durchgeführt wurde, was (nach Sortieren der Spalten und Zeilen) zum Tableau y 1 y 2 y n 1 x 1 c 11 c 12 c 1n 0 x 2 c 21 c 22 c 2n 0 x n c n1 c n2 c nn 0 geführt habe Dieses entspricht der Gleichung x = C y mit der quadratischen Matrix C = (c ij ) i,j=1,,n Mit y = Ax folgt Ex = x = C A x für alle x R n und damit d h, C A = E, A 1 = C Mit dem Austauschverfahren haben wir also ein weiteres Verfahren zur Bestimmung der Inversen von quadratischen Matrizen: Satz 46 Wenn das Austauschverfahren mit einer quadratischen Matrix A vollständig durchführbar ist, dann ist A invertierbar und man erhält die Inverse A 1 aus dem letzten Tableau Es gilt auch die Umkehrung: Satz 47 Wenn die quadratische Matrix A invertierbar ist, dann ist das Austauschverfahren mit der quadratischen Matrix A vollständig durchführbar ist, dann ist A invertierbar und man erhält die Inverse A 1 aus dem letzten Tableau Bemerkung 48 In den obigen Tableaus zur Berechnung von A 1 besteht die letzte Spalte stets nur aus Nullen Da sie keinerlei Bedeutung für die Berechnung von A 1 hat, kann sie auch weggelassen werden Wir bestimmen nun die Anzahl der nötigen Multiplikationen (inklusive Divisionen) und Additionen (inklusive Subtraktionen) für die Inversion einer n-reihigen Matrix nach obigem Verfahren: 69

70 4 Das Austauschverfahren Wir haben n Austauschschritte durchzuführen Je Austausch benötigen wir eine Inversion in A 1, n 1 Multiplikationen zur Erzeugung der Kellerzeile für A 2, n 1 Multiplikationen zur Erzeugung der Elemente in der Pivotspalte und je eine Multiplikation und eine Addition für die verbleibenden Elemente gemäß A 4 Dies sind je Austausch (n 1) 2 Additionen und n 2 Multiplikationen Insgesamt sind höchsten (und im Allgemeinen tatsächlich) n(n 1) 2 n 3 Additionen Multiplikationen zur Berechnung der Inversen einer n-reihigen Matrix mit dem Austauschverfahren nötig Wir vergleichen mit der Berechnung der Inversen über die Bestimmung von Determinanten gemäß Satz 359 durch A 1 = ( 1) i+k det A ik det A (410) Bezeichnen m n und a n die Anzahl der Multiplikationen und Additionen zur Berechnung einer n-reihigen Determinante, so benötigen wir für die Berechnung einer n-reihigen Determinanten nach Entwicklungssatz die Berechnung von n (n 1)-reihigen Unterdeterminanten und dann noch n Multiplikationen und n 1 Additionen, es gilt also m n = n m n 1 + n, a n = n a n 1 + n 1 Mit ergibt sich m 2 = 2, a 2 = 1 m n a n = n! 1 Wir erhalten beispielsweise folgende Höchstzahlen, welche in ungünstigen Fällen auch erreicht werden: Austauschverfahren allein für det A n Additionen Multiplikationen Additionen Multiplikationen Das Austauschverfahren ist also mindestens ab n = 5 der Berechnung über Determinanten vorzuziehen Beispiel 49 Zu bestimmen sei die Inverse von 70

71 43 Anwendungen des Austauschverfahrens (AV) A = Mit Austausch von y 1 gegen x 1 erhalten wir nebenstehendes Tableau mit entsprechender Kellerzeile S 1 x 1 x 2 x 3 x 4 y y y y K Wir erhalten mit den Regeln A 1, A 2, A 3 und A 4 S 2 y 1 x 2 x 3 x 4 x y y y K Wir tauschen nun y 4 gegen x 2 und ergänzen die Kellerzeile Wir erhalten mit den Regeln A 1, A 2, A 3 und A 4 S 4 y 1 y 4 x 3 y 2 x x y x K Wir tauschen nun y 3 gegen x 3 und ergänzen die Kellerzeile Wir erhalten mit den Regeln A 1, A 2, A 3 und A 4 S 3 y 1 y 4 x 3 x 4 x y y x K Wir tauschen nun y 2 gegen x 4 und ergänzen die Kellerzeile Wir erhalten mit den Regeln A 1, A 2, A 3 und A 4 S 5 y 1 y 4 y 3 y 2 x x x x Damit erhalten wir schließlich A 1 =

72 4 Das Austauschverfahren 432 Lösung Linearer Gleichungssysteme Wir betrachten die Lösung eines linearen Gleichungssystem a 11 x 1 + a 12 x a 1n x n = b 1 a 12 x 1 + a 22 x a 2n x n = b 2 (411) a m1 x 1 + a m2 x a mn x n = b m mit n Unbekannten x 1,, x n und m Gleichungen Hierbei kann m > n,m = n oder m < n gelten Wir haben dem Gleichungssystem das allgemeine lineare Gleichungssystem und diesem das Tableau y 1 = a 11 x 1 + a 12 x a 1n x n b 1 y 2 = a 12 x 1 + a 22 x a 2n x n b 2 (412) y m = a m1 x 1 + a m2 x a mn x n b m T 0 x 1 x 2 x n 1 y 1 a 11 a 12 a 1n a 10 y 2 a 21 a 22 a 2n a 20 y m a m1 a m2 a mn a m0 mit a i0 = b i für i = 1,,m zugeordnet Dabei ist x = (x 1,x 2,,x n ) genau dann eine Lösung von (411), wenn (412) für dieses x = (x 1,x 2,,x n ) mit y = (y 1,y 2,,y m ) = 0 erfüllt ist Nach Satz 42 verwandelt jeder Austauschschritte eines x τ in der Kopfzeile gegen ein y σ in der linken Spalte das Tableau (T 0 ) in ein äquivalentes Tableau (T 1 ): Alle Werte x 1, x 2,, x n, y 1, y 2,, y m, die (T) erfüllen, genügen auch (T ) und umgekehrt Um nun (411) zu lösen, tauscht man ausgehend von (T 0 ) schrittweise und solange es möglich ist, Variable y k in der linken Spalte gegen geeignete x i in der Kopfzeile aus und erzeugt so eine Abfolge von Tableaus (T l ) Diese Tableaus sind ebenfalls alle äquivalent Das letzte Tableau (T e ) nach e Austauschschritten, bei dem kein weiterer Austausch mehr möglich sei, habe die Form 72

73 43 Anwendungen des Austauschverfahrens (AV) T e y i1 y ie x ke+1 x kn 1 x k1 µ 11 µ 1e µ 1,e+1 µ 1n µ 10 x ke µ e1 µ ee µ e,e+1 µ en µ e0 y ie+1 µ e+1,1 µ e+1,e µ e+1,e+1 µ e+1,n µ e+1,0 y im µ m1 µ me µ m,e+1 µ mn µ m0 Hierbei seien schon die Zeilen im Tableau so sortiert, dass in den ersten e Zeilen die aus der Kopfzeile in die linke Spalte getauschten Variablen x k1 bis x ke stehen, welche gegen die y i1 bis y ie getauscht wurden Danach kommen die Zeilen mit den m e nichtausgetauchten Variablen y ie+1 bis y im Entsprechend seien auch die Spalten sortiert: Zuerst die e Spalten zu den eingetauschten y i1 bis y ie und dann die n e Spalten der in der Kopfzeile verbliebenen x k,e+1 bis x kn Dabei können folgende Fälle eintreten: Fall 1 Der Austausch ist vollständig möglich Es gilt m = e und man erhielt das Tableau T m y i1 y im x km+1 x kn 1 x k1 µ 11 µ 1m µ 1,m+1 µ 1n µ 10 x km µ m1 µ mm µ m,m+1 µ mn µ m0 Mit y i1 = = y im = 0 liest man x k1 = µ 1,m+1 x km µ 1n x kn + µ 10, x km = µ m,m+1 x km µ 1mn x kn + µ m0 ab, wobei die n m Zahlen x km+1 bis x kn freie Parameter sind: Das Gleichungssystem (411) ist lösbar Man erhält eine (n m)-parametrische Lösungsschar zu (411) Fall 2 Der Austausch ist nicht vollständig möglich Es gilt e < m und man erhielt das Tableau 73

74 4 Das Austauschverfahren T e y i1 y ie x ke+1 x kn 1 x k1 µ 11 µ 1e µ 1,e+1 µ 1n µ 10 x ke µ e1 µ ee µ e,e+1 µ en µ e0 y ie+1 µ e+1,1 µ e+1,e 0 0 µ e+1,0 y im µ m1 µ me 0 0 µ m0 mit den 0-Einträgen unten rechts andernfalls wäre eine weiterer Austausch möglich gewesen Die letzten m e Zeilen der nicht ausgetauschten y ie+1 bis y im lauten nun y ie+1 = µ e+1,1 y i1 + + µ e+1,e y ie + µ e+1,0, y im = µ m1 y i1 + + µ me y ie + µ m,0 Fall 2a Es gilt µ e+1,0 = = µ m0 = 0 In diesem Fall können alle y i als 0 gewählt werden, wie es für die Lösung des Gleichungssystem benötigt wird Mit liest man y i1 = = y ie = 0 x k1 = µ 1,e+1 x ke µ 1n x kn + µ 10, x ke = µ e,e+1 x ke µ 1en x kn + µ e0 aus dem Tableau ab, wobei die n e Zahlen x ke+1 bis x kn freie Parameter sind: Das Gleichungssystem (411) ist lösbar Man erhält eine (n e)-parametrische Lösungsschar zu 411 Fall 2b Mindestens eines der µ e+1,0 bis µ m0 ist nicht 0 In diesem Fall können nicht alle y i als 0 gewählt werden, wie es für die Lösung des Gleichungssystem benötigt wurde: Das Gleichungssystem (411) ist nicht lösbar Obige Fallunterscheidung und die erhaltenen Lösungsdarstellung zeigen, dass die Werte der Koeffizienten µ ik, i = 1,,m, k = 1,,e in den ersten e Spalten der in die Kopfzeile eingetauschten y i1 bis y ie weder für die Lösbarkeitsentscheidung noch für die Lösungsdarstellung benötigt werden: Sie brauchen daher gar nicht erst berechnet werden Dies führt zum 74

75 43 Anwendungen des Austauschverfahrens (AV) Austauschverfahren mit Spaltentilgung (AVS): In jedem Austauschritt wird die aus der Pivotspalte eigentlich entstehende neue Spalte weggelassen, da in ihr auch in den weiteren Schritten nun nur noch Koeffizienten zu einem in die Kopfzeile eingetauschten y i stehen und diese Koeffizienten auch keinerlei Einfluss mehr auf die weitere Rechnung haben Das letzte Tableau hat dann die Form T e x ke+1 x kn 1 x k1 µ 1,e+1 µ 1n µ 10 x ke µ e,e+1 µ en µ e0 y ie+1 µ e+1,e+1 µ e+1,n µ e+1,0 y im µ m,e+1 µ mn µ m0 Dieses ergibt x k1 = µ 1,e+1 x ke µ 1n x kn + µ 10, x ke = µ e,e+1 x ke µ 1en x kn + µ e0 mit den n e freien Parametern x ke+1 bis x kn genau dann, wenn µ e+1,0 = = µ m0 = 0 gilt Beispiel 410 Für das lineare Gleichungssystem erhält man mit dem AVS x 1 2x 2 + 4x 3 x 4 = 2 3x 1 + 3x 2 3x 3 + 4x 4 = 3 2x 1 3x 2 + 5x 3 3x 4 = 1 T 1 x 1 x 2 x 3 x 4 1 y y y K T 3 x 2 x 3 1 x y x K 3 2 T 2 x 2 x 3 x 4 1 x y y K T 4 x 3 1 x x x

76 4 Das Austauschverfahren Der Austausch konnte vollständig durchgeführt werden (Fall 1) Wir lesen x 1 = 2x 3 + 1, x 2 = 3x 3 2, x 4 = 3 mit dem freien Parameter x 3 ab Die Gesamtheit der Lösungen ist folglich durch gegeben x 1 = 2t + 1, x 2 = 3t 2, x 3 = t, x 4 = 3 für t R Eine weitere Verkürzung des Verfahrens kann man in der Weise durchführen, dass man in Ergänzung zu AVS sich jeweils die aus der Pivotzeile ergebende Gleichung notiert, diese Zeile aber nicht mit ins Tableau übernimmt Man erhält das Austauschverfahren mit Spalten- und Zeilentilgung (AVSZ): In jedem Austauschschritt werden die aus Pivotspalte bzw Pivotzeile eigentlich entstehende neue Spalte bzw Zeile weggelassen, während der Inhalt der eigentlich aus der Pivotzeile entstehenden Zeile extra als Gleichung notiert wird Beispiel 411 Ein Unternehmen stellt mit Hilfe der Produktionsfaktoren F 1, F 2, F 3, F 4 vier Produkte P 1, P 2, P 3, P 4 her Zur Produktion für jede Mengeneinheit von P j, j = 1,,4, werden a ij Mengeneinheiten von F i, i = 1,2,3, benötigt Mit x j bezeichnen wir die herzustellenden Mengeneinheiten von P j mit b j die benötigten Mengeneinheiten von F i Die entsprechende Koeffizientenmatrix sei A = (a ij ) i=1,2,3 j=1,2,3,4 = Man erhält das Gleichungssystem 2x 1 + 4x 3 + 4x 4 = b 1 6x 1 + 9x 2 + 3x 3 = b 2 12x x 2 + 6x 3 = b 3 für die Mengeneinheiten x j von P j bei vorgegebenen Mengeneinheiten b i von F i Mittels AVSZ ergibt sich dann T 1 x 1 x 2 x 3 x 4 1 y b 1 y b 2 y b 3 K b 12 S 2 x 2 x 3 x 4 1 y b 1 b 2 y b 1 b 3 K (b 2 3b 1 ) 76

77 43 Anwendungen des Austauschverfahrens (AV) mit und schließlich x 1 = 2x 3 2x 4 + b 1 2 S 3 x 3 x 4 1 y (b 2 3b 1 ) + 6b 1 b 3 mit x 2 = x x (b 2 3b 1 ) Das Gleichungssystem ist also genau dann lösbar (Fall 2a), wenn gilt, d h, wenn 2(b 2 3b 1 ) + 6b 1 b 3 = 0 2b 2 = b 3 gilt In diesem Fall hat die allgemeine Lösung die Form x 1 = 2t 1 2t 2 + b 1 2, x 2 = t t (b 2 3b 1 ), x 3 = t 1, x 4 = t 2 Dabei sind t 1 und t 2 beliebig reelle Zahlen, die natürlich so gewählt werden müssen, dass gilt x 1 0,, x 4 0 Beispiel 412 Es wird nochmals die schon in Beispiel 332 behandelte Matrix der Käuferfluktuationen A = betrachtet Eine Marktverteilung beschrieben durch die Marktanteile x 1, x 2, x 3 der Produkte P 1, P 2, P 3 heißt stationär, wenn sie bei einem Übergang von T 0 zu T 1 unverändert bleibt, d h oder in Matrizenschreibweise x x 2 = x x 1 x 2 x 3 x = Ax mit x = (x 1,x 2,x 3 ) 77

78 4 Das Austauschverfahren Die stationären Markanteile x 1, x 2, x 3 sind dann wegen x = Ex die Lösung des Gleichungssystems (E A)x = 0 d h von 04x 1 01x 2 03x 3 = 0 01x x 2 = 0 04x 1 04x x 3 = 0 Geht man davon aus, dass der Markt vollständig durch P 1, P 2, P 3 abgesättigt wird, ergibt sich außerdem die zusätzliche Gleichung x 1 + x 2 + x 3 = 1 Das vollständige Gleichungssystem für die stationären Marktanteile x 1, x 2, x 3 wird dann mittels AVSZ folgendermaßen gelöst: S 1 x 1 x 2 x 3 1 y y y y K S 3 x 3 1 y y K 1 3 S 2 x 2 x 3 1 y y y K S 4 1 y 1 0 mit x 1 = x 2 x 3 + 1, x 2 = 05x , x 3 = 1 3 Wir erhalten x 3 = 1 3, x 2 = = 1 3, x 1 = = 1 3 Wir schließen diesen Abschnitt wieder mit Überlegungen zur Anzahl der maximal benötigten Additionen und Multiplikationen bei AVMZ Wir beschränken uns dabei auf den Fall m = 78

79 43 Anwendungen des Austauschverfahrens (AV) n, um mit der Cramer-schen Regel vergleichen zu können und gehen davon aus, dass der Austausch vollständig möglich ist: Im ersten Schritt sind n Multiplikationen zur Erzeugung der Kellerzeile (und der notierten Gleichung) erforderlich Für die restlichen n (n 1) Einträge sind je eine Addition und eine Multiplikation erforderlich Dies ergibt Insgesamt sind dies n(n 1) n 2 Additionen, Multiplikationen n k(k 1) = 1 3 (n3 n) k=2 n k 2 = 1 3 n n n 1 k=2 Additionen, Multiplikationen Noch nicht einberechnet wurden die Additionen und Multiplikationen zur Auswertung der notierten Gleichungen Es wurden aber auch noch nicht die Additionen und Multiplikationen zur Berechnung der n weiteren Determinanten und die zugehörige Division einbezogen Schlimmstenfalls, d h ohne effiziente Zwischenspeicherung, wären die Einträge für det A noch mit n + 1 zu multiplizieren, was die letzten Spalten ergibt Wir erhalten beispielsweise folgende Höchstzahlen, welche in ungünstigen Fällen auch erreicht werden: AVSZ allein für det A n Add Mult Add Mult Add Mult Das AV und erst recht das AVSZ ist also ziemlich effizient, während die Cramer-sche Regel für größere n in praktischen Rechnung unbrauchbar ist 433 Berechnung von Determinanten Auch die Berechnung von Determinanten einer n-reihigen Matrix A kann mit dem Austauschverfahren sehr effizient durchgeführt werden: Man verwendet AVSZ für das zu A gehörige Tableau (ohne letzte Spalte), notiert sich anstelle der aus der Pivotzeile entstehenden Gleichung die Folge der Pivotelemente p l und die jeweiligen Indizes σ l und τ l der Zeilen bzw Spalte des Pivotelements Dann gilt n det A = ( 1) σ l+τ l p l l=1 79

80 4 Das Austauschverfahren Beispiel 413 Zu bestimmen ist det Mit AVSZ erhalten wir die Folge von Tableaus S 1 x 1 x 2 x 3 x 4 y y y y K S 2 x 2 x 3 x 4 y y y K 4 7 S 3 x 2 x 4 y y K S 4 x 2 y und damit det = ( ( 1) ) (( 1) ) (( 1) 2+1 ( 22) ) ( 1) 1+1 ( ) = 206 Offenbar erfolgte auch hier die Berechnung sehr effizient 80

81 5 Lineare Optimierung 51 Lineare Optimierungsprobleme Eine lineare Zielfunktion f : R n R, f(x) = c 0 + c 1 x c n x n, x = (x 1,,x n ), (Z) in n Variablen ist unter bestimmten linearen Nebenbedingungen a 11 x 1 + a 12 x a 1n x n a 1 (NB) a m1 x 1 + a m2 x a mn x n a m und den Nichtnegativitätsbedingungen x 1 0,,x n 0 (NN) zu maximieren bzw zu minimieren Eine solche Aufgabe heißt lineares Optimierungsproblem (LOP) Definition 51 Die Menge ZB aller Punkte x = (x 1,,x n ) R n, deren Koordinaten den Bedingungen (N) und (N N) genügen, ZB = {x R n x erfüllt (NB) und (NN)} heißt zulässiger Bereich (ZB) für das LOP 81

82 5 Lineare Optimierung Definition 52 Ein Punkt x (0) = (x (0) 1,,x(0) n ) R n wird als optimale Lösung (oder Lösung) des LOP bezeichnet, falls c 0 +c 1 x (0) 1 + +c n x (0) n = f(x (0) ) f(x) = c 0 +c 1 x 1 + +c n x n für alle x ZB (Max) oder c 0 + c 1 x (0) c n x (0) n = f(x (0) ) f(x) = c 0 + c 1 x c n x n für alle x ZB (Min) gilt Im Fall (Max) heißt x (0) maximale, im Fall (Min) minimale Lösung Beispiel 53 Ein Erzeugnis E kann mittels zweier Verfahren V 1, V 2 aus drei Zwischenprodukten Z 1, Z 2, Z 3 hergestellt werden, die nur in bestimmten Umfang zur Verfügung stehen Die Materialverbrauchsnormen (Bedarf an Mengeneinheiten von Z 1, Z 2, Z 3 je Mengeneinheit von E) und die verfügbaren Mengeneinheiten von Z 1, Z 2, Z 3 sind tabellarisch gegeben: Zwischenprodukt Materialverbrauchsnormen verfügbare Mengeneinheiten für V 1 für V 2 Z Z Z Die Produktion von E bezüglich V 1 und V 2 ist so zu gestalten, dass die Gesamtproduktion maximal wird Bezeichnet man mit x 1 bzw x 2 die Mengeneinheiten (ME) von E, die nach V 1 bzw V 2 produziert werden, so ergibt sich das LOP z = x 1 + x 2 max (Z) mit den Nebenbedingungen (NB) und den Nichtnegativitätsbedingungen (NN) 04x x x x 2 40 (N) 20x 2 24 x 1 0, x 2 0 (NN) Diese Nichtnegativitätsbedingungen garantieren, dass die Lösung in einem praktisch sinnvollen Bereich gesucht wird Die Menge aller Punkte (x 1,x 2 ), die den Bedingungen (NN) und (NN) genügen, ist der zulässige Bereich ZB, siehe Bild: 82

83 51 Lineare Optimierungsprobleme 16 04x 1 + 2x 2 = x x 2 = x 2 = (15, 10) 8 6 ZB x 1 + x 2 = x 1 + x 2 = Betrachten wir nun Niveaumengen N C = {x ZB f(x) = C} {x R 2 x 1 + x 2 = C} Diese liegen auf parallelen Geraden x 1 + x 2 = C Daher können wir hier die Lösung auf graphischem Wege (15, 10) einer der Niveaumengen mit dem Rand von ZB finden Wir erhalten die eindeutige Maximalstelle (15,10) mit dem Maximum z max = Beispiel 54 Wir betrachten das LOP z = 2x 1 + x 2 max (Z) 04x x 2 26, 20x , 20x 2 24, (N) x 1 0, x 2 0 (NN) 83

84 5 Lineare Optimierung 16 04x 1 + 2x 2 = x x 2 = x 2 = (15, 10) 8 6 ZB x 1 + 2x 2 = x 1 + 2x 2 = In diesem Fall ist das LOP mehrdeutig lösbar: Für x 1 [15,20] und x 2 = 40 2x 1 ist z max = 40 das Maximum Beispiel 55 Wir betrachten das LOP z = x 1 + x 2 max (Z) 20x 2 24, (N) x 1 0, x 2 0 (NN) x 2 = ZB 4 2 x 1 + x 2 =

85 51 Lineare Optimierungsprobleme In diesem Fall existiert kein Maximum, z = x 1 + x 2 kann beliebig groß sein Beispiel 56 Wir betrachten das LOP z = x 1 + x 2 max (Z) 20x 2 24, (N) x 1 0, x 2 0 (NN) In diesem Fall gilt ZB =, da sich (N) und (NN) widersprechen Bemerkung 57 Diese Beispiele zeigen bereits die charakteristischen Eigenschaften eines LOP: Die optimalen Lösungen liegen außer im trivialen Fall f(x) = const immer auf dem Rand des zulässigen Bereichs ZB Genauer: Optimale Lösungen liegen in den Eckpunkten des zulässigen Bereiches und auf Hyperflächen auf den Rand von ZB, deren Ecpkunkte optimal sind Ein LOP kann eindeutig lösbar, mehrdeutig lösbar (in diesem Fall gibt es unendlich viele Lösungen) oder nicht lösbar sein Bemerkung 58 Eine graphische Lösung wie in den obigen Beispielen ist nur bei höchstens zwei Variablen möglich, wenn also ZB ein Bereich in der Ebene ist Bemerkung 59 Allgemein sind die Eckpunkte von ZB zu bestimmen, in denen das Optimum vorliegt Der zulässige Bereich ZB ist eine Teilmenge des R n, dessen Rand durch Hyperflächen beschrieben wird Eine solche Menge heißt auch Simplex Zu untersuchen sind also die Ecken des Simplizes ZB 85

86 5 Lineare Optimierung 52 Normalform der linearen Optimierung 521 Die Normalform Um zu einem allgemeinen Verfahren zur Lösung von linearen Optimierungsproblemen (LOP) zu gelangen, betrachtet man eine Normalform der linearen Optimierung (NLO): z = f(x) = c 0 + c 1 x c n x n min a 11 x a 1n x n = a 1, (Z) (G) a m1 x a mn x n = a m, x 1 0,, x n 0 (NN) Mit Hilfe des Matrixkalküls kann eine NLO in der folgenden Weise dargestellt werden: z = f(x) = c 0 + c x min Ax = a, x 0, (Z) (G) (NN) wobei c = c 1 c n, x = x 1 x n, A = a 11 a 1n a m1 a mn, a = gelten und x 0 genau dann gilt, wenn x i 0 für alle i = 1,,n gilt a 1 a m 522 Überführung in die Normalform Jedes LOP ist falls es nicht bereits diese Form besitzt in die Normalform der linearen Optimierung (NLO) überführbar mit folgenden Überführungsregeln: (Ü 1 ) Überführung in Minimierungsproblem: Ist z max als Aufgabenstellung gegeben, so verwendet man stets z = z min, d h, c 0, c 1 bis c n werden durch c 0, c 1 bis c n ersetzt 86

87 52 Normalform der linearen Optimierung (Ü 2 ) Beseitigung aller Ungleichungen in (N): Schrittweise werden alle Ungleichungen, die nicht in (N) enthalten sind, mittels Schlupfvariablen in die Form von Gleichungen überführt: 1 Ist α 1 x α n x n α die erste in (N) enthaltene Ungleichung, so wird sie durch die Einführung der Schlupfvariablen x n+1 0 zur Gleichung α 1 x α n x n + x n+1 = α Ist α 1 x α n x n α die erste in (NN) enthaltene Ungleichung, so wird sie durch die Einführung der Schlupfvariablen x n+1 0 zur Gleichung α 1 x α n x n x n+1 = α 2 Die Zahl der Variablen wird von n auf n + 1 erhöht 3 Die Ungleichung x n+1 0 wird (NN) hinzugefügt 4 Mit c n+1 = 0 wird die Zielfunktion erweitert zu f(x) = c 0 + c 1 x c n+1 x n+1 min 5 Sind noch Ungleichungen in (NN) enthalten, beginne man wieder mit mit dem ersten Schritt (Ü 3 ) Beseitigung aller freien Variablen: Falls es im LOP freie Variablen x k gibt, d h die nicht der Restriktion x k 0 unterliegen, werden sie schrittweise entfernt: 1 Ist x k die erste freie Variable, so wird x k durch die Differenz der neuen Variablen x k x n+1 ersetzt 2 Die Zahl der Variablen wird von n auf n + 1 erhöht 3 Die Ungleichungen x k 0, x n+1 0 werden (NN) hinzugefügt 4 Mit c n+1 = c k wird die Zielfunktion erweitert zu c 0 + c 1 x c n+1 x n+1 min 5 Sind noch freie Variable vorhanden, beginne man wieder mit dem ersten Schritt Bemerkung 510 In (Ü 3 ) kann man x k auch durch die Differenz x n+1 x n+2 ersetzen Es ergeben sich dann c k = 0, c n+1 = 1, c n+2 = 1 und entsprechende Änderungen und Ergänzungen in (G) und (NN) Im Unterschied zur obiger (Ü 3 ) wird die Zahl der Variablen dadurch um 2 statt nur um 1 größer 87

88 5 Lineare Optimierung Für die so gewonnene Normalform (NLO) eines LOP gelten folgende Äquivalenzaussagen: Satz 511 Entsteht ein NLO aus einem LOP nach den Regeln (Ü 1 ), (Ü 2 ), (Ü 3 ), so ist das NLO genau dann lösbar, wenn das zugrundeliegende LOP lösbar ist Satz 512 Entsteht ein NLO aus einem LOP nach den Regeln (Ü 1 ), (Ü 2 ), (Ü 3 ), so ergibt jede Lösung der NLO genau eine Lösung der LOP, indem die eingeführten Schlupfvariablen unberücksichtigt bleiben und ursprünglich freie Variablen wieder als Differenz ihrer zugehörigen Variablen geschrieben werden Beispiel 513 Wir betrachten das LOP z = 3x 1 x 2 + 2x max (Z) x 1 + 2x 2 8, x 3 4, (N) x 1 0, x 3 0 (NN) Durch Anwendung von (Ü 1 ) ergibt sich z = 3x 1 + x 2 2x 3 4 min (Z) x 1 + 2x 2 8, x 3 4, (N) x 1 0, x 3 0 (NN) Durch zweimalige Anwendung von (Ü 2 ) ergibt sich z = 3x 1 + x 2 2x 3 + 0x 4 + 0x 5 4 min (Z) x 1 + 2x 2 + x 4 = 8, x 3 + x 5 = 4, (G) x 1 0, x 3 0, x 4 0, x 5 0 (NN) Da x 2 noch eine freie Variable ist, muss noch (Ü 3 ) angewendet werden: z = 3x 1 + x 2 2x 3 + 0x 4 + 0x 5 x 6 4 min (Z) x 1 + 2x 2 + x 4 2x 6 = 8, x 3 + x 5 = 4, (G) x 1 0, x 2 0, x 3 0, x 4 0, x 5 0, x 6 0 (NN) Das nun erhalten LOP ist eine NLO 53 Lösung einer Normalform der linearen Optimierung 531 Bestimmung einer zulässigen Basisdarstellung von (G) Damit eine NLO lösbar ist, ist notwendig, dass ihr zulässiger Bereich ZB nichtleer ist Hierfür ist notwendig, dass (G) lösbar ist Wir nehmen daher nun die Lösbarkeit von (G) an, da andernfalls NLO nicht lösbar ist 88

89 53 Lösung einer Normalform der linearen Optimierung Zur Ermittlung der Lösungen von (G) wird diesem, wie schon mehrfach durchgeführt, das Tableau (G) x 1 x n 1 y 1 a 11 a 1n a 1 y m a m1 a mn a m oder kurz x 1 y A a zugeordnet Mittels des Austauschverfahrens mit Spaltentilgung (AVS) erhält man nach Durchführung aller möglichen Austauschschritte und Sortieren ein Tableau folgender Form: (T) x ν1 x νq 1 x µ1 b 11 b 1q b 1 x µp b p1 b pq b p y τp+1 b p+11 b p+1,q b p+1 y τm b m1 b mq b m Da eine Fortführung des AVS nicht möglich ist, gilt b ij = 0 für i = p+1,,m, j = 1,q Da (G) als lösbar vorausgesetzt wurde, muss auch b i = 0 für i = p + 1,,m gelten Wir können daher in (T) die Zeilen mit den nichtausgetauschten y i streichen und erhalten ein Tableau der Form (B) x νq x νq 1 x µ1 b 11 b 1q b 1 x µp b p1 b pq b p mit p + q = n 89

90 5 Lineare Optimierung Definition 514 Das Tableau (B) wird als eine Basisdarstellung von (G) bezeichnet und heißt eine Basis von (G) Die Variablen B = (x µ1,,x µp ) x µ1,, x µp bezeichnet man dann als Basisvariablen und als Nichtbasisvariablen x ν1,, x νq Bemerkung 515 Die Basisdarstellung (B) ist nicht eindeutig Sie hängt von der Wahl und Reihenfolge der Pivotelemente in AVS ab Lemma 516 Die Lösungsmenge von (G) ist q {x R n x µi = b ij x νj + b i für i = 1,,p, x νj R für j = 1,,q} j=1 Für den zulässigen Bereich der NLO gilt q ZB = {x R n x µi = b ij x νj + b i 0 für i = 1,,p, x νj 0 für j = 1,,q} j=1 Definition 517 Eine spezielle Lösung von (G), bei der die Nichtbasisvariablen x ν1,, x νq gleich Null gesetzt werden, heißt eine Basislösung (BL) von (G), x µ1 = b 1, x µ2 = b 2,, x µp = b p und x ν1 = 0, x ν2 = 0,, x νq = 0 Bemerkung 518 Die Menge aller Basislösungen von (G), welche (NN) erfüllen, ist die Menge der Eckpunkte des zulässigen Bereiches ZB der NLO Beispiel 519 Wir betrachten x 1 x 2 x 3 = 0 2x 1 + x 2 + x 3 = 9 x 1 + x 2 + x 3 = 6 2x 1 2x 2 + 2x 4 2x 5 = 0 (G) 90

91 53 Lösung einer Normalform der linearen Optimierung Dann ergibt sich eine Basisdarstellung z B in folgender Weise mittels AVS: (G) x 1 x 2 x 3 x 4 x 5 1 y y y y K x 1 x 2 x 4 x 5 1 x y y y K x 2 x 4 x 5 1 x y x y K x 2 x 4 1 x y x x d h, wir erhalten als eine Basisdarstellung von (G) Daher ist eine Basislösung von (G) (B) x 2 x 4 1 x x x x 1 = 3, x 2 = 0, x 3 = 3, x 4 = 0, x 5 = 3 Bemerkung 520 Fasst man die Basisvariablen (nach eventuellem Umsortieren) zu einem p-dimensionalen Vektor x und die Nichtbasisvariablen zu einem q-dimensionalen Vektor ˆx zusammen, so hat die Basisdarstellung (B) die Form x = Bˆx + b mit B = b 11 b 1q b p1 b pq und b = b 1 b p (B) ˆx 1 x B b 91

92 5 Lineare Optimierung Satz 521 Eine Basisdarstellung (B) existiert genau dann, wenn (G) lösbar ist 532 Simplextableau Nach den Bemerkungen 59 und 518 müssen wir die Basislösungen von (G) untersuchen, welche (NN) erfüllen, da gerade sie die Ecken des Simplizes ZB beschreiben Definition 522 Eine Basisdarstellung (B) der NLO heißt zulässig, wenn b 1 0,, b p 0 in (B) gilt Lemma 523 Ist (B) eine zulässige Basisdarstellung der NLO, so gilt x = (x 1,,x n ) ZB mit x µ1 = b 1, x µ2 = b 2,, x µp = b p und x ν1 = 0, x ν2 = 0,, x νq = 0 Beweis Nach Konstruktion ist x Basislösung, also insbesondere Lösung von (G) Da (B) zulässig ist, erfüllt x auch (NN) und liegt somit in ZB Bemerkung 524 Durch die Menge aller zulässigen Basisdarstellungen der NLO wird folglich die Menge aller zulässigen Basislösungen der NLO und damit die Menge aller Eckpunkte des zulässigen Bereiches ZB der NLO beschrieben Zu bestimmen sind nun die Ecken (d h zulässigen Basislösungen, d h zulässigen Basisdarstellungen) in denen das Minimum vorliegt Definition 525 Ist (B) eine zulässige Basisdarstellung der NLO, so heißt (B) Simplextableau (ST) Den Wert d 0 = f(x) der Zielfunktion f an der Stelle der Basislösung x erhält man auch dadurch, dass man unmittelbar von dem Tableau (B) x 1 y A a z c c 0 ausgeht und die z-zeile in die Austauschschritte einbezieht, die zur Basisdarstellung führen Die Basisdarstellung (B) hat in der um die z-zeile erweiterten Form folgende (tabellarische) Darstellung 92

93 53 Lösung einer Normalform der linearen Optimierung (ST) x ν1 x νq 1 x µ1 b 11 b 1q b 1 x µp b p1 b pq b p z d 1 d q d 0 Satz 526 Es sei (ST) ein (erweitertes) Simplextableau 1 Es gilt d 0 = c 0 + c µ1 b c µp b p 2 Wenn x eine zulässige Lösung ist, dann gilt f(x) = q d j x νj + d 0 j=1 3 Wenn x eine zulässige Basislösung, dann gilt f(x) = d 0 Bemerkung 527 Nach Satz 521 wissen wir, dass die Menge der Basisdarstellungen zu (G) nichtleer ist Offen ist aber noch, ob es auch zulässige Basisdarstellungen der NLO gibt und wie man gegebenenfalls eine zulässige Basisdarstellungen der NLO bestimmt Diese Fragen werden später beantwortet Optimalität und Simplexkriterium Definition 528 Ein Simplextableau heißt optimal, wenn die zugehörige Basislösung x eine optimale Lösung des NLO ist, d h, es gilt d 0 = z min := min f(x) = min (c 0 + c x) x ZB x ZB Wir betrachten nun die drei Fälle für ein um die z-zeile erweitertes Simplextableau (ST) der NLO: (S 1 ) = Es gilt d j 0 für alle j = 1,,q (S 2 ) = Es gibt mindestens eine Spalte τ {1,,q} mit d τ < 0 und b iτ 0 für alle i = 1,,p (S 3 ) = Es gilt weder (S 1 ) noch (S 2 ) 93

94 5 Lineare Optimierung Satz 529 (Simplexkriterium) Sei (ST) ein um die z-zeile erweitertes Simplextableau der NLO 1 Wenn (S 1 ) gilt, so ist (ST) ein optimales Simplextableau mit der zugehörigen optimalen Basislösung x mit x µ1 = b 1, x µ2 = b 2,, x µp = b p und x ν1 = 0, x ν2 = 0,,,x νq = 0 und dem Minimum f(x) = d 0 2 Wenn (S 2 ) gilt, so ist die NLO nicht lösbar Beweis 1 Nach Satz 526 gilt f(x) = q d j x νj + d 0 j=1 für alle x ZB Wegen d j 0 für j = 1,,q und da wegen (NN) auch x νj 0 für j = 1,,q gilt, minimiert die zu (ST) gehörende Basislösung die Funktion f, sie ist also eine optimale Basislösung 2 Sei ein solches τ fixiert Es sei { { α 0 := max 0,min b }} i j = 1,,p mit b iτ 0 b iτ Für α α 0 betrachten wir x(α) R n mit x ντ (α) = α, x νj (α) = 0 für j {1,,q} \ {τ}, x µi (α) = b iτ α + b i für i {1,,p} Dann erfüllt x(α) das Simplextableau (ST) und somit (G) Wegen α α 0 erfüllt x(α) auch (NN) Somit ist x(α) für jedes α α 0 eine zulässige Lösung Wegen d τ < 0 und f(x(α)) = d τ α + d 0 und kann f(x(α)) durch Wahl von α α 0 beliebig klein gemacht werden Folglich existiert kein Minimum von f auf ZB und NLO ist nicht lösbar Aufgrund von Satz 529 definieren wir nun: Definition 530 Sei (ST) ein um die z-zeile erweitertes Simplextableau der NLO Es heißt entscheidbar im Fall (S 1 ) oder (S 2 ) und nicht-entscheidbar im Fall (S 3 ) Weiter zu behandeln ist also nur noch der Fall (S 3 ), in dem noch keine Entscheidung über Optimalität oder Nichtlösbarkeit getroffen werden konnte 94

95 53 Lösung einer Normalform der linearen Optimierung 534 Bestimmung des Minimums Wir behandeln nun den Fall (S 3 ) weiter Da und (S 3 ) = (S 1 ) (S 2 ) = (S 1 ) (S 2 ) (S 1 ) = Es gibt ein τ {1,,q} mit d τ < 0 (S 2 ) = Für jedes j {1,,q} gilt d j 0 oder es gibt ein i {1,,p} mit b ij < 0 gilt (S 3 ) = Es gibt ein τ {1,,q} und ein i {1,,p} mit d τ < 0 und b iτ < 0 Wegen (S 3 ) sind folglich folgende Simplex-Regeln durchführbar: (SR 1 ) Wahl der Pivotspalte: Wähle ein τ {1,,q} mit d τ < 0 und als Pivotspalte (SR 2 ) Wahl der Pivotzeile: Berechne J(τ) := {i i {1,,p} und b iτ < 0} m(τ) := min { } bi b iτ i J(τ) 0 als den kleinsten Wert von b i b iτ, wobei der Zeilenindex i innerhalb J(τ) variiert wird, und wähle für die Pivotzeile σ ein σ J(τ) mit b σ b στ = m(τ) (SR 3 ) Austauschschritt: Man führe mit dem gemäß (SR 1 ) und (SR 2 ) gewähltem Pivotelement p = b στ den Austausch x µσ x ντ der Basisvariablen x µσ gegen die Nichtbasisvariablen x ντ mittels des Austauschverfahrens (AV) durch Dieses Simplexverfahren besitzt folgende wichtige Eigenschaften, die mit Ausnahme des Entartungsfalls m(τ) = 0 sichern, dass über die Lösbarkeit eines LOP entschieden wird und im Falle der Lösbarkeit eine Lösung gefunden wird: x opt mit z opt = f(x opt ) = min x ZB f(x) 95

96 5 Lineare Optimierung Satz 531 Die auf ein nichtentscheidbares Simplextableau (ST) stets anwendbaren Simplexregeln (SR 1 ), (SR 2 ), (SR 3 ) überführen ein nichtentscheidbares Simplextableau (ST) in ein neues Simplextableau (ST ) mit d 0 d 0 Gilt dabei m(τ) > 0, so gilt sogar d 0 < d 0 Beweis Dass die Simplex-Regeln (SR 1 ), (SR 2 ), (SR 3 ) stets auf ein nichtentscheidbares Simplextableau (ST) anwendbar sind, wurde oben schon gezeigt als Folgerung aus der Nichtentscheidbarkeit des Tableaus (Fall (S 3 )) Wir betrachten das um die Kellerzeile erweiterte Tableau (ST) und das neue Tableau (ST ) (ST) x ν1 x ντ x νq 1 x µ1 b 11 b 1τ b 1q b 1 x µσ b σ1 b στ b σq b σ x µp b p1 b pτ b pq b p z d 1 d τ d q d 0 K b σ1 b στ b σp b στ b σ b στ (ST ) x ν1 x µσ x νq 1 x µ1 b 11 b 1τ b 1q b 1 x ντ b σ1 b στ b σq b σ x µp b p1 b pτ b pq b p z d 1 d τ d q d 0 K Es gelten b σ = b σ b στ = m(τ) 0 und b i = b i b σ b στ b iτ = b i +m(τ)b iτ 0 für i {1,,p} \ {σ} Folglich ist (ST ) wieder ein Simplextableau Wegen d τ < 0 gilt d 0 = d 0 b σ b στ d τ = d 0 + m(τ) d τ { = d 0, falls m(τ) = 0, < d 0, falls m(τ) > 0 Satz 532 Falls der Entartungsfall im Verlauf der Austausch-Schritte nicht auftritt, überführt das Simplexverfahren ein nicht-entscheidbares Simplextableau in endlich vielen Schritten in ein entscheidbares Simplextableau Beweis Der zulässige Bereich ZB hat nur endlich viele Ecken Damit gibt es nur endlich viele Werte von f in den den Ecken zugehörigen Basislösungen Da der Wert des Simplextableaus in jedem Schritt abnimmt, muss das Verfahren abbrechen Da im Falle der Nicht-Entscheidbarkeit das Verfahren fortgesetzt werden könnte, muss einer der beiden Entscheidbarkeitsfälle vorliegen 96

97 53 Lösung einer Normalform der linearen Optimierung Beispiel 533 Zwei Motoren M 1 und M 2 können an den Fließbändern A und B montiert werden Am Fließband A können je Stunde n 1 = 60 Motoren M 1 oder n 2 = 60 Motoren M 2 hergestellt werden Am Fließband B können je Stunde n 3 = 90 Motoren M 1 oder n 4 = 60 Motoren M 2 hergestellt werden Die Montage ist so zu organisieren, dass einerseits innerhalb von 8 Stunden doppelt so viele Motoren M 2 wie M 1 hergestellt werden soll, und andererseits eine maximale Stückzahl bezüglich M 1 (und damit auch bezüglich M 2 ) erreicht wird Lösung: 1 Aufstellung des LOP: Bezeichnet man mit x 1 bzw x 2 die Montagestunden von A für M 1 bzw M 2 und mit x 3 bzw x 4 die Montagestunden von B für M 1 bzw M 2, so ergibt sich folgendes LOP: z = f(x) = 60x x 3 max unter den Bedingungen x 1 + x 2 8 x 3 + x (60x x 3 ) = 60x x 4 x 1 0, x 2 0, x 3 0, x 4 0 Dieses LOP ist kein NLO 2 Konstruktion einer zugehörigen NLO: Einführen der Schlupfvariablen x 5 und x 6 ergibt z = 60x 1 90x 3 min (Z) x 1 + x 2 + x 5 = 8, x 3 + x 4 + x 6 = 8, (G) 2(60x x 3 ) = 60x x 4, x 1 0, x 2 0, x 3 0, x 4 0, x 5 0, x 6 0 (NN) Die Schlupfvariablen x 5 bzw x 6 sind dabei als Stillstandszeiten von A und B interpretierbar 97

98 5 Lineare Optimierung 3 Ermittlung einer Basisdarstellung (B) von (G) mittels AVS: (G) x 1 x 2 x 3 x 4 x 5 x 6 1 y y y z K x 1 x 2 x 3 x 4 x 6 1 x y y z K x 1 x 2 x 3 x 4 1 x x y z K (ST) x 1 x 2 x 3 1 x x x z (ST) ist nun eine Basisdarstellung von (G) mit folgenden Eigenschaften: x µ1 = x 5, x µ2 = x 6, x µ3 = x 4 sind die Basisvariablen x ν1 = x 1, x ν2 = x 2, x ν3 = x 3 sind die Nichtbasisvariablen Die Basislösung x = (x 1,,x 6 ) lautet x 1 = 0, x 2 = 0, x 3 = 0, x 4 = 0, x 5 = 8, x 6 = 8, der zugehörige Wert des Tableaus ist d 0 = f(x) = 0 (Diese Basislösung ist natürlich die schlechteste: Wegen x 5 = x 6 = 8 findet keine Montage statt) (ST) ist eine zulässige Basisdarstellung, also ein Simplextableau, da mit offensichtlich die Bedingung erfüllt ist b 1 = 8, b 2 = 8, b 3 = 0 b i 0 für i = 1,2,3 98

99 53 Lösung einer Normalform der linearen Optimierung 4 Prüfung des Simplexkriteriums: (ST) ist nicht entscheidbar, da weder (S 1 ) (z B wegen d 1 = 60 < 0) noch (S 2 ) (z B wegen b 11 = 1 < 0 und b 23 = 4 < 0) erfüllt sind 5 Simplexverfahren: Entsprechend (SR 1 ) kommen die 1 oder 3 Spalte von (ST) als Pivotspalte in Frage Wir wählen τ = 3 Es gilt nun J(3) = {2}, m(3) = 8 4 und nach (SR 2) ergibt sich σ = 2 Entsprechend (SR 3 ) ist der Austausch x 6 x 3 durchzuführen Wir erhalten: (ST ) x 1 x 2 x 6 1 x x x z Das Simplextableau (ST ) ist nicht entscheidbar, da weder (S 1 ) (z B wegen d 1 = 15 < 0) noch (S 2 ) (wegen z B b 1 = 1 < 0 und b 12 = 1 < 0) erfüllt sind Das Simplexverfahren ist also fortzusetzen Entsprechend (SR 1 ) kommen die 1 oder 2 Spalte von (ST ) als Pivotspalte in Frage Wir wählen τ = 2 Wegen ist nach (SR 2 ) { } { } b1 J(2) = {1,3} und m(2) = min b 12, b 3 8 = min b 32 1, 6 1 = 8 σ = 1 zu wählen Durchzuführen ist damit der Austausch x 5 x 2 in (SR 3 ) Durch AVS erhalten wir (ST ) x 1 x 5 x 6 1 x x x z

100 5 Lineare Optimierung Dieses Simplextableau (ST ) ist entscheidbar, da d 1 = 30 4, d 2 = 90 4, d 3 = 90 4 sind, also (S 1 ) erfüllt ist Die Basislösung nicht negativ x 1 = 0, x 2 = 8, x 3 = 4, x 4 = 4, x 5 = 0, x 6 = 0 ergibt eine optimale Lösung der NLO Auf das ursprüngliche Problem übertragen heißt das: Es werden 360 Stück von M 1 und 720 Stück von M 2 hergestellt Am Fließband A sind nur Motoren M 2, am Fließband B je 4 Stunden M 1 bzw M 2 herzustellen Die Stillstandszeiten x 5 und x 6 sind gleich Null 54 Ermittlung eines ersten Simplextableaus pstwie bereits in Bemerkung 527 festgestellt wurde, führt die Ermittlung einer Basisdarstellung nicht notwendigerweise zu einer zulässigen Basisdarstellung, d h zu einem ersten Simplextableau Dieses Ziel ist aber über ein Hilfproblem erreichbar, bei dem die Pivotelemente bei den Austauschschritten, die von (G) zu (B) führen, bereits entsprechend (SR 1 ) und (SR 2 ) auswählt Wir gehen von einer originalen NLO mit c = c 1 c n, x = z = f(x) = c 0 + c x min Ax = a, x 0 x 1 x n, A = a 11 a 1n a m1 a mn, a = a 1 a m (Z) (G) (NN) aus Zusätzlich fordern wir nun, dass ohne Beschränkung der Allgemeinheit auch a 0, d h a i 0 für i = 1,,m gilt Dies ist stets dadurch erreichbar, dass die Zeilen in (G) mit a i > 0 mit 1 durchmultipliziert werden, d h, dass a i und die i-te Zeile von A mit 1 multipliziert werden, wenn a i > 0 gilt Wir betrachten das Hilfsproblem (H) h = m y i min i=1 Ax y = a, (ZH) (GH) x 0, y 0 (NNH) 100

101 54 Ermittlung eines ersten Simplextableaus Dieses ist eine NLO in den Variablen x und y Wenn x und y (GH) erfüllen, gilt m y i = i=1 m m a i1 x i a i i=1 i=1 Wir können also auch das äquivalente Problem m m h = a i1 x i + a i min (ZH) i=1 i=1 Ax y a = 0, (GH) x 0, y 0 (NNH) in den Variablen x und y betrachten Wir ergänzen dieses Problem noch um die z-zeile und erhalten folgendes Tableau: (H) x 1 x n 1 y 1 a 11 a 1n a 1 y m a m1 a mn a m h m a i1 m m i=1 a in i=1 z c 1 c n c 0 a i i=1 Offenbar hat dieses Tableau (ohne z-zeile) die Basislösung (x,y) mit x = 0 und y = a Da nach Voraussetzung a 0 gilt, ist (H) ohne z-zeile ein Simplextableau für das Hilfsproblem Auf (H) wird nun das Simplexverfahren mit den Schritten (SR 1 ), (SR 2 ) und (SR 3 ) angewandt bis (nach endliche vielen Schritten) ein entscheidbares Simplextableau entsteht Satz 534 Das letzte Simplextableau für (H) ist stets optimal Beweis Das Simplexverfahren bricht ab, sobald ein entscheidbares Tableau erreicht wird Es gilt also (S 1 ) oder (S 2 ) Wegen y 0 und h = m i=1 y i 0, ist die Zielfunktion des Hilfsproblems nach unten durch 0 beschränkt Der Fall (S 2 ) kann somit nicht auftreten 101

102 5 Lineare Optimierung Satz 535 Sei h min das Minimum des Hilfsproblems und sei (x,y) optimale Lösung des letzten aus (H) entstehenden Tableaus 1 Es gelte h min = 0 Nach Streichen der h-zeile, Streichen der y i -Zeilen, welche nur 0-Einträge haben, Streichen der y j -Spalten und nach Anwendung des AVS bis alle y i nach oben ausgetauscht worden sind, erhält man ein Simplextableau für die originale NLO 2 Wenn h min > 0 gilt, besitzt die originale NLO keine Lösung Beweis 1 Sei (x, y) optimale Lösung des letzten aus (H) entstehenden Tableaus Als Lösung des Hilfsproblems ist (x,y) eine zulässige Lösung von (GH), es gilt also Ax y = a mit y 0 Aus h min = m i=1 y i > 0 und y 0 folgt y = 0 und somit Ax a = 0, d h x ist eine Lösung von (G) und (NN) Durch AV können somit alle noch links verbleiben y i noch oben ausgetauscht werden, sofern sie in den x j -Spalten nicht nur 0-Einträge haben Da (x, y) auch zulässige Basislösung des letzten aus (H) entstehenden Tableaus war, d h, waren alle oben stehenden x i gleich 0 Stand nun noch ein y i links im Tableau, so war der entsprechende Eintrag in der 1-Spalte eine 0 Ein AV-Schritt zum Austausch eines solchen y i nach oben ändert die 1-Spalte also nicht, d h nach jedem AV-Schritt haben wir (x,y) wieder als eine optimale Lösung des Simplextableaus Das Hochtauschen der y i bricht ab, wenn kein y i mehr links steht, oder die noch da stehenden nur 0 Zeilen haben Streicht man diese Zeilen, die h-zeile und die y j -Spalten, so ist x zulässige Lösung des entstandenen Tableaus ohne y-variablen, das entstandene Tableau ist also ein Simplextableau für die originale NLO Dasselbe Tableau erhalten wir auch, wenn man die y i -Zeilen, welche nur 0-Einträge haben, und die y j -Spalten gleich streicht und AVS abwendet 2 Wenn h min > 0 gilt, dann gilt nicht y = 0 und x ist keine Lösung von (G) Da (x,y) aber optimale Lösung ist, kann m i=1 y i nicht kleiner gemacht werden Beispiel 536 Gegeben sei ein LOP mit z = f(x) = x 1 + x min x 1 + x 2 2x 3 1, x 1 + x 2 x 3 2, x 3 x 1, x 1 0, x

103 54 Ermittlung eines ersten Simplextableaus Durch Einführen der Schlupfvariablen x 4, x 5, x 6 und Multiplikation der ersten und zweiten Gleichung mit 1 ergibt sich die NLO Das Hilfsproblem lautet dann z = x 1 + x min x 1 x 2 + 2x 3 + x 4 = 1, (Z) + x 1 x 2 + x 3 + x 5 = 2, (G) x 1 + x 3 x 6 = 0, x i 0 für i = 1,,6 h = y 1 + y 2 + y 3 min y 1 = x 1 x 2 + 2x 3 + x 4 + 1, y 2 = x 1 x 2 + x 3 + x 5 + 2, y 3 = x 1 + x 3 x 6, (NN) (ZH) (GH) x i 0 für i = 1,,6, y j 0 für i = 1,2,3 (NNH) Das zugehörige Simplex-Tableau des Hilfsproblems hat dann unter Einbeziehung der z- Zeile die Form x 1 x 2 x 3 x 4 x 5 x 6 1 y y y h z Entsprechend (SR 1 ) (bezüglich der h-zeile) kann τ = 6 als Pivotspalte gewählt werden Nach (SR 2 ) ergibt sich σ = 3 und somit der Austausch y 3 x 6 Ergänzen der Kellerzeile ergibt das Tableau: x 1 x 2 x 3 x 4 x 5 x 6 1 y y y h z K Durch AVS nach (SR 3 ) folgt: x 1 x 2 x 3 x 4 x 5 1 y y x h z

104 5 Lineare Optimierung Entsprechend (SR 1 ) (bezüglich der h-zeile) muss τ = 2 als Pivotspalte gewählt werden Nach (SR 2 ) ergibt sich σ = 1 und somit der Austausch y 1 x 2 Ergänzen der Kellerzeile ergibt das Tableau: Durch AVS nach (SR 3 ) folgt: x 1 x 2 x 3 x 4 x 5 1 y y x h z K x 1 x 3 x 4 x 5 1 x y x h z Entsprechend (SR 1 ) (bezüglich der h-zeile) wird τ = 3 als Pivotspalte gewählt werden Nach (SR 2 ) ergibt sich σ = 2 und somit der Austausch y 2 x 4 Ergänzen der Kellerzeile ergibt das Tableau: x 1 x 3 x 4 x 5 1 x y x h z K Durch AVS nach (SR 3 ) folgt: x 1 x 3 x 5 1 x x x h z Das Verfahren bricht mit h min = 0 ab Durch Streichen der h-zeile erhalten wir ein Simplextableau zur originalen NLO Dieses Simplextableau ist sogar bereits entscheidbar: Es liegt ein optimales Simplextableau mit x 1 = 0, x 2 = 2, x 3 = 0, x 4 = 1, x 5 = 0, x 6 = 0 und z min = 5 vor 104

105 6 Vektorräume und Komplexe Zahlen 61 Vektorräume Vektorräume sind in gewisser Weise Verallgemeinerungen der Zahlenmengen So gibt es in einem Vektorraum eine Addition mit Eigenschaften analog der für die reellen Zahlen Außerdem kann man Vektoren durch die Multiplikation mit reellen Zahlen stauchen oder dehnen Eine Multiplikation mit den von den reellen Zahlen gewohnten Eigenschaften gibt es jedoch im allgemeinen nicht Daher werden verschiedene Arten von Ersatz-Multiplikationen (Zahlen mit Vektoren oder Vektoren mit Vektoren) betrachtet Vektoren erlauben vielfältige innermathematische Anwendungen wie in der Geometrie oder Analysis, sowie auch außermathematische Anwendungen z B in der Mechanik Je nach Anwendung haben sie unterschiedliche Formen Ziel dieses Abschnittes ist einerseits die Wiederholung von Begriffen, welche von der Schule her bekannt sein sollten, und eine allgemeinere Einordnung 611 Zahlenkörper Seien K eine Menge mit einer Addition + und die Multiplikation mit folgenden Eigenschaften: x,y K: x + y = y + x (Kommutativgesetze) x,y K: x y = y x x,y, z K: x + (y + z) = (x + y) + z (Assoziativgesetze) x,y, z K: x (y z) = (x y) z x,y, z K: x (y + z) = x y + x z (Distributivgesetz) x K: x + 0 = x, 1 x = x (neutrale Elemente 0 bzw 1 x K: =1 x K: x + ( x) = 0 (additiv inverse Zahl) x K \ {0} =1 x 1 K: x 1 x = 1) (multiplikativ inverse Zahl) Definition 61 Eine Menge K mit Operationen + und und Elementen 0 1 und obigen Gesetzen heißt (Zahlen-) Körper Bemerkung 62 Die Menge N der natürlichen Zahlen und die Menge der ganzen Zahlen Z bilden mit der üblichen Addition und Multiplikation keinen Zahlenkörper, da Inverse Elemente zu Addition bzw Multiplikation fehlen 105

106 6 Vektorräume und Komplexe Zahlen Beispiel 63 Die Menge Q der rationalen Zahlen p q mit p, q Z, q 0 ausgestatter mit der üblichen Addition und der üblichen Multiplikation bildet einen Zahlenkörper, wobei rationale Zahlen p q und r s genau dann als gleich gelten, wenn ps = qr gilt, p q = r s ps = qr, rationale Zahlen p q und r s addiert werden, indem beide Zahlen auf den gemeinsamen Hauptnenner gebarcht werden und dann die Zähler addiert werden, p q + r s = ps qs + qr ps + qr =, qs qs rationale Zahlen p q und r s addiert werden, indem Zähler und Nenner multipliziert werden, p q r s = pr qs Beispiel 64 Die Menge R der reellen Zahlen ausgestattet mit der üblichen Addition und der üblichen Multiplikation bildet einen Zahlenkörper, wobei mir den uns hier in der Vorlesung zur Verfügung stehenden Mitteln weder definiert werden kann, was reelle Zahlen sind, noch wie sie addiert oder multipliziert werden (Reelle Zahlen werden als Äquivalenzklassen von Intervallschachtelungen, als Dedekind-Schnitte, als Äquivalenzklassen von Cauchy-Folgen eingeführt Die Einführung reeller Zahlen als Dezimalbrüche mangelt daran, dass Dezimalbrüche als formale Reihen betrachtet werden müssten und es sehr kompliziert ist, für diese Addition und Multiplikation zu definieren) Beispiel 65 Sei M = {0, 1} mit folgender Addition und Multiplikation: = 0, = 1, = 1, = 0, 0 0 = 0, 0 1 = 0, 1 0 = 0, 1 1 = 1 Wir erhalten den zweielementigen Zahlenkörper F 2 Beispiel 66 Die Menge R n der reellen n-tupel bildet für n > 1 zusammen mit der üblichen komponentenweisen Addition keinen Zahlenkörper, da eine geeignete Multiplikation fehlt: Zum Skalarprodukt fehlen Inverse, das Vektorprodukt im R 3 ist nicht kommutativ Beispiel 67 Die Menge R n n der n-reihigen Matrizen bildet für n > 1 zusammen mit der üblichen Matrizenaddition und -multiplikation keinen Zahlenkörper: Die Muliplikation ist nicht kommutativ und es mangelt an der Existenz inverser Matrizen 612 Vektorraum R n Sei n N >0 Wir betrachten die Menge R n := X n i=1r = } R {{ R } = {(x 1,,x n ) x i R} n mal 106

107 61 Vektorräume der reellen n-tupel In R n definiert man die Addition von Elementen x = (x 1,,x n ), y = (y 1,,y n ) und die Multiplikation mit einem Skalar (reeller Zahl) λ R durch x + y := (x 1 + y 1,,x n + y n ) und λ x := (λx 1,,λx n ) x + y heißt Summe von x und y, λx heißt Vielfaches, konkret λ-faches von x Insbesondere betrachtet man die Räume R 2 und R 3 der Paare bzw Tripel reeller Zahlen zur Beschreibung von Punkten in der Ebene oder im (drei-dimensionalen) Raum Algebraische Eigenschaften: Seien 0 := (0,,0) (Null), x := ( x 1,, x n ) (entgegengesetztes Element) Dann gelten (für x,y, z R n,λ, µ R): x + y = y + x, (x + y) + z = x + (y + z), (61) λ (x + y) = λ x + λ y, (λ + µ) x = λ x + µ x, λ(µ x) = (λµ) x, (62) x + 0 = x, x + ( x) = 0, 0 x = 0, 1 x = x, ( 1) x = x (63) Wir setzen: x y := x + ( y) = (x 1 y 1,,x n y n ) Schreibweise: Wir schreiben ein n-tupel (x 1,,x n ) auch als so genannten Spaltenvektor Beachte den Unterschied zum Zeilenvektor (ohne Kommas!): (x 1,,x n ) = x 1 x n für n>1 (x 1 x n ) Spezielle Vektoren sind der Nullvektor 0 = (0,,0) und die i-ten Einheitsvektoren e i := (0,,0,1,0,,0), bei denen genau an der i-ten Stelle eine 1 steht Ist dann x = (x 1,,x n ) ein Vektor aus R n, so kann man ihn als x = x 1 e 1 + x 2 e x n e n = n x i e i, i=1 107

108 6 Vektorräume und Komplexe Zahlen d h, als eine Linearkombination der e i darstellen Außerdem ist (e 1,,e n ) minimal in folgendem Sinne: keiner der Vektoren e i lässt sich als Linearkombination der übrigen Einheitsvektoren darstellen (e 1,,e n ) heißt kanonische Basis und x 1,,x n heißen die Koordinaten von x bezüglich der kanonischen Basis 613 Allgemeine Vektorräume Definition 68 Sei K ein Körper Eine Menge V mit einer Addition + und einer Multiplikation mit Zahlen aus K heißt Vektorraum, wenn genau ein Nullvektor 0 V und für jedes x V genau ein additives Inverses (entgegengesetzter Vektor) x V existieren, so dass (61), (62), (63) für alle x,y, z V, λ, µ K gelten Die Elemente eines Vektorraumes heißen Vektoren Bemerkung 69 Ein Vektorraum ist also eine algebraische Struktur, in der Summe und Vielfaches mit vernünftigen Eigenschaften definiert sind Beispiele von Vektorräumen: 1 Der Raum R n der reellen n-tupel ist ein Vektorraum über dem Körper R, siehe oben 2 Wir betrachten die Menge R m n der reellen m n-matrizen mit üblicher Summe und üblichen reellen Vielfachen Dann ist auch R m n ein Vektorraum 3 Wir betrachten die Lösungsmenge L R eines linearen, homogenen Gleichungssystems mit reellen Koeffizienten Dann ist L ein reeller Vektorraum 4 Wir betrachten die Lösungsmenge L Q eines linearen, homogenen Gleichungssystems mit rationalen Koeffizienten Dann ist L ein rationaler Vektorraum 5 Wir betrachten die Menge F aller Funktionen f : R R Für f,g F definieren wir Summe und Vielfaches durch (f + g)(x) := f(x) + g(x), (λf)(x) := λf(x) (x R) Damit bildet F einen Vektorraum über R 108

109 61 Vektorräume Definition 610 Seien n Vektoren b 1,, b n in einem Vektorraum V über K gegeben Das n-tupel (b 1,,b n ) heißt linear unabhängig, wenn der Nullvektor 0 nur trivial als Linearkombination der b i darstellbar ist: λ 1 b λ n b n = 0 λ 1 = = λ n = 0 Das n-tupel (b 1,,b n ) heißt vollständig, wenn jeder Vektor v V als Linearkombination der b i darstellbar ist: v V x 1,,x n K: v = x 1 b 1 + x 2 b x n b n (64) Ein linear unabhängiges und vollständiges n-tupel (b 1,,b n ) heißt Basis von V Bemerkung 611 Die Darstellung (64) bezüglich (b 1,,b n ) ist eindeutig Definition 612 Ist (b 1,,b n ) eine Basis, so heißt V ein n-dimensionaler Vektorraum Die Zahlen x 1,,x n (in dieser Reihenfolge) in (64) heißen die Koordinaten von v bezüglich der Basis (b 1,,b n ) Der Vektor (x 1,,x n ) R n in (64) heißt Koordinatenvektor von v bezüglich dieser Basis Existiert also eine Basis (b 1,,b n ), so entspricht jedem Vektor v V genau ein Koordinatenvektor x R n und umgekehrt, wobei V v = x 1 b 1 + x 2 b x n b n (x 1,,x n ) = x R n Außerdem entsprechen sich Addition und Multiplikation mit Skalar in V und R n Bemerkung 613 Anstelle eines n-dimensionalen Vektorraumes V über R kann stets der isomorphe Vektorraum R n der n-tupel betrachtet werden 614 Skalarprodukt und Norm Definition 614 Für Vektoren x,y R n definieren wir das euklidische Skalarprodukt n x,y := x 1 y x n y n = x i y i = x y i=1 109

110 6 Vektorräume und Komplexe Zahlen Das Skalarprodukt ordnet Vektoren x,y R n eine reelle Zahl zu und hat folgende Eigenschaften (α, β R, x,y, z R n ): Offensichtlich gilt x, y = y, x (Symmetrie) x,αy + βz = α x,y + β x,z (Bilinearität) x,x 0, x,x = 0 x = 0 (positive Definitheit) x i = x,e i für i = 1,,n (65) Definition 615 Eine Abbildung, : V V R, (v,w) v,w heißt Skalarprodukt in V, wenn (65) für alle α, β R und alle x,y V gilt Andere Bezeichnungen: v w, (v w), (v,w) Definition 616 Die Zahl x := x,x = x x2 n heißt (euklidischer) Betrag, Länge oder euklidische Norm von x Die Länge hat folgende Eigenschaften (λ R, x,y R n ): x 0, x = 0 x = 0 (positive Definitheit) λx = λ x (Homogenität) x + y x + y (Dreiecksungleichung) (66) Definition 617 Der Vektorraum (R n,+, ) ausgestattet mit der Länge heißt euklidischer Raum Definition 618 Eine Abbildung : V R, v v heißt Norm in V, wenn (66) entsprechend für alle λ R und alle x,y V gilt Definition 619 v V heißt normiert oder Einheitsvektor, wenn v = 1 Bemerkung 620 Wenn, ein Skalarprodukt in V ist, dann ist durch v := v,v für v V eine Norm in V definiert 110

111 61 Vektorräume Es gilt die Cauchy-Schwarz-Bunjakowski-Ungleichung v,w v w für alle v,w V Sei (b 1,,b n ) eine Basis in V und seien v,w V mit v = n x i b i, w = i=1 n y i b i i=1 Dann gilt v,w = n n g ij x i y j mit g ij := b i,b j i=1 j=1 Definition 621 Zwei Vektoren a, b V heißen orthogonal zueinander, wenn gilt a,b = 0 Wenn b i,b i = 1, b i,b j = 0 für i j, dann sind die Vektoren b 1,, b n normiert und paarweise orthogonal (d h, orthonormal) und es gilt g ii = 1 und g ij = 0 für i j Daher gilt dann n v,w = x i y i i=1 Bemerkung 622 Die Einheitsvektoren e 1,, e n in R n sind orthonormal bezüglich des euklidischen Skalarproduktes Definition 623 Für zwei Vektoren v,w V \ {0} eines euklidischen Raumes V wird der Winkel (v, w) [0, π] definiert durch cos (v,w) = v,w v w Bemerkung 624 Durch obige Defintion wird der Winkelbegriff vom Zweidimensionalen her verallgemeinert und ist nun auch allgemein in euklidischen Vektorräumen verfügbar Bemerkung 625 Zwei Vektoren v, w V \{0} sind genau dann orthogonal zueinander (d h v,w = 0), wenn der Winkel zwischen ihnen π 2 (also 90 ) ist 111

112 6 Vektorräume und Komplexe Zahlen 615 Analytische Geometrie Aus der Schule sollte die Anwendung des R 2 und des R 3 für die analytische Geometrie, Grundaufgaben der analytischen Geometrie und deren Lösung bekannt sein: Darstellungen von Geraden und Ebenen, Orthogonalprojektion, Schnittpunkte von Geraden und Ebenen, Winkel zwischen Geraden und Ebenen, Lotfußpunkte und Lotgeraden Zum Skalarprodukt kommen im R 3 noch Kreuzprodukt und Spatprodukt hinzu Für eine ausführlichere Darstellung der analytischen Geometrie wird auf andere Vorlesungen bzw Bücher verwiesen 62 Komplexe Zahlen Ziel ist, die Menge R 2 so mit einer Addition + und einer Multiplikation auszustatten, dass ein Zahlenkörper entsteht Wenn dies geht, so können wir mit Punkten in der Ebene R 2 richtig rechnen im Unterschied zur Vektorrechnung, bei der eine Division fehlt 621 Körper der komplexen Zahlen Wir verwenden für den R 2 die schon bekannte Addition (a,b) + (c,d) := (a + c,b + d) (67) Sie erfüllt alle an sie forderten Eigenschaften für einen Zahlenkörper Beispiel 626 Es seien z 1 = (2, 1), z 2 = (1,3) Dann gelten z 1 + z 2 =(2, 1) + (1,3) = (3,2), z 1 z 2 =(2, 1) (1,3) = (1, 4) Benötigt wird noch Multiplikation im R 2, d h, wir haben (a,b) (c,d) so zu definieren, dass wieder ein Element des R 2 entsteht, und so, dass das Produkt vernünftige Eigenschaften hat (Kommutativgesetz, Assoziativgesetz, Distributivgesetz, Existenz von neutralem Element und von inversen Elementen) 112

113 62 Komplexe Zahlen Insbesondere wollen wir ein Paar (x,0) R 2 mit der reellen Zahl x R identifizieren: (x,0) = x für x R Außerdem soll die Multiplikation mit einer reellen Zahl die schon vom R 2 bekannten Eigenschaften haben Damit sind schon festgelegt: 0 = (0,0) als Null und 1 = (1,0) als Eins, (a,0) (c,d) = (ac, ad) und somit (a,b) (c,d) = (a,0) (c,d) + (0,b) (c,d) = (a,0) (c,0) + (a,0) (0,d) + (0,b) (c,0) + (0,b) (0,d) = ac(1,0) 2 + ad(1,0)(0,1) + bc(1,0)(0,1) + bd(0,1) 2 = ac(1,0) + (bc + ad)(0,1) + bd(0,1) 2 = (ac, ad + bc) + bd(0,1) 2 Offen ist somit nur noch die geeignete Definition von (0,1) 2 Potentielle (einfachste) Elemente wären (0,0), (1,0), (0,1), ( 1,0), (0, 1), (1,1), ( 1, 1), wovon aber nur ( 1, 0) die gewünschten Eigenschaften hat: Setzen wir (0,1) 2 := ( 1,0) = 1, so haben wir die Multiplikation vollständig definiert durch (a,b) (c,d) := (ac bd,ad + bc) (68) Die so definierte Multiplikation hat vernünftige Eigenschaften: Sie genügt dem Kommutativ- und dem Assoziativgesetz Gemeinsam mit der Addition genügt sie dem Distributivgesetz 0 = (0,0) und 1 = (1,0) sind die neutralen Elemente bezüglich Addition bzw Multiplikation 113

114 6 Vektorräume und Komplexe Zahlen Für jedes (a,b) (0,0) gilt ( ) a b (a,b) a 2 + b 2, a 2 + b 2 = (1,0) = 1, wenn (a,b) 0, genauer: Für (a,b) (0,0) gibt es genau ein (c,d) mit (a,b) (c,d) = 1 Beispiel 627 Es seien z 1 = (2, 1), z 2 = (1,3) Dann gelten z 1 z 2 =(2 1 ( 1) (3),2 3 + ( 1) 1) = (5,5), ( ) ( 1 2 ( 1) 2 = z ( 1) 2, ( 1) 2 = 5, 1 ) 5 Satz 628 Die Menge R 2 zusammen mit der Addition + und der Multiplikation entsprechend (67) und (68) bildet einen Zahlenkörper Definition 629 Die Menge R 2 zusammen mit der Addition + und der Multiplikation entsprechend (67) und (68) heißt Körper der komplexen Zahlen C Die Elemente von C heißen komplexe Zahlen C 622 Algebraische Darstellung komplexer Zahlen Bemerkung 630 C ist ein zweidimensionaler Vektorraum über R mit der Basis (e 1,e 2 ) = ((1,0),(0,1)), d h, für jede komplexe Zahl (x,y) gilt (x,y) = x (1,0) + y (0,1) = x e 1 + y e 2 (69) y e 2 (x, y) = x e 1 + y e 2 e 2 e 1 x e 1 Wir können uns daher die Elemente von C auch als Punkte in der Ebene vorstellen, nachdem wir einen Nullpunkt und zwei aufeinander senkrecht stehende Koordinatenachsen ausgewählt haben: Die waagerechte Achse gehört zum Basisvektor e 1 = (1,0), d h, zu den reellen Zahlen, die vertikale Achse gehört zum Basisvektor e 2 = (0,1) Komplexe Zahlen können auch 114

115 62 Komplexe Zahlen als Zeiger (Ortsvektoren) in der Ebene, Gaußsche Zahlenebene genannt, interpretiert werden Bemerkung 631 Addition der komplexen Zahlen (a, b) und (c, d) heißt Verschiebung des Punktes (a,b) um den Vektor (c,d) in den Punkt (a + c,b + d) Wir haben schon 1 = e 1 = (1,0) Wir setzen i := e 2 = (0,1) Wegen (69) haben wir damit (x,y) = x + iy yi (x, y) = x + yi i 1 x Wir können uns daher nun die Elemente von C als Punkte in der Ebene vorstellen, nachdem wir einen Nullpunkt und zwei aufeinander senkrecht stehende Koordinatenachsen ausgewählt haben: Die waagerechte, reelle Achse gehört zum Basisvektor 1 = (1,0), d h, zu den reellen Zahlen, die vertikale, imaginäre Achse gehört zum Basisvektor i = (0, 1) Definition 632 Für eine komplexe Zahl z = x + yi nennen wir y := Re(z) den Realteil und x := Im(z) den Imaginärteil von z Für die Multiplikation gilt nun (a + bi)(c + di) = ac bd + (ad + bc)i Beispiel 633 Es gelten (2 + 3i) (3 4i) = ( 4) + (2 ( 4) + 3 3)i = 18 + i, (0 + 1i) (0 + 1i) = ( )i = 1 Insbesondere haben wir 115

116 6 Vektorräume und Komplexe Zahlen i 2 = i i = 1 = ( i) ( i) = ( i) 2 Damit hat die Gleichung x 2 = 1 in C zwei Lösungen! Da C ein Zahlenkörper ist, kann man mit komplexen Zahlen im Sinne von Addition und Subtraktion, Multiplikation und Division genau so rechnen wie mit reellen Zahlen Beachtet man i 2 = 1, so wird einfach ausmultipliziert Beispiel 634 Es gelten (2 + 3i) (3 4i) = ( 4i) + 3i3 + 3i ( 4i) = 6 8i + 9i 12i 2 = i, (3 + 4i)(2 i) = 6 3i + 8i 4i 2 = i Definition 635 Die komplexen Zahlen z = x + iy und z := x iy, die gleichen Realteil und zueinander negativen Imaginärteil haben, heißen komplex konjugiert zueinander z = x + iy x y z + z z = x iy Bemerkung 636 Das Konjugieren einer komplexen Zahl z = x + iy zu z := x iy ist das Spiegeln des Punktes (x, y) an der reellen Achse Bemerkung 637 Das Produkt zweier zueinander konjugiert komplexer Zahlen ist eine reelle Zahl: z z = (x + iy) (x iy) = x 2 + ixy ixy i 2 y 2 = x 2 + y 2 Dies wird ausgenutzt zum Reellmachen des Nenners und zur Division komplexer Zahlen: a + ib c + id = a + ib c + id c id ac + bd + (bc ad)i = c id c 2 + d 2 = Beispiel 638 Es gilt ac + bd bc ad c d2 c 2 + d 2 i 3 + 4i 2 i = 3 + 4i 2 i 2 + i 6 + 3i + 8i + 4i2 = 2 + i 4 + 2i 2i i 2 = i = i 116

117 62 Komplexe Zahlen Für Elemente des R 2 kennen wir schon den Betrag Definition 639 Für eine komplexe Zahl z = x+iy wird der Betrag einer komplexen Zahl z definiert durch z := x + iy = x 2 + y 2 = zz Wir notieren noch die folgenden Rechenregeln: z 1 z 2 = z 1 z 2, z 1 + z 2 = z 1 + z 2, z = z, z z = z 2 z = z, z 1 z 2 = z 1 z 2, z 1 + z 2 z 1 + z 2, Re(z) = 1 2 (z + z), Im(z) = 1 2i (z z) Beachte: Die letzten beiden Formeln lassen sich in der Gaußschen Zahlenebene gut verstehen Zu einer komplexen Zahl z erhält man die komplex Konjugierte nämlich (nach Definition) einfach durch Spiegelung an der reellen Achse Insbesondere gelten auch z 1 = z z z = 1 z 2z, w z = w z z 2, Beispiel 640 Es seien z 1 = 2 i, z 2 = 1 + 3i, vergleiche die Beispiele 626, 627 Dann gelten z 1 + z 2 = 3 + 2i, z 1 z 2 = 1 4i, z 1 = 2 + i, z 2 = 1 3i, z 1 = ( 1) 2 = 5, z 2 = = 10, z 1 z 2 = 2 + 6i i + 3 = 5 + 5i z 1 (2 i)(1 3i) = z 2 10 = 1 7i 10 = 2 6i i 3 10 = i Bemerkung 641 Im Unterschied zu den reellen Zahlen haben wir keine Ordnungsrelation mit den vom Reellen bekannten Eigenschaften 623 Polardarstellung Betrachtet man eine komplexe Zahl z 0 als Zeiger in der komplexen Zahlenebene, so kann z offenbar auch in folgender Form dargestellt werden: z = z cos ϕ + i z sin ϕ = z (cos ϕ + isinϕ), wobei ϕ = arg(z) ein Winkel sei, den der Zeiger mit der reellen Achse bildet 117

118 6 Vektorräume und Komplexe Zahlen yi i (x, y) = x + yi r ϕ 1 x Dieser Winkel wird Argument von z genannt Üblicherweise wird für eine eindeutige Darstellung der Hauptwert des Winkels im Intervall ] π,π] gesucht, d h, Arg(z) ] π,π] Für z = x + iy setzen wir Arg(z) := ϕ mit cos ϕ = x z wenn z 0 Weiter sei Arg(0) := 0 und { 0 ϕ π, falls y 0 π < ϕ < 0, falls y < 0 }, Zusammengefasst haben wir die eindeutige trigonometrische Form oder Polardarstellung einer komplexen Zahl z mit z = z (cos Arg(z) + i sinarg(z)), wobei sich ein beliebiges Argument ϕ von z von Arg(z) nur durch Vielfache von 2π unterscheidet 624 Komplexe Sinus-, Cosinus- und Exponential-Funktionen Ein Vorteil der komplexen Zahlen besteht darin, dass man bestimmte reelle Funktionen unter Erhaltung ihrer wichtigsten Eigenschaften auf C erweitern kann Außer den (natürlichen) Potenzfunktionen und damit den Polynomen sind dies die Exponential- und Hyperbelfunktionen sowie die trigonometrischen Funktionen: exp: C C, sin: C C, exp z := e z := e Re(z) (cos Im(z) + i sinim(z)), sin z := 1 ( e iz e iz), cos: C C, cos z := 1 ( e iz + e iz), 2i 2 sinh: C C, sinhz := 1 2 ( e z e z), cosh: C C, cosh z := 1 2 ( e z + e z) Diese Funktionen erfüllen die aus dem Reellen bekannten Additionstheoreme Insbesondere gelten 118

119 62 Komplexe Zahlen e z 1+z 2 = e z 1 e z 2, e z = 1 e z, enz = (e z ) n Für z = iy mit y R erhalten wir die Euler-Formel bzw Moivre-Formel e iy = cos y + isiny, e iny = (cos y + isiny) n = cos ny + isinny Die Moivre-Formel ermöglicht zum Beispiel die Berechnung von cos 3ϕ: cos 3ϕ = Re (cos ϕ + isinϕ) 3 = Re ( cos 3 ϕ + 3 cos 2 ϕ isinϕ + 3 cos ϕ i 2 sin 2 ϕ + i 3 sin 3 ϕ ) = cos 3 ϕ 3 cos ϕ sin 2 ϕ 625 Exponential-Darstellung Aus der Polardarstellung z = z (cos Arg(z) + i sinarg(z)) und der Euler-Formel erhalten wir nun die Exponentialdarstellung z = z e iarg(z) Die komplexen Zahlen z und w werden multipliziert, indem ihre Beträge multipliziert und ihre Argumente addiert werden: z w = z e iarg(z) w e iarg(w) = z w e i(arg(z)+arg(w)) Bemerkung 642 Multiplikation der komplexen Zahlen z und w heißt also Dehnen des Vektors z = (x,y) um den Betrag w und Drehen um den Nullpunkt um den Winkel Arg(w) Bemerkung 643 Die Multiplikation mit der komplexen Zahlen e iϕ ist das Drehen um den Nullpunkt mit dem Winkel ϕ Zwei komplexe Zahlen z und w 0 werden dividiert, indem ihre Beträge dividiert und ihre Argumente subtrahiert werden: z w = z eiarg(z) z = w eiarg(w) w ei(arg(z) Arg(w)) 119

120 6 Vektorräume und Komplexe Zahlen Eine komplexe Zahl z wird potenziert, indem ihr Betrag potenziert und ihr Argument vervielfacht wird: ( z n = z e iarg(z)) n = z n e inarg(z) Beispiel 644 Wegen 1 + i = 2e i π 4 und i 1 = 2e i3π 4 gilt ( ) (1 + i) 5 (i 1) 7 = 2e i π 5 ( 4 2e i 3 π) 7 ( ) 12 4 = 2 e i(5 π +7 3 π) 4 4 = 2 6 e i26 4 π = 64 e i(6π+1 2 π) = 64e i π 2 = 64i Bemerkung 645 Während die algebraische Darstellung sehr gut geeignet ist für die Addition und Subtraktion, ist die Exponentialdarstellung besser geeignet für Multiplikation, Division und Potenzierung 626 Komplexe Faktorisierung eines Polynoms Wir betrachten eine quadratische Gleichung im Fall D = p2 4 Seien x 2 + px + q = 0 (610) q < 0, d h, in dem Fall, indem keine reelle Lösung existiert x 1 := p 2 i D, x 2 := p 2 + i D Dann gilt (x x 1 )(x x 2 ) = ( [x + p ) ( 2 ] i D [x + p ) 2 ] + i D = (x + p 2 )2 i 2 ( D) = x 2 + px + p2 4 p2 4 + q = x 2 + px + q Damit sind obige x 1 und x 2 komplexe Lösungen der Gleichung (610) im Falle p2 4 q < 0 Insbesondere hat also jede quadratische Gleichung (610) mit reellen Koeffizienten genau zwei Lösungen Man kann zeigen: Satz 646 (Fundamentalsatz der Algebra) Lässt man auch komplexe Nullstellen zu, so besitzt jedes Polynom eine Faktorisierung nur in Linearfaktoren Insbesondere hat jedes Polynom n-ten Grades, n 1, genau n komplexe Nullstellen, wenn mehrfache Nullstellen entsprechend oft gezählt werden Beispiel 647 x = (x + i)(x i) 120

121 62 Komplexe Zahlen 627 n-te Wurzeln in C Wir suchen die (reellen und) komplexen Nullstellen des Polynoms f(x) = x n 1, also die Wurzeln der Gleichung x n = 1 Nach dem Fundamentalsatz der Algebra wissen wir, dass f genau n komplexe Nullstellen besitzt (Vielfachheiten mitgezählt) Über die Exponentialdarstellung können wir unmittelbar n Lösungen der Gleichung angeben Wegen e ik 2π = 1 für beliebiges k Z sind (die voneinander verschiedenen komplexen Zahlen) x k := e i k n 2π, k = 0,1,2,,n 1 genau n Lösungen der Gleichung, mithin die n komplexen Nullstellen von f(x) = x n 1 Wir erweitern die Überlegung auf die Gleichung z n = a, mit a C vorgegeben Sei etwa a = a e iarg(a) Dann sind die Zahlen n a e i Arg(a)+2kπ n, k = 0,1,2,,n 1 genau die n Wurzeln (Lösungen) der Gleichung z n = a Damit können wir Gleichungen der Form in C lösen (z a) n + b = 0 a,b C, n N >0 Beispiel 648 Wir bestimmen alle Lösungen der Gleichung (z 2i) 3 64 = 0 in algebraischer Form: Mit w = z 2i haben wir w 3 = 64 und damit w 1 = 4, w 2 = 4e 2π 3 i = i, w 3 = 4e 2π 3 i = 2 2 3i bzw Somit sind [ w k = 4 cos 2kπ ] 2kπ + isin, k = 0,1,2 3 3 die gesuchten Lösungen z 1 = 4 + 2i, z 2 = 2 + 2( 3 + 1)i, z 3 = 2 2( 3 1)i Beispiel 649 Wir bestimmen alle Lösungen der Gleichung (z 2) = 0 für z C in algebraischer Form: Sei w = z 2 Dann gilt w = 3 8 = 2 und arg w = 1 3 arg( 8) + 2kπ 3 = π 3 + 2kπ 3, 121

122 6 Vektorräume und Komplexe Zahlen woraus folgt z 0 = cos π 3 + i 2 sin π = i 2, z 1 = cos( π 3 + 2π 3 ) + i 2 sin( π 3 + 2π 3 ) = 2 2 2, z 2 = cos( π 3 + 4π 3 ) + i 2 sin( π 3 + 4π 3 ) = i Geometrische Anwendungen Da C bzw R 2 mit der geometrischen Ebene identifiziert werden kann, können wir die geometrischen Anwendungen der Vektoranalysis wie Projektion, Schnitt von Geraden, Lot auf eine Gerade und Winkel zwischen Geraden auch mit Hilfe der komplexen Zahlen durchführen Wir müssen hierzu nur noch z,w = Re z Re w + Im z Im w = Re(zw) = Re(zw) für das (reelle) Skalarprodukt der Vektoren z, w und det(z,w) = Re z Im w Im z Re w = Im(zw) für die Determinante der Vektoren z, w bemerken Hinzu kommen aber zusätzliche Anwendungen, die sich aus der Anwendung der Multiplikation und des komplex Konjugiertem ergeben Beispiel 650 Eine Gerade g durch die Punkte z 0 und z 1 gegeben durch g = {z 0 + t (z 1 z 0 ) t R} Eine Gerade g durch den Punkt z 0 in Richtung r ist gegeben durch g = {z 0 + t r t R} = {z C z,ri = z 0,ri } = {z C Re(z ri) = Re(z 0 ri)} = {z C Im(z r) = Im(z 0 r)} Lemma 651 Es seien g und h zwei Geraden durch die Punkte a C und b C mit den Richtungen p C bzw q C 1 Wenn p, qi = 0 gilt (d h wenn Im(p q) = 0 gilt), dann sind g und h parallel 2 Wenn p, qi 0 gilt, dann sind g und h nicht parallel und ihr Schnittpunkt s ist gegeben durch a,qi p b, pi q Im(a q p Im(b p)q s = = p, qi Im(p q 122

123 62 Komplexe Zahlen Beispiel 652 Eine Kreislinie K mit Radius R und Mittelpunkt z 0 ist gegeben durch K = {z C z z 0 = R} Mit z = x + iy, z 0 = x 0 + iy 0 entspricht dies {(x,y) R 2 : (x x 0 ) 2 + (y y 0 ) 2 = R 2 } Der Schnitt eines Kreises mit einer Geraden führt zu einer quadratischen Gleichung für eine reelle Unbekannte Beispiel 653 Die obere Halbebene ist gegeben durch Die rechte Halbebene ist gegeben durch {z Imz 0} {z Rez 0} Beispiel 654 Die Menge {z z + 2 i > 2} stellt das Äußere eines Kreises um 2 + i mit dem Radius 2 dar Multiplizieren wir eine komplexe Zahl z mit e iϕ, ϕ R, so wird ϕ zum Argument von z addiert, der Betrag ändert sich aber nicht: ze iϕ = ze iarg(z) e iϕ = z e i(arg(z)+ϕ = z cos(arg(z) + ϕ) + i sin(arg(z) + ϕ) = z cos 2 (Arg(z) + ϕ) + sin 2 (Arg(z) + ϕ) = z Die Multiplikation mit e iϕ bewirkt also eine Drehung um 0 mit dem Winkel ϕ Die Multiplikation mit e iπ/2 = i ist also eine Drehung um 0 mit dem Winkel 90 Betrachten wir nun die Spiegelung an der reellen Achse Diese ist durch gegeben z = Rez + iimz Rez iimz = z Als dritte elementare Kongruenztransformation fehlt uns nur noch die Verschiebung um a in Richtung e iarg(a) : z z + a Eine beliebige Kongruenztransformation in der Ebene setzt sich stets aus Drehung um 0, Spiegelung an der reellen Achse und Verschiebung zusammen 123

124 6 Vektorräume und Komplexe Zahlen Beispiel 655 Eine Spiegelung an einer Geraden g = {a + te iα t R}, α R durch den Punkt a erhält man in folgender Weise: Zuerst verschieben wir die Gerade g so, dass ihr Bild durch den Nullpunkt verläuft, z z a, dann drehen wir um den Winkel α, so dass das Bild der Gerade nun mit der reellen Achse zusammenfällt, z ze iα, dann wird an der reellen Achse gespiegelt, z z, und schließlich wieder zurück gedreht und zurück verschoben: z ze iα, z z + a Insgesamt erhalten wir durch Verkettung dieser fünf Abbildungen die Spiegelung an g durch z (z a)e iα e iα + a = (z a) e iα e iα + a = (z a)e 2iα + a Bemerkung 656 Im Unterschied zur analytischen Geometrie haben wir hier zusätzliche Möglichkeiten z B durch Verwendung der Division, der Multiplikation mit e iϕ zur Drehung um ϕ, der Spiegelung an der reellen Achse (durch komplexes Konjugieren) und durch Verwendung n-ter Einheitswurzeln zur Konstruktion von regulären n-ecken Andererseits kann dies so nur auf ebene Geometrie angewandt werden Bemerkung 657 Komplexe Zahlen finden außer in der ebenen Geometrie und bei Nullstellen von Polynomen weitere Anwendungen in Algebra und Analysis, die in vielen Fällen die Theorie durch Nutzung komplexer Zahlen einfacher wird 124

125 Teil 2 125

126

127 7 Grenzwerte und Stetigkeit 71 Zahlenfolgen 711 Grundbegriffe Definition 71 Eine Funktion f : D(f) N R heißt reelle Zahlenfolge Wenn D(f) endlich ist, heißt f endliche Zahlenfolge, andernfalls heißt f unendliche Zahlenfolge Bemerkung 72 1 Durch eine Folge f : D(f) N R wird jeder natürlichen Zahl n D(f) ein Folgenglied f(n) R zugeordnet 2 Man kann auch komplexe Zahlenfolgen betrachten 3 Anstelle von f(n) schreibt man auch f n, d h f n := f(n) Das Argument n wird auch (Folgen)-Index genannt 4 Typischerweise betrachten wir (unendliche) Folgen f mit D(f) = N n0 und speziell D(f) = N bei n 0 = 0 Anstelle von f : N n0 R und (f n ) n D(f) schreibt man dann auch (f n ) n n0 5 Da Folgen Funktionen sind, können Folgen wie Funktionen beschrieben werden, z B durch explizite Angabe aller Paare (n, f n ), n N n0 Hinzu kommt hier noch die rekursive Definition einer Folge Beispiel 73 Beachte die unterschiedlichen Schreibweisen! (i) f : N R oder (f n ) n N mit f n = n + 1, für n 0 (ii) f : N R oder (f n ) n N mit f 0 = 1 und f n = 1 n, für n 1 ( ) (iii) f : N 2 R oder (f n ) n N 2 mit f n = ( 1) n 5 n für n 2 n 2 1 (iv) Fibonacci-Folge f : N R oder (f n ) n N, welche rekursiv definiert wird durch f 0 = 1, f 1 = 1 und f n = f n 1 + f n 2 für n 2 127

128 7 Grenzwerte und Stetigkeit Bemerkung 74 Ohne Beschränkung der Allgemeinheit kann man eine Folge (a n ) n N n0 stets auf eine Folge (b n ) n N zurückführen: b n := a n0 +n für n 0 Viele Eigenschaften werden daher der Einfachheit halber nur für Folgen (a n ) n N formuliert 712 Spezielle Folgen Arithmetische Folgen (f n ) n N sind Folgen mit der Bildungsvorschrift f n = a + n d für n N mit vorgegebenen Startwert a R und vorgegebenem Zuwachs d R Rekursive Definition: f 0 = a, f n+1 = f n + d für n N Geometrische Folgen (f n ) n N sind Folgen mit der Bildungsvorschrift f n = a q n für n N mit vorgegebenen Startwert a R und vorgegebenem Faktor q R \ {0} Rekursive Definition: f 0 = a, f n+1 = qf n für n N Beispiel 75 Sparschwein Zum Anfangszeitpunkt sei das Kapital k 0 vorhanden Wöchentlich werde ein fester Geldbetrag g in das Sparschwein eingeworfen Nach einer Woche Jahr hat man damit k 1 = k 0 + g, nach zwei Wochen k 2 = k 1 + g = k 0 + 2g, allgemein beträgt das Kapital nach n Wochen k n = k 0 + ng Das Kapital in Abhängigkeit von der Sparzeit verhält sich hier wie eine arithmetische Folge Beispiel 76 Verzinsung eines Kapitals Zum Anfangszeitpunkt sei das Kapital k 0 vorhanden Jährlich werde mit dem Zinssatz p verzinst Nach einem Jahr hat man damit k 1 = k 0 + k 0 p = k 0 (1 + p), nach zwei Jahren k 2 = k 1 + k 1 p = k 1 (1 + p) = k 0 (1 + p) 2, 128

129 71 Zahlenfolgen allgemein beträgt das Kapital nach n Jahren k n = k 0 (1 + p) n Das Kapital in Abhängigkeit von der Sparzeit verhält sich hier wie eine geometrische Folge 713 Rekursive Definition und lineare Differenzengleichungen Beispiel 77 (Cobweb-Modell) Ein Gut werde zu diskreten Zeitpunkten n N zu möglicherweise verschiedenen Preisen p n gehandelt Wir treffen folgende Annahmen: Das Angebot y A n zum Zeitpunkt n ist abhängig vom alten Preis p n 1 und gegeben durch y A n = ap n 1 b, a, b > 0 Die Nachfrage y N n zum Zeitpunkt n ist abhängig vom aktuellen Preis p n und ist gegeben durch y N n = c dp n, c, d > 0 Zu jedem Zeitpunkt n stellt sich ein Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage ein, d h es gilt y A n = y N n Durch Einsetzen folgt ap n 1 b = c dp n, also nach Umformen p n = b + c d a d p n 1 (71) Wir erhalten so eine Rekursionsformel für die Folge (p n ) n N der Preise Offenbar benötigen wir zur Bestimmung der Preisfolge noch den Anfangspreis p 0 Gleichung (71) ist Spezialfall einer Gleichung der Form f n = α n f n 1 + β n (72) oder f n f n 1 = γ n f n 1 + β n (73) mit reellen Folgen (α n ) n N, (β n ) n N und γ n = α n 1 129

130 7 Grenzwerte und Stetigkeit Definition 78 Die Gleichungen (72) bzw 73 heißen lineare Rekursionsgleichung bzw lineare Differenzengleichung erster Ordnung Wenn β n = 0 für alle n, so heißen (72) bzw (73) homogen, andernfalls inhomogen Eine Folge (ϕ n ) n N heißt Lösung von (72) bzw (73), wenn ϕ n = α n ϕ n 1 + β n für alle n N gilt Sie genügt der Anfangsbedingung wenn ϕ 0 = a gilt f 0 = a, (74) Satz 79 (Lösungsstruktur) a) Für jede Lösung ϕ der inhomogenen Gleichung (72) und jede Lösung ψ der homogenen Gleichung f n = α n f n 1 (75) ist ϕ + ψ = (ϕ n + ψ n ) n N eine Lösung der inhomogenen Gleichung (72) b) Für je zwei Lösungen ϕ, ψ der inhomogenen Gleichung (72) ist ϕ ψ = (ϕ n ψ n ) n N eine Lösung der homogenen Gleichung (75) c) Die Lösungen der homogenen Gleichung (75) bilden einen Vektorraum der Dimension 1 d) Die Lösung ϕ zur Gleichung (72) mit der Anfangsbedingung (74) ist gegeben durch n 1 ϕ n = a α i + i=0 n 1 n 1 β j α i j=0 i=j+1, wobei k α i = 1, i=m k δ i = 0 für k < m i=m Beispiel 710 Wir setzen Beispiel 77 fort Nach Satz 79 und mit folgen α n = a d, ( p n = p 0 a ) n 1 n b + c + d d j=0 = b + c ( a + d + a ) ( n p 0 b + c d a + d β n = b + c d ( a k ( = p0 d) a ) n b + c + d d ) 1 (a/d)n 1 + (a/d) und weiter y A n = y N n = ac bd ( a + d d a ) ( n p 0 b + c ) d a + d Wie verhält sich nun p n in Abhängigkeit vom Anfangswert p 0 und den Parameterwerten a, b, c und d? 130

131 71 Zahlenfolgen Wenn p 0 = b+c a+d gilt, dann ergibt sich p n = b+c a+d für alle n N Preise, Angebot und Nachfrage bleiben konstant Wenn p 0 b+c a+d und a = d gelten, dann gilt p n = p 0 für gerades n und p n = p b+c a+d für ungerades n Der Preis (und damit auch Angebot und Nachfrage) wechselt zwischen zwei Werten periodisch hin und her Wenn p 0 b+c a+d und a > d gelten, dann werden die Preise mit geradem Index immer größer und die mit ungeradem Index immer kleiner bis ein Preis negativ wird und spätestens damit unser Modell nicht mehr realistisch ist Was passiert bei p 0 b+c a+d und a < d? Diese Frage werden wir später beantworten Bemerkung 711 Viele weitere, einfache Modelle in der Wirtschaft führen auf lineare Differenzengleichungen erster Ordnung, welche mit Satz 79 vollständig behandelbar sind Kompliziertere Modelle führen auf lineare Differenzengleichungen höherer Ordnung oder gar auf nichtlineare Differenzengleichungen Dies werden wir hier nicht behandeln Andere Modelle mit kontinuierlicher Zeit führen zu Differentialgleichungen, zu denen später einige Ausführungen kommen werden Konvergenz von Folgen Wir betrachten die Folge (a n ) n N 1 mit a n = 1 n und den Abstand a n 0 der Folgenglieder zu 0 Es gilt a n 0 = a n = 1 für n 1 n Damit wird dieser Abstand immer kleiner Er wird auch kleiner als jede beliebige positive Zahl ε Sei nämlich ε > 0 gegeben Dann gilt a n < ε 1 n < ε n > 1 ε Nun gibt es zu jeder reellen Zahl r stets eine natürliche Zahl n > r Angewandt auf unser Problem gibt es eine Zahl N N mit N > 1 ε und damit gilt hier auch n > 1 ε für n N Damit haben wir a n = 1 n 1 N < ε für n N Offensichtlich hängt N von der Wahl von ε ab Diese Tatsache, dass der Betrag a n beliebig klein wird, wenn wir nur Indizes n ab einem bestimmten Index betrachten formulieren wir nun allgemein: Definition 712 Eine reelle Folge a = (a n ) n D(a) strebt gegen 0 oder konvergiert gegen 0 oder ist eine Nullfolge, wenn es zu beliebiger Genauigkeitsgrenze ε > 0 immer einen Folgenindex N(ε) gibt, so dass die Beträge der Folgenglieder kleiner als ε sind für alle Indizes größer oder gleich N(ε), ε > 0 N N n D(a): n N = a n < ε 131

132 7 Grenzwerte und Stetigkeit Beispiel 713 Die Folge (a n ) n 1 mit a n = 1 n ist also eine spezielle Nullfolge Durch den folgenden Satz bekommt man weitere Beispiele für Nullfolgen Satz 714 (Vergleichskriterium) Seien (a n ) n N, (b n ) n N zwei Folgen Ist b eine reelle Nullfolge und gibt es einen Index N mit so ist auch a eine Nullfolge Beispiel a n b n für n N, 1 Die Folge (a n ) n 1 mit a n = 1 für n 1 ist eine Nullfolge, da 0 1 n 2 n 1 2 n für n 1 2 Die Folge (a n ) n 1 mit a n = ( 1)n n für n 1 ist eine Nullfolge, da 0 ( 1) n 1 n = 1 n für n 1 3 Die Folge (a n ) n N mit a n = n 2 für n 0 ist eine Nullfolge wegen 0 n n 2 1 n n für n 3 über vollständige Induktion!) Es sind nicht nur Nullfolgen von Interesse Definition 716 Sei a eine reelle Zahl Eine reelle Folge (a n ) n D(a) strebt gegen a oder konvergiert gegen a, wenn die Folge (b n ) n D(a) mit b n := a n a eine Nullfolge ist, ε > 0 N N n D(a) : n N = a n a < ε Die Zahl a heißt dann Grenzwert der Folge a Besitzt eine Folge einen Grenzwert so heißt sie konvergent, andernfalls divergent Bemerkung Um die Konvergenz einer Folge entsprechend der Definition nachweisen zu können, braucht man zuerst eine Zahl a, die Grenzwert sein könnte 2 Eine Folge (a n ) n D(a) kann nur höchstens einen Grenzwert haben: Seien a ã zwei Grenzwerte Für ε = 1 2 a ã gibt es nun N und Ñ mit a n a < ε für n N und a n ã < ε für n Ñ Damit gilt mit Hilfe der Dreiecksungleichung a ã a a n + a n ã < 2ε für n max{n, Ñ} Wegen 2ε = a ã ist dies aber ein Widerspruch zu a ã 3 Wenn ein Grenzwert a einer Folge a = (a n ) n N existiert, ist er also eindeutig bestimmt Wir schreiben daher auch a = lima = lim n a n oder a n a für n 132

133 71 Zahlenfolgen Beispiel a n = n 1 n (n 1) strebt gegen a = 1: Es gilt a n 1 = n 1 1 n = n 1 n n = 1 n = 1 n Mit Satz 714 folgt die Behauptung 2 a n = 2n2 n 2 +1 (n 1) strebt gegen a = 2: Es gilt 2n 2 n = 2n 2 2(n 2 + 1) n = 2 n n Mit Satz 714 folgt die Behauptung für n 1 für n 1 Weitere Konvergenzkriterien von Folgen liefert der folgende Satz Dafür brauchen wir noch einige Bezeichnungen Definition 719 Eine Folge a = (a n ) n N heißt beschränkt, wenn ein K R existiert, so dass a n K für alle n N gilt Eine reelle Folge a = (a n ) n N heißt monoton, wenn a 0 a 1 a 2 a n (monoton wachsend) oder a 0 a 1 a 2 a n (monoton fallend) Satz 720 (i) (Notwendiges Kriterium) Jede konvergente Folge ist beschränkt (ii) Jede beschränkte, monotone reelle Folge konvergiert (iii) Das Produkt einer beschränkten Folge mit einer Nullfolge ist eine Nullfolge (iv) (Cauchy-Kriterium) Eine reelle Folge (a n ) n D(a) konvergiert genau dann, wenn ε > 0 N N n, m D(a): n, m N = a n a m < ε Beispiel 721 Wir zeigen die Konvergenz der Folge (y n ) n N 1 mit ( y n = 1 + n) 1 n+1 Wir zeigen dazu zuerst, dass y monoton fällt: ( ) n ( ) n y n 1+1 n 1 n 1 n 1 n 2n+1 = ( ) y n n+1 = ( n+1 ) n+1 = (n 1) n (n + 1) n+1 n n (n 1)n 2n+2 ( ) = n [(n 1)(n + 1)] n+1 = n 1 n 2 n+1 n n 2 = n 1 1 n > n 1 n = 1, ( ) (n + 1) n 2 1 = n 1 n ( n 1 ) = n 1 n ( ) n+1 n 2 1 n n 1 133

134 7 Grenzwerte und Stetigkeit das heißt y n < y n 1 für alle n 2 Da y n 1 für alle n 1, ist y beschränkt und damit konvergent gegen eine reelle Zahl y 715 Rechnen mit Grenzwerten Aus der Definition des Grenzwertes können nun folgende Rechengesetze abgeleitet werden, die das Rechnen mit Grenzwerten (bzw mit konvergenten Folgen) enorm erleichtern Satz 722 Seien (a n ) n D und (b n ) n D konvergente Folgen und sei c R Dann gilt: (i) (a n + b n ) n D konvergiert und lim (a n ± b n ) = lim a n ± lim b n n ( n ) ( n ) (ii) (a n b n ) n D konvergiert und lim (a n b n ) = lim a n lim b n n n n (iii) (ca n ) n D konvergiert und lim (c a n) = c lim a n n n (iv) Wenn lima 0 und wenn a n 0 für n n 0, so konvergiert die Folge c = ( 1 a n ) n D n0 und es gilt lim c 1 n = n lim n a n Bemerkung 723 Es kann nicht rückwärts auf die Konvergenz von a oder b geschlossen werden: Zum Beispiel folgt aus der Konvergenz von (a n + b n ) n D nicht die Konvergenz von a oder b (Betrachte zum Beispiel eine divergente Folge a und b = a) Beispiel 724 Wir setzen Beispiel 710 fort und betrachten mit a,b, c, d > 0, p 0 b+c a+d ( ) b + c a + d n N konstante Folgen und (( a ) n ) d Im Fall p 0 b+c a+d p n = b + c ( a + d + a ) ( n p 0 b + c ) d a + d und a < d Dann sind n N und lim p b + c n = lim n n a + d + lim n b + c = lim n = b + c a + d + 0 ( p 0 b + c ) a + d n n N ist eine Nullfolge Es gilt somit ( ( a d ( a + d + lim a n lim n d) n ( p 0 b + c ) = b + c a + d a + d ) ( n p 0 b + c a + d )) ( p 0 b + c a + d und a < d stabilisiert sich der Preis im Coweb-Modell also auf b+c a+d ) 134

135 72 Zahlenreihen Beispiel ( lim n n) = lim 1 + lim 1 ) n n ( n = = 1 2 Wir betrachten die Folge (x n ) n N 1 mit x n = ( n) n 1 Offensichtlich gilt x n = y n mit y 1+ 1 n = ( n+1 n) Der erste Faktor konvergiert gegen n ein y R (Beispiel 721), der zweite gegen 1 Damit konvergiert auch x auch gegen y Achtung: Es gilt ( lim n n n) ( lim n ( n)) n = 1 Definition 726 Der Grenzwert der Folge (( ) n ) n wird Eulersche Zahl genannt n N 1 und mit e bezeichnet: ( e := lim n n n) 72 Zahlenreihen 721 Bezeichnungen Eine wichtige Spezialform von Folgen sind (unendliche) (Zahlen-)Reihen Definition 727 Sei (a n ) n N eine Zahlenfolge Dann heißt s n mit s n = n-te Partialsumme der Folge a, und die Folge (s n ) n N heißt Partialsummenfolge der Folge a Bezeichung: Die Partialsummenfolge ( n i=0 a i) n N zur Folge (a n ) n N wird auch als unendliche Reihe zur Folge (a n ) n N bezeichnet: n i=0 a i ( n ) a i := a i i=0 i=0 n N (76) Bemerkung 728 i=0 a i ist also eine Bezeichung für die Folge der Partialsummen s n 135

136 7 Grenzwerte und Stetigkeit Bemerkung 729 Jede Zahlenfolge (s n ) n N ist auch eine Partialsummenfolge zu einer Folge (a n ) n N : Setze a 0 = s 0 und a n = s n s n 1 für n 1 Wie bei Folgen kann man hier die Frage stellen, ob eine Partialsummenfolge konvergiert Bemerkung 730 Eine unendliche Reihe i=0 a n konvergiert also genau dann wenn die Folge der Partialsummen ( n i=0 a i) n N konvergiert (da beides die gleichen Objekte sind!) Bezeichung: Falls die unendliche Reihe i=0 a i konvergiert, so wird ihr Grenzwert auch Summe genannt und mit i=0 a i bezeichnet: i=0 a i := lim n n a i (77) i=0 Bemerkung 731 Je nach Zusammenhang bezeichnet i=0 a i also die Folge der Partialsummen, wie in (76), oder ihren Grenzwert, wie in (77) So bezieht sich die Aufgabe Untersuche die Konvergenz von i=0 a i! auf die Folge der Partialsummen, die Aufgabe Bestimme i=0 a i! auf den Grenzwert 722 Allgemeine Konvergenzkriterien Da Reihen Folgen sind, kann man die Konvergenzkriterien von Folgen auf Reihen übertragen Satz 732 (Cauchy-Konvergenzkriterium für Reihen) Die Reihe i=0 a i konvergiert genau dann, wenn ε > 0 N N m,n N : m n N = m a i < ε (78) i=n Beweis Für die Partialsummen s n gilt m s n s m = a i i=n+1 Folgerung 733 (Notwendige Bedingung) Ist i=0 a i konvergent, dann a n 0 für n Beweis Wähle m = n in (78) 136

137 72 Zahlenreihen Bemerkung 734 Die Konvergenz a n 0 für n ist nicht hinreichend für die Konvergenz! Betrachte z B i=0 a i mit a 0 = 0, a n = 1 n für n > 0, dh, i=1 1 i Dann gilt a n 0, aber auch s n = > n = n 1 2 n n Satz 735 Eine Reihe mit nichtnegativen Summanden konvergiert genau dann, wenn die Folge der Partialsummen beschränkt ist Satz 736 Seien i=0 a i und i=0 b i konvergente Reihen Dann gelten: 1 i=0 (a i + b i ) = i=0 a i + i=0 b i 2 i=0 (ca i) = c i=0 (a i) für c R Satz 737 Wenn man in einer Reihe eine beliebige endliche Anzahl von Gliedern weglässt, ersetzt oder beifügt, dann bleibt ihre Konvergenz (oder Divergenz) erhalten Spezielle Reihen Die folgenden Reihen treten häufig auf und sind von spezieller Bedeutung für Vergleichskriterien Definition 738 Sei q R Dann heißt n=0 qn geometrische Reihe Lemma 739 Die geometrische Reihe n=0 qn konvergiert genau dann, wenn q < 1 gilt Für q < 1 gilt q n = 1 1 q n=0 Beweis a) Sei q < 1 Dann gilt für s n = n i=0 qi d h, (1 q)s n = (1 q)(1 + q + q q n ) = 1 + q + q q n q q 2 q n+1 = 1 q n+1, s n = 1 qn+1 1 q = 1 1 q qn+1 1 q 1 1 q für n b) Sei q 1 Dann gilt q i = q i 1, d h, (q i ) i=1 ist keine Nullfolge Nach Folgerung 733 kann die Reihe also nicht konvergieren 137

138 7 Grenzwerte und Stetigkeit Definition 740 Sei α > 0 Dann heißt n=1 1 n α harmonische Reihe Offenbar ist die notwendige Bedingung wegen 1 n α 0 stets erfüllt Lemma 741 Die harmonische Reihe n=1 1 n α konvergiert genau dann, wenn α > 1 gilt Anstelle eines vollständigen Beweises betrachten wir nur die folgenden Beispiele: Beispiel Wir betrachten den Spezialfall α = 1, d h, 1 n Dann gilt s 2 m = ( ) n=1 ( ( ) ) + 1 }{{}}{{} >2 1 4 =1 > =1 2 > 1 2 m für m n=1 ( + + Damit ist die Folge der Partialsummen (bestimmt) divergent 1 N 2 Es gilt n 2 = lim 1 N n 2 = π2 6 n=1 1 2 m ) 2 }{{ m } >2 m m = 1 2 Definition 743 Sei a: N R 0 eine Folge in R 0 Dann heißen ( 1) n a n n=0 und ( 1) n+1 a n n=0 alternierende Reihen Satz 744 (Leibniz-Kriterium für alternierende Reihen) Wenn a: N R 0 eine monoton fallende Nullfolge in R 0 ist, dann konvergieren n=0 ( 1)n a n und n=0 ( 1)n+1 a n und für ihre Summe s gilt ( 1) i a i = s 2n+1 a 2n+1 s s 2n = 2n+1 i=0 2n i=0 ( 1) i a i beziehungsweise 2n ( 1) i+1 a i = s 2n s s 2n+1 = 2n+1 i=0 i=0 ( 1) i+1 a i 138

139 72 Zahlenreihen Damit ist die Summe einer alternierenden Reihe durch die n-te Partialsumme bis auf einen Fehler von höchstens a n bestimmt Beispiel 745 Wir betrachten a 0 = 0 und a n = 1 n für n N >0 und damit die Reihe ( 1) n+1 1 n n=1 Da a n 0, konvergiert die Reihe nach dem Leibnizkriterium Weiter haben wir die Abschätzungen Man kann zeigen: = = 7 12 ( 1) n+1 1 n = n=1 ( 1) n+1 1 n = ln 2 n=1 Bemerkung 746 Wichtig für die Konvergenz einer alternierenden Reihe ist, dass die Summanden eine monotone Nullfolge bilden! 724 Quotienten- und Wurzelkriterium Auf den Vergleich mit der geometrischen Reihe basieren die beiden folgenden Kriterien Als Spezialfall enthalten sie Konvergenzaussagen für positive Reihen Satz 747 (Cauchysches Wurzelkriterium) Sei a: N R eine reelle Folge 1 Wenn ein q < 1 und ein N N existieren mit n an q für alle n N, dann konvergieren die Reihen n=1 a n und n=1 a n 2 Existiert ein N N mit n an 1 für alle n N, dann divergieren die Reihen n=1 a n und n=1 a n Beispiel 748 Betrachte ( n 1 1 n Damit konvergiert die Reihe ( n=1 1 1 (n n) 2 ) Dann gilt ) (n 2 ) ( = 1 1 n ) n 1 = ( ) n e < 1 n 1 139

140 7 Grenzwerte und Stetigkeit Satz 749 (D Alambertsches Quotientenkriterium) Sei a: N R eine reelle Folge mit a n 0 für n N Dann gilt: 1 Wenn ein q < 1 und ein N N existieren mit a n+1 a n q für alle n N, dann konvergieren die Reihen n=1 a n und n=1 a n 2 Existiert ein N N mit a n+1 a n 1 für alle n N, dann divergieren die Reihen n=1 a n und n=1 a n Beispiel 750 Betrachte die Reihe n=0 xn n! für fixiertes x R Mit a n = xn n! und folgt die Konvergenz a n+1 a n = x n+1 (n + 1)! x n n! = x n < 1 Bemerkung Man kann zeigen: Wenn eine Reihe nach dem Quotientenkriterium konvergiert, so konvergiert sie auch nach dem Wurzelkriterium Umgekehrt gibt es Reihen, die nach dem Wurzelkriterium konvergieren, deren Konvergenz mit dem Quotientenkriterium aber nicht gezeigt werden kann Man könnte daher meinen, dass das Wurzelkriterium ausreichend ist 2 In der praktischen Rechnung erweist sich das Quotientenkriterium z B als günstig, wenn die Summanden Vielfache von Fakultäten des Indizes sind Das Wurzelkriterium ist meist günstig, wenn die Summanden Potenzen bezüglich des Indizes enthalten 73 Stetigkeit von Funktionen in einem Punkt 731 Definition und Grundeigenschaften Beispiel 752 Wir betrachten eine mechanische Uhr Ziel ist eine möglichst hohe Ganggenauigkeit An einem Rädchen kann die Schwingungsfrequenz variiert werden Der Einstellwinkel des Rädchens ist die Eingangsgrößen, die Abweichung von 24 h nach 24 h ist die Ausgangsgröße Diese Abweichung soll möglichst klein werden Die Frage ist, ob die eingebaute Mechanik dies auch zulässt 140

141 73 Stetigkeit von Funktionen in einem Punkt Wir haben hier eine Menge von Eingangsgrößen (Winkel) X R, eine Menge von Ausgangsgrößen Y R (Abweichung von Sollzeit) und eine Abbildung f : D(f) X Y, welche Eingangsgrößen die entsprechende Ausgangsgröße zuordnet Ziel ist die Ausgangsgröße y 0 (hier mit y 0 = 0), welche zur Eingangsgröße x 0 gehört, y 0 = f(x 0 ) Leider lässt die Mechanik mit Stellrädern nicht zu, dass wir sicher den Solleingang x 0 treffen Wir können nur versuchen, den Eingang x möglichst nahe an x 0 zu bringen, und hoffen, dass der Ausgang f(x) auch nahe am Soll f(x 0 ) = y 0 liegt Wir können uns nun die Frage stellen, ob es zu einer vorgegebenen Genauigkeit ε im Ausgang eine Genauigkeit δ im Eingang gibt, mit der Eigenschaft, wenn der Eingang nicht mehr als δ vom Solleingang abweicht, dann weicht der Ausgang nicht mehr als um ε vom Sollausgang ab Wir können uns dann fragen, ob dies mit verschieden großen Genauigkeiten für den Ausgang geht Schließlich können wir uns fragen, ob dies mit jeder Genauigkeit für den Ausgang geht Da uns dieser Begriff wichtig erscheint, geben wir ihm einen Namen Definition 753 Sei f : D(f) R R und sei x 0 D(f) Wir nennen f stetig in x 0, wenn ε > 0 δ > 0 x D(f) : x x 0 < δ = f(x) f(x 0 ) < ε Andernfalls nennen wir f unstetig in x 0 y y f f a x 0 b x a x 0 b x Funktion, die in x 0 stetig ist Funktion, die in x 0 unstetig ist Die Stetigkeit oder Unstetigkeit wird also nur in Punkten des Definitionsbereiches betrachtet Definition 754 Sei f : D(f) R R und sei x 0 D(f) Wir nennen f linksseitig stetig in x 0, wenn die Einschränkung f D(f) x0 von f auf D(f) x0 = D(f) ],x 0 ] stetig ist Wenn f D(f) x0 stetig ist, nennen wir f rechtsseitig stetig in x 0 Satz 755 Eine Funktion f : D(f) R R ist genau dann stetig in x 0 D(f), wenn f links- und rechtsseitig stetig in x 0 ist 141

142 7 Grenzwerte und Stetigkeit Beispiel Die Funktion f : R R mit f(x) = x, ist in jedem Punkt x 0 R stetig: Sei x 0 R Dann gilt f(x) f(x 0 ) = x x 0 Zu ε > 0 können wir also zum Beispiel δ = ε wählen Beachte: Hier kann δ unabhängig von x 0 gewählt werden 2 Die Funktion f : R R mit f(x) = x 2 ist in jedem Punkt x 0 R stetig: Sei x 0 R Dann gilt f(x) f(x 0 ) = x 2 x 2 0 = x + x 0 x x 0 = x x 0 + 2x 0 x x 0 < (2 x 0 + δ)δ, wenn x x 0 < δ Wir können f(x) f(x 0 ) kleiner als ε machen, indem wir δ mit (2 x 0 + δ)δ < ε wählen, z B, δ < 1 mit δ < ε 2 x 0 +1 Beachte: Hier kann δ nicht unabhängig von x 0 gewählt werden 3 Die Vorzeichen-Funktion sgn: R R mit sgn x = 1 für x < 0, sgn 0 = 0, sgn x = 1 für x > 0 ist stetig in jedem Punkt x 0 0 Sie ist in 0 weder links- noch rechtsseitig stetig und damit in 0 unstetig 4 Die Heaviside-Funktion h: R R mit h(x) = 0 für x 0 und h(x) = 1 für x > 0 ist stetig in jedem Punkt x 0 0 Sie ist in 0 links- aber nicht rechtsseitig stetig und damit in 0 unstetig Satz 757 Sei f : D(f) R R und sei x 0 D(f) Dann ist f in x 0 genau dann stetig, wenn für jede Folge (ξ i ) i N aus D(f) mit x 0 = lim i ξ i auch die Folge (f(ξ i )) i N gegen f(x 0 ) konvergiert: Folge ξ: N D(f) : lim ξ i = x 0 = i lim f(ξ i ) = f(x 0 ) i Bemerkung 758 Satz 757 stellt nur dann eine Forderung, wenn x 0 Häufungspunkt von D(f) ist Dabei ist x 0 ein Häufungspunkt von D(f), wenn für jedes ε > 0 ein x (D(f) ]x 0 ε, x 0 + ε[) \ {x 0 } existiert Ein x 0 D(f), welches kein Häufungspunkt von D(f) ist, heißt isolierter Punkt von D(f) Ein isolierter Punkt ist dadurch charakterisiert, dass es ein ε > 0 gibt mit D(f) ]x 0 ε, x 0 + ε[ = In isolierten Punkten ist eine Funktion stets stetig 142

143 74 Stetige Funktionen und ihre Eigenschaften Der folgende Satz vereinfacht die Untersuchung der Stetigkeit bei zusammengesetzten Funktionen Satz 759 (i) Sind f : D(f) R R und g: D(g) R R in einem Punkt x 0 D(f) D(g) stetig, so gilt dies auch für f + g, α f (α R) und f g Ist g(x 0 ) 0, so ist auch f g stetig in x 0 (ii) Sei f : D(f) R R stetig in x 0 D(f) und sei g: D(g) R R stetig in f(x 0 ) D(g) Dann ist auch g f stetig in x 0 Bemerkung 760 Der Nachweis der Stetigkeit einer Funktion wird häufig so geführt, indem die Stetigkeit direkt anhand der Definition gezeigt wird, siehe Beispiel 756, oder mit Hilfe von Satz 759 von einfacheren Funktionen auf komplizierte vererbt wird Um die Unstetigkeit einer Funktion an einer Stelle zu zeigen, ist die Definition oder Satz 757 hilfreich Bei Satz 757 genügt es nämlich beim Unstetigkeitsnachweis eine geeignete Folge zu finden Beispiel 761 Wir betrachten die Funktion f : R R mit f(0) = 0 und f(x) = sin 1 x für x 0 Dann ist (ξ k ) k N mit ξ k = ( π 2 + 2kπ) 1 für k N eine gegen 0 konvergente Folge Es gilt f(ξ k ) = sin( π 2 + 2kπ) = 1, weswegen f(ξ k) f(0) für k gilt Die Funktion f ist also unstetig in 0 74 Stetige Funktionen und ihre Eigenschaften 741 Stetige Funktionen Viele der bisher betrachteten Funktionen sind in jedem Punkt des Definitionsbereiches stetig Da diese Klasse von Funktionen von besonderem Interesse ist, definieren wir: Definition 762 Sei f : D(f) R R Wir nennen f stetig oder stetige Funktion, wenn f in allen x 0 D(f) stetig ist Für die Zusammensetzung stetiger Funktionen können wir als Folgerung aus Satz 759 den folgenden Satz formulieren: Satz 763 (i) Sind f : D(f) R R und g: D(g) R R stetig, so gilt dies auch für f + g, α f (α R) und f g Gilt zusätzlich g(x) 0 für alle x D(f) D(g) so ist auch f g stetig (ii) Seien f : D(f) R R und g: D(g) R R stetig Dann ist auch g f stetig 143

144 7 Grenzwerte und Stetigkeit 742 Natürliche Potenzfunktionen Definition 764 Die Potenzfunktion pot n zum Exponenten n N ist definiert durch pot n : D(pot n ) = R R, x x n Offenbar ist die konstante Funktion pot 0 stetig auf ganz R Die Identität pot 1 ist nach Beispiel 756 ebenfalls stetig auf ganz R Somit sind pot 0 und pot 1 stetige Funktionen Mit Satz 763 folgt: Satz 765 Die natürlichen Potenzfunktionen pot n : R R, pot n x = x n, mit n N sind stetige Funktionen 743 Polynome 7431 Definition und Stetigkeit Definition 766 Seien n N, a 0,,a n R Dann heißt p: R R mit p(x) = a n x n + a n 1 x n a 1 x + a 0 ein Polynom Gilt a n 0 oder n = 0, so heißt n der Grad des Polynoms Gilt p(x 0 ) = 0, so heißt x 0 eine Nullstelle von p Beispiel 767 f : R R mit f(x) = 2 ist ein Polynom nullten Grades, g: R R mit g(x) = 3x ist ein Polynom zweiten Grades Mit den Sätzen 765 und 763 folgt: Satz 768 Polynome sind stetige Funktionen 7432 Spezielle Eigenschaften von Polynomen Polynome sind in ihrer Darstellung eindeutig: 144

145 74 Stetige Funktionen und ihre Eigenschaften Satz 769 (Eindeutigkeit der Darstellung) Seien f, g: R R Polynome mit f(x) = a 0 + a 1 x + + a n x n, g(x) = b 0 + b 1 x + + b m x n Dann sind die folgenden Aussagen äquivalent: Beide Polynome sind gleich, f = g Beide Polynome stimmen in n + 1 paarweise verschiedenen Stellen überein Die entsprechenden Koeffizienten von f und g stimmen überein, d h, es gilt a i = b i für alle i = 0,,n Die im Satz beschriebene Feststellung der Gleichheit der Koeffizienten beider Polynome nennt man Koeffizientenvergleich Satz 770 (Faktorisierungssatz) Jedes Polynom n-ten Grades, n 1, besitzt eine Darstellung f(x) = (x x 1 ) l1 (x x 2 ) l2 (x x s ) ls g(x), wobei x 1,,x s genau die Nullstellen von f sind, l l s n gilt und g ein nullstellenfreies Polynom vom Grad n (l 1 + l l s ) ist Diese Darstellung ist bis auf Vertauschung der Faktoren eindeutig Bezeichnung: Wir nennen die Faktoren (x x i ), i = 1,,s, die Linearfaktoren des Polynoms Ferner nennen wir l j die Vielfachheit der Nullstelle x j von f Folgerung 771 Jedes Polynom n-ten Grades, n 1, hat höchstens n Nullstellen Folgerung 772 Jedes Polynom ungeraden Grades besitzt mindestens eine Nullstelle Lassen wir auch komplexe Nullstellen zu, so gilt jedoch: Satz 773 (Fundamentalsatz der Algebra) Jedes Polynom n-ten Grades mit n N >0 hat genau n komplexe Nullstellen, wenn diese entsprechend ihrer Vielfachheit gezählt werden Satz 774 (Faktorisierungssatz) Jedes Polynom n-ten Grades, n 1, besitzt eine Darstellung r k r k f(x) = a (x x i ) ri (x 2 + b i x + c i ) k i, r i + 2 k i = n, i=1 i=1 wobei x 1,,x s die reellen Nullstellen von f mit den Vielfachheiten r i sind, und die k quadratischen Polynome zu nichtreellen, konjugiert komplexen Paaren komplexer Nullstellen der Vielfachheiten k i gehören i=1 i=

146 7 Grenzwerte und Stetigkeit 744 Rationale Funktionen Addiert, subtrahiert oder multipliziert man Polynome, so entstehen wieder Polynome Anders ist dies bei der Division Definition 775 Eine Funktion f : D(f) R R heißt gebrochen-rationale Funktion, wenn Polynome p und q existieren, so dass f(x) = p(x) q(x) für x D(f) = R \ {x: q(x) = 0} f heißt echt-gebrochen, wenn der Grad von p kleiner als der Grad von q ist Polynome sind spezielle rationale Funktionen, die mit q(x) = 1 entstehen Beispiel 776 Die Produktionskosten für die Herstellung von x Einheiten eines Gutes seien gegeben durch die Kostenfunktion K : ]0, [ R mit K(x) = ax 2 + bx + c mit a < 0 < b, c R Dann sind die Stückkosten durch die rationale Funktion k: ]0, [ R mit k(x) = ax2 + bx + c x gegeben Fragen, die wir hier nicht beantworten: Vereinfachung des Bruches (Zerlegung in ganzen Anteil und echt gebrochenen Anteil, Kürzen) Nullstellen, Polstellen Zerlegung in Elementarbrüche (Partialbruchzerlegung) Mit den Sätzen 768 und 763 folgt: Satz 777 Rationale Funktionen sind stetige Funktionen Beachte: In den Nullstellen des Nennerpolynoms q ist die rationale Funktion nicht definiert und somit dort weder stetig noch unstetig 146

147 74 Stetige Funktionen und ihre Eigenschaften 745 Potenzreihen Definition 778 Seien a n R, n N und x 0 R Dann heißt die Folge (p n ) n N der Polynome p n : R R mit n p n (x) = a k (x x 0 ) k k=0 eine Potenzreihe um x 0 mit den Koeffizienten a n (Beachte hier wieder 1 = 0 0 ) Die Grenzfunktion P : D(P) R R mit P(x) = a n (x x 0 ) n für x D(P) := {y R: n=0 a n (y x 0 ) n konvergiert} n=0 heißt ebenfalls Potenzreihe oder auch Summe der Potenzreihe Beispiel 779 Eine wichtige Potenzreihe ist z B n=0 1 n! xn Satz 780 Für jede Potenzreihe n=0 a n(x x 0 ) n existiert genau ein ρ R 0 { } mit den folgenden Eigenschaften: 1 Die Potenzreihe konvergiert für alle x R mit x x 0 < ρ 2 Sie divergiert für alle x R mit x > ρ Diese Zahl ρ heißt Konvergenzradius dieser Reihe Er kann mit Hilfe des Quotientenbzw Wurzelkriteriums berechnet werden Definition 781 Eine Funktion f : D(f) R R heißt in eine Potenzreihe entwickelbar, wenn es eine Potenzreihe n=0 a n(x x 0 ) n mir Konvergenzradius ρ > 0 gibt mit D(f) {x R: x x 0 < ρ}, f(x) = a n (x x 0 ) n für x D(f) n=0 Satz 782 Jede in eine Potenzreihe entwickelbare Funktion ist stetig 746 Exponentialfunktion 7461 Definition und elementare Eigenschaften Die Potenzreihe k=0 1 k! xk konvergiert dem Quotientenkriterium für alle x R, hat also den Konvergenzradius ρ = 147

148 7 Grenzwerte und Stetigkeit Definition 783 Die durch exp x := k=0 1 k! xk für x R definierte Funktion exp: R R heißt (natürliche) Exponentialfunktion Nach Satz 782 gilt: Satz 784 Die Exponentialfunktion exp ist stetig Man kann zeigen: Satz Für alle x,y R gilt 2 Für alle x R gilt Insbesondere gilt also exp(x + y) = exp x exp y ( exp x = lim 1 + x n > 0 n n) exp n = e n für n N 3 Die Exponentialfunktion ist streng monoton wachsend mit lim exp x = 0, x lim exp x = x Auf Grundlage von Satz 785 definieren wir e x := expx für x R Bemerkung 786 Mit dem später definierten natürlichen Logarithmus ln kann man auch reelle Potenzen positiver Basen und damit Exponenentialfunktionen mit positiven Basen definieren: exp b x = b x := exp(xlnb) = e x ln b für x R, b > Wachstumsprozesse Heuristik: Zahlreiche Wachstums- oder Abnahmeprozesse für eine zeitabhängige Größe u(t) können innerhalb einer kurzen Zeitspanne t näherungsweise nach dem Gesetz u(t + t) u(t) α u(t) t, u(t + t) (1 + α t) u(t) 148

149 74 Stetige Funktionen und ihre Eigenschaften ( Die Änderung ist in etwa proportional zur Größe und zur Zeitdauer ) beschrieben werden Der Änderungsprozess ist dabei um so genauer, je kleiner t ist Wir nehmen nun an, der Prozess u beginnt zum Zeitpunkt 0 mit dem Wert u 0 Gesucht ist der Wert zum Zeitpunkt T > 0 Um zu kurzen Zeitintervallen zu kommen, teilen wir das Intervall [0,T] in n gleich lange Intervalle [t i 1,t i ] der Länge T n mit Wir erhalten dann näherungsweise t i = i n T u(t 1 ) ( 1 + αt n ) u 0, u(t k ) ( 1 + αt n ) ( u(t k 1 ) = 1 + αt n ) k u 0 und damit u(t) ( 1 + αt n ) n u 0 Die rechte Seite sollte nun den Wert u(t) um so besser beschreiben, je kleiner die Zeitschritte sind, das heißt je größer n ist Man kann nun vermuten, dass T n ( u(t) = u 0 lim 1 + αt n n gilt, falls der Grenzwert auf der rechten Seite existiert Analysis: Nach Satz Beispiel 785 gilt ( lim 1 + αt n n ) n ) n = e αt Damit erhalten wir u(t) = u 0 e αt für unseren Wachstumsprozess, wobei sich die so genannte natürliche Basis e in natürlicher Weise ergeben hat Anwendung: Wachstums- und Abnahmeprozesse kommen in vielfältiger Art vor Einige einfache Prozesse können in obiger Weise beschrieben werden: Alterungs- und Zerfallprozesse (z B Alterung von Farben, radioaktiver Zerfall) Wachstum von Populationen ohne Ressourcenmangel (z B Wachstum von Pilzen) Kapitalverzinsung nicht nur nach vollen Jahren: Ist p der Jahreszinssatz, so wähle α mit e α 1 = p, d h, α = ln(1 + p) Dann könnte das Kapital entsprechend k(t) = e αt k(0) kontinuierlich verzinst werden 149

150 7 Grenzwerte und Stetigkeit 747 Trigonometrische Funktionen Die Potenzreihen k=0 ( 1) k x 2k+1 (2k + 1)!, k=0 ( 1) k x 2k (2k)! haben nach dem Quotientenkriterium den Konvergenzradius ρ = und definieren daher auf R definierte stetige Funktionen sin: R R, sin x = k=0 ( 1) k x 2k+1 (2k + 1)!, cos: R R, cos x = k=0 ( 1) k x 2k (2k)!, Bemerkung 787 Man kann zeigen, dass sin und cos 2π-periodisch sind, die bekannten Additionstheoreme erfüllen und auch die anderen aus der Geometrie bekannten Eigenschaften des Sinus und Cosinus haben Mit den Satz763 folgt: Satz 788 Die Sinus-Funktion sin, die Cosinus-Funktion cos sowie die Tangens-Funktion tan = sin cos cos und Cotangens-Funktion ctn = sin sind stetige Funktionen 748 Weitere stetige Funktionen Die Zusammensetzung (Verkettung) der elementaren Funktionen (Potenzfunktionen, rationale Funktionen, Exponentialfunktion, trigonometrische und hyperbolische Funktionen) durch Addition, Subtraktion, Multiplikation, Division und Komposition führt wieder zu stetigen Funktionen (mit dem sich natürlich ergebenden Definitionsbereich) Beispiel 789 Die Funktion h: R R mit h(x) = e x2 ist als Komposition stetiger Funktionen stetig, da h = g f mit g = exp und f = pot 2 Unstetige Funktionen erhalten wir also nur, wenn wir die Klasse der allein durch Kombination von elementaren Funktionen beschreibbaren Funktionen verlassen, in dem wir sie zum Beispiel, wie bei der Vorzeichenfunktion getan, nur stückweise (d h, jeweils auf endlich vielen Teilintervallen des Definitionsbereiches) durch Kombination elementarer Funktionen beschreiben Bemerkung 790 Es gibt viel mehr unstetige Funktionen als stetige Funktionen Offen ist nun noch die Frage, ob es zu den obigen Funktion oder zumindest für geeignete Einschränkungen auch Umkehrfunktionen gibt und ob diese auch stetig sind 150

151 74 Stetige Funktionen und ihre Eigenschaften 749 Wichtigste Eigenschaften stetiger Funktionen Satz 791 Sei f : D(f) R R stetig und sei [a,b] D(f) ein abgeschlossenes, beschränktes Intervall Dann gilt: (i) f ist auf [a,b] beschränkt, d h es gibt ein K R mit f(x) K für alle x [a,b] (ii) (Existenz von Maximum und Minimum) Es gibt x 1,x 2 [a,b] so, dass f(x 1 ) f(x) f(x 2 ) für alle x [a,b], d h, f nimmt auf [a,b] im Minimierer x 1 ein Minimum, im Maximierer x 2 ein Maximum an Satz 792 (Zwischenwertsatz) Sei f : D(f) R R stetig und [x 1,x 2 ] D(f) mit x 1 x 2 Dann gilt: Zu jedem Wert y zwischen f(x 1 ) und f(x 2 ) gibt es ein x [x 1,x 2 ] mit f(x) = y y x 1 x x 2 Folgerung 793 (Nullstellensatz) Sei f : [a,b] R stetig und x 1,x 2 [a,b] mit f(x 1 ) < 0 < f(x 2 ) Dann gibt es ein x zwischen x 1 und x 2 mit f(x) = 0 Bemerkung 794 Diese Folgerung ist u a Grundlage für das Intervallhalbierungsverfahren zur Nullstellenbestimmung In Verallgemeinerung von Satz 792 gilt: Satz 795 Sei f : D(f) R R stetig und sei M D(f) 1 Wenn M ein Intervall ist, dann ist das Bild f[m] von M unter f wieder ein Intervall 2 Wenn M ein abgeschlossenes, beschränktes Intervall ist, dann ist das Bild f[m] von M unter f wieder ein abgeschlossenes, beschränktes Intervall 151

152 7 Grenzwerte und Stetigkeit Satz 796 (Stetigkeit der inversen Funktion) Seien I,J R Intervalle und sei f : I J streng monoton mit f[i] = J Dann existiert die inverse Funktion f 1 : J I und 1 f 1 ist streng monoton (im gleichen Sinne wie f); 2 f 1 ist stetig Folgerung 797 Die natürliche Exponentialfunktion exp: R R >0 ist invertierbar Ihre Umkehrfunktion ln: R >0 R (natürlicher Logarithmus genannt) ist stetig, streng monoton wachsend mit lim lnx =, lim x 0 lnx =, ln(x y) = lnx + lny für x,y > 0 x Folgerung 798 Die trigonometrischen und hyperbolischen Funktionen sind auf Monotonie-Intervallen stetig invertierbar, d h, die Arcus-Funktionen sind stetig 75 Grenzwerte von Funktionen Wir betrachten nun einen Begriff, der dem Begriff der Stetigkeit ähnlich ist 751 Der Begriff des Grenzwertes Definition 799 Eine Zahl c R heißt Grenzwert der Funktion f in x 0 R, wenn ε > 0 δ > 0 x D(f) : x x 0 < δ = f(x) c < ε Bemerkung Der Grenzwert ist (wenn er existiert) eindeutig 2 Wenn f in x 0 definiert ist, müssen f(x 0 ) und lim x0 f übereinstimmen 3 Die Stelle x 0 muss nicht zum Definitionsbereich von f gehören 4 Obige Definition entspricht der modernen Definition eines Grenzwertes In älterer Literatur findet man noch die Definition des Grenzwertes, bei der Grenzwerte nur in Häufungspunkten x 0 des Definitionsbereiches betrachtet werden, der Funktionswert f(x 0 ), falls er existiert, bei der Grenzwertbildung jedoch nicht betrachtet wird Bezeichnung: lim x0 f oder lim x x 0 f(x), gesprochen: Grenzwert von f an der Stelle x 0 152

153 75 Grenzwerte von Funktionen Satz 7101 (Charakterisierung des Grenzwertes durch Folgen) Eine Funktion f : D(f) R R besitzt in x 0 R den Grenzwert c genau dann, wenn für jede beliebige Folge (ξ n ) n N in D(f) mit ξ n x 0 die Folge (f(ξ n )) n N gegen c konvergiert, Folge ξ: N D(f) : lim ξ i = x 0 = i lim f(ξ i ) = c i Folgerung 7102 Wenn f : D(f) R R in x 0 R einen Grenzwert besitzt, dann gehört x 0 zu D(f) oder x 0 ist ein Häufungspunkt von D(f) Durch Vergleich der Definitionen 753 und 799 ergibt sich: Satz 7103 Die Funktion f : D(f) R R ist stetig in x 0 D(f) genau dann, wenn der Grenzwert lim x0 f von f in x 0 existiert Insbesondere stimmen dann Funktionswert und Grenzwert in x 0 überein, f(x 0 ) = lim x0 f Grenzwerte an Stetigkeitsstellen zu bestimmen ist somit trivial, da es einfach die Funktionswerte sind Ebenso trivial ist die Bestimmung an Unstetigkeitsstellen: Der Grenzwert existiert nicht Nichttrivial ist hingegen die Bestimmung von Grenzwerten an Stellen, die nicht zum Definitionsbereich gehören Definition 7104 Wenn der Grenzwert der Einschränkung f D(f) [x0 von f auf, [ D(f) >x0 := D(f) [x 0, [ existiert, so heißt dieser rechtsseitiger Grenzwert von f in x 0 und wird mit lim f(x) oder lim f(x) bezeichnet, xցx 0 x x 0 +0 lim f(x) = lim f(x) := lim f x x 0 +0 xցx 0 x x D(f)>x0 (x) 0 Entsprechend ist der linksseitige Grenzwert lim f(x) oder lim f(x) definiert als xրx 0 x x 0 0 lim f(x) = lim f(x) := lim f x x 0 0 xրx 0 x x D(f)<x0 (x) 0 Satz 7105 Sei f : D(f) R R und sei x 0 Häufungspunkt von D(f) <x0 und D(f) >x0 Dann existiert der Grenzwert von f in x 0 genau dann, wenn linksseitiger und rechtsseitiger Grenzwert existieren und gleich sind und mit dem Funktionswert von f(x 0 ) übereinstimmen, falls f in x 0 definiert ist Wenn der Grenzwert existiert, dann gilt lim f(x) = lim f(x) = lim f(x) x x 0 xրx 0 xցx 0 153

154 7 Grenzwerte und Stetigkeit 752 Rechnen mit Grenzwerten Zur bequemen Berechnung von Grenzwerten notieren wir wieder einige Rechenregeln, die aus der Definition und den entsprechenden Regeln für Folgen hergeleitet werden Satz 7106 (Rechenregeln für Grenzwerte von Funktionen) Seien f : D(f) R R, g: D(g) R R und sei x 0 ein Häufungspunkt von D(f) D(g) Weiter nehmen wir an, dass lim f(x) und lim g(x) (als endliche Grenzwerte) existieren x x 0 x x 0 Dann gelten: lim (f(x) + g(x)) = lim f(x) + lim g(x), x x 0 x x 0 x x 0 lim (α f(x)) = α lim f(x) für alle α R, x x 0 x x 0 ( ) ( ) lim (f(x) g(x)) = lim f(x) lim g(x), x x 0 x x 0 x x 0 lim x x 0 ( ) f(x) = g(x) lim f(x) x x 0 lim g(x), x x 0 falls lim g(x) 0 x x 0 Satz 7107 (Satz von den zwei Milizionären) Seien f : D(f) R R, g: D(g) R R, h: D(h) R R mit D(h) D(f) D(g) Existiert ein ε > 0 mit f(x) h(x) g(x) für alle x D(h) mit x x 0 < ε, und gilt lim f(x) = lim g(x) = c, so gilt auch lim h(x) = x x 0 x x 0 x x 0 c 753 Beispiele Folgerung 7108 Für jedes Polynom p und jede Stelle x 0 R gilt: lim p(x) = p(x 0 ) x x 0 Beweis Regeln (i) (iii) von Satz 7106 Beispiel 7109 Es gilt lim x 2 ( x 3 ) + 3x + 5 x 2 2x + 1 Dies folgt Folgerung 7108 und Regel (iv) = lim ( x 2 x 3 + 3x + 5 ) lim x 2 (x 2 2x + 1) =

155 75 Grenzwerte von Funktionen Beispiel 7110 Sei f : D(f) R R mit D(f) = R \ {2} und f(x) = x2 + x 6 x 2 Dann gilt wegen der Stetigkeit von Zähler und Nenner in x 0 = 4 x 2 + x 6 lim f(x) = lim = lim x 4(x 2 + x 6) = 14 x 4 x 4 x 2 lim x 4 (x 2) 2 = 7 Dagegen kann der Grenzwert lim x 2 f(x) nicht in ähnlicher Weise berechnet werden, da lim x 2 (x 2) = 0 Sei dazu nun (ξ n ) n N eine beliebige Folge in R \ {2} mit lim n ξ n = 2 Wegen x 2 + x 6 = (x 2)(x + 3) gilt dann lim f(ξ (ξ n 2)(ξ n + 3) n) = lim = lim n n ξ n 2 (ξ n + 3) = 5 n und daher lim f(x) = 5 x 2 Beispiel 7111 Die Funktion f : D(f) R R mit D(f) = R \ {0} und f(x) = sin 1 x ist stetig Der Grenzwert in 0 existiert aber nicht: Seien z B (ξ n ) n N und (η n ) n N mit 1 ξ n = und η 1 (2n+ 1 2 )π n = (2n 1 )π Dann gilt f(ξ n) = 1 und f(η n ) = 1 für n N und daher 2 Beispiel 7112 Wir zeigen Es gilt nämlich Aus folgt damit die Behauptung 1 = lim n f(ξ n) lim n f(η n) = 1 lim x 0 x = x x = 1 x 2 ( x + 1 ) x ( x ) = 1 x lim = 1 = 1 x 0 x Lemma 7113 Es gilt sin x lim x 0 x = 1 = lim x x 0 sin x Beweis Gemäß der Skizze 155

156 7 Grenzwerte und Stetigkeit sin x tanx x cosx 1 gilt bei Betrachtung der Flächeninhalte folgender Zusammenhang: 1 x sin xcos x 2 2π π 1 x tanx cos x 2 sin x 1 cos x Mit Satz 7107 schließen wir aus auf 1 lim cos x = 1 und lim x 0 x 0 cos x = 1 lim x 0 x sin x = 1 = lim sin x x 0 x Lemma 7114 Es gilt cos x 1 lim = 0 x 0 x Beweis Es gilt cos x 1 x = (cos x 1) (cos x + 1) x(cos x + 1) = cos2 x 1 x(cos x + 1) sin 2 x = x(cos x + 1) = sin x x 1 cos x + 1 sin x cos x 1 Mit Lemma 7113 und den Rechenregeln folgt lim = 0 x 0 x 754 Stetige Fortsetzung Eine wichtige Anwendung von Grenzwerten ist die stetige Fortsetzung stetiger Funktionen auf Häufungspunkte des Definitionsbereiches: Satz 7115 (Stetige Fortsetzung) Sei f : D(f) R R und sei x 0 D(f) ein Häufungspunkt von D(f) Existiert der (endliche) Grenzwert lim x x0 f(x), dann ist die Funktion g: D(g) R mit D(g) = D(f) {x 0 } und g(x) = f(x) für x D(f), g(x 0 ) = lim x x0 f(x) stetig 156

157 75 Grenzwerte von Funktionen Beispiel 7116 In Beispiel 7110 hatten wir f : D(f) R R mit D(f) = R \ {2} und betrachtet und f(x) = x2 + x 6 x 2 lim f(x) = 5 x 2 gezeigt Nach Satz 7115 ist die Funktion g: R R mit g(x) = f(x) für x 2 und g(x) = 5 für x = 2 die stetige Fortsetzung von f auf R Beachte, dass g(x) = x + 3 für x R Beispiel 7117 Wir betrachten f : R \ {0} R mit f(x) = sin x x für x 0 Wie in Lemma 7113 gezeigt, gilt sin x lim x 0 x = 1 Damit ist g: R R mit g(x) = sin x x für x 0 und g(0) = 1 nach Satz 7115 die stetige Fortsetzung von f auf R Beispiel 7118 Wie in Beispiel 7111 gezeigt, ist die Funktion f : D(f) R R mit D(f) = R \ {0} und f(x) = sin 1 x zwar stetig, besitzt aber keinen Grenzwert in 0 Sie kann folglich nicht stetig in 0 fortgesetzt werden 157

158 7 Grenzwerte und Stetigkeit 158

159 8 Eindimensionale Differentialrechnung 81 Differenzierbarkeit und lineare Approximation 811 Einführendes Beispiel Vorgegeben sei eine Funktion f : D(f) R R Gesucht ist eine Nullstelle von f Eine Idee zur Bestimmung von Nullstellen besteht nun darin: Ausgehend von einer Näherung x 0 D(f) für eine Nullstelle von f bestimme man ein Polynom p möglichst niedrigen Grades, welches f nahe x 0 in einem geeigneten Sinne gut beschreibt, und bestimme dann Nullstellen von p Zu diesem gut beschreiben gehört zumindest, dass f und p in x 0 übereinstimmen, p(x 0 ) = f(x 0 ) (81) Damit ist ein Polynom p nullten Grades denkbar ungeeignet: Wenn f(x 0 ) 0, dann hat p wegen (81) keine Nullstelle Probieren wir ein Polynom p ersten Grades Wegen (81) müsste es von der Form sein Wenn a 0 gilt, dann ist p(x) = f(x 0 ) + a (x x 0 ) x 1 = x 0 f(x 0) a die Nullstelle von p Offenbar erhalten wir für verschiedene a i A auch verschiedene Nullstellen bis auf x 0 sind bei f(x 0 ) 0 alle anderen reellen Zahlen erzielbar f(x 0 ) f(x 1 ) f p x 1 x 0 159

160 8 Eindimensionale Differentialrechnung Polynome höheren Grades würden uns auch nicht weiterhelfen, da sie noch mehr Freiheitsgrade enthalten Wir sollten also weiter nach einem Polynom ersten Grades suchen, benötigen aber eine sinnvolle Zusatzbedingung, welche uns möglichst das bestmögliche a liefern sollte Eine Idee dazu wäre, neben (81) zu fordern, dass die Differenz f(x) p(x) für x nahe x 0 klein ist Definition 81 Sei k N Ein Polynom p mit heißt Approximation k-ten Grades von f in x 0 f(x) p(x) lim x x 0 x x 0 k = 0 (82) Satz 82 Eine Funktion f : D(f) R R ist genau dann stetig in x 0 D(f), wenn p(x) = f(x 0 ) eine Approximation nullten Grades an f in x 0 ist Für unseren Zweck reicht Approximation 0-ten Grades und daher Stetigkeit nicht aus 812 Lineare Approximation Wir betrachten eine Funktion f : D(f) R R Sei x 0 D(f) Wir suchen nun ein Polynom p höchsten ersten Grades, was f in x 0 ersten Grades approximiert Ein solches Polynom heißt dann eine lineare Approximation an f in x 0 Als Polynom höchstens ersten Grades wäre p von der Form p(x) = b + a (x x 0 ) mit zu bestimmenden a,b R Die Bedingung ist äquivalent mit f(x) p(x) f(x) b a (x x 0 ) lim = lim = 0, (83) x x 0 x x 0 x x 0 x x 0 Für die Existenz des Grenzwertes ist notwendig, dass a = lim x x 0 f(x) b x x 0 (84) lim f(x) = b x x 0 gilt, wegen x 0 D(f) muss also b = f(x 0 ) gelten Folglich muss f in x 0 stetig sein Da die Existenz des Grenzwertes (84) für die lineare Approximation von Bedeutung ist, geben wir dieser Eigenschaft von f eine Bezeichnung 160

161 81 Differenzierbarkeit und lineare Approximation Definition 83 Sei f : D(f) R R Wenn x 0 D(f) ein Häufungspunkt von D(f) ist und wenn der Grenzwert f f(x) f(x 0 ) f(x 0 + h) f(x 0 ) (x 0 ) := lim = lim x x 0 x x 0 h 0 h existiert, so heißt f differenzierbar in x 0 und wir nennen f (x 0 ) die Ableitung von f an der Stelle x 0 Bezeichnungen: f (x 0 ) = Df(x 0 ) = df(x) dx x=x0 = df dx (x 0) = df(x 0) dx Bemerkung 84 1 Die drei letzten Bezeichnungen sind missverständlich und sollten daher weitgehend vermieden werden: Wie das Argument der Funktion bezeichnet wird, ist unerheblich: df(x) dx x=x0 = df(y) dy y=x0 = f (x 0 ) 2 Die Ableitung f (x 0 ) von f in x 0 ist, falls sie existiert, eindeutig 3 Es gibt höchstens eine lineare Approximation von f in x 0 4 Die Ableitung f (x 0 ) beschreibt die Linearisierung von f in x 0 Wie zuvor bei den Grenzwerten kann man auch links- und rechtsseitige Ableitungen D und D + bilden Die Existenz von links- und rechtsseitiger Ableitung und ihre Gleichheit sind äquivalent zur Existenz der Ableitung Beispiel 85 Wir untersuchen f(x) = x an der Stelle x 0 = 0: 0 + h 0 h D + f(x 0 ) = lim = lim hց0 h hց0 h = 1, 0 + h 0 h D f(x 0 ) = lim = lim hր0 h hր0 h = 1 f hat im Punkte x 0 linksseitig und rechtsseitig verschiedene Ableitungen (Steigungen): y f(x) = x x Diese Funktion ist also in 0 stetig aber nicht differenzierbar 161

162 8 Eindimensionale Differentialrechnung Zusammenfassend erhalten wir: Satz 86 Sei x 0 D(f) ein Häufungspunkt von D(f) Dann gelten: 1 Die Stetigkeit von f in x 0 ist notwendig aber nicht hinreichend für die Differenzierbarkeit von f in x 0 2 f ist in x 0 genau dann linear approximierbar, wenn f in x 0 differenzierbar ist 3 Wenn f in x 0 differenzierbar ist mit der Ableitung f (x 0 ), dann ist das Polynom p höchstens ersten Grades mit p(x) = f(x 0 ) + f (x 0 ) (x x 0 ) für x R die lineare Approximation von f in x 0, d h es gilt die Weierstraßsche Zerlegungsformel f(x) = f(x 0 ) + f (x 0 ) (x x 0 ) + r(x) mit lim x x 0 r(x) x x 0 = 0 (85) Definition 87 Sei f im Häufungspunkt x 0 D(f) von D(f) differenzierbar Dann heißt die Gerade t f x 0 = {f (x 0 ) (x x 0 ) + f(x 0 ): x R} die Tangente an den Graphen von f im Punkt (x 0,f(x 0 )) f(x+h) f(x Bemerkung 88 Falls lim 0 ) f(x h 0 h = oder lim 0 +h) f(x 0 ) h 0 h =, dann ist f zwar in x 0 nicht differenzierbar, wir haben aber in diesem Fall eine vertikale Tangente an den Graphen von f in x Das Newton-Verfahren zur Nullstellenbestimmung Gegeben sei ein Funktion f : I R, welche auf einem Intervall I R definiert ist Gesucht ist eine Nullstelle von f, also ein x I mit f(x ) = 0 Es sei x 0 ein gegebener Startwert als Näherung für die gesuchte Stelle Dieser könnte z B mit dem Bisektionsverfahren gefunden worden sein Unter der Voraussetzung, dass f in x 0 differenzierbar sind, bestimmen wir die lineare Approximation an f in x 0, also das Polynom p mit p(x) = f(x 0 ) + f (x 0 ) (x x 0 ) für x R Wenn f (x 0 ) 0 gilt, dann hat p eine eindeutig bestimmte Nullstelle x 1, Dieses Verfahren führe man nun weiter fort: x 1 = x 0 f(x 0) f (x 0 ) Newton-Verfahren: Unter der Voraussetzung, dass x k I, f in x k differenzierbar ist und f (x k ) 0 gilt, bestimme man x k+1 als Nullstelle der linearen Approximation an f in x k, also x k+1 := x k f(x k) f k = 0,1,2,3 (x k ) 162

163 81 Differenzierbarkeit und lineare Approximation Zu klären wäre, ob die Iteriertenfolge (x k ) k N tatsächlich gegen eine Nullstelle von f konvergiert Beispiel 89 Wir betrachten das Polynom f(x) = x 3 + x 2 + 2x + 1 Dieses hat eine Nullstelle in [a,b] = [ 1,0], da f( 1) = 1 und f(0) = 1 gilt Ein erster Schritt der Bisektion liefert x 0 = 05 mit f(x 0 ) = 0125 > 0 Zu erwarten ist also eine Nullstelle im Intervall [ 1, 05] Mit den Schulkenntnissen zur Bestimmung von Ableitungen führen wir einen Schritt des Newton-Verfahrens durch Es gilt und mit x 0 = 05 erhalten wir x 1 = x 0 f(x 0) f (x 0 ) = x 0 x3 0 + x x x x x 1 = mit f(x 1 ) = < 0 und f(x 1 ) < 09 f(x 0 ), wodurch x 1 als bessere Näherung (und x [x 1,x 0 ]) erkannt wird Weitere Schritte über x k+1 = x k f(x k) f (x k ) = x k x3 k + x2 k + 2x k + 1 3x 2 k + 2x k + 2 (k = 0,1,2,) liefern x 2 = , x 3 = x 4 = auf vier Dezimalen und f(x 3 ) = Das Newton-Verfahren liefert hier also bereits nach drei Schritten eine sehr gute Näherung der Nullstelle x 814 Differenzierbarkeit und Wachstum Wir fragen uns hier, ob wir aus der Differenzierbarkeit einer Funktion f : D(f) R R an einer Stelle x 0 D(f) und konkret aus der Ableitung f (x 0 ) schon etwas über das Verhalten von f in der Nähe von x 0 ermitteln können Sei f (x 0 ) 0 Nach Satz 86 gilt f(x) = f(x 0 ) + f (x 0 ) (x x 0 ) + r(x), lim x x 0 r(x) x x 0 = 0 Zu ε = 1 2 f (x 0 ) gibt es ein δ > 0 mit r(x) ε x x 0 für x D(f) mit x x 0 < δ Für f (x 0 ) und x D(f) mit x x 0 < δ gilt folglich f(x) f(x 0 ) + f (x 0 ) (x x 0 ) 1 2 f (x 0 ) (x x 0 ) > f(x 0 ) für x > x 0 163

164 8 Eindimensionale Differentialrechnung Mit den entsprechenden weiteren Beziehungen folgt: Satz 810 Sei f : D(f) R R im inneren Punkt x 0 von D(f) differenzierbar Dann existiert ein δ > 0 mit: a) Wenn f (x 0 ) > 0, dann gilt f(x 1 ) < f(x 0 ) < f(x 2 ) für x 1,x 2 D(f) mit x 0 δ < x 1 < x 0 < x 2 < x 0 + δ b) Wenn f (x 0 ) < 0, dann gilt f(x 1 ) > f(x 0 ) > f(x 2 ) für x 1,x 2 D(f) mit x 0 δ < x 1 < x 0 < x 2 < x 0 + δ 815 Notwendige Bedingung für Extrema Wir wissen bereits, dass stetige Funktionen auf abgeschlossenen, beschränkten Intervallen einen maximalen und einen minimalen Wert annehmen, dh, dass sie ein globales Maximum oder Minimum besitzen Definition 811 Die Funktion f : D(f) R R hat in x 0 D(f) ein lokales Minimum (Maximum), wenn ein ε > 0 existiert mit f(x) f(x 0 ) (f(x) f(x 0 )) für alle x D(f) mit x x 0 < ε Ein lokales Extremum ist ein lokales Minimum oder Maximum Beispiel 812 In der Skizze ist eine Funktion f : [a,b] R dargestellt x 1 ist eine globale Minimalstelle b ist eine globale Maximalstelle a, x 1, x 3 sind lokale Minimalstellen x 2, b sind lokale Maximalstellen x 2 x 3 a x 1 b Der folgende Satz ist eine unmittelbare Folgerung aus Satz 810 Er liefert eine notwendige Bedingung für die Existenz von Extrema Darüberhinaus ist er eine wesentliche Grundlage für viele weitere wichtige Aussagen Satz 813 (Satz von Fermat, Notwendige Bedingung für Extrema) Sei f : D(f) R R im inneren Punkt x 0 von D(f) differenzierbar Dann gilt: f hat in x 0 lokales Extremum f (x 0 ) = 0 Bemerkung 814 Wenn x 0 nicht im Inneren von D(f) liegt, muss die Behauptung nicht gelten! 164

165 82 Berechnung von Ableitungen Beispiel 815 Betrachte z B x x 2 auf [ 1,1] Es liegen lokale Maxima in 1 und 1 vor, aber die Ableitung verschwindet dort nicht Siehe auch a, x 1 und b in obigem Beispiel Wir schließen daraus: Bei einer beliebigen Funktion f : D(f) R sind folgende Punkte Kandidaten für lokale Extremalstellen: Punkte x 0 D(f) in offenen Teilintervallen von D(f), in denen f differenzierbar ist und für die f (x 0 ) = 0 gilt, Punkte x 0 D(f), welche nicht in offenen Teilintervallen von D(f) liegen (insbesondere also die Randpunkte von D(f), Punkte x 0 D(f), in denen f nicht differenzierbar ist Berechnung von Ableitungen 821 Ableitungen spezieller Potenzfunktionen Durch vollständige Induktion in Verbindung mit dem direkten Berechnen des Differentialquotienten unter Verwendung des binomischen Satzes folgt d dx xn = nx n 1 (n 0,x R) Wir betrachten f : R 0 R mit f(x) = x und x 0 > 0 Es gilt f (x 0 ) = lim x 0 x0 + x x 0 x 0 + x x 0 1 = lim x 0 x0 + x + = 1 x 0 2 x 0 und daher d 1 x = dx 2 x (x > 0) Mit der gerade gewonnenen Ableitung für die Wurzelfunktion, zeigen wir nun an einem Beispiel, wie gut die Tangente (d h die lineare Approximation) die Funktion f in der Nähe der Stelle x 0 annähert Beispiel 816 Wir betrachten f(x) = x an der Stelle x 0 = 196 Es gilt f (x 0 ) = 1 2 x 0 = = 1 28 und daher T f 1 196,1 (x) = 14 + (x 196) 28 Wir vergleichen für x = 2 die Werte von f(2) und T f 196,1 (2): f(2) = 2 = , T f 1 196,1 (2) = 14 + (2 196) =

166 8 Eindimensionale Differentialrechnung 822 Linearität, Produkt-, Quotienten und Kettenregel Versuchen wir jetzt, uns mit allgemeingültigen Rechenregeln die Berechnung von Ableitungen zu erleichtern Die folgenden Aussagen folgen leicht aus der Weierstraß-Zerlegungsformel (85) Satz 817 Es seien f : D(f) R R, g: D(g) R R und x D(f) D(g) Häufungspunkt von D(f) D(g) Wenn f und g in x differenzierbar sind, dann gelten: (αf + βg) (x) = αf (x) + βg (x) für alle α, β R, (Linearität) (f g) (x) = f (x)g(x) + f(x)g (x), (Produktregel) ( ) f (x) = f (x)g(x) f(x)g (x) g g(x) 2, falls g(x) 0 (Quotientenregel) Beispiel 818 Für f(x) = 3x 3 4x 2 + 2x 1 und x R gilt f (x) = 3 3x 2 4 2x = 9x 2 8x + 2 Für f(x) = x3 x und x R gilt 1 + x2 ( 3x f 2 1 ) ( 1 + x 2) ( x 3 x ) (0 + 2x) (x) = (1 + x 2 ) 2 = 3x2 + 3x 4 1 x 2 2x 4 + 2x 2 (1 + x 2 ) 2 = x4 + 4x 2 1 (1 + x 2 ) 2 Satz 819 Es seien f : D(f) R R, g: D(g) R R und x D(g f) = f 1 (D(g)) Häufungspunkt von D(g f) Wenn f in x und g in f(x) differenzierbar sind, dann gilt: (g f) (x) = g (f(x))f (x) (Kettenregel) Die Ableitung einer verketteten Funktion ist also äußere Ableitung am Wert der inneren Funktion mal innere Ableitung Beispiel 820 Wir können f(x) = ( 3x 2 4 ) 2 auf drei verschiedene Arten ableiten 1 Ausmultiplizieren: f(x) = ( 3x 2 4 ) 2 = 9x 4 24x und damit f (x) = 36x 3 48x 2 Produktregel: f(x) = ( 3x 2 4 ) ( 3x 2 4 ) und damit 3 Kettenregel: f (x) = 6x ( 3x 2 4 ) + ( 3x 2 4 ) 6x = 12x ( 3x 2 4 ) = 36x 3 48x f (x) = 2 ( 3x 2 4 ) (6x) = 12x ( 3x 2 4 ) = 36x 3 48x 166

167 82 Berechnung von Ableitungen Die Kettenregel kann auch bei mehrfacher Schachtelung angewendet werden: Beispiel 821 Sei f : [2, [ R mit f(x) = (x 2 2x) 3 für x > 2 gegeben f ist Verkettung dreier Funktionen: f = f 3 f 2 f 1 mit f 1,f 2 : R R, f 3 : R 0 R und Entsprechend gilt für die Ableitung f 1 (x) = x 2 2x, f 2 (x) = x 3, f 3 (x) = x f (x) = f 3(f 2 (f 1 (x))) f 2(f 1 (x)) f 1(x) 1 = 3 2 (x ( x 2 2x ) 2 (2x 2) 2 2x) 3 = 3(x 1) x2 2x x 2 2x = 3(x 1) x 2 2x 823 Ableitungen weiterer Funktionen Es gilt sin sin(x + h) sin x sin xcos h + cos xsin h sin x x = lim = lim h 0 h h 0 h cos h 1 sin h = sinx lim + cos x lim = 0 sin x + 1 cos x h 0 h h 0 h = cos x Durch Anwendung von cos x = sin(x + π 2 ), Ketten- und Quotientenregel folgen: Wegen sin x = cos x, (x R) cos x = sin x, (x R) tan x = 1 cos 2 x, (x kπ + π 2, k Z), cot x = 1 sin 2, (x kπ, k Z) x exp h 1 h = 1 h ( k=0 1 k! hk 1) = 1 h k=1 1 k! hk = k=1 1 k! hk 1 = 1 + h k=0 1 (k + 2)! hk und k=0 1 (k + 2)! hk < k=0 1 (k + 2)! 167

168 8 Eindimensionale Differentialrechnung für h < 1 folgt und somit also exp h 1 lim = 1 h 0 h exp exp(x + h) exp x exp x exp h exp x exp h 1 x = lim = lim = expx lim, h h h h h h exp x = expx, (x R) 83 Differenzierbare Funktionen 831 Differenzierbarkeit auf Mengen Definition 822 Wir nennen eine Funktion f : D(f) R R differenzierbar auf der Menge M D(f), wenn f in allen Punkten x 0 M differenzierbar ist f heißt differenzierbar, wenn f auf D(f) differenzierbar ist Bemerkung Eine in einem Häufungspunkt x 0 von D(f) stetige Funktion muss dort nicht differenzierbar sein (Betrachte zum Beispiel die Betragsfunktion in 0) 2 Es gibt stetige, auf einem Intervall definierte Funktionen, die nirgends differenzierbar sind Sei f : D(f) R R und sei D(f ) := {x 0 D(f): f ist differenzierbar in x 0 } Dann ist eine neue Funktion g: D(f ) R R, die Ableitung(sfunktion) von f durch g(x) = f (x) für x D(f ) gegeben Diese Funktion wird auch wieder durch f bezeichnet Im allgemeinen hat man nur D(f ) D(f) In vielen Fällen ist man daran interessiert, dass D(f ) = D(f) gilt, also f differenzierbar ist 832 Mittelwertsätze Die folgenden Sätze sind von grundlegender Bedeutung für die Untersuchung differenzierbarer Funktionen auf Intervallen Satz 824 (Satz von Rolle) Sei f : [a,b] R stetig und sei f ]a,b[ differenzierbar Dann gilt f(a) = f(b) ξ ]a,b[: f (ξ) = 0 168

169 83 Differenzierbare Funktionen Beweis Da f stetig ist, existieren globales Minimum und Maximum von f auf [a,b] Liegen beide in den Randpunkten vor, so ist f konstant auf [a,b] und damit f (x) = 0 für alle x ]a,b[ Liegt wenigstens eines der beiden globalen Extrema in Innern von [a,b] vor, dann verschwindet nach Satz 813 dort die Ableitung Satz 825 (Satz von Lagrange, Mittelwertsatz) Sei f : [a,b] R stetig und auf ]a,b[ differenzierbar Dann existiert ein ξ ]a, b[ mit f (ξ) = f(b) f(a) b a, d h der Anstieg f(b) f(a) b a wird auch in einer Stelle ξ ]a, b[ als Ableitung angenommen 833 Monotonie Definition 826 Eine Funktion f : D(f) R R heißt a) ( streng) monoton wachsend, wenn f(x 1 ) f(x 2 ) (f(x 1 ) < f(x 2 )) für alle x 1,x 2 D(f), x 1 < x 2, gilt b) ( streng) monoton fallend, wenn f(x 1 ) f(x 2 ) (f(x 1 ) > f(x 2 )) für alle x 1,x 2 D(f), x 1 < x 2, gilt Für differenzierbare Funktionen f : ]a, b[ R kann die Monotonie mit Hilfe der Ableitung charakterisiert werden: Satz 827 Sei f : D(f) R R auf I D(f) mit I = [a,b] oder I = ]a,b[ stetig und auf ]a, b[ differenzierbar Dann gilt: a) Wenn f (x) > 0 für alle x ]a,b[ gilt, dann ist f streng monoton wachsend auf I, b) Wenn f (x) < 0 für alle x ]a,b[ gilt, dann ist f streng monoton fallend auf I, c) Wenn f (x) 0 für alle x ]a,b[ gilt, dann ist f monoton wachsend auf I, d) Wenn f (x) 0 für alle x ]a,b[ gilt, dann ist f monoton fallend auf I, e) Wenn f (x) = 0 für alle x ]a,b[ gilt, dann ist f konstant auf auf I ]a,b[ Beweis Seien x 1,x 2 I mit x 1 < x 2 Nach dem Mittelwertsatz 825 gibt es ein ξ ]x 1,x 2 [ mit f(x 2 ) f(x 1 ) = f (ξ)(x 2 x 1 ) Ist nun zum Beispiel f (x) > 0 für alle x ]a,b[, dann ist die rechte Seite und damit auch die linke Seite positiv 169

170 8 Eindimensionale Differentialrechnung Bemerkung Die Differenzierbarkeit ist wie auch die Stetigkeit nicht notwendig für die Monotonie 2 Im allgemeinen zerlegt man den Definitionsbereich D(f) einer Funktion in Monotonie- Intervalle 834 Differenzierbarkeit der Umkehrfunktion Es sei f : D(f) R R streng monoton mit D(f) = [a,b] und W(f) = f([a,b]) Dann existiert die Umkehrfunktion f 1 : W(f) D(f) zu f mit f 1 (f(x)) = x für x D(f) und f(f 1 (x)) = x für x W(f) Ist f streng monoton und stetig, so ist f 1 auch stetig, siehe Satz 796 Unter Verwendung der Ableitung erhält man folgende Aussage: Satz 829 Sei f : D(f) R R, D(f) = ]a,b[ differenzierbar und sei entweder f (x) > 0 für alle x ]a,b[ oder f (x) < 0 für alle x ]a,b[ Dann existiert die Umkehrfunktion f 1 : f(]a,b[) ]a,b[ zu f, sie ist differenzierbar, und es gilt ( f 1 ) 1 (x) = f (f 1 für x f(]a,b[) (x)) Beispiel 830 Sei f : ] π 2, π 2 [ R mit f(x) = sinx Es gilt f (x) = cos x > 0 für x ] π 2, π 2 [ Weiter haben wir f(] π 2, π 2 [) = ] 1,1[ Nach Satz 829 ist f somit invertierbar (wir wissen schon f 1 (x) = arcsinx für x ] 1,1[) und es gilt ( f 1 ) (x) = 1 cos(arcsin x) = 1 1 (sin(arcsinx)) 2 = 1 1 x 2 für x ] 1,1[ Mit den entsprechenden Untersuchungen folgen: arcsin x = 1 1 x 2, 1 arccos x = 1 x 2 für x ] 1,1[, arctan x = x 2, arccot x = x 2 für x R, ln x = 1 x für x > 0, log a x = 1 xlna, exp a x = exp a x lna für x > 0, a > 1, 835 Interpretationen der Ableitung Sei f : ]0, [ R differenzierbar in x ]0, [ 170

171 83 Differenzierbare Funktionen Ist y = f(x) der Konsum in Abhängigkeit vom Einkommen x, so bezeichnet man f (x) als marginale Konsumrate beim Einkommen x Ist y = f(x) die Produktion in Abhängigkeit von einem Produktionsfaktor x, so bezeichnet man f (x) als Grenzproduktivität des Produktionsfaktors beim Faktoreinsatz x Ist y = f(x) eine Kostenfunktion in Abhängigkeit von der Produktionsmenge x, so bezeichnet man f (x) als Grenzkosten bei der Produktionsmenge x Interpretationen, z B falls f monoton wachsend ist: Erhöht sich x auf x + 1, so ist f (x) eine Näherung für die Menge, die zusätzlich konsumiert wird, die Menge, die zusätzlich produziert wird, die Kosten, die zusätzlich entstehen 836 Änderungsrate und Elastizität Sei f : ]0, [ R differenzierbar in x ]0, [ Dann gilt nach der Kettenregel (ln f) (x) = ln (f(x)) f (x) = 1 f(x) f (x) = f (x) f(x) Definition 831 Unter obigen Voraussetzungen heißt (ln f) (x) = f (x) f(x) logarithmische Ableitung oder Änderungsrate von f an der Stelle x Die Zahl ε f (x) := f (x) f(x) x = x f (x) f(x) heißt Elastizität von f an der Stelle x Die Funktion f heißt elastisch, proportionalelastisch bzw unelastisch, wenn ε f (x) > 1, ε f (x) = 1 bzw ε f (x) < 1 gilt Beispiel 832 Sei f eine Produktionsfunktion Dann bedeutet Elastizität bzw Unelastizität bei x, dass die Grenzproduktivität f (x) größer bzw kleiner als die Durchschnittsproduktivität f(x) x ist 171

172 8 Eindimensionale Differentialrechnung Rechenregeln für die Elastizität ergeben sich aus denen der Ableitung: ε αf+βg (x) = (αf + βg) (x) (αf+βg)(x) x = αf (x) + βg (x) α = (αf(x) + βg(x)) = αf(x)ε f(x) + βg(x)ε g (x) αf(x) + βg(x) ε f g (x) = (f g) (x) 1 x (f g)(x) = f (x)g(x) + f(x)g (x) 1 = xf(x) g(x) ε f:g (x) = (f : g) (x) = (f : g)(x) 1 x 1 x f (x)g(x) f(x)g (x) g(x) 2 1 = xf(x) g(x) f(x) x ε f(x) + β g(x) x ε g(x) (αf(x) + βg(x)) 1 x, wenn αf(x) + βg(x) 0, f (x) 1 x f(x) + g (x) 1 x g(x) = ε f(x) + ε g (x), f (x) 1 x f(x) g (x) 1 x g(x) = ε f(x) ε g (x), ε f g (x) = (f g) (x) 1 x f g)(x) = f (g(x)) g (x) 1 x f(g(x)) = f (g(x)) 1 g(x) f(g(x)) g (x) 1 x g(x) = ε f(g(x)) ε g (x) Beispiel 833 Maximierer der Durchschnittsproduktivität g: ]0, [ ]0, [, g(x) = f(x)/x Dann gilt 0 = g (x 0 ) = f (x 0 )x 0 f(x 0 ) x 2, 0 woraus f (x 0 )x 0 f(x 0 ) = 0 und somit ε f (x 0 ) = x 0f (x 0 ) 1 x 0 f(x 0 ) = 1 folgt Für einen lokalen Maximierer x 0 stimmen also Durchschnittsproduktivität und Grenzproduktivität überein und die Produktivität ist proportional-elastisch im Maximierer x Analoges gilt für lokale Minimierer Beispiel 834 Sei f : ]0, [ ]0, [ eine differenzierbare Preis-Absatz-Funktion Dann ist die preisabhängige Umsatzfunktion u: ]0, [ ]0, [ mit u(p) = p f(p) differenzierbar und für den Grenzumsatz u (p) gilt u (p) = f(p) + p f (p) = f(p) ( ) 1 + f (p) 1 p f(p) Für die Preiselastizität ε u (p) des Umsatzes ergibt sich = f(p) (1 + ε f (p)) ε u (p) = u (p) 1 p u(p) = f(p) (1 + ε f(p)) 1 p p f(p) = 1 + ε f (p), was wir auch durch obige Rechenregeln erhalten hätten Wir nehmen nun an, dass f eine Umkehrfunktion f 1 ]0, [ ]0, [ existiert Dann ist die mengenabhängige Umsatzfunktion v: ]0, [ ]0, [ mit v(x) = x f 1 (x) differenzierbar 172

173 84 Mehrfach differenzierbare Abbildungen und für den Grenzumsatz v (x) gilt v (x) = (f 1 ) (x) x + f 1 1 (x) = f (f 1 (x)) f(f 1 (x)) + f 1 (x) ( = f 1 f(f 1 ) ( (x)) (x) 1 + f 1 (x) f (f 1 = f 1 (x) 1 + (x)) Für die Mengenelastizität ε v (x) ergibt sich ε v (x) = x v (x) v(x) = 1 ε f (f 1 (x)) ( ) x f 1 1 (x) 1 + ε f (f 1 (x)) 1 x f 1 = 1 + (x) ε f (f 1 (x)) ) Die Gleichung ( ) v (x) = f 1 1 (x) 1 + ε f (f 1 (x)) heißt Amorso-Robinson-Gleichung Bemerkenswert ist, dass nur die Elastizität von f und nicht die von f 1 benötigt wird 84 Mehrfach differenzierbare Abbildungen 841 Höhere Ableitungen Wenn eine Funktion f differenzierbar ist, kann man wieder nach der Differenzierbarkeit von f fragen, was zur rekursiven Definition von Ableitungen höherer Ordnung führt: Definition 835 Sei f : D(f) R R Wir setzen f (0) := f, f (1) := f mit D(f (0) ) := D(f) und D(f (1) ) = D(f ) Sei nun f (k 1) : D(f (k 1) ) R R definiert mit k 2 Dann heiße f k-mal differenzierbar in x 0, wenn f (k 1) in x 0 differenzierbar ist Die Funktion f (k) : D(f (k) ) R R mit und f (k) (x) := ( f (k 1)) (x) für x D(f (k) ) D(f (k) ) := {x 0 D(f (k 1) : f (k 1) ist in x 0 differenzierbar} heißt k-te Ableitungsfunktion von f f heißt k-mal (stetig) differenzierbar, wenn f k-mal differenzierbar ist mit D(f (k) ) = D(f) (und f (k) stetig ist) Bemerkung 836 Anstelle f (2), f (3) wird auch f, f verwendet 173

174 8 Eindimensionale Differentialrechnung Definition 837 Die Menge der stetigen Funktionen f : D R R wird mit C 0 (D) bezeichnet Die Menge der k-mal stetig differenzierbaren Funktionen f : D R R wird mit C k (D) bezeichnet Die Menge der beliebig oft stetig differenzierbaren Funktionen f : D R R wird mit C (D) bezeichnet Beispiel 838 Polynome sind auf ganz R beliebig oft (stetig) differenzierbar Zum Beispiel gilt für f(x) = 3x 4 2x + 1: f (x) = 12x 3 2, f (x) = 36x 2, f (x) = 72x, f (4) (x) = 72 und f (k) (x) = 0 für k 5 Beispiel 839 Potenzreihen sind in ihrem Konvergenzbereich beliebig oft differenzierbar, d dx a n x n = n=0 n=0 d dx a nx n = na n x n 1 n=1 842 Krümmungsverhalten und hinreichende Bedingung für Extrema Definition 840 Wir nennen f : ]a,b[ R linksgekrümmt oder konvex, wenn f (x) > 0 gilt auf ]a,b[, rechtsgekrümmt oder konkav, wenn f (x) < 0 gilt auf ]a,b[ Ein Punkt x 0 [a,b], in dem f das Krümmungsverhalten wechselt, heißt Wendepunkt von f Kandidaten für Wendepunkte sind also Punkte aus [a, b], an denen f (x) = 0 gilt, oder an denen f nicht differenzierbar ist Satz 841 Sei f : ]a,b[ R zweimal differenzierbar, x 0 ]a,b[ und sei T f x 0,1 : R R mit T f x 0,1 (x) = f(x 0) + f (x 0 ) (x x 0 ) die lineare Approximation von f an der Stelle x 0 a) ist f auf ]a,b[ linksgekrümmt, so gilt f(x) f(x 0 ) + f (x 0 ) (x x 0 ) für alle x ]a,b[ b) ist f auf ]a,b[ rechtsgekrümmt, so gilt f(x) f(x 0 ) + f (x 0 ) (x x 0 ) für alle x ]a,b[ Beweis Untersuche die Hilfsfunktion h(x) = f(x) f(x 0 ) f (x 0 ) (x x 0 ), für die h(x 0 ) = h (x 0 ) = 0 gilt Satz 842 (Hinreichende Bedingung für Extrema) Sei f : ]a, b[ R zweimal differenzierbar in x 0 ]a,b[ mit f (x 0 ) = 0 Wenn f (x 0 ) > 0, so ist x 0 lokale Minimalstelle von f, wenn f (x 0 ) < 0, so ist x 0 lokale Maximalstelle von f 174

175 84 Mehrfach differenzierbare Abbildungen Beweis Sei f (x 0 ) > 0 Dann gilt f (x) < 0 bzw f (x) > 0 für x nahe x 0 mit x < x 0 bzw x > x 0 Dies heißt nun wieder, dass f in der Nähe von x 0 links von x 0 streng monoton fallend und rechts von x 0 streng monoton wachsend ist Ist f (x 0 ) = 0, so kann man eventuell eine Entscheidung durch die Untersuchung höherer Ableitungen treffen 843 Konvergenz des Newton-Verfahrens Das Newton-Verfahren, siehe Abschnitt 813, ist ein so genanntes lokal konvergentes Verfahren Konvergenz der in der Newton-Iteration erzeugten Folge zu einer Nullstelle ist also i A nur garantiert, wenn der Startwert schon ausreichend nahe an der Nullstelle liegt Ist der Startwert zu weit weg, kann alles passieren: Die Folge divergiert, der Abstand zur Nullstelle wächst über alle Grenzen Die Folge divergiert, bleibt aber beschränkt Sie kann z B periodisch werden, d h endlich viele Punkte wechseln sich in immer derselben Reihenfolge ab Man sagt auch, dass die Folge oszilliert Die Folge konvergiert, aber nicht gegen die gewünschte sondern eine andere Nullstelle Satz 843 Sei f auf einem offenem Intervall I um die Nullstelle x zweimal stetig differenzierbar Wenn f (x)f(x) < f (x) 2 (86) für x I gilt und wenn der Startwert x 0 in I liegt, so konvergiert die Newton-Iteration gegen x Ist f auf einem offenem Intervall J um x zweimal stetig differenzierbar und gilt f (x ) 0, so gilt (86) zumindest auf kleinen Intervallen I um x Bemerkung 844 Unter den Voraussetzungen des vorherigen Satzes konvergiert das Newton- Verfahren quadratisch, dh, mit einer Konstanten M gilt x k+1 x M x k x 2 für k N Anschaulich bedeutet dies, dass sich die Anzahl der bereits richtig berechneten Dezimalstellen bei jeder Iteration ungefähr verdoppelt, wenn sich die Iterierten der Nullstelle x genügend angenähert haben 844 Kurvendiskussion Eine Kurvendiskussion einer Funktion f ist die Bestimmung aller Nullstellen, Polstellen, lokalen und globalen Extrema, damit der Monotonie-Intervalle, der Wendepunkte und der konkaven und konvexen Verhaltens sowie die Untersuchung des asymptotischen Verhaltens 175

176 8 Eindimensionale Differentialrechnung Beispiel 845 Wir betrachten f : R \ { 1} R mit f(x) = x 2 (x + 1) 2 Nullstellen: x 0 = 2 ist die einzige Nullstelle von f, da x 0 = 2 die einzige Nullstelle des Zählers ist und x 0 D(f) gilt Polestellen: x p = 1 ist einziger Pol und von 2 Ordnung, da x p die einzige Nullstelle des Nenners ist, zweifache Nullstelle des Nenners aber keine Nullstelle des Zählers ist Ableitungen: Es gelten f (x) = (x + 1)2 (x 2) 2 (x + 1) (x + 1) 4 = 5 x (x + 1) 3, f (x) = (x + 1)3 (5 x) 3 (x + 1) 2 (x + 1) 6 = f 6x + 66 (x) = (x + 1) 5 2x 16 (x + 1) 4, Extremalstellen: x E = 5 ist (die einzige) lokale Maximalstelle mit f(x E ) = 1 12, da f (x E ) = 0 und f (x E ) < 0 gilt Eine lokale Minimalstelle existiert nicht Monotoniebereiche: f ist monoton fallend auf ], 1[ [5, [ und monoton wachsend auf ] 1,5] Wendepunkte: x W = 8 ist (der einzige) Wendepunkt, da f (x W ) = 0 und f (x W ) 0) Konvexitäts- und Konkavitätsbereiche: f ist konvex über [8, [ und konkav über ],1[ und ]1,8] Asymptotisches Verhalten: Es gelten lim f(x) = 0 und lim f(x) = 0 x x Beispiel 846 Ein Unternehmen produziere ein Erzeugnis entsprechend der Produktionsfunktion f : [0,36] R mit f(x) = 02x x x, d h es werden y = f(x) Stück produziert in Abhängigkeit von Produktionsfaktor x Es stehen pro Produktionsperiode maximal 36 Einheiten des Produktionsfaktors x zur Verfügung, woraus sich der Definitionsbereich ergibt Nullstellen: Wegen f(x) = 02x(x 2 60x 123) = 02x(x 6198)(x + 198) ist x 0 = 0 die einzige Nullstelle von f Extrema und Monotoniebereiche: Es gilt f (x) = 06x x Da das quadratische Polynom p(x) = 06x x nur die Nullstellen x 1 = 1 und x 2 = 41 hat, welche nicht in D(f) = D(f ) liegen, besitzt f keine kritischen Punkte Wegen f (x) > 0 für x [0,36] ist f streng monoton wachsend Daher ist x = 0 wegen f(0) = 0 eine Minimalstelle 176

177 84 Mehrfach differenzierbare Abbildungen mit globalen Minimalwert 0 und wegen f(36) = ist x = 36 eine Maximalstelle mit globalen Maximalwert Wendepunkte, Konvexität, Konkavität: Wegen f (x) = 12x + 24 und f (x) = 12 ist x W = 20 ein Wendepunkt von f, d h die Grenzproduktivität f ist für x = 20 maximal Für kleinere Werte des Produktionsfaktors x (d h x < 20) ist die Produktion y = f(x) progressiv wachsend (d h f (x) > 0), für größere Werte von x (d h x > 20) ist die Produktion y = f(x) degressiv wachsend (d h f (x) < 0) Beispiel 847 Wir betrachten die logistische Funktion f : [0, [ R mit und a,b, c > 0 f(x) = a 1 + be cx Nullstellen: Wegen f(x) > 0 für x 0 besitzt f keine Nullstelle Polstellen: Wegen 1 + be cx > 0 besitzt f keinen Pol Es gelten f (x) = abce cx (1 + be cx ) 2, f (x) = abc 2 e cx be cx 1 (1 + be cx ) 3 Extrema: Wegen f (x) > 0 für x 0 ist f streng monoton wachsend und besitzt keine Maximalstelle und nur eine Minimalstelle x = 0 mit Minimalwert f(0) = a 1+b Wendepunkte: Für b > 1 ist x W = 1 c lnb der (einzige) Wendepunkt von f Für x < x W ist f(x) progressiv wachsend und für x > x W ist f(x) degressiv wachsend Im Fall 0 < b 1 existiert kein Wendepunkt Asymptotisches Verhalten: Es gilt a lim f(x) = lim x x 1 + be cx = a 1 + b lim = a x e cx 177

178 8 Eindimensionale Differentialrechnung 178

179 9 Eindimensionale Integralrechnung 91 Flächeninhalt und Stammfunktionen 911 Flächeninhalt Beispiel 91 Wir betrachten eine Menge G(f,a,b) im R 2, die nach unten durch die Abszisse, nach oben durch den Graphen einer nichtnegativen, beschränkten Funktion f : [a,b] R und nach links bzw rechts durch die zur Ordinate parallelen Geraden durch (a, 0) bzw (b, 0) begrenzt ist, also die Fläche unter dem Graphen einer Funktion f : [a,b] R, G(f,a,b) := {(x,y) R 2 : x [a,b], 0 y f(x)} y a G(f, a, b) f b x Wir wollen zb dieser Menge G(f, a, b) einen Flächeninhalt zuordnen Was wir kennen Der Flächeninhalt von Rechtecken mit den Seitenlängen a und b ist das Produkt a b der Seitenlängen Was wir wollen 1 Der Flächeninhalt einer Menge sollte verschiebungsinvariant sein: Wird die Menge verschoben, sollte sich den Flächeninhalt nicht ändern 2 Der Flächeninhalt einer Menge sollte, wenn er existiert, eine nichtnegative Zahl sein, d h, Flächeninhalt von sollte eine Abbildung sein, welche Teilmengen von R 2 nichtnegative, reelle Zahlen zuordnet 3 Wird die Menge M geeignet in Teilmengen M i zerlegt, so sollte sich der Flächeninhalt von M als Summe der Flächeninhalte der M i ergeben Der Flächeninhalt sollte also in geeignetem Sinne additiv sein 4 Der Flächeninhaltsbegriff sollte bei Rechtecken und allgemein bei Polygonen das ergeben, was wir schon kennen 179

180 9 Eindimensionale Integralrechnung 912 Das Riemann-Integral Die Grundidee bei der Verallgemeinerung des Flächeninhaltsbegriffes wird nun sein, f durch Treppenfunktionen, d h stückweise konstanten Funktionen, anzunähern Definition 92 Seien x i, i = 0,,N, mit a = x 0 < x 1 < < x N = b Dann heißt Z = {x 0,x 1,,x N } eine Zerlegung von [a,b] Die Menge aller Zerlegungen von [a,b] bezeichnen wir mit Z(a, b) Definition 93 Sei M eine Menge Eine Zahl s mit s m für alle m M heißt untere Schranke von M Die größte untere Schranke von M heißt Infimum von M und wird mit inf M bezeichnet Analog werden obere Schranken und das Supremum supm von M definiertist g eine Funktion auf M, so setzen wir inf g(x) := inf{g(x): x M}, sup x M g(x) := sup{g(x): x M} x M Sei f : D(f) R R, [a,b] D(f) auf [a,b] beschränkt und sei Z = {x 0,x 1,,x N } Z(a, b) Wir betrachten y y f f x x a = x 0 x i 1 x i b = x N a = x 0 x i 1 x i b = x N s(f,z) := N inf i x i 1 ) bzw S(f,Z) := N sup f(x) (x i x i 1 ) i=1 x [x i 1,x i ] i=1 x [x i 1,x i ] Definition 94 Die Zahlen s(f,z) und S(f,Z) heißen die zur Zerlegung Z gehörende Riemannsche Unter- bzw Obersumme von f Offenbar gilt s(f,z) S(f,Z) Die Idee ist nun, durch Verfeinerung der Zerlegung, den Inhalt der Flächen immer besser zu beschreiben 180

181 91 Flächeninhalt und Stammfunktionen Lemma 95 Sei einen a,b R mit a < b Für jede auf [a,b] beschränkte Funktion f : D(f) R R, [a,b] D(f) existieren das Supremum bzw das Infimum s(f,a,b) := sup s(f,z), S(f,a,b) := inf S(f,Z) Z Z(a,b) Z Z(a,b) der Riemannschen Unter- bzw Obersummen von f auf [a, b] Leider gilt nur s(f + g,a,b) s(f,a,b) + s(g,a,b), S(f + g,a,b) S(f,a,b) + S(g,a,b), während die eine Größe nur sub-additiv ist, ist die andere nur super-additiv Weder s(f) noch S(f) sind daher als Flächeninhalt für allgemeine, beschränkte, nichtnegative f tatsächlich brauchbar Eine Kombination von beiden ist aber geeignet: Definition 96 Sei f : D(f) R R Wir nennen f (Riemann-) integrierbar auf [a,b], wenn [a,b] D(f), f auf [a,b] beschränkt ist und wenn s(f,a,b) = S(f,a,b) gilt Ist f auf [a, b] Riemann-integrierbar, so heißt b a f := s(f,a,b) = S(f,a,b) (Riemann-) Integral oder bestimmtes Integral von f über [a, b] Bemerkung 97 b a f wird gelesen als Integral von f von a bis b 2 Anstelle von b a f schreibt man auch b a f(x) dx, gelesen als Integral von f(x) dx von a bis b Es gilt aber b a f(x) dx = b a f(y) dy Die Bezeichnung der Integrationsvariablen ist also irrelevant 3 Das Symbol ist einerseits ein stilisiertes S (von Summe kommend) und andererseits ein stilisiertes I (von Integral kommend) Definition 98 Die Menge aller Riemann-integrierbaren Funktion f : [a, b] R wird mit R(a,b) bezeichnet 181

182 9 Eindimensionale Integralrechnung Satz 99 1 Jede Treppenfunktion auf [a, b] ist Riemann-integrierbar auf [a, b] 2 Jede auf [a, b] stetige Funktion ist Riemann-integrierbar auf [a, b] 3 Jede auf [a, b] monotone Funktion ist Riemann-integrierbar auf [a, b] Satz 910 Sei f R(a,b) und sei f : [a,b] R mit f(x) = f(x) für alle x [a,b] mit Ausnahme von endlich vielen Punkten Dann gilt auch f R(a,b) und b a f = Damit hängen Integrierbarkeit und auch der Wert des Integrals nicht davon ab, welche Werte die Funktion auf endlich vielen Punkten annimmt b a f Definition 911 Sei f : D(f) R R und a b Wenn a D(f), dann setzen wir a a f := 0, a b b f := a f Damit ist das Integral für beliebige Grenzen a, b mit [a,b] D(f) oder [b, a] D(f) festgelegt Satz 912 Es gelten: 1 f R(a,b) [c,d] [a,b] = f [c,d] R(c,d) 2 Sei c [a,b] Dann f R(a,b) f [a,c] R(a,c) f [c,b] R(c,b) 3 f R(a,b) c [a,b] = b a f = c a f + b c f (Additivität bezüglich Integrationsbereiches) Definition 913 Für nichtnegatives, auf [a, b] Riemann-integrierbares f : D(f) R R setzen wir den Flächeninhalt von G(f, a, b) als G(f,a,b) := b a f 913 Anwendungen 9131 Flächeninhalt allgemeiner Flächen Der Flächeninhaltsbegriff kann auf allgemeinere Flächen verallgemeinert werden 182

183 91 Flächeninhalt und Stammfunktionen Definition 914 Sei f R(a, b) Der Flächeninhalt der durch den Graphen von f, der Abszissen und den zur Ordinate parallelen Geraden durch (a, 0) und (b, 0) begrenzten Menge G wird definiert als G := b a f a f b Man erhält ihn durch Hochklappen der unterhalb der Abszisse liegenden Teile der Fläche, dh, durch Betrachtung von f anstelle von f Wir betrachten nun Mengen G(f,g,a,b), die nach unten und oben durch die Graphen von auf [a,b] Riemann-integrierbaren Funktionen f, g mit g(x) f(x) für x [a,b] und nach links bzw rechts durch die zur Ordinate parallelen Geraden durch (a,0) bzw (b, 0) begrenzt sind, also die Fläche G(f,g,a,b) := {(x,y) R 2 : x [a,b], f(x) y g(x)}, g siehe Bild Man erhält G(f,g,a,b) = b a (g f) a f b Oftmals kann eine gegebene Menge G durch achsenparallele Schnitte in mehrere Teilmengen zerlegt werden, deren Inhalt einzeln nach dieser Formel berechnet werden kann Beachte, dass die berandeten Kurven Graphen von Funktionen sein müssen (keine Doppeldeutigkeit!) 9132 Geometrischer Schwerpunkt Als eine Anwendung des Integrals kann der geometrische Schwerpunkt S = (x, y) einer Fläche G(f,g,a,b) mit f,g R(a,b) und g(x) f(x) für x [a,b] berechnet werden Für diesen gelten die Formeln x = 1 b x(g(x) f(x)) dx, y = G(f,g,a,b) a 1 b ( 1 G(f,g,a,b) 2 g(x) 2 f(x) 2) dx a 183

184 9 Eindimensionale Integralrechnung Setzt sich die betrachtete Fläche G aus N solchen Teilbereichen G i zusammen und berechnet man die Schwerpunkte ( x i,ȳ i ), i = 1,,N, der Teilflächen, so gelten für den Gesamtschwerpunkt ( x, ȳ) die Formeln x = 1 G ( G 1 x 1 + G 2 x G N x N ), ȳ = 1 G ( G 1 ȳ 1 + G 2 ȳ G N ȳ N ) Für weitere Formeln siehe Lehrbücher und Formelsammlungen 914 Stammfunktionen und unbestimmtes Integral Häufig ist eine Funktion f : D(f) R R gegeben und eine Funktion F : D(f) R R ist gesucht, welche der Gleichung F (x) = f(x) für x D(f) genügt Diese Gleichung ist eine sehr einfache Form einer Differentialgleichung, siehe später Beispiel 915 Es seien I(t) die Netto-Investitionsgeschwindigkeit (Stromfunktion) einer Volkswirtschaft und K(t) der Kapitalstock der Volkswirtschaft zum Zeitpunkt t Dann ist die zeitliche Änderung K (t) des Kapitalstocks gleich der Netto-Investition I(t) zum Zeitpunkt t, d h es gilt K (t) = I(t) Definition 916 Sei I ein Intervall Eine Funktion F : I R heißt Stammfunktion von f : I R, wenn F differenzierbar auf I ist und F (x) = f(x) für alle x I gilt Beispiel Wir betrachten f = sin mit I = R Die Funktion F 1 : R R mit F 1 (x) = cos x ist eine Stammfunktion von sin Die Funktion F 2 : R R mit F 2 (x) = 23 cos x ist auch eine Stammfunktion von sin 2 Wir betrachten f : I R mit f(x) = 1 x für x I = ]0, [ Eine Stammfunktion von f ist F 1 : I R mit F 1 (x) = lnx Eine weitere Stammfunktion von f ist F 2 : I R mit F 2 (x) = lnx Wir betrachten f : I R mit f(x) = 1 x für x I = ],0[ Eine Stammfunktion von f ist F : I R mit F(x) = ln x Lemma 918 Sei I ein Intervall und sei f : I R 1 Wenn F 1,F 2 : I R Stammfunktionen von f sind dann ist F 1 F 2 eine Konstante 2 Wenn F eine Stammfunktion von f ist, dann ist F + C für jedes C R eine Stammfunktion von f 184

185 91 Flächeninhalt und Stammfunktionen Beweis 1 Es gilt (F 1 F 2 ) (x) = F 1 (x) F 2 (x) = f(x) f(x) = 0 für alle x I Nach dem Mittelwertsatz (Satz 825) ist F 1 F 2 konstant auf I 2 Sei x 0 I beliebig Aus F = f und C R folgt (F + C) (x 0 ) = F (x 0 ) + C = F (x 0 ) = f(x 0 ) Definition 919 Sei I ein Intervall Die Menge aller Stammfunktionen einer Funktion f : I R heißt unbestimmtes Integral von f und wird bezeichnet mit f oder f(x) dx (auf I) Bei der zweiten Bezeichnung muss das Intervall I mindestens im Kontext angegeben werden Beispiel 920 Es seien I = ]0, [, f,f : I R mit f(x) = 1 x, F(x) = lnx für x I und J = ],0[ g,g: J R mit g(x) = 1 x, G(x) = ln x für x J Dann sind f und g verschiedene Funktionen und es gelten F f, G g bzw F f(x)dx auf I, G g(x)dx auf J Satz 921 Sei I ein Intervall und sei F eine Stammfunktion von f : I R Dann gilt f = {F + C : C R} (91) Bemerkung 922 Anstelle (91) wird auch, verkürzt, f(x) dx = F(x) + C geschrieben Dies ist aber nicht korrekt: Links steht eine Menge von Funktionen (wobei die Bezeichnung der Integrationsvariablen irrelevant ist, da sie gebunden ist), f(x) dx = f(y) dy = f, rechts steht aber der Wert einer Funktion an einer nicht genauer spezifizierten Stelle x: {F + C : C R} F(x) + C Eine Tabelle von Stammfunktionen zu ausgewählten Funktionen erhält man, indem man eine Liste von differenzierbaren Funktionen erstellt und neben einer solchen Funktion die 185

186 9 Eindimensionale Integralrechnung Ableitung schreibt Kehrt man eine solche Tabelle um, erhält man eine Zuordnung von Funktionen und Stammfunktionen: Ableitung auf I Funktion auf I Intervall I Funktion auf I Stammfunktion auf I x x α x 1 α+1 xα+1 I = R >0 für α R \ Z I = R \ {0} für α Z < 1 I = R für α N x x 1 x ln x I = ],0[ oder I = ]0, [ exp exp I = R sin cos I = R cos sin I = R x 1 1 x 2 arcsin I = ] 1,1[ x 1 1+x 2 arctan I = R 915 Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung Satz 923 Sei f C(a,b) und Φ: [a,b] R mit Φ(x) = x a f für x [a,b] (92) Dann ist Φ differenzierbar und es gilt Φ (x) = f(x) für x [a,b], d h, Φ ist eine Stammfunktion zu f Beweis Da f stetig ist, ist f für jedes x [a,b] auf [a,x] integrierbar, womit Φ korrekt definiert ist Für x [a,b] und h 0 mit x + h [a,b] gilt und daher 1 h (Φ(x + h) Φ(x)) = 1 h Φ(x + h) Φ(x) 1 lim = lim h 0 h h 0 h d h Φ (x) = f(x) = 1 h x+h x x+h x x+h x f = 1 h f(x) + 1 h x+h 1 f(x) + lim h 0 h x x+h x x+h x (f(x) + f f(x)) (f f(x)) (f f(x)) = f(x) + 0, 186

187 91 Flächeninhalt und Stammfunktionen Satz 924 (Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung) Ist f eine stetige Funktion auf einem Intervall [a,b] und F eine beliebige Stammfunktion von f auf [a,b], dann gilt die Newton-Leibniz-Formel b a f = F(b) F(a) =: F b a = F(x) x=b x=a (93) Beweis Sei F : [a,b] R eine beliebige Stammfunktion einer Funktion f C([a,b]) und sei Φ: [a,b] R definiert durch (92) Nach Lemma 918 existiert eine Konstante C mit F = Φ + C Wegen F(a) = Φ(a) + C und Φ(a) = 0, folgt F(a) = C Damit gilt Mit Φ(x) = x a f und x = b folgt (93) Φ(x) = F(x) C = F(x) F(a) Bemerkung 925 Die Newton-Leibniz-Formel (93) stellt eine Äquivalenz der Berechnung des bestimmten Integral und der Stammfunktionen für die Klasse der stetigen Funktionen auf einem Intervall [a,b], b > a, her: f C([a,b]) = f R(a,b) f hat Stammfunktion F b a Eine Verallgemeinerung von Satz 924 ist der folgende Satz: f = F(b) F(a) Satz 926 Sei f R(a,b) und es existiere eine Stammfunktion F von f auf [a,b] Dann gilt (93) Bemerkung Eine Funktion kann eine Stammfunktion haben, obwohl sie nicht Riemann-integrierbar ist 2 Eine Riemann-integrierbare Funktion braucht keine Stammfunktion zu haben Beispiel 928 a) Für n N gilt b a x n dx = 1 n + 1 xn+1 x=b x=a = 1 n + 1 (b n+1 a n+1), da x 1 n+1 xn+1, x R, eine Stammfunktion zur stetigen Funktion x x n, x R, ist b) Wegen sin = cos, cos = sin, gilt ( cos 2 sin) = sin 2 cos und daher π 0 (sinx 2 cos x) dx = cos π 2 sinπ ( cos 0 2 sin0) = 2 187

188 9 Eindimensionale Integralrechnung 92 Integrationsmethoden Im Allgemeinen treten schon in einfachen Fällen Schwierigkeiten bei der Bestimmung des unbestimmten Integrals auf: Die Integration ist schwieriger als die Differentiation Kompliziertere Integrale versucht man, durch Umformung auf Grundintegrale zurückzuführen Dazu werden die schon bekannten Differentiationsregel verwendet Der Einfachheithalber werden wir im Folgenden von den Integranden immer Stetigkeit voraussetzen Wenn der Integrand aus aus mehreren Funktionen zusammengesetzt ist, werden wir fordern, dass diese so glatt sind, dass der Integrand zumindest stetig wird Weiter betrachten wir als Integrationsgebiete nur Intervalle positiver Länge Damit sind stets die Existenz von Stammfunktionen und die Riemann-Integrierbarkeit gesichert Gegebenenfalls sind also genauere Untersuchungen nötig, ob und wie die folgenden Aussagen unter schwächeren Voraussetzungen anwendbar sind 921 Linearität Satz 929 (Linearkombination von Funktionen) Sei I ein Intervall positiver Länge Seien f,g: I R stetig und λ, µ R 1 Es gilt (λf + µg) = λ f + µ d h, sind F und G Stammfunktionen zu f bzw g, so ist λf + µg eine Stammfunktion zu λf + µg, und umgekehrt 2 Für a,b I gilt b a (λf + µg) = λ b a f + µ b a g, g Beweis 1 : Seien F f und G g und sei H = λf + µg Wegen der Linearität der Differentiation gilt H = λf + µg = λf + µg und somit H (λf + µg), also λ b a f + µ b a g b a (λf + µg) : Die Aussage ist trivial, wenn λ = µ = 0 O B d A sei µ 0Seien H (λf + µg) und F f beliebig Wir setzen G = 1 (H λf) Dann gilt µ G = ( 1 µ (H λf)) = 1 (λf + µg λf) = g µ Daraus folgen G g und H = λf + µg, also H λ f + µ g, d h (λf + µg) λ f + µ g 188

189 92 Integrationsmethoden 2 Nach 1 und Hauptsatz 924 gilt b Beispiel 930 Mit a (λf + µg) = λf(b) + µg(b) λf(a) µg(a) = λf(b) λf(a) + µg(b) µg(a) = λ b a x n dx = 1 ( b n+1 a n+1) n + 1 für n N erhalten wir die Integrale von Polynomen Speziell gilt 1 0 ( 3x 2 2x + 5 ) 1 dx = 3 0 = x 2 dx 2 0 ( ) x 1 dx x 0 dx b a f + µ b a g ( ) (1 0) = = Partielle Integration Als Folgerung aus der Produktregel der Differentialrechnung ergibt sich: Satz 931 Sei I ein Intervall positiver Länge Seien u, v: I R stetig differenzierbar 1 Ist F : D R eine Stammfunktion von u v, so ist uv F eine Stammfunktion von uv ; ist G: D R eine Stammfunktion von uv, so ist uv G eine Stammfunktion von u v, d h uv = uv u v 2 Für a,b I gilt b uv = (uv) b b a u v (94) a a Beweis 1 Sei F u v Dann ist uv F ist differenzierbar mit (uv F) = (uv) F = u v + uv u v = uv Somit gilt uv u v uv, also uv uv u v Sei G uv Dann ist uv + G ist differenzierbar mit ( uv + G) = (uv) + G = u v uv + uv = u v Somit gilt uv uv u v, also uv uv u v und damit die erste Behauptung 2 Die zweite Behauptung folgt mit 1 und dem Hauptsatz

190 9 Eindimensionale Integralrechnung Bemerkung 932 Stammfunktionen bzw Integrale können durch partielle Integration bestimmt werden für: x x n e x, x x n sin x, x x n cos x, x x α lnx, x x n arctanx, x x n arcsin x Für die ersten drei Funktionen wird u(x) = x n verwendet Nach n-maliger partieller Integration entsteht die Aufgabe der Bestimmung von Stammfunktion bzw Integral von exp, sin bzw cos Für die letzten drei Typen verwendet man v (x) = x α bzw v (x) = x n Vereinfachung entsteht hier durch Differentiation der transzendenten Ausdrücke Beispiel 933 Mit u(x) = x, v (x) = cos x und damit u (x) = 1, v(x) = sin x gilt x cos }{{} x dx = (x xsin }{{ x} ) }{{} 1 sin }{{} x dx v (x) u(x)v(x) u (x) v(x) }{{} u(x) Mit u(x) = x, v (x) = sin x und damit u (x) = 1, v(x) = cos x gilt }{{} x sin }{{} x dx = (x } xcos {{ x } ) }{{} 1 ( cos x) dx }{{} u(x) v (x) u(x)v(x) u (x) v(x) und daher: Funktion auf I Stammfunktion auf I x x cos x x xsin x + cos x I = R x x sin x x xcos x + sinx I = R Beispiel 934 Mit u(x) = x 2 und v (x) = cos x und damit u (x) = 2x, v(x) = sin x gilt x 2 cos }{{} x dx = (x } x 2 {{ sin x} ) }{{} 2x sin }{{} x dx v (x) u(x)v(x) v(x) }{{} u(x) u (x) Mit u(x) = 2x und v (x) = sin x und damit u (x) = 2, v(x) = cos x gilt }{{} 2x sin }{{} x dx = (x } 2xcos {{ x } ) }{{} 2 ( cos x) dx }{{} u(x) v (x) u(x)v(x) u (x) v(x) Damit folgt: Funktion auf I Stammfunktion auf I x x 2 cos x x x 2 sin x + 2xcos x 2 sinx I = R x x 2 sin x x x 2 cos x + 2xsin x + 2 cos x I = R 190

191 92 Integrationsmethoden Speziell haben wir π 0 x 2 sin x dx = ( x 2 cos x + 2xsin x + 2 cos x ) x=π x=0 = π = π 2 4 Beispiel 935 Mit u(x) = sin x, v (x) = e x und damit u (x) = cos x, v(x) = e x gilt sin x}{{} dx = (x sin x }{{} u(x) e x v (x) }{{} u(x) }{{} e x v(x) ) cos }{{} x u (x) }{{} e x v(x) Wir wenden erneut partielle Integration an mit u(x) = cos x, v (x) = e x und damit u (x) = sin x, v(x) = e x und erhalten sin xe x dx = (x e x sin x) (x cos x }{{} u(x) }{{} e x v(x) ) + dx ( sin x) }{{} u (x) }{{} e x v(x) dx Damit gilt ( ) x 1 2 ex (sinx cos x) e x sin x dx Mit den entsprechenden Untersuchungen für e x cos xdx erhalten wir: Funktion auf I Stammfunktion auf I x e x sin x x 1 2 ex (sinx cos x) I = R x e x cos x x 1 2 ex (sinx + cos x) I = R Speziell haben wir π π Beispiel 936 Auf R >0 gilt und daher: ( ) e x sin xdx = 1 2 ex x=π (sinx cos x) x= π = 1 ( 2 e π e π) = sinhπ lnxdx = lnx }{{} u(x) 1 }{{} v (x) dx = (x lnx x }{{} u(x) }{{} v(x) ) 1 x }{{} u (x) x }{{} v(x) dx Funktion auf I Stammfunktion auf I x lnx x xlnx x I = R >0 191

192 9 Eindimensionale Integralrechnung Beispiel 937 Mit u(x) = cos x und v (x) = cos x und damit u (x) = sin x, v(x) = sin x gilt cos 2 xdx = cos }{{} xcos }{{} x dx = (x cos }{{} xsin }{{} x) ( sin x) sin }{{}}{{} x dx u(x) v (x) u(x) v(x) u (x) v(x) = (x sin xcos x) + (1 cos 2 x) dx = (x x + sinxcos x) cos 2 xdx und damit Mit sin 2 +cos 2 = 1 folgt: (x 1 2 (x + sin xcos x)) cos 2 xdx Funktion auf I Stammfunktion auf I x cos 2 x x 1 2 (x + sinxcos x) I = R x sin 2 x x 1 2 (x sin xcos x) I = R 923 Die direkte Substitutionsmethode Die Kettenregel für die Differentiation von zusammengesetzten Funktionen führt zu einer Methode der Transformation bestimmter Integrale, der Substitutionsmethode Satz 938 (Direkte Substitution) Seien I und J Intervalle positiver Länge Sei ϕ: I R stetig differenzierbar mit W(ϕ) J und sei f : J R stetig Dann gilt ( ) (f ϕ) ϕ = f ϕ, (95) d h,wenn F : J R eine Stammfunktion zu f ist, so ist F ϕ: I R eine Stammfunktion zu (f ϕ) ϕ 2 Wenn ϕ: [a,b] R stetig differenzierbar mit ϕ([a,b]) [c,d] ist und f : [c,d] R stetig ist, dann gilt b a (f ϕ) ϕ = ϕ(b) ϕ(a) f (96) Beweis 1 : Sei F f Nach der Kettenregel gilt (F ϕ) = (f ϕ) ϕ und daher (f ϕ) ϕ ( f ) ϕ : Sei F f Dann ist F ϕ eine Stammfunktion zu (f ϕ) ϕ Sei G eine beliebige Stammfunktion zu (f ϕ) ϕ Nach Lemma 918 existiert ein C R mit G = F ϕ + C = (F + C) ϕ 192

193 92 Integrationsmethoden Wieder nach Lemma 918 ist auch F +C eine Stammfunktion zu f Damit folgt G ( f) ϕ, also (f ϕ) ϕ ( f ) ϕ 2 Sei F eine Stammfunktion zu f Mit 1 und dem Hauptsatz 924 folgt ϕ(b) ϕ(a) f = F(ϕ(b)) F(ϕ(a)) = F ϕ b b a = (f ϕ) ϕ Bemerkung 939 Beim unbestimmten Integral ist darauf zu achten, dass die Stammfunktion F von f noch mit der Substitution ϕ zu verknüpfen ist Man beachte dies bei der Anwendung von Nachschlagewerken, bei denen dies meist nicht richtig vermerkt ist a Bemerkung 940 Formal kann man sich die direkte Substitution in folgender Weise merken: In b a (f ϕ) ϕ = b a f(ϕ(x)) ϕ (x) dx führen wir die Substitution z = ϕ(x) durch, und dazu ersetzen wir ϕ(x) durch z, ϕ (x) dx durch dz, (formal, da ϕ (x) = dz dx ) a durch ϕ(a), b durch ϕ(b) und erhalten b a (f ϕ) ϕ = ϕ(b) ϕ(a) f(z) dz = ϕ(b) ϕ(a) f Folgerung 941 (Lineare Substitution) Seien c,d R mit c 0 und sei f : D(f) R R stetigsei I ein Intervall positiver Länge, ϕ: I R mit ϕ(x) = cx + d D(f) für x I Dann gilt f(cx + d) dx = 1 f(ϕ(x))ϕ (x) dx = 1 f ϕ auf I c c Wenn zusätzlich [a,b] I gilt, so gilt Speziell gilt: b a f(cx + d) dx = 1 c ϕ(b) ϕ(a) f = 1 c cb+d ca+d f Funktion auf I Stammfunktion auf I x cos(kx + ω) x 1 k sin(kx + ω) I = R, k x sin(kx + ω) x 1 k cos(kx + ω) I = R, k 0 193

194 9 Eindimensionale Integralrechnung Weiter erhalten wir: Funktion auf I Stammfunktion auf I x 1 x a x ln x a a I x 1 (x a) k x 1 1 k (x a)1 k a I, k N >1 Wir erhalten: Für a [A,B] gelten B A B A dx x a = ln x a x=b = ln B a ln A a, x=a dx (x a) k = 1 1 k (x a)1 k x=b x=a = 1 1 k (B a)1 k 1 1 k (A a)1 k für k > 1 Sei ϕ C 1 (I) mit 0 W(ϕ) Mit f : J R mit f(x) = 1 x J = ]0, [ gilt ϕ ( (x) ϕ(x) dx = f(ϕ(x))ϕ (x) dx = für x J und J = ],0[ oder ) f ϕ auf I und daher Wir erhalten: ϕ (x) ϕ(x) dx = ( ) dx ϕ, auf I x Funktion auf I Stammfunktion auf I x ϕ (x) ϕ(x) x ln ϕ(x) I R, ϕ C 1 (I), 0 W(ϕ) Wegen tanx = sin x cos x und cos = sin, erhalten wir: Funktion auf I Stammfunktion auf I x tanx x ln cos(x) (2k + 1)π 2 I,k Z Weiter haben wir mit ϕ(x) = x 2 + 2ax + b: Funktion auf I x Stammfunktion auf I 2x+2a x 2 +2ax+b x ln x 2 + 2ax + b x 2 + 2ax + b 0 für x I 194

195 92 Integrationsmethoden Wir erhalten: B A 2x + 2a x 2 + 2ax + b dx = ln B2 + 2aB + b ln A 2 + 2aA + b, wenn x 2 + 2ax + b auf [A,B] keine Nullstelle hat Sei α R \ { 1}, ϕ C 1 (D), W(ϕ) R >0 Mit f : R >0 R mit f(x) = x α für x > 0 gilt ( ) ϕ(x) α ϕ (x) dx = f(ϕ(x))ϕ (x) dx = f ϕ und daher: Speziell gilt: Funktion auf I Stammfunktion auf I x ϕ α (x)ϕ (x) x 1 α+1 ϕ(x)α+1 I R, ϕ C 1 (I), W(ϕ) R >0 für α R \ Z, W(ϕ) R \ {0} für α Z < 1 W(ϕ) R für α N Funktion auf I Stammfunktion auf I x (ln x)α x x 1 α+1 (lnx)α+1 I = R >0 für α R \ Z, I = R >0 oder I = R <0 für α Z < 1 I = R für α N x (sinhx) α cosh x x 1 α+1 (sinhx)α+1 I = R >0 für α R \ Z, I = R >0 oder I = R <0 für α Z < 1 I = R für α N x (cosh x) α sinhx x 1 α+1 (cosh x)α+1 I = R für α R \ { 1} x 2x+2a x 1 (x 2 +2ax+b) k 1 k (x2 +2ax+b) 1 k x 2 + 2ax + b 0 für x I, k N >1 Wir erhalten: B A 2x + 2a (x 2 + 2ax + b) k dx = 1 1 k (B2 +2aB +b) 1 k 1 1 k (A2 +2aA+b) 1 k für k N >1, wenn x 2 + 2ax + b auf [A,B] keine Nullstelle hat 195

196 9 Eindimensionale Integralrechnung 93 Integration rationaler Funktionen 931 Rationale Funktionen Vorgegeben sei eine gebrochen rationale Funktion f = p q Als erstes können wir mit dem Hilfsmittel der Polynomdivision dafür sorgen, dass wir uns nur um den Fall der rationalen Funktionen kümmern müssen, bei dem Grad von p kleiner als Grad von q gilt Ist nämlich der Grad von p nicht kleiner als der von q, so kann f in die Form f = h+ r q gebracht werden kann, wobei h, r Polynome sind bei denen h kleineren Grad als p und r kleineren Grad als q hat Folgerung 942 Soll die Funktion f integriert werden, so kann stattdessen h + r q integriert werden, wobei eine Stammfunktion von h leicht angegeben und eine solche von r q (auf geeigneten Intervallen) gegebenenfalls mit anderen Mitteln berechnet werden kann Beispiel 943 Wir betrachten x 2 x 1 dx auf I mit 1 I Polynomdivision ergibt und daher x 2 x 1 dx = (x + 1) dx + x 2 x 1 = x x 1 ( 1 x 1 dx x 1 ) 2 x2 + x + ln x 1 auf I Es habe nun p kleineren Grad als q Beispiel 944 Berechnet werden soll 1 1 dx auf I mit 1,1 I Wir wollen f(x) = x 2 1 x 2 1 umformen, um es leichter integrieren zu können Es gilt 1 1 x 2 1 = 2 (x + 1) 1 2 (x 1) (x + 1) (x 1) = x x + 1 In dieser Form ist eine Stammfunktion für f leicht ermittelt: 1 x 2 1 dx = x 1 dx 1 1 ( ) 2 x + 1 dx x 1 2 ln x ln x + 1 auf I Im Beispiel konnte das Integral deswegen berechnet werden, weil es uns gelungen war, die zu integrierende rationale Funktion als Linearkombination einfacherer rationaler Bausteinfunktionen umzuschreiben 196

197 93 Integration rationaler Funktionen 932 Partialbruchzerlegung Satz 945 (Reelle Partialbruchzerlegung) Es sei f : D(f) R R eine rationale Funktion mit f = p q mit Polynomen p, q mit reellen Koeffizienten und Grad von p kleiner Grad von q Sei weiter q in folgender Weise faktorisiert: r c q(x) = (x x i ) λi (x 2 + a i x + b i ) µ i mit i=1 i=1 r c λ i + 2 µ i = Grad von q i=1 i=1 und a 2 i < 4b i für i = 1,,c, dh, x i sei λ i -fache reelle Nullstelle von q, und x 2 + a i x + b i habe keine reelle Nullstelle Dann existieren eindeutig bestimmte Zahlen A i,k R für k = 1,,λ i, i = 1,,r und eindeutig bestimmte Zahlen B i,k,c i,k R für k = 1,,µ i, i = 1,,c mit f(x) = r λ i i=1 k=1 A i,k c (x x i ) k + µ i i=1 k=1 B i,k x + C i,k (x 2 + a i x + b i ) k für x D(f) (97) Beispiel Für q(x) = (x 1) 3 (x 2) und Grad von p kleiner 4 ist 1 dreifache Nullstelle und 2 einfache Nullstelle Wir haben daher A 1,1, A 1,2, A 1,3 und A 2,1 zu bestimmen mit p(x) (x 1) 3 (x 2) = A 1,1 x 1 + A 1,2 (x 1) 2 + A 1,3 (x 1) 3 + A 2,1 x 2 2 Für q(x) = (x 1) 2 (x 2 + 1) 2 und Grad von p kleiner 6 ist 1 zweifache Nullstelle und x ist (im Reellen) nullstellenfrei Wir haben daher A 1,1, A 1,2, B 1,1, C 1,1, B 1,2 und C 1,2 zu bestimmen mit p(x) (x 1) 2 (x 2 + 1) 2 = A 1,1 x 1 + A 1,2 (x 1) 2 + B 1,1x + C 1,1 x 2 + B 1,2x + C 1,2 + 1 (x 2 + 1) 2 Berechnung der Koeffizienten: Nach entsprechendem Ansatz multipliziert man die Ansatzgleichungen mit dem Hauptnenner q und erhält eine Polynomgleichung Anschließend können lineare Gleichungen zur Berechnung der Parameter durch Koeffizientenvergleich in der Polynomgleichung ermittelt werden Das entstehende Gleichungssystem ist nach Satz 945 eindeutig lösbar Wesentlich effektiver als der reine Koeffizientenvergleich zur Berechnung der Parameter ist, geeignete Zahlenwerte, insbesondere die reellen Nullstellen von q, einzusetzen Dadurch gelingt es, durch Einsetzen der Nullstelle x i den Parameter A i,λi direkt zu bestimmen Beispiel 947 Für x + 1 (x 1) 3 (x 2) = A 1,1 x 1 + A 1,2 (x 1) 2 + A 1,3 (x 1) 3 + A 2,1 x 2 finden wir durch Multiplikation mit dem Nenner (x 1) 3 (x 2) x + 1 = A 1,1 (x 1) 2 (x 2) + A 1,2 (x 1)(x 2) + A 1,3 (x 2) + A 2,1 (x 1) 3 197

198 9 Eindimensionale Integralrechnung Einsetzen von x = 1 liefert Einsetzen von x = 2 liefert 2 = A 1,3 ( 1), also A 1,3 = 2 A 2,1 = 3 Verbleiben noch A 1,1 und A 1,2 Einsetzen von x = 0 liefert also Einsetzen von x = 3 liefert also 1 = A 1,1 ( 2) + A 1,2 ( 1)( 2) + ( 2)( 2) + 3( 1) 3, Die Gleichungen (98) und (99) ergeben A 1,1 A 1,2 = 0 (98) 4 = A 1, A 1,2 2 + ( 2) , 2A 1,1 A 1,2 = 9 (99) A 1,1 = A 1,2 = 3 Damit haben wir x + 1 (x 1) 3 (x 2) = 3 x 1 3 (x 1) 2 2 (x 1) x 2 Man kann auch Koeffizientenvergleich und Einsetzen von Zahlenwerten mischen, wie das folgende Beispiel zeigt: Beispiel 948 Wir betrachten Ausmultiplizieren mit dem Nenner liefert x 1 (x + 1)(x 2 + 1) = A 1,1 x B 1,1x + C 1,1 x x 1 = A 1,1 (x 2 + 1) + (B 1,1 x + C 1,1 )(x + 1) Einsetzen von x = 1 liefert 2 = 2A 1,1 und damit A 1,1 = 1 Somit haben wir Durch Koeffizientenvergleich finden wir x 1 = x B 1,1 x 2 + B 1,1 x + C 1,1 x + C 1,1 x 0 : 1 = 1 + C 1,1, x 1 : 1 = B 1,1 + C 1,1, x 2 : 0 = 1 + B 1,1 Die erste Gleichung liefert C 1,1 = 0, die zweite B 1,1 = 1 und die dritte (erneut) B 1,1 = 1 Damit haben wir x 1 (x + 1)(x 2 + 1) = 1 x x x

199 93 Integration rationaler Funktionen Bemerkung 949 Das beim Koeffizientenvergleich entstehende Gleichungssystem ist im allgemeinen überbestimmt, muss aber eindeutig lösbar sein Man sollte immer alle entstehenden Gleichungen betrachten (und nicht wie es hier möglich wäre nur die ersten beiden) Sollte das Gleichungssystem dann nämlich nicht eindeutig lösbar sein, dann muss irgendwo ein Fehler gemacht worden sein! Weitere Varianten zur Berechnung der Koeffizienten nutzen die Differentiation beider Seiten der Polynomgleichung Hiermit können Koeffizienten zur Nullstellen höherer Ordnung ebenfalls durch Einsetzen der Nullstelle bestimmt werden Man kann auch komplexe Nullstellen von q einsetzen Wie oben erhält man dann je zwei Parameter durch Vergleich der Realund Imaginärteile 933 Integration der Partialbrüche Für alle in einer Partialbruchzerlegung auftretenden Partialbrüche sollen nun Stammfunktionen angegeben werden Die Formeln können (mehr oder weniger aufwendig) mit Hilfe von partieller Integration und Substitution nachgerechnet werden: Funktion auf I Stammfunktion auf I x 1 x a x ln x a a I x 1 x 1 1 (x a) k 1 k a I, k N (x a) k 1 >1 x x 2x+2a x 2 +2ax+b x ln x 2 + 2ax + b I = R, a 2 < b 2x+2a x 1 (x 2 +2ax+b) k 1 k (x2 + 2ax + b) 1 k I = R, a 2 < b, k N >1 x 1 x x ax+b b a arctan x+a 2 b a 2 2(k 1)(b a2 )(x2 +2ax+b) k 1 + (2k 3) 2(k 1)(b a 2 ) x+a x 1 x (x 2 +2ax+b) k I = R, a 2 < b dx I = R, a 2 < b, k N >1 (x 2 +2ax+b) k 1 Beispiel 950 Sei I ein Intervall positiver Länge, welches 1 nicht enthält Auf I gilt dann 4x 3 + 4x 2 7x (x 1) 2 (x 2 dx = + 1) 2 x 1 dx (x 1) 2 dx + x x dx = x 1 dx 1 +3 (x 1) }{{} 2 dx + 1 2x 4 x }{{} dx x }{{} dx }{{} i 1 i 2 i 3 i 4 i 1 hat die in der Tabelle in der ersten Zeile angegebene Form mit a = 1 Daher gilt (x ln x 1 ) i 1 199

200 9 Eindimensionale Integralrechnung i 2 hat die in der Tabelle in der zweiten Zeile angegebene Form mit a = 1 und k = 2 Daher gilt (x 1 x 1 ) i 2 i 3 hat die in der Tabelle in der dritten Zeile angegebene Form mit a = 0 und b = 1 Damit erhalten wir (x ln x ) i 3 i 4 hat die in der Tabelle in der fünften Zeile angegebene Form mit a = 0 und b = 1 Daher gilt (x arctanx) i 4 Zusammengefasst haben wir (x ln x 1 x ln x x 3 2 arctanx) + 4x 2 7x + 5 (x 1) 2 (x 2 dx auf I + 1) 94 Anwendungen in den Wirtschaftswissenschaften 941 Gesamtgewinn Die Grenzkosten k(x) und der Grenzerlös e(x) für x Einheiten eines Produktes sind die ersten Ableitungen der Kostenfunktion K bzw der Erlösfunktion E an der Stelle x, d h es gilt K (x) = k(x) und E (x) = e(x) Der Gesamtgewinn G(x) ergibt sich als Integrals über die Differenz von e und k, Wegen G (x) = d dx G(x) = x 0 x 0 (e(t) k(t))dt (e(t) k(t))dt = e(x) k(x) ist die Bedingung e(x) = k(x) (d h Grenzkosten und Grenzerlös sind gleich) eine notwendige Bedingung für ein Minimum der Gewinnfunktion 942 Konsumentenrente Es sei p eine monoton fallende Nachfragefunktion, dh p(x) sei die Nachfrage nach der Stückmenge x Stellt sich durch Marktmechanismen ein Gleichgewichtspunkt (x 0,p 0 ) mit p 0 = p(x 0 ) ein, so ergibt sich: 200

201 94 Anwendungen in den Wirtschaftswissenschaften Der tatsächliche Gesamterlös ist in diesem Fall E 0 = x 0 p 0 Diejenigen Nachfrager, die auch einen höheren Preis p > p 0 für das Erzeugnis bezahlt hätten, sparen pro Einheit von x die Differenz p p 0 Der theoretisch mögliche Gesamterlös ist Die Zahl E = x0 0 p(x) dx E ergibt sich, wenn man annimmt, dass jeder Nachfrager den Preis zahlt, den er als den für sich höchstmöglichen Preis ansieht, bevor er also auf den Kauf des Erzeugnisses verzichtet K R (x 0 ) = E E 0 = x0 0 p(x) dx x 0 p 0 heißt Konsumentenrente für den Gleichgewichtspunkt (x 0,p 0 ) Die Konsumentenrente ist also die Differenz zwischen dem theoretisch möglichen und dem tatsächlichen Gesamterlös, d h aus Sicht des Verbrauchers die (eingesparte) Differenz zwischen theoretisch möglichen und tatsächlichen Gesamtausgaben Die Konsumentenrente erweist sich als ein Maß für die Vorteilhaftigkeit eines Kaufs im Gleichgewichtspunkt 943 Produzentenrente Es seien P A eine monoton wachsenden Angebotsfunktion und P N eine monoton fallende Nachfragefunktion, d h P A (x) und P N (x) sind Angebot bzw Nachfrage nach der Stückmenge x Der Marktgleichgewichtspunkt (x 0,p 0 ) ergibt sich dann durch die Bedingung Daraus folgt: P A (x 0 ) = P N (x 0 ) =: p 0 Der tatsächlich erzielte Umsatz ist in diesem Fall E 0 = x 0 p 0, da alle Anbieter mit Preis p 0 auf dem Markt auftreten Diejenigen Anbieter, die das Erzeugnis auch für einen niedrigeren Preis p < p 0 angeboten hätten, erzielen pro verkaufter Einheit von x die Differenz p 0 p als Zusatzgewinn 201

202 9 Eindimensionale Integralrechnung Der theoretisch mögliche Gesamterlös ist Die Zahl E = x0 0 P A (x) dx E ergibt sich, wenn man annimmt, dass jeder Anbieter zu dem Preis verkauft, den er als den für sich niedrigstmöglichen Preis ansieht, bevor er also (bei fallendem Preis) aus dem Markt austritt x0 P R (x 0 ) = E 0 E = x 0 p 0 P A (x) dx 0 heißt die Produzentenrente für den Gleichgewichtspunkt (x 0,p 0 ) Die Produzentenrente ist also die Differenz zwischen dem tatsächlichen und de theoretischen Gesamterlös, d h aus Sicht der Produzenten ein Zusatzgewinn Sie erweist sich als ein Maß für die Vorteilhaftigkeit eines Verkaufs (erst) im Gleichgewichtspunkt 95 Uneigentliche Integrale Definition 951 Es sei f : R R eine stetige Funktion Dann heißt der Grenzwert b lim b a f(x) dx =: a f(x) dx bzw lim a b a f(x) dx =: b f(x) dx, falls er existiert, das uneigentliche Integral von f über [a, [ bzw ],b] Existieren für ein a R die beiden uneigentlichen Integrale a f(x) dx und a f(x) dx so definiert man f(x) dx := a f(x) dx + a f(x) dx Beispiel 952 Es gelten: 1 b dx dx = lim ( 1 x2 b 1 x 2 = lim 1b ) + 1 = 1, b 0 0 4e 2x dx = lim 4 e 2x dx = lim a a 2e2x x=0 x=a = lim (2 a 2e2a ) = 2, e x dx = lim a a 0 a e x dx + lim b b 0 e x dx = lim a a 0 e x dx + lim b = lim a ex x=0 x=a + lim b ex x=0 x=b = lim a (1 ea ) + lim b ( e b + 1) = 2 b 0 e x dx 202

203 10 Mehrdimensionale Differentialrechnung 101 Grundlagen 1011 Skalar- und Vektorfunktionen Eine Funktion f : D(f) R R ordnet jeder reellen Zahl x D(f) eine reelle Zahl f(x) zu Nun betrachten wir Funktionen, bei denen die unabhängige Variable und eventuell auch die abhängige Variable n-tupel sind Definition 101 Seien n N >0 und m N >1 Man nennt f : D(f) R n R f : D(f) R n R m Skalarfunktion, Vektorfunktion Abkürzend sagt man in beiden Fällen auch wieder Funktion Die Funktion f : D(f) R n R ordnet also jedem n-dimensionalen Spaltenvektor oder n-tupel x D(f) die reelle Zahl zu Man sagt daher auch, dass f(x) = f((x 1,,x n )) =: f(x 1,,x n ) f : D(f) R n R, (x 1,,x n ) f(x 1,,x n ) eine Funktion der n unabhängigen Variablen x 1,,x n ist Eine Vektorfunktion f : D(f) R n R m ist somit darstellbar als f(x) = f 1 (x 1,,x n ) f m (x 1,,x n ), wobei f i : D(f) R n R die Koordinatenfunktionen von f sind Bemerkung 102 Wir verzichten auf eine besondere Kennzeichnung von mehrdimensionalen Vektoren Ob eine Funktion Vektorfunktion oder eine Funktion mehrerer Variabler ist, sieht man an der Definition der Funktion 203

204 10 Mehrdimensionale Differentialrechnung Der Graph einer Skalarfunktion f : D(f) R 2 R, graph(f) = {(x,y, z) R 3 : (x,y) D(f), z = f(x,y)}, kann häufig als Fläche F im x,y, z-raum interpretiert werden Die Mengen N a = {(x,y) D(f): f(x,y) = a} stellen im regulären Fall Niveaulinien oder Höhenlinien zum Niveau a dar z y D(f) graph(f) x Beispiel 103 Für die Funktion f : D(f) = R 2 R mit f(x,y) = x 2 + 4y 2 gilt W(f) = [0, + [ Die Niveaulinie zum Niveau a ist die Menge N a = {(x,y) R 2 : x 2 + 4y 2 = a} Wir haben N 0 = {(0,0)}, N a = für a < 0 Für a > 0 ist N a eine Ellipse mit den Halbachsen a und a/2 Ferner sind die Schnitte von graph(f) mit (zur x,z-ebene parallelen) Ebenen y = c die Parabeln z = x 2 + 4c 2 Man nennt graph(f) daher elliptisches Paraboloid 1012 Stetigkeit ( ) Definition 104 Eine Folge (x m ) m N mit x m = x (m) 1,,x n (m) R n heißt konvergent ( ) mit dem Grenzwert x 0 = x (0) 1,,x(0) n R n falls lim x m x 0 = 0 m Schreibweise: lim x m = x 0 m Definition 105 Eine Funktion f : D(f) R R heißt stetig in einem Punkt x 0 = (x (0) 1,,x(0) n ) D(f), falls lim m f(x m ) = f(x 0 ) für jede Folge von Punkten (x m ) m N D(f) mit lim x m = x 0 gilt Die Funktionf heißt stetig, falls f in allen Punkten x D(f) m stetig ist 204

205 102 Differenzierbarkeit Beispiel 106 Wir untersuchen die Stetigkeit von f : R 2 R, f(x 1,x 2 ) = x x 2 2 in x 0 = (1,2) stetig Es sei (x m ) m N mit x m = (x (m) mit lim x m = x 0 Wegen m gilt dann 1,x (m) 2 ) eine beliebige konvergente Folge lim x m x 0 = 0 lim m m x(m) 1 = 1 lim m x(m) 2 = 2 lim m f(x(m) 1,x (m) 2 ) = lim m ( x (m) 1 ) 2 + lim m ( x (m) 2 ) 2 = = 5 = f(1,2), d h f ist im Punkt x 0 = (1,2) stetig Man kann zeigen, dass f für alle x R 2 stetig ist Beispiel 107 Sei f : R 2 R mit f(x,y) = Wegen ist f in (0,0) nicht stetig lim f(ξ,ξ) = 1 ξ 0 2 lim f(ξ, ξ) = 1 ξ 0 2 xy x 2 +y 2 für (x,y) (0,0), und f(0,0) = Differenzierbarkeit 1021 Ableitungsbegriff Wir wollen den Ableitungsbegriff auf Abbildungen f : D(f) R n R m mit n 1 oder m 1 verallgemeinern, so dass möglichst viele der Eigenschaften der skalaren Ableitung dabei erhalten bleiben Definition 108 Der Punkt x 0 D R n heißt innerer Punkt von D, wenn es ein ε > 0 derart gibt, dass x D für alle x R n mit x x 0 < ε gilt Die Menge D R n heißt offen, wenn sie nur aus inneren Punkten besteht Definition 109 Eine Abbildung L: R n R m heißt linear, wenn L(αx+βy) = αlx+βly für alle x,y R n, α, β R gilt Satz 1010 Eine Abbildung L: R n R m ist genau dann linear, wenn eine Matrix A R m n existiert mit Lx = A x für alle x R n 205

206 10 Mehrdimensionale Differentialrechnung Definition 1011 Die Abbildung f : D(f) R n R m heißt differenzierbar in x 0 D(f), wenn x 0 innerer Punkt von D(f) ist und wenn eine lineare Abbildung L: R n R m und eine Abbildung R: R n R m existieren mit R(h) f(x 0 + h) = f(x 0 ) + L(h) + R(h) für x 0 + h D(f), lim = 0 h 0 h Die von x 0 abhängige lineare Abbildung L heißt (Fréchet-)Ableitung oder totale Ableitung von f in x 0 und wird mit f (x 0 ) bezeichnet, d h f (x 0 ) = L Definition 1012 Die nach Satz 1010 zu f (x 0 ) gehörende Matrix J f (x 0 ) heißt Jacobi- Matrix zu f an der Stelle x 0 Anstelle von f (x 0 ) können wir also auch J f (x 0 ) bestimmen Definition 1013 Die Abbildung f : D(f) R n R m heißt differenzierbar auf M D(f), wenn f in jedem Punkt x 0 M differenzierbar ist f heißt differenzierbar, wenn f auf D(f) differenzierbar ist Satz 1014 Sei f : D(f) R n R m differenzierbar in x 0 D(f) Dann ist f in x 0 stetig 1022 Partielle Ableitungen von Skalarfunktionen Sei f : D(f) R n R In vielen Fällen interessiert uns nicht die volle lineare Approximierbarkeit von f bei einer Stelle x 0 D(f) sondern nur bei x 0 in vorgegebenen Richtungen r R n, r = 1 Spezielle Richtungsableitungen sind die partiellen Ableitungen als Richtungsableitungen in Koordinatenrichtung: Definition 1015 Existiert der Grenzwert i f(x 0 ) = d dτ f(x1 0,,x i 1 0,τ, x i+1 0,,x n 0) 1 τ=x i = lim 0 τ 0 τ [f(x 0 + τe i ) f(x 0 )], so heißt er partielle Ableitung von f in x 0 nach der i-ten Variablen Bemerkung 1016 Sei f : D(f) R n R Die partielle Ableitung i f(x 0 ) erhält man also dadurch, dass man die Koordinaten x k mit k i fixiert, x k = x k 0, und nur xi variiertsie werden also unter Festhalten der anderen Koordinaten wie die skalare Ableitung berechnet 206

207 102 Differenzierbarkeit Bemerkung 1017 Für n = 2 schreibt man z B auch Analog wird in R 3 verfahren 1 f(x,y) = x f(x,y) = f x(x,y) = d dτ f(τ,y) τ=x, Beispiel 1018 Für f : R 2 R mit f(x,y) = x 3 cos y gilt 1 f(x,y) = x f(x,y) = 3x2 cos y, 2 f(x,y) = y f(x,y) = x3 sin y Definition 1019 Sei f : D(f) R n R in x 0 D(f) partiell nach allen Variablen differenzierbar Dann heißt der aus den partiellen Ableitungen gebildete Vektor Gradient von f in x 0 gradf(x 0 ) := f(x 0 ) := ( 1 f(x 0 ),, n f(x 0 )) Beispiel 1020 Für f : R 2 R mit f(x,y) = sin x+cos y gilt gradf(x,y) = (cos x, sin y) Satz 1021 Sei die Vektorfunktion f : D(f) R n R m in x 0 D(f) differenzierbar Dann existieren die partiellen Ableitungen i f k (x 0 ) der Koordinatenfunktionen f k von f in x 0 und für die Jacobi-Matrix gilt J f (x 0 ) := 1 f 1 (x 0 ) n f 1 (x 0 ) 1 f m (x 0 ) n f m (x 0 ) = gradf 1 (x 0 ) gradf m (x 0 ) Beispiel 1022 Sei f : R 2 R 3 mit f(x,y) = (sin(xy),2x 2 + y, xy 2 ) Dann gilt y cos(xy) x cos(xy) J f (x,y) = 4x 1 y 2 2xy Beispiel 1023 Sei f : D(f) R 2 R 2 mit D(f) = ]0, [ ]0,2π[ und f(r, ϕ) = (r cos ϕ, r sin ϕ) Dann gilt ( ) cos ϕ r sin ϕ J f (r, ϕ) = sin ϕ r cos ϕ 1023 Differenzierbarkeit und partielle Ableitungen Beispiel 1024 Wir betrachten erneut f : R 2 R mit f(x,y) = xy für (x,y) (0,0), x 2 +y 2 und f(0,0) = 0 Wie in Beispiel 107 bemerkt, ist f nicht stetig in (0,0) Es gelten jedoch f(ξ,0) = f(0,ξ) = f(0,0) = 0 und daher existieren die partiellen Ableitungen 1 f(0,0) = 2 f(0,0) = 0 207

208 10 Mehrdimensionale Differentialrechnung Die Existenz aller partieller Ableitungen i f(x 0 ), i = 1,,n, in einem Punkt x 0 enthält nur geringe Information über das Verhalten von f in der Umgebung von x 0 : Bemerkung 1025 Aus der Existenz aller partieller Ableitungen (im Unterschied zur Differenzierbarkeit) folgt nicht die Stetigkeit in x 0 und somit erst recht nicht die Differenzierbarkeit Wir brauchen also mehr als nur partielle Differenzierbarkeit Definition 1026 Wir nennen f stetig partiell differenzierbar, wenn alle partiellen Ableitungen 1 f k (x),, n f k (x) der Koordinatenfunktionen für alle x D(f) existieren und stetig von x abhängen Wir nennen f stetig differenzierbar, wenn f differenzierbar ist und wenn die Ableitungsfunktion x f (x) in folgendem Sinne stetig ist: Für jedes x D(f) und jedes ε > 0 existiert ein δ > 0 mit f (x)(h) f (y)(h) < ε für alle y D(f) mit x y < δ und alle h R n mit h 1 Satz 1027 Sei f : D(f) R n R m mit offenem D(f) Ist f in x 0 stetig partiell differenzierbar, so ist f in x 0 differenzierbar f ist stetig partiell differenzierbar genau dann, wenn f stetig differenzierbar ist Bemerkung 1028 Die äquivalenten Begriffe stetig partiell differenzierbar oder stetig differenzierbar sind also die für die mehrdimensionale Differentialrechnung angepassten Begriffe Bezeichnung: Sei D R n offen Die Menge aller stetig (partiell) differenzierbaren Funktionen f : D R n R m wird mit C 1 (D, R m ) bezeichnet 1024 Algebraische Eigenschaften der Ableitung Ähnlich zum skalaren Fall gilt: Satz 1029 (Rechenregeln) Seien f,g: D R n R m in x 0 D differenzierbar Dann gelten: 1 (αf + βg) (x 0 ) = αf (x 0 ) + βg (x 0 ) für α, β R (Linearität); 2 (fg) ( ) (x 0 ) = g(x 0 )f (x 0 ) + f(x 0 )g (x 0 ), wenn m = 1 (Produktregel); f 3 (x 0 ) = g(x 0)f (x 0 ) f(x 0 )g (x 0 ) g g(x 0 ) 2, wenn m = 1 und g(x) 0 in einer Umgebung von x 0 (Quotientenregel) 208

209 103 Geometrische Interpretationen Satz 1030 (Kettenregel) Sei f : D R n R m differenzierbar im inneren Punkt x 0 von D Sei weiter g: E R m R k differenzierbar im inneren Punkt f(x 0 ) von E Dann ist g f in x 0 differenzierbar und es gelten (g f) (x 0 ) = g (f(x 0 )) f (x 0 ), J g f (x 0 ) = J g (f(x 0 )) J f (x 0 ) Beispiel 1031 Seien f : R 2 R und g: D(g) R 2 R 2 mit D(g) = ]0, [ ]0,2π[ und f(x,y) = e xy, g(r, ϕ) = (r cos ϕ, r sin ϕ) Gesucht ist die Jacobi-Matrix zu f g an einer Stelle (r, ϕ) Es gilt (siehe Beispiel 1023) ( ) J f (x,y) = (ye xy xe xy cos ϕ r sin ϕ ) und J g (r, ϕ) = sin ϕ r cos ϕ Da f und g stetig differenzierbar sind, folgt damit J f g (r, ϕ) = J f (g(r, ϕ)) J g (r, ϕ) = (r sin ϕe r2 sin ϕ cos ϕ ( r cos ϕe r2 sin ϕ cos ϕ cos ϕ r sin ϕ ) sin ϕ r cos ϕ = r 2 e r2 sin ϕ cos ϕ (2 sinϕcos ϕ cos 2 ϕ sin 2 ϕ) = r 2 e 1 2 r2 sin 2ϕ (sin2ϕ cos 2ϕ) Man kann hier das Ergebnis natürlich auch direkt durch (f g)(r, ϕ) = e r2 sin ϕ cos ϕ erhalten ) Satz 1032 Eine Funktion, die aus differenzierbaren Funktionen nur durch Addition, Subtraktion, Multiplikation, Division und Verkettung entsteht, ist in allen inneren Punkten ihres Definitionsbereich differenzierbar 103 Geometrische Interpretationen 1031 Tangentialhyperebene und Normalenvektor Sei f : D(f) R n R Weiter sei f differenzierbar im inneren Punkt x 0 von D(f) Wir betrachten die Mengen {( ) T f (x 0 ) := x 0 + h, f(x 0 ) + gradf(x 0 ) h : h R n} und graphf = {(x,f(x)): x D(f)} Für n = 1 stellt T f (x 0 ) eine Gerade und graphf eine Kurve im R 2 dar Für n = 2 ist T f (x 0 ) eine Ebene und graphf eine Fläche im R 3 209

210 10 Mehrdimensionale Differentialrechnung Satz 1033 Die Mengen T f (x 0 ) und graphf berühren sich in (x 0,f(x 0 )) mit der Ordnung 1, d h ( ) f(x 0 + h) f(x 0 ) + gradf(x 0 ) h = R(h) für x D mit R(h) h 0 für h 0 Für jedes h R n liegt damit der Vektor ( h, gradf(x 0 ) h ) parallel zu T f (x 0 ) Beweis Die erste Aussage folgt unmittelbar aus der Definition der Ableitung als lineare Approximation Die zweite Aussage ist offensichtlich Definition 1034 Die Menge T f (x 0 ) heißt Tangentialhyperebene an die Hyperfläche graphf im Punkt (x 0,f(x 0 )) Jeder Vektor ( h, gradf(x 0 ) h ) mit h R n heißt Tangentialvektor an graphf im Punkt (x 0,f(x 0 )) Bemerkung 1035 Für n = 1 bzw n = 2 heißt die Tangentialhyperfläche T f (x 0 ) auch Tangente bzw Tangentialebene Offensichtlich steht der Vektor n = ( gradf(x 0 ),1) senkrecht auf allen Tangentialvektoren ( h, gradf(x 0 ) h ) und damit auf der Tangentialebene und heißt Normalenvektor f(x 0 ) + gradf(x 0 ) h f(x 0 ) ( gradf(x 0 ),1) 1 gradf(x 0 ) x 0 T f (x 0 ) graph f x 0 + h Lemma 1036 Der Vektor n = ( gradf(x 0 ),1) ist Normalenvektor an die Tangentialhyperebene in (x 0,f(x 0 )) Beispiel 1037 Wir betrachten f(x,y) = 4x 2 3y auf D = R 2 in ( 1,3) Es gilt 1 f( 1,3) = 8, 2 f( 1,3) = 18, so dass n = (8,18,1) Normalenvektor an die Tangentialhyperebene in ( 1,3,f( 1,3)) ist Wegen n = = 389, ist n 0 = (8,18,1) Normaleneinheitsvektor 210

211 103 Geometrische Interpretationen 1032 Richtung des steilsten Anstieges Satz 1038 Sei f : D(f) R n R in x 0 D(f) differenzierbar Der Gradient von f in x 0 zeigt in Richtung des stärksten Anstieges von f in x 0 Beispiel 1039 Man finde die Richtung, in der f(x,y) = 4x 2 3y am stärksten im Punkt (1, 1) wächst Es gilt 1 f(1,1) = 8, 2 f(1,1) = 6 und daher gradf(1,1) = (8, 6) 1 In Richtung (8, 6) = ( 8 10, 6 10 ) tritt also der stärkste Anstieg von f in (1,1) auf 1033 Notwendige Bedingungen für lokale Extrema Definition 1040 Die Abbildung f : D(f) R n R hat bei x 0 D(f) ein lokales Minimum ( Maximum), wenn eine Umgebung U von x 0 existiert mit f(x) f(x 0 ) (f(x) f(x 0 )) für alle x U D(f) Ein lokales Extremum ist ein lokales Minimum oder Maximum f hat bei x 0 ein strenges Minimum (Maximum), wenn f(x) > f(x 0 ) (f(x) < f(x 0 )) in einer Umgebung von x 0 gilt Satz 1041 (Satz von Fermat) Sei f : D(f) R n R, x 0 D(f) innerer Punkt von D(f), und sei f in x 0 partiell differenzierbar Dann gilt: f hat in x 0 lokales Extremum gradf(x 0 ) = 0 Bemerkung 1042 Wenn x 0 kein innerer Punkt ist, muss die Behauptung nicht gelten! Betrachte z B x x 2 auf [ 1,1] Es liegen lokale Maxima in 1 und 1 vor, aber die Ableitung verschwindet dort nicht

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